Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2017, Az. VIII ZB 54/16

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10263

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:300517BVIIIZB54.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 54/16

vom

30. Mai 2017

in dem Rechtsstreit

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Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat am 30. Mai 2017
durch die [X.] Richterin Dr.
[X.], die Richterin [X.] sowie [X.]
Dr.
Achilles, [X.] und Dr. Bünger
beschlossen:
Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] -
7. Zivilkammer -
vom 5. Juli 2016 gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der vorgenannte Beschluss des [X.] hinsichtlich Ziffer 2 der Beschlussformel (Zurückweisung des [X.]) aufgehoben.
Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2016 gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

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Gründe:
I.
Durch das ihren Prozessbevollmächtigten am 1. März 2016 zugestellte Urteil des Amtsgerichts ist die Beklagte zur Räumung und Herausgabe ihrer von der
Klägerin gemieteten Wohnung in [X.] verurteilt worden. Ihren am 21. März 2016 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Antrag auf [X.] für das Berufungsverfahren hat das Berufungsge-richt durch Beschluss vom 26. April 2016 zurückgewiesen; dieser ist der [X.] am 30. April 2016 zugestellt worden. Durch einen am 18. Mai 2016 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtig-ten hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die [X.] der Berufungs-
und der Berufungsbegründungsfrist beantragt und gleichzeitig Berufung eingelegt. Den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beru-fungsfrist hat das Berufungsgericht im angefochtenen Beschluss zurück-gewiesen, weil er nicht innerhalb der gemäß § 234 ZPO bis zum 17. Mai 2016 laufenden Antragsfrist gestellt worden sei. Auch "die Entscheidung [X.].
VII
ZA 21/08"
lasse kein anderes Ergebnis zu. Eine schuldlose Versäumung der Frist und damit ein Grund zur Wiedereinsetzung in die [X.] sei nicht zu erkennen. Der Hinweis auf die Zustellung an einem Samstag und den [X.] genügten hierzu nicht, sondern führten zur Verlängerung der Frist bis zum 17. Mai 2016.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte, der insoweit durch Senatsbeschluss vom 23. August 2016 ([X.] 25/16) Prozesskostenhilfe be-willigt worden ist, mit ihrer Rechtsbeschwerde.

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II.
1. Der Beklagten, die innerhalb der laufenden Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einen ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrag unter Beifügung vollständiger Unterlagen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gestellt hat, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu bewilligen (§ 233 ZPO). Denn sie war im Hinblick auf ihre Bedürftigkeit ohne ihr Verschulden an der Einhaltung dieser Fristen gehindert und hat die ver-säumten Rechtshandlungen nach Wegfall des Hindernisses innerhalb der Wie-dereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 ZPO) nachgeholt.
III.
1. Die nach §
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §
522 Abs. 1 Satz 4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO
statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdege-richts erfordert

