Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.07.2019, Az. 4 AZR 312/18

4. Senat | REWIS RS 2019, 5852

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Gegenstand

Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifvertrag - rechtsgeschäftlicher Inhalt eines an den Arbeitnehmer gerichteten Schreibens


Tenor

I. Auf die Revisionen der Beklagten zu 1. und 2. wird - unter deren Zurückweisung im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2017 - 13 [X.]/17 - teilweise aufgehoben.
II. Auf die Berufungen der Beklagten zu 1. und 2. wird - unter deren Zurückweisung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Mai 2017 - 6 [X.] - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten zu 1. und 2. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 617,14 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 150,00 Euro seit dem 23. Juli 2016 und aus 467,14 Euro seit dem 25. April 2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 91,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. April 2017 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Gerichtskosten zu 68 %, die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu 30 % und die Beklagte zu 2. zu weiteren 2 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. hat der Kläger 80 % zu tragen, die Beklagten zu 1. und 2. von denen des Klägers als Gesamtschuldner 30 % und die Beklagte zu 2. weitere 2 %. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Anwendung der Abkommen über die [X.] in der Metall- und Elektroindustrie [X.] auf ihr Arbeitsverhältnis sowie über daraus resultierende Entgeltansprüche.

2

Der Kläger war seit 1979 bei der Firma [X.] beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 15. November 1979 heißt es [X.].:

        

„1.     

Wir stellen sie zum 13.11.1979 mit einem Einstell-Lohn von DM 5,00 pro [X.]tunde als Helfer mit einer Probezeit von 8 Wochen bei 2täglicher Kündigung ein. Ihre Einstufung ist die Tarifgruppe 3 bei einem Tariflohn von 4,41 DM/[X.]td.

                 

…       

        

4.    

Für das Arbeitsverhältnis gelten die Bestimmungen der Mantel- und Rahmentarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie [X.]. …“

3

Die Firma [X.] war zu diesem Zeitpunkt kraft Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie [X.] gebunden. Am 27. Febr[X.]r 2004 schloss die nunmehr als [X.] KG firmierende Arbeitgeberin mit der [X.] einen Haustarifvertrag ([X.]), der [X.]. folgende Bestimmungen enthält:

        

„1.     

…       

                 

Es gelten die jeweiligen Lohn- und Gehaltsabkommen für die Metall- und Elektroindustrie NRW mit der Maßgabe, dass die dort angegebenen Monatslöhne und Gehälter für die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 [X.]tunden gezahlt werden.

        

…       

        
        

4.    

Es besteht Einigkeit, dass anstelle des [X.] und der Absicherung eines Teiles des 13. [X.] eine Gesamtzahlung in Höhe von 2.000,-- € erfolgt. Der Betrag wird hälftig im Mai und November gezahlt. Abweichende Vereinbarungen können durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden. Auszubildende erhalten einen Betrag von 700,-- €. Für Teilzeitbeschäftigte und Neueintritte bzw. Ausscheidende wird anteilig gezahlt.

                 

…       

        

5.    

Abgesehen von den in diesem Haustarifvertrag genannten Änderungen gelten die jeweiligen Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie NRW.

        

…“    

        

4

Die Beklagte zu 1. entstand am 5. [X.]eptember 2006 im Wege der Ausgliederung aus der [X.] KG. Das Arbeitsverhältnis des [X.] ging in deren Folge auf die Beklagte zu 1. über. Diese war und ist weder Mitglied eines Arbeitgeberverbandes, der Tarifverträge mit der [X.] vereinbart hat, noch hat sie selbst einen Tarifvertrag geschlossen. Nach den Feststellungen des [X.] gehörte der [X.] nicht zu dem bei der Ausgliederung übertragenen Vermögen.

5

Unter dem 16. November 2011 sandte die Beklagte zu 1. an die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer eine Mitteilung, ab dem 1. Jan[X.]r 2012 erlange das neu abgeschlossene Entgeltrahmenabkommen ([X.]) auch bei ihr Gültigkeit. In der Anlage zu dem [X.]chreiben wurden die Arbeitnehmer über ihre „neu festgelegte Vergütung“ ab diesem Zeitpunkt informiert.

