Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.10.2017, Az. 3 StR 423/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 3822

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Gegenstand

Wohnungseinbruchsdiebstahl: Rechtsfehlerhafte Strafrahmenwahl bei minder schwerem Fall


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. November 2016 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung nach den §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.] und versuchten [X.] unter Einbeziehung der durch das Urteil des [X.] vom 3. September 2013 verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie hiervon wegen rechtstaatswidriger Verfahrensverzögerung zwei Monate für vollstreckt erklärt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Gegen den Schuldspruch ist [X.] nichts zu erinnern. Die Bemessung der gegen den Angeklagten verhängten Einzelstrafen lässt hingegen Rechtsfehler erkennen; hierauf beruht das Urteil indes nicht (nachfolgend 1.). Der [X.] kann demgegenüber keinen Bestand haben (unten 2.).

3

1. Die [X.] erweist sich als rechtsfehlerhaft; dies hat sich allerdings nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.

4

Die [X.] hat es zu Unrecht unterlassen, minder schwere Fälle nach § 244 Abs. 3 StGB aF zu prüfen. Sie hat die für den [X.] festgesetzte Strafe dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 244 Abs. 1 StGB entnommen; hinsichtlich des versuchten [X.] hat sie eine doppelte Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB und § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.

5

a) Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falls vor und ist zugleich ein [X.]r [X.] gegeben, so ist vorrangig der minder schwere Fall zu prüfen. Im Rahmen der dabei gebotenen Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände kann auch der [X.] [X.] - zu festgestellten sonstigen Milderungsgründen hinzutretend oder auch für sich - einen minder schweren Fall begründen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens auch unter Berücksichtigung des [X.]n [X.]es nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen dieses [X.]es herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. Februar 2015 - 1 StR 629/14, [X.], 696; vom 3. März 2015 - 3 [X.], juris Rn. 7; vom 4. April 2017 - 3 [X.], [X.], 524 mwN). Ist der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als derjenige des minder schweren Falls, ist dies in die Gesamtwürdigung miteinzubeziehen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. August 1987 - 3 StR 341/87, [X.]R StGB vor § 1/minder schwerer Fall, [X.] 4; vom 17. Juni 2010 - 5 [X.], [X.], 305; [X.], StGB, 64. Aufl., § 50 Rn. 5).

6

Entsprechendes gilt, wenn - wie hier bezüglich des versuchten [X.] - mehrere [X.] Milderungsgründe vorliegen. [X.] der Tatrichter unter Heranziehung eines dieser Milderungsgründe einen minder schweren Fall, so steht jeder weitere [X.] für eine Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB zur Verfügung (vgl. zum Ganzen MüKoStGB/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 46 Rn. 104 ff.; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1107 ff.).

7

Diese Grundsätze hat die [X.] nicht beachtet. Die Urteilsgründe verhalten sich nicht zu minder schweren Fällen.

8

b) Jedoch ist auszuschließen, dass die [X.] bei Anwendung des § 244 Abs. 3 StGB aF mildere Einzelstrafen verhängt hätte (s. § 337 Abs. 1 StPO); denn sie hat den jeweils zugrunde gelegten Strafrahmen unter Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB den Angeklagten begünstigend fehlerhaft bestimmt:

9

aa) Hinsichtlich des [X.] ist in den Urteilsgründen mitgeteilt, der "einfach gemilderte Strafrahmen" des § 244 Abs. 1 StGB sehe eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und sieben Monaten (anstelle - rechnerisch zutreffend - einer solchen von bis zu sieben Jahren und sechs Monaten) vor. Für den versuchten [X.] ist der Strafrahmen bei "doppelter Strafmilderung" mit "Geldstrafe oder ... Freiheitsstrafe ... bis zu drei Jahren und sechs Monaten" (anstatt - richtigerweise - einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren und sieben Monaten [und zwei Wochen]) angegeben.

bb) Hiernach hat sich die fehlerhafte [X.] auf das konkrete Strafmaß - Freiheitsstrafe von zwei Jahren für den [X.] sowie Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten für den versuchten [X.] - nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Dabei ist für beide Taten auszuschließen, dass die [X.] auch ohne Hinzuziehung eines [X.]n [X.] minder schwere Fälle angenommen hätte.

