Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2015, Az. 3 ARs 28/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 16910

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 ARs 28/14
vom
20. Januar 2015
in der Strafsache
gegen

wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel

hier:
[X.] des 5. Strafsenats vom 5.
November 2014 (5 [X.]/14)

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat am 20. Januar 2015 gemäß §
132 Abs. 3 Satz 1 GVG beschlossen:
Die beabsichtigte Entscheidung des 5. Strafsenats widerspricht der Rechtsprechung des [X.], der an dieser festhält.

Gründe:
Der 5. Strafsenat hat über die Revision eines Angeklagten zu entschei-den, der vom [X.] wegen vorsätzlichen Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel
in 87 Fällen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Der 5.
Strafsenat hält die Verurteilung im Lichte der
Rechtsprechung des [X.] [X.] zum Arzneimittelbegriff (Urteil vom 10. Juli 2014 -
C-358/13 und [X.], [X.], 461) für rechtsfehlerhaft. Er sieht sich an einem Freispruch jedoch gehindert, weil -
insoweit unproblematisch -
die von dem Angeklagten vertriebenen Kräutermischungen teilweise bereits zur Tatzeit in [X.] zum [X.] (BtMG) aufgenommene syn-thetische Cannabinoide enthielten und im Übrigen eine Strafbarkeit wegen ge-werbsmäßigen Inverkehrbringens von
Tabakerzeugnissen unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe (§ 52 Abs.
2 Nr.
1, § 20 Abs.
1 Nr.
1, 2 [X.]) in Betracht komme ([X.], Beschluss vom 5.
November 2014 -
5
[X.]/14,
juris). Der 5. Strafsenat beabsichtigt deshalb wie folgt zu entscheiden:
"Das gewerbsmäßige Inverkehrbringen von zum Rauchen bestimmten Kräutermischungen, denen nicht in die [X.] zum [X.] aufgenommene synthetische Cannabinoide zugesetzt 1
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sind, kann nach § 52 Abs.
2 Nr.
1, § 20 Abs.
1 Nr.
1, 2 [X.]
straf-bar sein."
Hieran sieht er sich jedoch durch nicht ausschließbar entgegenstehende Rechtsprechung des 3.
Strafsenats gehindert ([X.], Urteil vom 4. September 2014 -
3 [X.], juris).
Das in Bezug genommene Urteil steht der beabsichtigten Entscheidung des 5.
Strafsenats entgegen ([X.]). An dieser Rechtsprechung hält der [X.] fest (I[X.]).
[X.] In dem Urteil vom 4.
September 2014 (3 [X.], juris) hat der [X.] zu einer Strafbarkeit nach dem [X.] ([X.]) nicht ausdrücklich Stellung genommen. Voraussetzung des Freispruchs hinsichtlich des dem dortigen Angeklagten zur Last gelegten Verkaufs von sog. [X.] war jedoch die Verneinung einer Strafbarkeit nach dem [X.]. Diese hat der [X.] -
stillschweigend -
vorgenommen.
I[X.] An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.
1. Kräutermischungen, denen synthetische Cannabinoide zugesetzt sind und die geraucht werden, um sich dadurch in einen mit dem Konsum von Mari-huana vergleichbaren Rauschzustand zu versetzen, stellen keine [X.] oder -
diesen gleichgestellte -
Tabakerzeugnissen ähnliche Waren dar, denn sie sind nicht im Sinne von § 3
Abs.
1,
2 Nr.
1 [X.] zum [X.] bestimmt. Die Verbots-
und Strafvorschriften der §§ 20, 52 [X.] sind deshalb nicht anwendbar. Hierzu gilt:

