Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.01.2018, Az. B 6 KA 61/17 B

6. Senat | REWIS RS 2018, 15509

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - Entziehung der Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung - Verwertung von bestandskräftigen Entscheidungen anderer Gerichte sowie von Ergebnissen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 28. Juni 2017 wird verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 450 955,95 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.

2

Der 1954 geborene Kläger war seit 2001 als Internist mit dem Schwerpunkt Pneumologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Wegen Falschabrechnung von Leistungen nach [X.] des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ([X.]) in den Quartalen I/2009 bis IV/2012 und systematischen Falschansatzes der [X.] 30901 (kardiorespiratorische Polysomnographie/sog Großes Schlaflabor) machte die Beigeladene zu [X.] Honorarrückforderungen gegenüber dem Kläger in Höhe von 216 492,33 Euro geltend. Nach einer Verständigung gem § 257c StPO verurteilte das [X.] den Kläger wegen Betrugs in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde (Urteil vom 28.4.2015 - 411 [X.]). Mit weiterem Bescheid vom 26.5.2015 machte die Beigeladene zu 1. gegenüber dem Kläger eine Honorarberichtigung wegen Falschabrechnung der [X.] 30900 und 30901 [X.] in den Quartalen I/2013 bis III/2014 geltend.

3

Auf Antrag der zu 1. beigeladenen [X.] entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger mit Beschluss vom 2.12.2015 die Zulassung wegen gröblicher Verletzung seiner vertragsärztlichen Pflichten. Den dagegen eingelegten Widerspruch des [X.] wies der beklagte [X.] ([X.]) mit Bescheid vom 17.5.2016 (Beschluss vom [X.]) zurück. Klage und Berufung des [X.] blieben ohne Erfolg ([X.] vom 17.11.2016 - [X.] [X.] 2/16, L[X.] vom 28.6.2017 - L 12 [X.] 130/16).

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, zu deren Begründung er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 [X.]) geltend macht.

5

II. 1. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig. Er hat in seiner Beschwerdebegründung eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§ 160 Abs 2 [X.] 160a Abs 2 [X.] [X.]G).

6

Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 1022/88 - [X.]E 91, 93, 107 = [X.] 3-5870 § 10 [X.]; B[X.] Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - [X.] 3-1500 § 160a [X.] f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 [X.] [X.]G wird bei der Grundsatzrüge nur genügt, wenn der Beschwerdeführer eine Frage formuliert, deren Beantwortung nicht von den Umständen des Einzelfalles abhängt, sondern die mit einer verallgemeinerungsfähigen Aussage beantwortet werden könnte (zu dieser Anforderung vgl B[X.] Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 7 [X.]0). Zudem muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer [X.] ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 [X.] [X.]G nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl [X.] Beschluss vom 7.11.1994 - 2 BvR 2079/93 - DVBl 1995, 35, Juris Rd[X.] 15).

7

Das Vorbringen des [X.] genügt diesen Anforderungen nicht. Der Kläger hat geltend gemacht, dass vorliegend eine "konkrete Rechtsfrage, die entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist", bestehe. Um welche Frage es sich dabei handeln soll, ist der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Der Kläger führt aus, dass sich das [X.] die Feststellungen aus dem Strafurteil des [X.] zu eigen gemacht habe. Die Feststellungen beruhten jedoch auf einer Verständigung iS des § 257c StPO. Insoweit existiere noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit Feststellungen aus Strafurteilen, denen eine Verständigung vorausgegangen ist, ohne jedwede konkrete Prüfung in anderen Verfahren verwendet werden dürfen.

