Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.06.2014, Az. VIII ZB 23/14

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5118

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB
23/14

vom

3. Juni
2014

in dem Rechtsstreit

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Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat am 3. Juni 2014 durch die Rich-terin [X.] als Vorsitzende, die Richterin [X.], [X.]
[X.],
die Richterin [X.] sowie [X.] Bünger

beschlossen:

Der [X.] wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 20.
Dezember 2013 gewährt.

Auf die Rechtsbeschwerde der [X.] wird der vorgenannte Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] aufge-hoben.

Der [X.] wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung
der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 3.
Mai 2013 gewährt.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kos-ten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

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Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 3. Mai 2013, [X.] am 23. Mai 2013, zur Räumung der von ihr gemieteten Wohnung und zu Betriebskostennachzahlungen verurteilt. Am 24. Juni 2013 (Montag) ging ein von der [X.] persönlich unterzeichnetes Prozesskostenhilfegesuch bei dem Berufungsgericht ein.
Mit einem als "Berufungsbegründung" bezeichneten Schriftsatz vom 17.
Oktober 2013 stellte ein neuer Prozessbevollmächtigter der [X.] [X.] und begründete das Rechtsmittel. Durch Beschluss vom [X.], zugestellt am 24. Oktober 2013, bewilligte das Berufungsgericht der [X.] Prozesskostenhilfe.
Nach Hinweisen des Berufungsgerichts vom 12. und 25. November 2013, dass kein Wiedereinsetzungsgesuch eingegangen und die [X.] nicht nachgeholt worden sei, legte der Prozessbevollmächtigte der [X.] mit Schriftsatz vom 26. November 2013 Berufung ein und begehrte Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag mit Beschluss vom 20.
Dezember 2013 zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig [X.]. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Beklagte bis zum 7.
November 2013 kein Wiedereinsetzungsgesuch eingereicht und die [X.] der Berufung nicht nachgeholt habe.
Der Beschluss des Berufungsgerichts vom 20. Dezember 2013 wurde der [X.] am 6. Januar 2014 zugestellt. Mit Schreiben vom 1. Februar 2014, eingegangen am 4. Februar 2014, hat die Beklagte Prozesskostenhilfe 1
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für eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde beantragt. Der Senat hat der [X.] mit Beschluss vom 1. April 2014, der ihrem zweitinstanzlichen [X.] am 7. April 2014 zugestellt worden ist, Prozesskostenhilfe bewil-ligt. Am 9. April 2014 hat die Beklagte Rechtsbeschwerde eingelegt und [X.] gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begrün-dung der Rechtsbeschwerde beantragt. Mit Schriftsatz vom 29. April 2014 hat die Beklagte die Rechtsbeschwerde begründet.

II.
Der [X.], die innerhalb der laufenden Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einen ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrag unter Beifügung vollständiger Unterlagen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestellt hat, ist
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu bewilligen (§ 233 ZPO). Denn sie war im Hinblick auf ihre Bedürftigkeit ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gehindert und hat die versäumten Rechtshandlungen nach Wegfall des Hindernisses innerhalb der [X.] (§ 234 Abs. 1 ZPO) nachgeholt.

