Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2016, Az. I ZR 241/15

I. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 661

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:151216BIZR241.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I [X.]
vom
15. Dezember 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]
UWG § 5 Abs. 1 Satz 2, § 5a Abs. 2
Stützt das erstinstanzliche Gericht seine Verurteilung zur Unterlassung auf einen von mehreren [X.], die mit einem einheitlichen, auf eine konkrete Verletzungsform bezogenen Klageantrag geltend gemacht werden, so fällt auch der erstinstanzlich nicht berücksichtigte Irreführungs-aspekt in der Berufungsinstanz an.
[X.], Beschluss vom 15. Dezember 2016 -
I [X.] -
OLG [X.]

LG [X.] I

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 15.
Dezember 2016
durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.]
Dr.
Koch, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Feddersen

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin
wird das Urteil des 6.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 22.
Okto-ber
2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen.

festgesetzt.

Gründe:

[X.] Die Parteien bieten Telekommunikationsdienstleistungen an.
Die Beklagte warb in einer als Postwurfsendung verteilten Broschüre für den Fernsehempfang über das [X.] im Rahmen ihres Produkts "[X.]"
mit der Aussage "Sie sparen die monatliche Kabelanschlussgebühr", wie aus den nachfolgenden Abbildungen ersichtlich.
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3
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Die Klägerin hat diese Werbung als irreführend
beanstandet, weil die angegriffene Aussage die Möglichkeit vortäusche, von einem Kabelanschluss zum Angebot der [X.] zu wechseln und so
die monatliche Gebühr für den Kabelanschluss
zu
sparen. Mietern stünde diese Möglichkeit
jedoch
häufig nicht offen, da die Vermieter die Verträge mit den Kabelnetzbetreibern geschlossen hätten und die Kosten als Betriebskosten
auf sämtliche Mieter [X.]
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Die Klägerin hat ferner beanstandet, in der Werbung werde nicht darauf hingewiesen, dass der Leistungsumfang des Produkts der [X.] gegen-über dem der Klägerin erheblich eingeschränkt sei, weil das "[X.]"-Angebot der [X.] nur den Fernsehempfang mit einem einzigen Fernseher beinhalte,
sofern man nicht einen kostenpflichtigen [X.] buche.
Über analoge Mehrnutzeranschlüsse der Klägerin könnten hingegen beliebig viele Fernsehgeräte angeschlossen werden.
Der Kläger hat -
soweit für die Revision von Bedeutung -
beantragt,
[X.]
die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen,
es zu unterlassen, durch eine geschäftliche Handlung im [X.] für ein Angebot für Fernsehen, Telefonie und [X.]
b)
mit der Aussage "Sie sparen die monatliche Kabelanschlussgebühr"
(Seite 3 der Broschüre "Megaschnelles [X.] und brilliantes Fernsehen in HD") zu werben oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie in der als Anlage
K 1 beigefügten Werbebroschüre;
I[X.]

fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2013 zu zahlen.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht den Klageantrag
I b)
abgewiesen und auf den Klageantrag I[X.]