8

Soweit diesem Vorbringen eine Rechtsfrage entnommen werden kann, dann am ehesten diejenige, "inwieweit Feststellungen aus Strafurteilen, denen eine Verständigung vorausgegangen ist, ohne jedwede konkrete Prüfung in anderen Verfahren verwertet werden dürfen". Die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage hat der Kläger zwar allgemein behauptet, aber nicht näher begründet und nur allgemein angegeben, dass die Feststellungen des Amtsgerichts "ohne eigene Sachaufklärungen" des [X.] oder des [X.] in das sozialgerichtliche Verfahren übernommen worden seien. Die oben genannte Frage wäre indes nur entscheidungserheblich, wenn das [X.] die Feststellungen aus dem Strafurteil hier "ohne jedwede konkrete Prüfung verwertet" hätte. Das hat der Kläger nicht dargelegt und es trifft im Übrigen auch in der Sache nicht zu. Vielmehr hat sich das [X.] die Feststellungen aus dem Strafurteil nach eigener Prüfung zu eigen gemacht und dabei neben den Feststellungen aus dem Strafurteil nicht nur den Inhalt des [X.] aus dem [X.] zur Honorarrückforderung in Höhe von 216 492,33 Euro berücksichtigt, sondern auch den Inhalt der Strafakten ausgewertet, aus denen hervorgeht, dass sich das Urteil des [X.] nicht allein auf das Geständnis des [X.] stützt, sondern auch auf das Ergebnis einer umfangreichen Beweisaufnahme.

9

Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung bereits geklärt, dass die Sozialgerichte bei ihrer Feststellung, ob ein Arzt ein Delikt begangen und damit seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt und sich als ungeeignet für die vertragsärztliche Tätigkeit erwiesen hat, vorliegende bestandskräftige Entscheidungen anderer Gerichte und auch die Ergebnisse staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen verwerten dürfen (B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.]/13 B - Juris Rd[X.] 17; B[X.] Beschluss vom 27.6.2007 - [X.] [X.]/07 B - Juris Rd[X.] 12; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 32/09 B - [X.] 2011, 307 Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 31.8.1990 - 6 [X.] - Juris Rd[X.] 5; B[X.] Beschluss vom 27.2.1992 - 6 [X.] - Juris Rd[X.] 27).

Ferner hat der Kläger geltend gemacht, dass das [X.] das Urteil des B[X.] vom 17.10.2012 ([X.] [X.] 49/11 R - B[X.]E 112, 90 = [X.] 4-2500 § 95 [X.] 26 ) bezogen auf die Grundsätze zum Wohlverhalten des Arztes während des gerichtlichen Verfahrens, das die Zulassungsentziehung zum Gegenstand hat, und zum Vertrauensschutz "nicht richtig beachtet" habe. Eine entsprechende klärungsbedürftige Rechtsfrage hat er jedoch nicht formuliert, sondern allein die Unrichtigkeit der Entscheidung des [X.] geltend gemacht. Zudem wendet der Senat die Rechtsprechung, nach der Verhaltensänderungen des Arztes aus der [X.] nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens um die Zulassungsentziehung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind, auf Entscheidungen der [X.], die nach Veröffentlichung des Urteils vom 17.10.2012 ergangen sind, nicht mehr an (aaO Rd[X.] 56). Da der beklagte [X.] hier mehrere Jahre nach der genannten Entscheidung des Senats - mit Bescheid vom 17.5.2016 (Beschluss vom [X.]) - über die Zulassungsentziehung entschieden hat, kommt eine Anwendung der Maßstäbe aus der Rechtsprechung zum Wohlverhalten hier nicht in Betracht.

Auch das weitere umfangreiche Vorbringen des [X.] enthält keine klar formulierte Rechtsfrage. Vielmehr wiederholt er zur weiteren Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde im Wesentlichen wörtlich die Berufungsbegründung einschließlich der [X.]. Auch wenn in diesen Ausführungen Rechtsfragen enthalten sein sollten, wird den nach § 160a Abs 2 [X.] [X.]G an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu stellenden Anforderungen nicht entsprochen, weil es jedenfalls an der unmissverständlichen Bezeichnung einer bestimmten Rechtsfrage des revisiblen Rechts fehlt. Es ist nicht Aufgabe des entscheidenden Senats, aus dem Vortrag des [X.] möglicherweise klärungsbedürftige und klärungsfähige Fragen selbst "herauszufiltern" (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 160a Rd[X.] 14a mwN).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 [X.] Teils 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 [X.] Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 [X.], § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der (im Urteil des [X.] näher begründeten) Festsetzung der Vorinstanzen, die von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden ist.

Meta

B 6 KA 61/17 B

17.01.2018

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Nürnberg, 17. November 2016, Az: S 1 KA 2/16, Urteil

§ 95 Abs 6 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.01.2018, Az. B 6 KA 61/17 B (REWIS RS 2018, 15509)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15509

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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