Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2022, Az. 4 AZR 290/21

4. Senat | REWIS RS 2022, 4616

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Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28. April 2021 - 10 [X.]/21 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung eines tariflichen [X.]es.

2

Der Kläger ist seit 1987 bei der [X.] und deren [X.] als gewerblicher Mitarbeiter beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 2. März 1987 ist vereinbart, dass sich die „Arbeitsbedingungen … nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie [X.]“ richten. Die Beklagte war Mitglied im [X.] - [X.] - [X.] e. V. und daher an die zwischen dem [X.] ([X.]) und der [X.] ([X.]) geschlossenen Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie gebunden. [X.] verhandelte sie mit der [X.] über eine Vereinbarung zur Erhöhung der [X.] um 3,5 Stunden ohne [X.], wie sie bereits in den Jahren 2007 bis 2010 bestanden hatte. Nachdem diese Verhandlungen gescheitert waren, kündigte die Beklagte ihre Mitgliedschaft im Unternehmerverband zum 31. Dezember 2010 und wechselte zu einer solchen ohne Tarifgebundenheit ([X.]). Sie beabsichtigte sodann, durch [X.] die [X.] ohne Lohnausgleich zu erhöhen. Bei einer Betriebsversammlung am 3. Dezember 2010 erläuterte der damalige Geschäftsführer das künftige Konzept der [X.]. Sämtliche Arbeitnehmer erhielten im Nachgang ein Informationsschreiben mit ua. folgendem Inhalt:

        

„Unser Konzept ab dem 01. Januar 2011

        

…       

        

→       

Erhöhung der [X.] um 3,5 Stunden ohne [X.] für Beschäftigte der 35-Stunden-Woche (oder darüber hinaus).

        

…       

        

Personalleitung und Führungskräfte der einzelnen Abteilungen werden dazu in diesem Monat mit [X.] tariflich Beschäftigten persönliche Gespräche führen, um diese Vertragsänderung zu vereinbaren.

        

Bei einer Zustimmungsquote und Gesamtbeteiligung von mindestens 85 Prozent zur 38,5-Stunden-Woche sichert die Geschäftsführung der [X.]. [X.] GmbH & Co. KG diesen Beschäftigten eine jährliche Erfolgsbeteiligung bei positiver Umsatzrentabilität in Höhe einer Rückvergütung von bis zu 1,5 Stunden pro Woche zu!

        

…       

        

Die Geschäftsleitung versichert darüber hinaus, dass bei Erreichung der notwendigen Beteiligungsquote mit Ausnahme der Regelung zur [X.] alle Tarifverträge für die nordrhein-westfälische Metall- und Elektroindustrie, die mit der [X.] abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung kommen.

        

Insbesondere werden künftige tarifliche Entgelterhöhungen, aber auch Urlaub, Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung (das so genannte [X.]) auch in der Zukunft weiter in vollem Umfang gewährt.

        

…“    

3

Dem Schreiben war eine Mustervereinbarung beigefügt. Der Kläger unterschrieb am 10. Dezember 2010 ebenso [X.] der bei der [X.] beschäftigten Arbeitnehmer eine mit der Mustervereinbarung inhaltlich identische „Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag“ (Zusatzvereinbarung). Diese sieht eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 38,5 Stunden ohne [X.] ab dem 1. Januar 2011 und eine jährliche Erfolgsbeteiligung rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 vor. Darüber hinaus lautet die Vereinbarung ua. wie folgt:

        

„4.     

Alle sonstigen Vertragsbedingungen und Vertragsbestandteile (inklusive Betriebszugehörigkeitszeiten und Kündigungsfristen) des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages bleiben unverändert bestehen.

        

5.    

Mit Ausnahme der Regelung zur [X.] kommen alle Tarifverträge für die nordrhein-westfälische Metall- und Elektroindustrie, die mit der [X.] abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung. Auch zukünftige zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte Entgelterhöhungen, werden unter Berücksichtigung der tariflichen Regelungen zum [X.], in vollem Umfang an den Mitarbeiter weitergegeben.“

4

Seit dem 1. Januar 2011 gab die Beklagte nach den Feststellungen des [X.] die jeweils zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Tariflohnerhöhungen an alle Arbeitnehmer weiter, indem sie das Tabellenentgelt, das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung entsprechend erhöhte.