zugesprochen.
Mit der zuzulassenden
Revision möchte die Klägerin die
Klage-anträge
I b und II vollen Umfangs
weiterverfolgen.
I[X.] Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
1. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die angegriffene Werbung sei nicht irreführend, weil sie dahingehend verstanden werde, dass bei Inanspruch-nahme des "[X.]"-Angebots keine Kabelanschlussgebühr anfalle und diese gegenüber einem vergleichbaren Angebot eines anderen Anbieters mit Kabelanschluss erspart werde könne. Eine Irreführung liege nicht vor. Dem angesprochenen Verkehr werden
nicht
in Aussicht gestellt, im Falle des [X.] zur [X.] ohne weiteres von der Verpflichtung zur Zahlung von [X.] befreit zu werden oder sich von vertraglichen Beziehungen zum Kabelanschlussunternehmen lösen zu können.
Das Berufungsgericht hat hierbei nicht den Vortrag der Klägerin in Erwägung gezogen, in der Werbung werde nicht darauf hingewiesen, dass der Leistungsumfang des Produkts der [X.] gegenüber dem der Klägerin erheblich eingeschränkt sei. Die Klägerin hat geltend gemacht, das "[X.]"-Angebot der [X.] beinhalte nur den Fernsehempfang mit einem einzigen Fernseher, sofern man nicht einen kostenpflichtigen [X.] buche. Über analoge Mehrnutzeranschlüsse der Klägerin könnten hingegen beliebig viele Fernsehgeräte angeschlossen werden.
2. [X.] ist entscheidungserheblich.
a) Dass die Klägerin den vom Berufungsgericht übergangenen Irrefüh-rungsaspekt zwar erstinstanzlich vorgetragen, jedoch in der Berufungsinstanz weder auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen noch ihn wiederholt hat, steht einer sachlichen Entscheidung darüber nicht entgegen.
Der weitere Irreführungsaspekt ist ungeachtet dessen in der Beru-fungsinstanz angefallen, dass das [X.] seine Entscheidung nicht auf ihn
gestützt hat. Legt der Beklagte gegen ein Urteil, das einer im Wege objektiver Klagehäufung auf zwei [X.] gestützten Klage aus einem der Gründe stattgegeben hat, ein zulässiges Rechtsmittel ein, so fällt auch der nicht 8
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beschiedene Klagegrund
der Rechtsmittelinstanz an ([X.], Urteil vom 24.
September 1991 -
XI ZR 245/90, [X.], 1419, 1420). Dieser Gedanke ist auf die Geltendmachung mehrerer Irreführungsaspekte innerhalb eines ein-heitlichen Streitgegenstandes übertragbar, der durch die in Bezug genommene konkrete Verletzungsform bestimmt wird (vgl. [X.], Urteil vom 13. September 2012 -
I [X.], [X.]Z 194, 314 Rn. 24 -
Biomineralwasser). Stützt das erstinstanzliche Gericht seine Verurteilung zur Unterlassung auf einen von mehreren [X.], die mit einem einheitlichen,
auf eine konkrete Verletzungsform bezogenen Klageantrag
geltend gemacht werden, so fällt auch der erstinstanzlich nicht berücksichtigte Irreführungsaspekt in der Berufungs-instanz an.
b) Eine Gehörsverletzung ist
schon dann entscheidungserheblich, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Berück-sichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. [X.], Urteil vom 20. September 2010 -
II ZR 296/08, [X.]Z 187, 69 Rn. 14 mwN; Beschluss vom 19. Januar 2012 -
V [X.], [X.], 164 Rn. 11; Beschluss vom 11. April 2013 -
I [X.], [X.] 2013, 383 Rn. 16).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
aa) Eine Irreführung
gemäß
§ 5 Abs. 1 Satz 2 UWG dürfte
allerdings nicht gegeben
sein, weil die Angabe, man könne die Kabelanschlussgebühren sparen, lediglich einen Hinweis darauf enthält, dass eine Kabelanschlussgebühr nicht anfällt, hingegen aber keinen Hinweis darauf, dass ein bestimmter, dem Kabelanschluss entsprechender Leistungsumfang bereitgestellt werde. Nach dem Gesamtzusammenhang der Broschüre ergeben sich die Leistungs-merkmale nicht aus der Angabe "Sie sparen die monatliche Kabelanschluss-gebühr", sondern allenfalls aus weiteren Angaben (etwa: "Rund 100 Sender, davon 17 in HD-Qualität; Über 19.000 Film-, TV-
und Serien-Highlights auf Abruf"). Ein vergleichender Bezug zu den Leistungsmerkmalen des Kabelan-13
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schlusses einerseits und des "[X.]"-Angebots andererseits wohnt diesen Angaben nicht inne. Die Angabe bestimmter Vorzüge beinhaltet nicht zugleich die Behauptung, nicht genannte Nachteile existierten nicht. Es besteht keine Pflicht des Werbenden, der sich nur mit seiner eigenen Ware befasst, auf Nachteile seines Produkts hinzuweisen ([X.], Urteil vom 29.
November 1963

