Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2017, Az. IV ZB 22/16

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3314

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:251017BIV[X.].16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB
22/16
vom
25. Oktober 2017
in dem Rechtsstreit

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2
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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.], die Richter [X.] und Dr.
Götz

am 25. Oktober 2017

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der [X.] des 13. Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 14. September 2016 auf-gehoben.

Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des [X.] [X.] vom 14.
Oktober 2015 gewährt.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 170.000

Gründe:

[X.] Die Beklagte erstrebt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Berufung.
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Sie hat innerhalb der Berufungsfrist beim [X.] die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe "für das im Falle ihrer Gewährung durchzuführende Berufungsverfahren"
beantragt. In der
Antragsschrift heißt es:

"Aus der überreichten Erklärung zu ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen ergibt sich, dass die [X.] nicht in der Lage ist, die Kosten der [X.] im Berufungsverfahren aufzubringen, das aufgrund der folgenden Ausführungen in der Begründung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Im Falle der Gewährung von Prozesskostenhilfe wird die Berufung gegen das anliegend in Kopie beigefügte Urteil des [X.] gelegt mit dem Antrag

."

Es
folgen Anträge und,
unter
der Überschrift "Begründung",
Aus-führungen zur Sache.

Das [X.] hat den Antrag auf Bewilligung von [X.] mit Beschluss vom 15.
Februar 2016, der Beklagten zu-gestellt am 22.
Februar 2016,
mangels hinreichender Erfolgsaussicht
der Berufung
zurückgewiesen. Mit einem am 7.
März 2016 eingegangenen Schriftsatz
hat die
Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Einlegung der Berufung beantragt und Berufung eingelegt. Einge-hend am 22.
März 2016
hat sie
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Berufungsbegründung
beantragt und die Berufung begründet.

Das [X.] hat die [X.] zurück-gewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

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I[X.] Die Rechtbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Wiedereinsetzung der Beklagten in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs-
und der Beru-fungsbegründungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Be-rufungsgericht.

1. Die nach den §§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, 238 Abs.
2 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zu-lässig. Eine Entscheidung des [X.] ist nach §
574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung erforderlich. Die angefochtene Entscheidung verletzt die [X.] der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechts-schutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit
dem Rechtsst[X.]tsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a)
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht, schuldlos an der Wahrung der Fristen gehindert ge-wesen zu sein. Ihre
Mittellosigkeit sei für die Fristversäumung nicht kau-sal geworden. Ihr Prozessbevollmächtigter
sei auch ohne [X.] bereit gewesen, die Berufung einzulegen und zu begründen. Das ergebe sich zweifelsfrei daraus, dass er eine vollständige unterzeichnete (Berufungs-)Begründung vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist und vor der Entscheidung über den [X.] gefertigt und bei Gericht eingereicht habe, die mit der späteren Berufungsbegründung inhaltlich vollkommen übereingestimmt habe.

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Eine Prozesskostenhilfe beantragende [X.] sei zudem nur solan-ge als schuldlos an der Fristwahrung gehindert anzusehen, wie sie ver-nünftigerweise nicht mit einer die Prozesskostenhilfe ablehnenden Ent-scheidung rechnen müsse. Die Beklagte habe sich zwar für bedürftig [X.] dürfen. Sie habe aber unter anderem
nach dem bisherigen [X.] vernünftigerweise mit einer Zurückweisung des [X.] rechnen müssen,
nachdem das Berufungsgericht ihre [X.] Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug zurückgewiesen und dabei
eine hinreichende Erfolgs-aussicht verneint
hatte.

b) Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[X.]) Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon [X.], dass die Beklagte die Fristen versäumt hat. Ihr Prozessbevoll-mächtigter hat sich in dem
Schriftsatz vom 19.
November 2015 mit der Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs begnügt. Das ergibt sich aus der Überschrift "Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe"
und
der Formulierung, Prozesskostenhilfe werde "für das im Falle ihrer Ge-währung durchzuführende Berufungsverfahren"
begehrt. Der Schriftsatz enthält zwar ausformulierte [X.] und eine rund zwölfseitige Begründung, was aber
erkennbar der Begründung des Antrags auf Bewil-ligung von Prozesskostenhilfe dient
und keine Berufungsbegründung darstellt. Das wird
insbesondere deutlich
durch die voranstehende [X.] "Im Falle der Gewährung von Prozesskostenhilfe wird die Be-

"
und den Hinweis, das beabsich-tigte Berufungsverfahren biete "aufgrund der folgenden Ausführungen in der Begründung"
hinreichend Aussicht auf Erfolg.

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bb) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch die Wiedereinset-zung in die versäumten Fristen versagt.
Die Wiedereinsetzung ist [X.] (§ 234 Abs.
1 Satz
1 und 2
ZPO) und unter gleichzeitiger Nachho-lung der versäumten Prozesshandlungen (§
236 Abs.
2 Satz
2 ZPO) be-antragt
worden.
Die [X.] sind auch begründet, weil die Beklagte glaubhaft gemacht hat (§
236 Abs.
2 Satz
1 Halbsatz 2 ZPO), schuldlos an der Wahrung der versäumten Fristen gehindert
ge-wesen zu sein.