5

Am 1. März 2011 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine „Betriebsvereinbarung zur Umsetzung des [X.] bei der [X.]. [X.] GmbH & Co. KG“, nach deren Präambel „von der Geschäftsleitung mit [X.] in den Tarifbereich gehörenden Beschäftigten [X.] abgeschlossen worden [sind], in denen sich die Beschäftigten bereit erklären, zukünftig ihre wöchentliche Arbeitszeit um 3,5 Stunden ohne Lohnausgleich zu erhöhen“ und im „Gegenzug die Geschäftsleitung [X.] Beschäftigten, die diese Vereinbarung unterschreiben, zugesichert [hat], dass mit Ausnahme der Regelung zur [X.] alle derzeit gültigen Tarifverträge für die [X.], die mit der [X.] abgeschlossen worden sind, weiterhin im Betrieb zur Anwendung kommen und künftige tarifliche Entgelterhöhungen in vollem Umfang weitergegeben werden“.

6

Im Jahr 2017 machten einige Arbeitnehmer gerichtlich die Unwirksamkeit der Zusatzvereinbarungen geltend. In acht Fällen endeten die Verfahren durch Abschluss eines Vergleichs, nach dessen Inhalt sich die Parteien einig sind, dass die jeweiligen Arbeitsverträge eine - in ihrer Reichweite mittlerweile erneut streitige - dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.] enthalten.

7

Am 14. Februar 2018 vereinbarten [X.] und [X.] im Abkommen über die [X.] in der Metall- und Elektroindustrie [X.] ([X.], im Folgenden [X.]) die Zahlung eines Pauschalbetrags iHv. 100,00 Euro brutto an alle Beschäftigten im März 2018 (§ 2 Nr. 2 [X.]) sowie eine Erhöhung der [X.] um [X.] ab dem 1. April 2018 (§ 2 Nr. 3 [X.]). Am selben Tag schlossen sie den „Tarifvertrag [X.] für die Metall- und Elektroindustrie [X.]“ ([X.]), der erstmals für das [X.] eine zusätzliche Einmalzahlung, bestehend aus den zwei Komponenten [X.] (A) und [X.] (B), vorsah. Das [X.] (A) betrug [X.] des monatlichen regelmäßigen Arbeitsentgelts (§ 2 Nr. 2 Buchst. a [X.]), mit dem [X.] (B) erhielten Vollzeitbeschäftigte im [X.] einen weiteren Betrag von 400,00 Euro (§ 2 Nr. 2 Buchst. b TV [X.]). Die Zahlung war mit der Abrechnung für den Monat Juli 2019 fällig (§ 2 Nr. 3 TV [X.]).

8

Die Beklagte gab im Jahr 2018 den Pauschalbetrag iHv.100,00 Euro sowie die Tarifentgelterhöhung iHv. [X.] an den Kläger weiter, leistete jedoch später weder das [X.] (A) noch das [X.] (B) an ihn.

9

Nach erfolgloser Geltendmachung im August 2019 hat der Kläger klageweise einen Anspruch auf Auszahlung der tariflichen [X.]er verfolgt und die Auffassung vertreten, dieser ergebe sich aus [X.]. 4 und 5 der Zusatzvereinbarung. Diese enthielten eine dynamische Bezugnahme auf alle Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.] und damit auch auf den [X.]. Jedenfalls sei die Beklagte aber aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet, alle tariflich vereinbarten Entgelterhöhungen, zu denen auch das tarifliche [X.] gehöre, an ihn weiterzugeben. Zudem ergebe sich ein Anspruch auf Zahlung des tariflichen [X.]es aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe mit vergleichbaren Arbeitnehmern in den gerichtlichen Vergleichen eine Bezugnahmeklausel vereinbart, die den [X.] erfasse.

Der Kläger hat - zusammengefasst - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ausstehende tarifliche Vergütung iHv. 1.277,37 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der [X.] seit dem 1. August 2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Zusatzvereinbarung enthalte lediglich eine statische Bezugnahme auf die zum Zeitpunkt des Wechsels in die [X.] geltenden Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.] sowie darüber hinaus die Verpflichtung, tarifliche Entgelterhöhungen an den Kläger weiterzugeben. Das tarifliche [X.] sei als Sonderzahlung nicht erfasst.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr auf die Berufung des [X.] stattgegeben. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]n ist unbegründet. Das [X.] hat der Klage zu Recht stattgegeben.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat die bei der Geltendmachung mehrerer Streitgegenstände erforderliche Rangfolge (vgl. hierzu [X.] 28. April 2021 - 4 [X.] - Rn. 18 mwN) in der Berufungsbegründung gebildet. Danach stützt er sich vorrangig auf einen Anspruch aus arbeitsvertraglicher Bezugnahme und lediglich hilfsweise auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

II. Die Klage ist bereits mit dem [X.] begründet. Der Kläger hat für das [X.] gegen die [X.] einen Anspruch auf Zahlung der tariflichen [X.] nach § 2 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. [X.]. der Zusatzvereinbarung nebst Zinsen.