[X.], [X.], 269, 271 -
Grobdesin; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 34. Aufl., § 5 Rn. 2.113).
bb) Es kommt aber eine Irreführung durch Unterlassen gemäß § 5a Abs.
2 UWG in Betracht.
Nach der Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG, deren Änderung durch das [X.] zur Änderung des [X.] die zuvor unter der Geltung des § 5a Abs. 2 UWG aF bestehende Rechtslage nicht geändert hat (vgl. [X.], Urteil vom 21. Juli 2016 -
I [X.], [X.], 1076 Rn. 18 = [X.], 1221 -
LGA tested), handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Als Vorenthalten gilt nach § 5a Abs. 2 Satz 2 UWG auch das Verheimlichen wesentlicher Informationen (Nr. 1), die Bereitstellung wesentlicher Informatio-nen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise (Nr. 2) und die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen (Nr. 3).
Eine Information ist wesentlich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des [X.] ein erhebliches Gewicht zukommt (vgl. [X.], Urteil vom 15
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8
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16.
Mai 2012 -
I [X.], [X.], 1275 Rn. 36 = [X.], 57 -
Zweig-stellenbriefbogen; [X.], [X.], 1076 Rn. 31 -
LGA tested Rn. 31). "Wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung"
im Sinne des § 5a Abs.
3 Nr. 1 UWG sind Eigenschaften des Produkts, hinsichtlich derer ein Durchschnittsverbraucher eine Information billigerweise erwarten darf, um eine informierte Entscheidung treffen zu können ([X.] in [X.]/[X.] aaO §
5a Rn.
4.24 f.). Eine Irreführung durch Unterlassen hat der Senat ange-nommen, wenn bei Verwendung des Slogans "Kein [X.] nötig"
nicht darauf hingewiesen worden ist, dass [X.] nicht möglich sind. Dies hatte seinen Grund darin, dass der Verkehr erwartete, ein als vollständige Alternative beworbener Telefonanschluss erlaube stets auch [X.] ([X.], [X.], 846 Rn.
23 f. -
Kein [X.] nötig).
Es erscheint nicht fernliegend, dass der Verkehr erwartet, das "[X.] erlaube die Nutzung
mehrerer
Empfangsgeräte. Zwar handelt es sich beim internetbasierten Fernsehempfang um eine neue Form des Fernsehempfangs, auf die bisherige Erfahrungen und Gewohnheiten nicht ohne weiteres übertragbar sein müssen. Fraglich ist jedoch, ob der Verbraucher damit rechnet, dass -
anders als im Falle des [X.] oder des herkömmlichen [X.] -
das beworbene Angebot nur den An-schluss eines Fernsehers beinhaltet. Dass -
wie die Beklagte geltend macht -
mittels eines Receivers ein weiteres Empfangsgerät angeschlossen werden kann, könnte der Annahme einer Informationspflicht mit Blick darauf nicht entgegenstehen, dass dieser Receiver gesondert zu bestellen ist,
eine monatliche Mietgebühr von

und zudem den [X.] nur eines
weiteren Fernsehers gestattet.
Die hier in Rede stehende Information betrifft die vom bisher Gewohnten -
unbegrenzte Anzahl von Empfangsgeräten bei gleich-bleibendem Preis -
abweichende Nutzbarkeit und Wirtschaftlichkeit des [X.]
-
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benen Angebots.
Nach dem Vorstehenden erscheint
nicht ausgeschlossen, dass eine solche Information unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des [X.] ein erhebliches Gewicht zukommt.
II[X.] Danach ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO das angegriffene Urteil aufzu-heben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen: Sofern das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Voraussetzungen des § 5a Abs. 2 UWG erfüllt sind, sollte auf eine Fassung des [X.] hingewirkt werden, die die beanstandete Informationspflichtverletzung charakteristisch wiedergibt.
Büscher
Koch
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 17.11.2014 -
4 [X.] 28523/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.10.2015 -
6 U 4684/14 -

20

Meta

I ZR 241/15

15.12.2016

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2016, Az. I ZR 241/15 (REWIS RS 2016, 661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 661

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 241/15

I ZR 230/11

II ZR 296/08

V ZR 141/11

I ZR 160/12

I ZR 26/15

I ZR 74/11

6 U 4684/14

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