(1) Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt
hat, ist bis zur Entschei-dung über seinen Antrag als unverschuldet verhindert anzusehen, das Rechtsmittel wirksam einzulegen, wenn er nach den gegebenen [X.] vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste (st. Rspr., vgl. nur [X.], [X.] vom 14.
März 2017

[X.] 36/16, NJW-RR 2017, 895 Rn.
6 m.w.N.). Das war hier der Fall.

(2) Die Beklagte hat innerhalb der Frist des §
517 ZPO die [X.] für das Berufungsverfahren beantragt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durfte sie sich für be-dürftig halten.
Mit Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Gebot der prozessualen Chancengleichheit von bemittelten und mittellosen [X.]-en hängt die Wiedereinsetzung nicht davon ab, ob der bedürftige Antrag-steller mit einer Bejahung der Erfolgsaussicht seines beabsichtigten Rechtsmittels rechnen konnte (vgl. Senatsbeschluss vom 18.
Oktober 2000

IV ZB 9/00, NJW-RR 2001, 570 unter II; [X.], Beschlüsse vom 11.
November 1992

[X.] 118/92, NJW 1993, 732
unter II 2; vom 29.
Januar 1985

[X.] 20/84, [X.], 395 unter 1). Anders kann 13
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es liegen, wenn sich das Berufungsgericht

wie hier nicht

bereits mit der Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels befasst hat, etwa im Rahmen einer Entscheidung nach §
78b ZPO (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22.
September 2016

IX ZB 84/15, [X.], 2150 Rn.
10; vom 6.
Juli 1988

[X.], [X.], 1152 unter II 2 b).
Auf den [X.] im ersten Rechtszug kommt es dagegen, anders als das Berufungsgericht meint, insoweit nicht an.
Die [X.] muss nicht schon dann mit einer Ablehnung ihres Antrags rechnen, wenn das [X.] im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen die erstin-stanzliche Ablehnung von Prozesskostenhilfe einen für sie nachteiligen Rechtsstandpunkt vertreten hat ([X.], Beschluss vom 22.
September 2016

IX ZB 84/15 [X.]O).

(3) Die beantragte Wiedereinsetzung ist auch nicht deswegen zu versagen, weil die Versäumung der Berufungsfrist und der Begründungs-frist nicht auf dem wirtschaftlichen Unvermögen
der Beklagten beruht hätte.

Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkannt hat, kommt allerdings nach einer Entscheidung über die beantragte [X.] eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in [X.], wenn die Mittellosigkeit für die Fristversäumung kausal geworden ist. Ist die bedürftige [X.] bereits anwaltlich vertreten und legt ihr Rechtsanwalt uneingeschränkt Berufung ein, muss sie glaubhaft ma-chen, dass der Anwalt nicht bereit war, die wirksam eingelegte Berufung im Weiteren ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe ordnungsgemäß und insbesondere fristgemäß zu begründen (Senatsbeschluss vom 29.
März 2012

IV [X.], [X.], 2041
Rn.
15; vgl. [X.], Be-16
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schlüsse vom 16.
November 2010

[X.], NJW 2011, 230 Rn.
19; vom 6.
Mai 2008

VI
ZB 16/07, [X.], 2855 Rn.
4).

So lag es

was das Berufungsgericht übersehen hat

jedoch hier nicht. Wenn der Antragsteller sein Rechtsmittel

wie hier

bewusst noch nicht eingelegt, sondern von der Bewilligung der beantragten [X.] abhängig gemacht hat, ist die Mittellosigkeit schon für die Versäumung der Rechtsmittelfrist kausal geworden. Die Prozesspartei war dann auf Grund ihrer Mittellosigkeit bereits an der Einlegung des Rechtsmittels gehindert. Mit der bloßen Stellung und
Begründung des [X.]s erbringt der Prozessbevollmächtigte eines [X.] die im zweiten Rechtszug anfallenden, vergütungspflich-tigen Leistungen noch nicht und bringt gerade nicht seine Bereitschaft zum Ausdruck, das Rechtsmittel
auch ohne Bewilligung von [X.] einlegen und begründen zu wollen ([X.], Beschlüsse vom 19.
September 2013

[X.], NJW 2014, 1307 Rn.
9; vom 23.
April 2013

[X.], [X.], 2822 Rn.
19; vom 28.
November 2012

[X.] 235/09, [X.], 697 Rn.
18; vom
16.
November 2010

[X.]
[X.]O Rn.
21).

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Der Umstand, dass im Streitfall die Berufung letztlich ohne [X.] eingelegt und begründet wurde, steht der Annahme, dass sie zunächst wegen der Mittellosigkeit der Beklagten nicht erfolgt ist, nicht entgegen (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
Juni
1999

[X.], NJW 1999, 3271 unter II 3 b dd).

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. Götz

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 14.10.2015 -
17 O 274/14 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 14.09.2016 -
13 [X.]/15 -

19

Meta

IV ZB 22/16

25.10.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2017, Az. IV ZB 22/16 (REWIS RS 2017, 3314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3314

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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