1. Der [X.] ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anzuwenden. Dies ergibt die Auslegung der Zusatzvereinbarung.

a) Bei der Zusatzvereinbarung handelt es sich nach den Feststellungen des [X.]s um einen Formularvertrag iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, der nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen auszulegen ist. Seine Auslegung durch das [X.] ist in der Revisionsinstanz voll überprüfbar ([X.]., [X.] 2. Juni 2021 - 4 [X.] - Rn. 13).

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die [X.] des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der [X.]. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweiligen anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ([X.]., zuletzt zB [X.] 2. Juni 2021 - 4 [X.] - Rn. 14; 17. Dezember 2020 - 8 [X.] - Rn. 33, [X.]E 173, 269).

c) Nach diesen Grundsätzen haben die Parteien mit der Zusatzvereinbarung eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.] vereinbart, die auch den [X.] erfasst.

aa) Entgegen der Auffassung des [X.] ergibt sich dies allerdings nicht bereits aus Nr. 4 der Zusatzvereinbarung. Diese bezieht sich auf „alle sonstigen Vertragsbedingungen und Vertragsbestandteile“ und damit nur auf solche, für die in der Zusatzvereinbarung keine gesonderte Regelung getroffen worden ist. In Nr. 5 der Zusatzvereinbarung findet sich jedoch eine ausdrückliche Vereinbarung hinsichtlich der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge.

bb) Nr. 5 der Zusatzvereinbarung enthält eine dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.], die nur hinsichtlich der [X.] eingeschränkt ist. Eine Begrenzung der Dynamik auf „Entgelterhöhungen“ oder, wie die [X.] meint, „Tabellenentgelterhöhungen“, lässt sich der Regelung nicht entnehmen.

(1) Nach Nr. 5 Satz 1 der Zusatzvereinbarung sollen alle Tarifverträge, die „mit der [X.] abgeschlossen worden sind“, weiterhin im Betrieb zur Anwendung kommen. Dies würde einerseits ein Verständnis zulassen, nachdem nur in der Vergangenheit geschlossene Tarifverträge erfasst werden. Andererseits käme auch in Betracht, es sollten mit der Formulierung lediglich diejenigen Tarifvertragsparteien bezeichnet werden, deren derzeitige oder künftige Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sein sollen. Gegen die erstgenannte Annahme könnte sprechen, dass es an der Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung der in Bezug genommenen Tarifverträge fehlt. In einem solchen Fall ist regelmäßig anzunehmen, die Tarifverträge sollen in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung finden. Einer ausdrücklichen „[X.]“ bedarf es nicht (vgl. [X.] 30. August 2017 - 4 [X.] - Rn. 20, [X.]E 160, 106; 12. Juni 2013 - 4 [X.] - Rn. 15, [X.]E 145, 237). Zudem bliebe bei vergangenheitsbezogenem Verständnis unklar, ob der Zeitpunkt der [X.], des Beginns der Erfolgsbeteiligung, des Abschlusses der Zusatzvereinbarung oder des Endes der [X.] der [X.]n maßgebend sein soll.

(2) Die Regelung in Nr. 5 Satz 2 der Zusatzvereinbarung steht der Annahme einer dynamischen Verweisung auf alle Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.] in Satz 1 - anders als die [X.] meint - nicht zwingend entgegen. Die Zusatzvereinbarung bezieht sich insoweit zwar ausdrücklich nur auf „Entgelterhöhungen“ „unter Berücksichtigung der tariflichen Regelungen zum [X.] [X.]“ (Tarifvertrag zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens vom 18. Dezember 2003) und damit nicht auf alle Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.]. Der dortige ausdrückliche Verweis auf „zukünftige“ Vereinbarungen deutet auch zunächst auf ein vergangenheitsbezogenes Verständnis von Satz 1 hin. Dies wird aber durch die Verwendung des Wortes „auch“ relativiert. „Auch“ kann sowohl ausdrücken, dass sich etwas in gleicher Weise verhält als auch, dass zusätzlich noch etwas der Fall ist (vgl. [X.] [X.]. Stichwort „auch“).