6

Mit einem als „Persönlich/Vertraulich“ bezeichneten [X.]chreiben, welches einem von der Beklagten zu 1. zu dieser Zeit verwendeten Muster entsprach, wandte sich diese unter dem 8. Juli 2013 an den Kläger. Dieses hatte auszugsweise folgenden Inhalt:

        

Vergütungsänderung/ Umgruppierung

        

…       

        

wir beziehen uns auf Ihren Anstellungsvertrag vom 01.08.1978. Wir freuen uns Ihnen heute mitzuteilen, dass wir [X.]ie ab dem 01.07.2013 umgruppieren werden. Ihre Vergütung bezieht sich auf eine Arbeitszeit von 38,5 [X.]tunden/ Woche und setzt sich ab diesem Zeitpunkt wie folgt neu zusammen:

                 
                 
                 

EG 08 

        

2.495,00 €

        
                 

[X.] Leistungszulage

        

265,09 €

        
                 

Gesamt

        

2.760,09 €

        
        

…       

                                   
        

Im Übrigen gelten die Inhalte des mit Ihnen bestehenden Arbeitsvertrages auch für die weitere Beschäftigung unverändert fort.“

7

Das [X.]chreiben war von einem Geschäftsführer und einem Prokuristen der Beklagten zu 1. unterschrieben. Der Kläger unterzeichnete es seinerseits unter dem Punkt „Einverstanden“.

8

Die Beklagte zu 1. wandte den [X.] bis zum 30. Juni 2016 mit Ausnahme einiger Führungskräfte und außertariflich Beschäftigter auf alle Arbeitsverhältnisse an. Die jeweiligen tariflichen Entgelterhöhungen gab sie bei einer unveränderten Wochenarbeitszeit von 38,5 [X.]tunden an die Arbeitnehmer weiter. Die Abrechnungen der Beklagten zu 1. wiesen jeweils ein „[X.] Tarifentgelt“ aus.

9

Den nach dem Abkommen vom 13. Mai 2016 über die [X.] in der Metall- und Elektroindustrie [X.] ([X.] 2016) in dessen § 2 Nr. 2a vorgesehenen Pauschalbetrag iHv. 150,00 Euro brutto, der mit der „nächstmöglichen Abrechnung“ geleistet werden sollte, zahlte die Beklagte zu 1. nicht an den Kläger. Die Entgelterhöhung iHv. 2,8 % ab dem 1. Juli 2016 nach § 2 Nr. 3 [X.] 2016 nahm sie ebenfalls nicht vor. Mit [X.]chreiben vom 8. Juli 2016 forderte der Kläger die Beklagte zu 1. zur Zahlung des [X.] binnen 14 Tagen auf.

Zum 1. Jan[X.]r 2017 ging das Arbeitsverhältnis des [X.] im Wege eines weiteren Teilbetriebsübergangs auf die Beklagte zu 2. über. Diese vereinbarte mit der [X.] einen zum 1. April 2017 in [X.] tretenden „Firmentarifvertrag“ ([X.]). Nach dessen § 2 Abs. 1 gilt [X.]. das [X.] 2016 bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 [X.]tunden und lediglich anteiliger Weitergabe der [X.].

Der Kläger hat - soweit noch streitgegenständlich - mit seiner Klage vom 1. August 2016 sowie mit Klageerweiterung vom 23. März 2017 die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner hinsichtlich des tariflichen [X.] und der [X.] für die Monate Juli bis Dezember 2016 sowie von der Beklagten zu 2. die Zahlung der Entgeltdifferenz für Jan[X.]r 2017 begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die im [X.] 2016 vorgesehenen Entgeltbestimmungen seien - bezogen auf die vereinbarte Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden - aufgrund vertraglicher, dynamischer Bezugnahme auf die [X.]-Entgeltabkommen der Metall- und Elektroindustrie [X.] auf sein Arbeitsverhältnis anwendbar. Eine solche Vereinbarung sei Inhalt des [X.]chreibens vom 8. Juli 2013. Anderenfalls ergäben sich seine Ansprüche aufgrund der in der Vergangenheit stets erfolgten Weitergabe der in den Entgeltabkommen geregelten [X.] aus betrieblicher Übung. Äußerst hilfsweise stützt der Kläger sein Begehren darauf, in dem [X.]chreiben vom 16. November 2011 sei eine Gesamtzusage über eine dynamische Anwendung der Entgeltabkommen der Metall- und Elektroindustrie [X.] enthalten.