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3
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-
4
-
Wie auch der [X.] nicht verkennt, sind [X.] keine Tabakerzeugnisse (Zipfel/Sosnitza/[X.] in Zipfel/[X.], [X.], [X.]. [X.]., § 3 [X.] Rn.
10; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, 196. Erg. [X.]., §
3 [X.] Rn.
1). Dies ist für solche Stoffe allgemein anerkannt, die -
wie etwa [X.] oder Heroin -
aufgrund ihrer Aufnahme in [X.] zu § 1 Abs.
1 BtMG als Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind, be-schränkt sich aber nicht auf diese. Denn der Grund, warum Betäubungsmittel nicht zu den Tabakerzeugnissen oder den diesen ähnlichen Waren zählen, liegt darin, dass es ihnen an der erforderlichen Zweckbestimmung im Sinne von § 3 [X.] selbst dann fehlt, wenn sie tatsächlich geraucht werden
(Zipfel/Sosnitza/[X.] aaO):
Das Vorläufige Tabakgesetz bezweckt den Schutz der Gesundheit von Verbrauchern vor Gefahren, die mit dem Konsum von Tabakerzeugnissen und diesen ähnlichen Waren verbunden sind. Dies ergibt sich schon aus der Ent-stehungsgeschichte der Regelungen über Tabakerzeugnisse, die zunächst in das Lebensmittelgesetz und ab dem [X.] in das Lebensmittel-
und Be-darfsgegenständegesetz eingegliedert waren; insoweit sollten die Regelungen den Gesundheitsschutz verstärken, ohne die "wirtschaftliche Entwicklung", mit-hin den Vertrieb solcher Produkte, unnötig einzuschränken (vgl. etwa
BT-Drucks. 7/255, [X.]). Auch die mit den Vorschriften des [X.] korrespondierenden europarechtlichen Regelungen bezwecken nicht allgemein den Gesundheitsschutz, sondern den Schutz "der menschli-chen Gesundheit durch Verringerung der Gesundheitsschäden infolge von [X.]" (vgl. etwa Art. 1 der Richtlinie 89/622/EWG des Rates vom 13.
November 1989 zur Angleichung der Rechts-
und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen; gleichlau-7
8
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5
-
tend nunmehr: Art. 1 der Richtlinie 2001/37/[X.] des [X.] und des Rates vom 5.
Juni 2001
zur Angleichung der Rechts-
und Verwal-tungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen, im Folgenden [X.]), ohne allerdings solche Produkte schlechthin zu verbieten. Sie werden
vielmehr all-gemein als marktgängige Genussmittel angesehen; Handelshemmnisse sollen durch die Harmonisierung der Regelungen in den Mitgliedstaaten der [X.] beseitigt werden (vgl. etwa Erwägungsgrund Nr.
3 der [X.]).
Angesichts dieses Regelungszusammenhangs kann die Zweckbestim-mung "zum Rauchen" etc. nicht von dem Begriff der Tabakerzeugnisse ge-trennt betrachtet werden. Vielmehr definiert § 3 Abs. 1 [X.] -
in inhaltlicher Übereinstimmung mit Art.
2 Nr.
1 [X.]
-
Tabakerzeugnisse als "aus [X.] oder unter Verwendung von [X.] hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind".
Den Tabakerzeugnissen ähnliche Waren im Sinne von § 3
Abs.
2 Nr.
1 [X.] sind folglich nur solche, die Tabakerzeugnisse in einer ihrer [X.] ersetzen sollen ([X.]/[X.] aaO, §
3 [X.] Rn.
9). Betäubungsmittel sollen aber, selbst wenn sie geraucht wer-den, nicht ein Tabakerzeugnis ersetzen; sie werden vielmehr konsumiert, um sich mittels der darin enthaltenen psychotropen Substanzen in einen Rausch-zustand zu versetzen.
Nichts anderes gilt für die mit synthetischen Cannabinoiden versetzten Kräutermischungen: Sie stellen kein Tabakerzeugnis im Sinne von § 3 Abs. 1 [X.] dar, weil sie nicht aus [X.] oder unter Verwendung von [X.] hergestellt werden. Sie sind keine den Tabakerzeugnissen ähnliche Wa-9
10
-
6
-
ren im Sinne von §
3
Abs.
2 Nr.
1 [X.], weil sie nicht als Ersatz für [X.], sondern zur Erreichung eines anderen Zweckes -
der Versetzung in einen mit Tabakerzeugnissen nicht zu erreichenden Rauschzustand -
ge-raucht werden.
2. Selbst wenn man die mit synthetischen Cannabinoiden versetzten Kräutermischungen entgegen der obigen Darlegungen als tabakähnliche Wa-ren auffassen wollte, wären sie jedenfalls in dem vom [X.] entschiedenen Fall nicht zum Rauchen bestimmt gewesen.
Ausweislich der im Urteil des [X.]s wiedergegebenen Feststellungen des [X.]s waren die Kräutermischungen mit dem Hinweis versehen, es handele sich um [X.], der Inhalt der verkauften Tütchen sei nicht zum menschlichen Verzehr geeignet ([X.], Urteil vom 4.
September 2014
-
3 [X.], juris Rn.
5).
Damit fehlt es an der von §
3 Abs.
2 Nr.
1 [X.] vorausgesetzten Zweckbestimmung. Das Merkmal "bestimmt" ist wie bei der Definition der [X.] im früheren §
1 [X.] bzw. wie nunmehr in Art. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 178/2002 des [X.] und des Rates vom 28. Ja-nuar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der [X.] und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: [X.]-Lebensmittel-BasisVO) auszulegen (Zipfel/Sosnitza/[X.] aaO, § 3 [X.] Rn.
8). Bei der Definition des Lebensmittels ist -
wie bei den Tabakerzeugnissen -
maßgeblich auf die Zweckbestimmung abzustellen; damit ist die vorgesehene Verwendung gemeint, wie sie im Verkehr bei natürlicher Betrachtungsweise durch einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen Verbraucher erkennbar ist ([X.] in Zipfel/[X.], aaO, 150. Erg. [X.]., Art.
2 11
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13
-
7
-
[X.]-Lebensmittel-BasisVO Rn.
23; [X.]J/W/Sackreuther, Wirtschafts-
und Steu-erstrafrecht, vor §§ 58-61 [X.] Rn. 38 mwN). Ein durchschnittlicher Verbrau-cher wird indes bei der Bezeichnung einer Ware als -
nicht zum menschlichen Verzehr geeignetem -
"[X.]" nicht davon ausgehen, dass diese zum Rauchen bestimmt sei. Auf den möglichen Kenntnisstand eingeweihter Kunden eines Verkäufers solcher Kräutermischungen über die tatsächliche Bestimmung kommt es nicht an.
Ebensowenig kann darauf abgestellt werden, ob es nach vernünftigem Ermessen zu erwarten ist, dass solche Kräutermischungen geraucht werden. Denn diese in Art.
2 Abs.
1 [X.]-Lebensmittel-BasisVO aufgenommene Erweite-rung über die Zweckbestimmung hinaus ist in der Definition der [X.] bzw. der tabakähnlichen Waren im Sinne von § 3 [X.] nicht enthal-ten (Zipfel/Sosnitza/[X.] aaO,
§ 3 [X.] Rn.
8). Eine entsprechende Auslegung zur Begründung der Strafbarkeit kommt schon aufgrund der [X.] aus Art. 103 Abs. 2 GG nicht in Betracht.
Becker

Ri[X.] [X.] befindet sich

Schäfer

im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

Becker

Gericke

Spaniol
14

Meta

3 ARs 28/14

20.01.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2015, Az. 3 ARs 28/14 (REWIS RS 2015, 16910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16910

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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