(3) Demgegenüber spricht die in dem vor Abschluss der Zusatzvereinbarung an alle Arbeitnehmer versandten Informationsschreiben verwendete, vom späteren Vertragstext abweichende Formulierung entscheidend für eine dynamische Inbezugnahme aller Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.].

(a) Das Informationsschreiben ist, obwohl es nicht Bestandteil der Zusatzvereinbarung ist, bei deren Auslegung zu berücksichtigen. Es wurde allen Arbeitnehmern, die als Vertragspartner in Betracht kamen, im Nachgang zu der Betriebsversammlung ausgehändigt. Im Gegensatz zu konkret-individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) können solche Umstände, die - wie vorliegend - typischerweise den Abschluss vergleichbarer Abreden begleiten, zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen herangezogen werden ([X.] 20. Juni 2017 - 3 [X.] - Rn. 33; 15. Februar 2017 - 7 [X.] - Rn. 15).

(b) Nr. 5 der Zusatzvereinbarung und die entsprechenden Passagen des [X.] haben einen geringfügig unterschiedlichen Wortlaut. Während sich Nr. 5 Satz 1 der Zusatzvereinbarung im Informationsschreiben wörtlich wiederfindet, weicht Satz 2 vom Informationsschreiben ab. Statt „auch“ steht in letzterem „insbesondere“, zudem findet sich ein Hinweis auf Urlaub, Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung. „Insbesondere“ bedeutet „besonders, hauptsächlich, im Besonderen, in erster Linie, namentlich, speziell, vor allem, vor allen Dingen“ ([X.] Das Synonymwörterbuch 7. Aufl. Stichwort „insbesondere“). Anders als „auch“ lässt „insbesondere“ nicht die Interpretation zu, zusätzlich zu einer (statischen) Anwendung der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.] sollten nur die in Satz 2 genannten Tarifbestimmungen dynamisch in Bezug genommen sein. Vielmehr ist dies so zu verstehen, dass die Entgelterhöhungen, der Urlaub, das Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung als Teil der ohnehin dynamischen Bezugnahme besonders hervorgehoben werden sollen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass mit der Verwendung unterschiedlicher Worte keine inhaltliche Änderung beabsichtigt gewesen wäre und die Zusatzvereinbarung daher genauso zu verstehen ist wie das Informationsschreiben, dem sie beigefügt war.

(4) Entgegen der Auffassung der [X.]n ist auch unter Berücksichtigung des von den Vertragsparteien verfolgten [X.] und der der jeweiligen anderen Seite erkennbaren Interessenlage die Regelung in Nr. 5 Satz 1 der Zusatzvereinbarung als - mit Ausnahme der Arbeitszeit - dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.] zu verstehen.

(a) Anlass für den Wechsel der [X.]n in die [X.] und das Angebot zum Abschluss der Zusatzvereinbarung war ihr Wunsch, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 3,5 Stunden pro Woche zu erhöhen. Die [X.], nicht die statische Fortgeltung war Zweck der durch die [X.] ergriffenen Maßnahmen, wie sich auch aus dem in der Mitarbeiterinformation dargestellten Konzept ergibt. Die [X.] wollte durch Abschluss der Zusatzvereinbarungen erreichen, was ihr in Verhandlungen mit der [X.] zuvor nicht gelungen war. Genau diesem Ziel entspricht das Verständnis, die Zusatzvereinbarung enthalte eine lediglich in Bezug auf die Arbeitszeit eingeschränkte dynamische Bezugnahmeklausel. Dementsprechend konnten die Arbeitnehmer davon ausgehen, es solle sich durch die Zusatzvereinbarung mit Ausnahme der Arbeitszeit an ihren zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung bestehenden Arbeitsbedingungen nichts ändern.