Der Kläger hat - nach Rücknahme eines darüber hinausgehenden Feststellungsantrags - zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 617,14 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 150,00 Euro seit dem 1. Juli 2016 und aus 467,14 Euro seit dem 25. April 2017 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an ihn 91,87 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. April 2017 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Bei der Bezugnahmeklausel aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag handele es sich um eine sog. Gleichstellungsabrede. Mangels Tarifgebundenheit sowohl der Beklagten zu 1. als auch der Beklagten zu 2. ergebe sich für den [X.]treitzeitraum allenfalls eine statische Fortgeltung der in Bezug genommenen Tarifverträge. Bei dem [X.]chreiben vom 8. Juli 2013 handele es sich lediglich um eine Information des [X.], der nur deklaratorischer Charakter zukomme. Allenfalls sei ihm eine Verweisung auf den [X.] und nunmehr auf den [X.] zu entnehmen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufungen der Beklagten hat das [X.] - mit Ausnahme einer Änderung im [X.] - zurückgewiesen. Mit ihren vom [X.] zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der Beklagten sind überwiegend unbegründet. Lediglich hinsichtlich eines geringen Teils der Zinszahlungspflicht sind die Rechtsmittel erfolgreich.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat seine [X.], die er aus mehreren prozessualen Ansprüchen ableitet, nicht im Wege einer unzulässigen alternativen Klagehäufung geltend gemacht. Er hat mit [X.] vom 30. Oktober 2017 für die geltend gemachten Streitgegenstände die erforderliche Rangfolge gebildet (zu diesem Erfordernis ausf. [X.] 2. August 2018 - 6 [X.] - Rn. 18 ff. [X.], [X.]E 163, 205).

II. Die Anträge sind auch - mit Ausnahme des begehrten Beginns der Verzinsungspflicht für den Pauschalbetrag - begründet. Der Kläger kann von den Beklagten als Gesamtschuldner die der Höhe nach unstreitigen Entgeltdifferenzen von 617,14 Euro brutto nach § 611a Abs. 2, § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB und von der Beklagten zu 2. weitere 91,87 Euro brutto nach § 611a Abs. 2 BGB, jeweils nebst Zinsen, verlangen. Mit dem Schreiben vom 8. Juli 2013 haben der Kläger und die Beklagte zu 1. eine zeitdynamische Bezugnahme auf die Entgeltabkommen der Metall- und Elektroindustrie [X.] für eine Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich vereinbart, an die auch die Beklagte zu 2. gebunden ist. Die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus betrieblicher Übung und Gesamtzusage fallen dem Senat daher nicht zur Entscheidung an.

1. Die Entgeltbestimmungen sind allerdings nicht durch die in Nr. 1 des ursprünglichen Arbeitsvertrags vom 15. November 1979 enthaltene Bezugnahme auf die Entgeltbestimmungen der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie [X.] (zur Auslegung einer solchen Regelung vgl. [X.] 12. Dezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 20 [X.]) zeitdynamisch anzuwenden. Aufgrund der [X.] der damaligen Arbeitgeberin an diese Tarifverträge ist die Bezugnahmeregelung nach der früheren Rechtsprechung des Senats als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Danach endet die zeitliche Dynamik mit dem Wegfall der [X.] des Arbeitgebers. Diese [X.] wendet der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes noch auf [X.] an, die vor dem 1. Januar 2002 geschlossen wurden („Altverträge“, ausf. [X.] 14. Dezember 2005 - 4 [X.] - Rn. 24 ff., [X.]E 116, 326; 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 29 ff., [X.]E 122, 74; vgl. auch 27. März 2018 - 4 [X.] - Rn. 22 f.). Die zeitliche Dynamik der Verweisung auf die Entgeltbestimmungen endete daher nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB spätestens mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte zu 1. im Jahr 2006.

2. Die Beklagte zu 1. und der Kläger haben jedoch durch das Schreiben der Beklagten zu 1. vom 8. Juli 2013 - und damit nach dem 31. Dezember 2001 - erneut eine vertragliche Vereinbarung geschlossen, die zeitdynamisch auf die [X.] verweist („Neuvertrag“).

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält das Schreiben vom 8. Juli 2013 eine rechtsverbindliche Willenserklärung in Form eines Antrags zum Vertragsschluss, welchen der Kläger durch Unterzeichnung und Rücksendung angenommen hat.

aa) Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem ein Antrag (§ 145 BGB, „Angebot“) der einen Vertragspartei gemäß den §§ 146 bis 149 BGB von der anderen Vertragspartei angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen ([X.]Rspr., [X.]. etwa [X.] 19. Dezember 2018 - 7 [X.] - Rn. 23 f.; 27. März 2018 - 4 [X.] - Rn. 42).

bb) Die durch das [X.] vorgenommene Auslegung, es handele sich bei der „Vergütungsänderung/ Umgruppierung“ vom 8. Juli 2013 um eine vertragliche Vereinbarung, ist auch bei einer uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht zu beanstanden.