III.
[X.] hat Erfolg. Sie führt
zur Aufhebung des [X.] Beschlusses, zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung sowie zur Zurückver-weisung der Sache an das Berufungsgericht.
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1. [X.] ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, §
238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Auch die besonderen Zuläs-sigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen vor, weil eine Entschei-dung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angegriffene Ent-scheidung verletzt den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch der [X.] auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaats-prinzip). Dieses Verfahrensgrundrecht verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in [X.], aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschwe-ren (st. Rspr., z.B. Senatsbeschlüsse vom 16.
November 2010
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VIII ZB 55/10, NJW 2011, 230 Rn. 10; vom 5.
Februar 2013 -
VIII ZB 38/12, [X.], 696 Rn. 8; vom 14. Januar 2014 -
VIII ZB 40/13, juris Rn. 4; jeweils mwN).
2. [X.] ist begründet.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen,
dass die Beklagte nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 22. Oktober 2013, zugestellt am 24. Oktober 2013, bis zum Ablauf der Wiedereinsetzungs-frist am 7. November 2013 (§
234 Abs. 1 Satz 1 ZPO) weder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist des § 517 ZPO beantragt noch die versäumte [X.] nachgeholt habe.
a) Eine Nachholung der versäumten [X.] gemäß § 236 Abs.
2 Satz 2 Halbs. 1 ZPO war vorliegend entbehrlich, weil diese, wenn auch verspätet, bereits vor dem Beginn der [X.] am 24. Oktober 2013 vorgenommen worden war (vgl. hierzu [X.], Urteile vom 17. Januar 2013 -
III ZR 168/12, NJW-RR 2013, 692 Rn. 16; vom 26. Januar 1978 -
VII ZB 20/77, [X.], 449). Bereits mit dem als "Berufungsbegründung" bezeich-8
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neten Schriftsatz vom 17. Oktober 2013 hat die Beklagte das Rechtsmittel nicht nur begründet, sondern zugleich -
unbedingt -
Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts einlegt (§ 519 Abs. 1, § 520 Abs. 3 Satz 1
ZPO). Der Schriftsatz vom 17. Oktober 2013 enthält nicht nur die Bezeichnung des Urteils, gegen das sich die Beklagte wendet (§ 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Er macht auch zweifelsfrei deutlich, dass gegen das Urteil Berufung eingelegt werden soll (§ 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Entscheidend ist, dass der Erklärung die Absicht, das erstinstanzli-che Urteil einer Nachprüfung durch die höhere Instanz zu unterstellen, eindeutig zu entnehmen ist ([X.], Beschlüsse vom 17. Juli 2008 -
V
[X.], [X.], 1926 Rn. 9; vom 23. Juni 2005 -
I [X.], [X.], 110; vom 19.
November 1997 -
XII ZB 157/97, NJW-RR 1998, 507; vom 25. November 1986 -
VI
[X.], NJW 1987, 1204 unter II). Diesen Anforderungen wird der Schriftsatz vom 17. Oktober 2013 gerecht. Die Bezeichnung als "[X.]" steht der Beurteilung nicht entgegen, dass es sich zugleich um eine Berufungsschrift handelt, da eine wirksame Berufungsschrift nicht davon ab-hängt, dass sie ausdrücklich als "Berufung" bezeichnet ist ([X.], Beschlüsse vom 17. Juli 2008 -
V [X.], aaO Rn. 11; vom 25. November 1986 -
VI [X.], aaO).
b) Es gereicht der [X.] nicht zum Nachteil, dass sie nicht rechtzei-tig Wiedereinsetzung in die versäumten Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung beantragt hat. Aufgrund der vorgenannten Umstände kann gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Eine von Amts wegen statthafte Wiedereinsetzung kann auch das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen des bei ihm anhängigen Beschwerdever-fahrens aussprechen, wenn die Wiedereinsetzung, wie hier, nach dem [X.] ohne Weiteres zu gewähren ist (vgl. [X.], Urteil vom 17. Januar 2013
-
III ZR 168/12, aaO Rn.
21; [X.], Beschlüsse vom 8.
Oktober 1992 -
V [X.], [X.], 713; vom 9.
Juli 1985
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VI ZB 8/85, NJW 1987, 2650 unter [X.]2
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2; Urteil vom 4. November 1981 -
IVb
ZB 625/80, NJW
1982, 1873 unter [X.]). Davon hat der Senat Gebrauch gemacht.

[X.] [X.] Dr. [X.]

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 03.05.2013 -
144 C 7803/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 20.12.2013 -
4 S 328/13 -

Meta

VIII ZB 23/14

03.06.2014

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.06.2014, Az. VIII ZB 23/14 (REWIS RS 2014, 5118)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5118

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZB 55/10

VIII ZB 38/12

III ZR 168/12

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