(b) Eine Kenntnis der Arbeitnehmer vom bevorstehenden Wechsel in die [X.] führt - anders als die Revision meint - zu keinem anderen Ergebnis. Dieser führte nicht ohne weiteres für alle Arbeitsverhältnisse zu einer zukünftig lediglich statischen Anwendbarkeit der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie [X.]. Der Wechsel hatte zwar auf [X.] den Wegfall der [X.] gemäß § 3 Abs. 1 TVG für in der Zukunft geschlossene Tarifverträge und nach § 3 Abs. 3 TVG die Nachbindung an die zum Zeitpunkt des Wechsels bestehenden Tarifverträge zur Folge (vgl. hierzu [X.] 25. Februar 2009 - 4 [X.] - Rn. 26 ff.). Auswirkungen für etwaige individualvertragliche Vereinbarungen zur Anwendung von Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie [X.] hingen aber davon ab, ob eine zeitdynamische Bezugnahmeklausel vereinbart oder ob die Abrede so gefasst war, dass die Dynamik mit dem Ende der [X.] der [X.]n entfallen sollte („[X.]“, vgl. hierzu und zum bestehenden Vertrauensschutz für bis zum 31. Dezember 2001 vereinbarte [X.] ausf. [X.] 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 26 ff., [X.]E 122, 74). Dies wäre in jedem Einzelfall zu prüfen gewesen. Die [X.] wollte jedoch - wie sich aus der Mitarbeiterinformation ergibt - allen Arbeitnehmern ohne Berücksichtigung der jeweiligen individuellen vertraglichen Situation identische Vertragsangebote unterbreiten. Deshalb konnten diese davon ausgehen, außer der Arbeitszeit sollten die tarifvertraglichen Regelungen wie zuvor auch, mithin dynamisch zur Anwendung gelangen. Aufgrund dessen kann dahinstehen, ob - wie die [X.] meint - den Arbeitnehmern als durchschnittlichen, nicht rechtskundigen Vertragspartnern (vgl. zu diesem Maßstab [X.] 21. Juni 2018 - 6 AZR 38/17 - Rn. 31; 23. März 2017 - 6 [X.] - Rn. 14, [X.]E 158, 349) die Rechtsfolgen des Wechsels in eine [X.] auf kollektiv- und/oder [X.] bekannt waren.

(5) Der spätere Abschluss der Betriebsvereinbarung im März 2011 gebietet keine andere Auslegung der Zusatzvereinbarung. Das Verhalten von Vertragsparteien nach Abschluss der Vereinbarung kann zwar als Indiz für die Ermittlung von deren tatsächlichem Willen und Verständnis bei Vertragsschluss bedeutsam sein ([X.] 19. November 2019 - 7 [X.] - Rn. 30 mwN; 24. August 2016 - 5 [X.] - Rn. 27, [X.]E 156, 157). Der Kläger war aber, ebenso wie die anderen Arbeitnehmer, am Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht unmittelbar beteiligt, so dass sich dieser kein übereinstimmendes Verständnis der Parteien im Hinblick auf eine rein statische Bezugnahme durch die Zusatzvereinbarung entnehmen lässt.

cc) Danach bleibt für die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB (vgl. hierzu [X.] 12. Juni 2019 - 7 [X.] - Rn. 17) kein Raum. Die [X.] als Verwenderin der Klauseln könnte sich ohnehin nicht darauf berufen (vgl. [X.] 24. November 2004 - 10 [X.]/04 - zu II 1 b der Gründe, [X.]E 113, 29).

dd) Weiterhin kann dahinstehen, ob die in der Zusatzvereinbarung getroffenen Regelungen intransparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sein könnten. Der Kläger macht - soweit er seinen Anspruch zutreffend aus Nr. 5 der Zusatzvereinbarung herleitet - gerade die Wirksamkeit der Regelung geltend. Eine Berufung der [X.]n darauf, dass die von ihr selbst gestellten Klauseln unter dem Blickwinkel der [X.] nach §§ 305 ff. BGB eine dem Kläger günstige Tarifbestimmung ausschließen würde, scheidet nach allgemeinen Grundsätzen aus (ausf. hierzu [X.] 28. April 2021 - 4 [X.] - Rn. 40).

ee) Die von der [X.]n erhobenen Verfahrensrügen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung. Sie sind - unabhängig von ihrer Zulässigkeit - jedenfalls unbegründet. Das vom [X.] zugrunde gelegte und von der [X.]n gerügte Verständnis der Formulierung „zum [X.] [X.]“ in Nr. 5 Satz 2 der Zusatzvereinbarung ist für das Auslegungsergebnis ohne Bedeutung. Die Verfahrensrügen sind daher nicht entscheidungserheblich.

2. Die Höhe der sich aus § 2 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b [X.] ergebenden Ansprüche des [X.] für das [X.] ist zwischen den Parteien nicht streitig.

3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 2 Nr. 3 Abs. 1 [X.].

III. [X.] folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Treber    

        

    M. Rennpferdt     

        

    Klug     

        

        

        

    P. Rupprecht    

        

    Dierßen     

                 

Meta

4 AZR 290/21

27.04.2022

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Herford, 26. November 2020, Az: 1 Ca 1147/19, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2022, Az. 4 AZR 290/21 (REWIS RS 2022, 4616)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4616

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4 Sa 82/20 (Landesarbeitsgericht Köln)


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