(1) Hierfür spricht bereits der Wortlaut des Schreibens der Beklagten zu 1. Danach betrifft es den Anstellungsvertrag und hat eine „Vergütungsänderung“ zum Inhalt. Eine solche Modifikation, soll sie nicht durch eine Änderungskündigung herbeigeführt werden, setzt regelmäßig die Änderung des bestehenden Arbeitsvertrags und damit eine vertragliche Vereinbarung voraus. Diese Auslegung wird auch durch den weiteren Inhalt des Schreibens, nach dem „im Übrigen“ die Inhalte des bestehenden Arbeitsvertrags unverändert fortgelten sollen, bestätigt. Hierfür bestünde kein Bedürfnis, wenn es sich, wie die Beklagten meinen, lediglich um eine „rein deklaratorische Erklärung“ handeln sollte.

(2) Der Umstand, dass die Beklagte zu 1. die Umgruppierung „mitteilt“ und die Vereinbarung selbst nicht als Vertrag, sondern als „Schreiben“ bezeichnet, führt zu keiner anderen Auslegung. Eine „Mitteilung“ mag zwar „an sich“ keine Willenserklärung enthalten. Die Beklagten übersehen aber, dass das Schreiben durch ihren Geschäftsführer und einen Prokuristen unterzeichnet wurde und unterhalb dieser Unterschriften für den Kläger bereits „Einverstanden“ mit der weiteren Zeile „Datum, Unterschrift“ eingefügt war. Der Kläger als Empfänger musste davon ausgehen, dass einem Schreiben, welches nicht lediglich von seinem Vorgesetzten oder einer anderen Person bei der Beklagten zu 1., sondern von deren Geschäftsführer und zusätzlich einem Prokuristen unterschrieben ist, ein rechtsgeschäftlicher Inhalt beizumessen ist. Gleiches gilt, soweit er sein Einverständnis mit der „Vergütungsänderung/ Umgruppierung“ durch Unterschrift bestätigen sollte. Dies ist nur bei einer Vertragsänderung erforderlich. Im Falle einer („deklaratorischen“) Mitteilung wäre es ausreichend gewesen, ihn aufzufordern, die Kenntnisnahme des Schreibens, ggf. zu Dokumentationszwecken, zu zeichnen.

b) Die Vereinbarung enthält - bezogen auf eine „Arbeitszeit von 38,5 Stunden/ Woche“ - eine zeitdynamische Verweisung auf das Entgeltrahmenabkommen ([X.]) sowie die [X.]-Entgeltabkommen der Metall- und Elektroindustrie [X.] und damit auch auf das [X.] 2016.

aa) Bei dem Schreiben vom 8. Juli 2013 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB (zu deren Auslegung etwa [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 15, [X.]E 134, 283). Es entspricht einem durch die Beklagte zu 1. verwendeten Muster.

bb) Die Vereinbarung sieht die Zahlung eines bezifferten [X.] als tarifliches Gehalt nach „[X.]“ sowie die Zahlung einer „[X.] Leistungszulage“ vor. Eine solche Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt darf ein Arbeitnehmer redlicherweise dahingehend verstehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde für die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht statisch sein, sondern solle sich entsprechend den Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags ändern ([X.] 12. Dezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 20; 25. Januar 2017 - 4 [X.] - Rn. 46). Das wird durch die im Weiteren festgehaltene Anrechnungsmöglichkeit künftiger [X.] auf die Zulage bestätigt. Nur wenn künftige [X.] weitergegeben werden müssen, macht eine solche Regelung zur Anrechnung Sinn. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Verwendung des Begriffs „[X.]“ auch ausschließlich als Verweisung auf die Entgeltabkommen der Metall- und Elektroindustrie [X.] verstanden werden. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Begriff in anderen ([X.]) Tarifverträgen mit einem anderen Verständnis verwendet würde.