574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung ver-letzt das Verfahrensgrundrecht der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in
Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Dieses verbietet es den Gerichten, den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (st.
Rspr.; vgl. [X.], NJW 2005, 814, 815; Senatsbeschlüsse
vom 13. Dezember 2016 -
VIII ZB 15/16, juris Rn. 6; vom 12.
Juli 2016 -
VIII [X.], [X.], 632 Rn. 1; [X.] mwN). Indem das Berufungsgericht infolge unzureichender Prüfung des Laufs der gemäß § 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch für die Frist zur Einlegung der Berufung
maßgeblichen [X.] den rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift verneint und dementsprechend der Beklagten die beantragte Wiedereinsetzung in die zunächst infolge Bedürf-3
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tigkeit versäumte Berufungsfrist versagt hat, hat es ihr den Zugang
zur Beru-fungsinstanz in zulassungsbedürftiger Weise verwehrt.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, weil die vom Berufungs-gericht ohne nähere Erläuterung vorgenommene Bemessung der Wiederein-setzungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) nicht frei von Rechtsfehlern ist.
a) [X.], die -
wie hier die Beklagte für die Berufung gegen das Ur-teil des Amtsgerichts -
um Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechts-mittel nachsucht, ist bei noch laufendem Prozesskostenhilfeverfahren schuldlos verhindert, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, wenn sie Anlass hat, auf die Bewil-ligung der Prozesskostenhilfe zu vertrauen. Dieses Hindernis entfällt mit der Entscheidung über das Gesuch. Für den -
hier gegebenen -
Fall, dass die bean-tragte Prozesskostenhilfe nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist verweigert wird, bleibt der [X.] nach der Bekanntgabe der Entscheidung noch eine kurze Frist von (höchstens) drei bis vier Tagen für die Überlegung, ob sie das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will. Erst dann beginnt die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO für das Wiedereinsetzungsgesuch und die damit zu verbindende Einlegung des Rechtsmittels (st.
Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Januar 2009 -
[X.] 21/08, WuM 2009,
186 Rn. 6 f. mwN; vom 14. April 2011 -
I ZA 21/10, [X.] 2011, 267 Rn. 21 f.; vom 23.
April 2013 -
II ZB 21/11, [X.], 1329 Rn. 16; vom 10. Oktober 2016 -
IX [X.], juris Rn.
1; ferner etwa [X.], [X.] 2013, 660 Rn. 5; [X.], Beschluss vom 5.
März 2014 -
V [X.]/13, juris Rn. 6).
b) Mit dem Lauf der genannten [X.] hat sich das Berufungs-gericht rechtsfehlerhaft nicht in der durch die vorliegende Fallgestaltung gebo-tenen Weise befasst. Vor allem lässt seine Entscheidung nicht, zumindest nicht hinreichend sicher erkennen, ob es angesichts der Benennung des (fehlerhaf-5
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ten) Geschäftszeichens "VII ZR 21/08"
überhaupt von der Anwendbarkeit einer zusätzlichen [X.] ausgehen wollte, oder ob es für den von ihm mit dem 17. Mai 2016 angenommenen Fristablauf allein auf die zweiwöchige Frist des §
234 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgestellt hat, die gemäß § 222 Abs. 1, 2 ZPO, §
187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB an diesem Tage geendet hätte. Dies kann der Senat nachholen, da die Frage, ob Wiedereinsetzung zu Recht ver-sagt worden ist, auch in tatsächlicher Hinsicht ohne Bindung an die Würdigung des Berufungsgerichts in vollem Umfang seiner Prüfung unterliegt ([X.], Urteil vom 18. März 1992 -
IV ZR 101/91, [X.], 1898 unter 4 a; Beschluss vom 21. Januar
2010 -
IX ZB 164/09, [X.], 631 Rn. 13; jeweils mwN).
c) Der Lauf der der zweiwöchigen [X.] vorge-schalteten [X.] hat zwar, da § 193 BGB und § 222 Abs. 2 ZPO auf den Fristbeginn keine Anwendung finden ([X.], Beschluss vom 28. November 2007 -
IX [X.]/07, juris Rn. 3; BeckOGK BGB/Fervers, Stand März 2017, §
193 Rn. 29 mwN), bereits am 1. Mai 2016 begonnen. Allerdings ist es im Streitfall wegen der besonderen Umstände, die neben einer Zustellung des die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlusses am Wochenende durch eine [X.] Häufung von Feier-
und Brückentagen und die damit typi-scherweise verbundenen Erschwernisse hinsichtlich einer effektiven Einholung von Rat zur weiteren Vorgehensweise geprägt sind, geboten, der Beklagten zur Wahrung einer ihren Interessen gerecht werdenden Überlegungsmöglichkeit eine viertägige Frist zuzubilligen. Dementsprechend hat der Lauf der [X.] gemäß § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 2 BGB erst am 5. Mai 2016, dem [X.], begonnen und gemäß § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB mit Ablauf des 18. Mai 2016 geendet, so dass die an diesem Tage zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingegangene Berufungs-schrift der Klägerin die nach § 234 Abs. 1 Satz 1, §
236 Abs. 2 Satz 2 ZPO vor-geschriebenen Fristen gewahrt hat.
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3. Hiernach kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist, da auch die übrigen Voraussetzungen für die beantragte Wieder-einsetzung vorliegen, hinsichtlich der versäumten Berufungsfrist zur Endent-scheidung reif, weil es keiner weiteren Tatsachenfeststellungen bedarf (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Dem Gesuch auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beru-fungsfrist ist danach stattzugeben.
Demgegenüber ist der Antrag der Beklagten auf Bewilligung der Wieder-einsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist, die nach § 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO für eine mittellose, um Prozesskostenhilfe nachsuchende [X.] erst mit der Mitteilung der Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beginnt ([X.], Beschlüsse
vom 30. April 2014 -
III ZB 86/13, NJW
2014, 2442 Rn. 8 vom 10.
Oktober 2016

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IX [X.], juris Rn. 2 [zur versäumten Nichtzulassungsbeschwerdebe-grüngungsfrist]; jeweils mwN), noch
nicht entscheidungsreif. Die Bewilligung hängt vielmehr zusätzlich davon ab, dass die versäumte Berufungsbegründung nach Maßgabe des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nachgeholt wird.
Dr. [X.] [X.]

Dr. Achilles

[X.] Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 26.02.2016 -
16 C 7785/15 -

LG [X.]-Fürth, Entscheidung vom 05.07.2016 -
7 S 2087/16 -

Meta

VIII ZB 54/16

30.05.2017

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2017, Az. VIII ZB 54/16 (REWIS RS 2017, 10263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10263

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VIII ZB 55/15

I ZA 21/10

II ZB 21/11

V B 87/13

IX ZB 164/09

III ZB 86/13

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