Der für den [X.] angewendete Strafrahmen liegt hinsichtlich des [X.] zwei Monate unter und hinsichtlich des Höchstmaßes sieben Monate über demjenigen des § 244 Abs. 3 StGB aF (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren). Trotz der etwas höheren Obergrenze hätte die [X.] keine mildere Einzelstrafe verhängt, wenn sie von einem minder schweren Fall ausgegangen wäre. [X.] der in den Urteilsgründen angeführten gewichtigen strafschärfenden Strafzumessungsumstände folgt dies daraus, dass die [X.] von einer niedrigeren Untergrenze ausgegangen ist und die Strafe der unteren Hälfte des Strafrahmens entnommen hat.

Der für den versuchten [X.] angewendete Strafrahmen erweist sich als für den Angeklagten insgesamt günstiger gegenüber der Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 244 Abs. 3 StGB aF mit einfacher Strafrahmenverschiebung im Sinne des § 49 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren und neun Monaten).

2. Die Urteilsgründe zur Gesamtstrafenbildung leiden an einem Darstellungsmangel, weil sie sich nicht zur Rechtskraft und zum Vollstreckungsstand einer Vorverurteilung des Angeklagten verhalten.

Der Angeklagte hatte die beiden abgeurteilten Taten am 6. Juli 2012 und am 7. August 2012 begangen, noch bevor das [X.] ihn am 18. September 2012 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 8 € verurteilt hatte. Damit kommt in Betracht, dass diese Geldstrafe und die in dem angefochtenen Urteil festgesetzten [X.] gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB nachträglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe zurückzuführen sind. Das hätte zur Folge, dass der Vorverurteilung vom 18. September 2012 - zumindest teilweise - Zäsurwirkung für die in dem Urteil des [X.] vom 3. September 2013 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen verhängten [X.] von jeweils fünf Monaten zukäme, mit denen die [X.] nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hat. Jedenfalls eine der dort abgeurteilten Taten beging der Angeklagte nach dem 18. September 2012; Weiteres ist in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt.

Durch die möglicherweise rechtsfehlerhaft gebildete Gesamtstrafe ist der Angeklagte auch beschwert. Entgegen der Auffassung des [X.] führte eine Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus der Vorverurteilung vom 18. September 2012 nicht zwangsläufig zu einem größeren [X.]. Denn entweder könnte die mit Urteil vom 3. September 2013 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung unangetastet bleiben; oder die ihr zugrundeliegenden Einzelstrafen müssten teilweise in diese neue Gesamtstrafenbildung miteinbezogen werden, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass das [X.] zusammengenommen zwei Jahre und zehn Monate nicht übersteigt.

Über die Gesamtstrafe ist daher nochmals zu befinden, wobei der Senat von der durch § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, die Entscheidung dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Dabei wird die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] zu beachten haben, dass insoweit der Vollstreckungsstand der gegen den Angeklagten ergangenen früheren Urteile zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils (21. November 2016) maßgeblich (s. nur [X.], Beschlüsse vom 5. Juli 2011 - 3 [X.], juris Rn. 5; vom 10. Januar 2017 - 3 StR 497/16, [X.], 169) und im Fall einer vom Ersturteil abweichenden Gesamtstrafenbildung auch Augenmerk auf das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu richten ist (zuletzt etwa [X.], Beschluss vom 8. Juni 2016 - 4 StR 73/16, [X.], 275, 276).

Becker     

       

Gericke     

       

Spaniol

       

Tiemann     

       

Berg     

       

Meta

3 StR 423/17

17.10.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Verden, 21. November 2016, Az: 7 KLs 604 Js 10631/12 (7/13)

§ 46 Abs 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 244 Abs 3 StGB, § 337 Abs 1 StPO, § 354 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.10.2017, Az. 3 StR 423/17 (REWIS RS 2017, 3822)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3822

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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