cc) Die Bezugnahme auf die tariflichen Entgeltbestimmungen ist allerdings insoweit eingeschränkt, als sie sich auf die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden bezieht. Aufgrund der darin liegenden ausdrücklichen Abweichung von den zum Abschlusszeitpunkt geltenden tarifvertraglichen Arbeitszeitregelungen in der Metall- und Elektroindustrie (35 Stunden/Woche, vgl. § 3 [X.] 2016) handelt es sich um eine konstitutive Arbeitszeitregelung (vgl. zur Auslegung bei Vereinbarung der tariflichen Arbeitszeit [X.] 10. Juli 2013 - 10 [X.] 898/11 - Rn. 19 ff.). Davon geht auch der Kläger aus.

dd) Aus der Vereinbarung einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich folgt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Bezugnahme auf den [X.]. Es fehlt an besonderen Anhaltspunkten in dem Schreiben, um von einer solchen ausgehen zu können. Der [X.] findet darin, anders als die [X.]-Abkommen, keine Erwähnung. Dessen Inbezugnahme ergibt sich für einen durchschnittlichen Vertragspartner nicht allein aufgrund der mit dem [X.] in Einklang stehenden Vereinbarung zur Arbeitszeit oder aus dem Umstand, dass der [X.] seinerseits die [X.]-Abkommen zum Teil in Bezug nimmt. Die bloße tatsächliche Anwendung des [X.], der zudem nicht von der Beklagten zu 1. als Klauselverwenderin geschlossen wurde und an den sie auch nicht aus anderen Gründen gebunden war, reicht nicht aus, um zu einer anderen Auslegung des Schreibens zu gelangen. Zudem ist nicht ersichtlich, dass dessen Existenz dem durchschnittlichen Vertragspartner bekannt gewesen wäre. Schließlich können sich die Beklagten für ihre Auffassung nicht auf die Entscheidung des Senats vom 11. Dezember 2013 stützen. Sie übersehen bereits, dass in der damaligen Fallgestaltung - anders als hier - in der vertraglichen Abrede ein „Tarifgehalt“ von 4.840,00 DM genannt war, dessen Höhe sich nicht aus den einschlägigen [X.]n, sondern nur aus dem von der Beklagten selbst geschlossenen Anerkennungstarifvertrag ergab ([X.] 11. Dezember 2013 - 4 [X.] 473/12 - Rn. 22, [X.]E 147, 41).

ee) Unabhängig davon, dass der von den Beklagten angeführte [X.] erst nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums in [X.] getreten ist, wäre jener auch nicht aufgrund der Vereinbarung vom 8. Juli 2013 in Bezug genommen. Bei der hier vorliegenden zeitdynamischen Bezugnahme auf [X.] werden ohne besondere Anhaltspunkte ([X.]. oben Rn. 29) [X.] nicht erfasst (vgl. [X.] 12. Dezember 2018 - 4 [X.] - Rn. 19 ff. [X.]; 11. Juli 2018 - 4 [X.] 533/17 - Rn. 21 ff., [X.]E 163, 175).

3. Diese von der Beklagten zu 1. und dem Kläger vereinbarte zeitdynamische Bezugnahme ist aufgrund des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB unverändert auf die Beklagte zu 2. übergegangen ([X.]Rspr., [X.]. nur [X.] 30. August 2017 - 4 [X.] 95/14 - Rn. 43, [X.]E 160, 87; 16. Mai 2018 - 4 [X.] 209/15 - Rn. 33 ff. [X.]).

4. Die gesamtschuldnerische Haftung der beiden Beklagten für Forderungen bis einschließlich Dezember 2016 ergibt sich aus § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB.

5. Der Zinsanspruch für den Pauschalbetrag nach § 2 Nr. 2a [X.] 2016 iHv. 150,00 Euro folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 BGB. Mangels Bestimmung einer Leistungszeit nach dem Kalender (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) durch das [X.] 2016 geriet die Beklagte zu 1. erst nach Ablauf der durch den Kläger mit seiner Mahnung gesetzten Frist ab dem 23. Juli 2016 in Verzug. Der weitere Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB.

III. [X.] folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1, Abs. 4, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

    Klug    

        

        

        

    P. Rupprecht    

        

    Plautz    

                 

Meta

4 AZR 312/18

03.07.2019

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 2. Mai 2017, Az: 6 Ca 4331/16, Urteil

§ 613a Abs 1 S 1 BGB, § 613a Abs 2 S 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 305 Abs 1 BGB, § 3 TVG, § 611a BGB, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.07.2019, Az. 4 AZR 312/18 (REWIS RS 2019, 5852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5852

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B 10 EG 1/19 R

6 Sa 306/19

3 Sa 440/19

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