Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.09.2021, Az. B 12 KR 27/21 B

12. Senat | REWIS RS 2021, 2915

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz - Darlegung der Sachaufklärungsrüge - Verfahrensmangel


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 12. Mai 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines [X.] über die Versicherungs- und Beitragspflicht des [X.] in der landwirtschaftlichen [X.]ranken- und Pflegeversicherung in den Jahren 2008 und 2009.

2

Der [X.]läger bezog seit Oktober 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Durch Bescheid vom 6.2.2006 stellte die Rechtsvorgängerin der [X.] fest, dass der [X.]läger bei ihr ab 1.11.2004 als landwirtschaftlicher Unternehmer mit einem die Mindestgröße (4 ha) erreichenden Unternehmen kranken- und pflegeversichert ist. In der Folge ergingen zT im [X.]ege des [X.] weitere Bescheide. Mit Bescheid vom 12.5.2015 wurden die Beiträge für die [X.] und 2009 neu festgesetzt. Rechtsbehelfe blieben erfolglos ([X.] vom 13.10.2010; L[X.] vom 14.9.2016; [X.] Beschluss vom 12.4.2017 - B 12 [X.]R 106/16 B).

3

Am 26.10.2017 beantragte der [X.]läger im Überprüfungsverfahren die Aufhebung des Bescheids vom 12.5.2015, die die Beklagte ablehnte (Bescheid vom 5.1.2018; [X.]iderspruchsbescheid vom [X.]). Die [X.]lage ist mit Gerichtsbescheid vom 18.7.2019 abgewiesen worden. Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Der [X.]läger sei bei der [X.] krankenversichert, weil sein Unternehmen trotz einer Verpachtung (Pachtvertrag vom 17.1.2008) mit den (zumindest) verbleibenden 7,56 ha die Mindestgröße erreicht habe. Unerheblich sei, ob der [X.]läger sein Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben habe. Auch eine als Rentner bestehende Pflichtversicherung stehe der Beitragserhebung nicht entgegen. Durch die physischen und psychischen Leistungseinschränkungen des [X.] würde keine "globale Erwerbsunfähigkeit" bedingt. Für die tatsächliche Flächenbewirtschaftung spreche der Erhalt landwirtschaftlicher Subventionen in den Jahren 2008 und 2009. Für die [X.] Pflegeversicherung gelte, dass der [X.]läger den Nachweis berücksichtigungsfähiger [X.]inder jedenfalls nicht vor Ende 2010 erbracht habe, sodass er für die [X.] und 2009 keine [X.]irkung habe. Durch die Höhe der geforderten Beiträge sei der [X.]läger jedenfalls nicht beschwert (Urteil vom 12.5.2021).

4

Mit seiner Beschwerde wendet sich der [X.]läger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.].

5

II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des [X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a [X.] 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G). Der [X.]läger hat entgegen § 160a [X.] 2 Satz 3 [X.]G die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 [X.] 2 [X.] [X.]G) und des Verfahrensfehlers (§ 160 [X.] 2 [X.] [X.]G) nicht hinreichend bezeichnet.

6

1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des [X.] von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des [X.], des [X.] oder des [X.] abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das [X.] seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den [X.]riterien entsprechen sollte, die das [X.], der [X.] oder das [X.] entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das [X.] diesen [X.]riterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl [X.] Beschlüsse vom [X.] - B 3 P 13/04 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] 5 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.], jeweils mwN). Eine solche Abweichung hat der [X.]läger nicht hinreichend dargetan.

7

Er behauptet eine Divergenz zu der Entscheidung des [X.] vom 5.5.1993 (B[X.] vom 5.5.1993 - 9/9a RVs 2/92 - [X.] 3-3870 § 4 [X.] 5). Darin sei der Rechtssatz aufgestellt worden, dass die Rüge der Anmaßung medizinischer [X.]enntnisse grundsätzlich geeignet sei, das Beweisergebnis in der Revision anzugreifen.

8

Der [X.]läger legt jedoch nicht schlüssig dar, dass das [X.] mit einem eigenen Rechtssatz davon abgewichen sei. Der [X.]läger zitiert als vermeintlichen Rechtssatz aus dem Urteil des [X.]: "Soweit der [X.]läger schließlich auf die Ausführungen der Ärzte [X.], [X.] und J verweist, bestehen nach diesen bei ihm zwar physische und psychische Leistungseinschränkungen. Diese werden vom [X.]läger nicht reflektiert und bedingen überdies gerade keine globale Erwerbsunfähigkeit, wie [X.] und J ausdrücklich betont haben." Er schlussfolgert daraus, dass sich das [X.] medizinische [X.]enntnisse angemaßt habe. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] würden für dessen [X.]ertung nicht ausreichen.

9

Damit wird jedoch kein Rechtssatz des [X.] sondern dessen Beweiswürdigung im Einzelfall wiedergegeben und angegriffen. Mit der Behauptung, das Urteil des [X.] entspreche nicht den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung und sei rechtsfehlerhaft, lässt sich die Zulassung der Revision aber nicht erreichen. Ebenso wenig kann die im [X.] darin enthaltene Rüge der fehlerhaften Beweiswürdigung zum Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden (§ 160 [X.] 2 [X.] Halbsatz 2 iVm § 128 [X.] 1 Satz 1 [X.]G). Es würde dem gesetzlichen Ausschluss zuwiderlaufen, wenn ein derartiger Verstoß im Rahmen einer [X.] geltend gemacht werden könnte, um auf diese [X.]eise eine Nachprüfung des Berufungsurteils hinsichtlich der Beweiswürdigung zu erreichen (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 2 BU 31/79 - juris Rd[X.]).

2. [X.]ird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 [X.] 2 [X.] [X.]G), müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a [X.] 2 Satz 3 [X.]G) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Die Begründung des [X.] erfüllt diese Darlegungsanforderungen nicht.

a. Der [X.]läger rügt die Verletzung des § 159 [X.] 1 [X.] [X.]G. Das [X.] habe unzulässigerweise und unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Gerichtsbescheid entschieden. Er habe mitgeteilt, dass er mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht einverstanden sei, da die Voraussetzungen des § 105 [X.] 1 [X.]G nicht vorlägen und er dadurch [X.] entzogen werde. Das [X.] habe daher nicht selbst entscheiden dürfen und an das [X.] zurückverweisen müssen. Er habe vorgetragen, dass er nur Mittel für stillgelegte Flächen erhalten habe. Dies sei keine Führung eines Unternehmens. Es sei daher eine Beweisaufnahme dazu erforderlich gewesen, dass auf den stillgelegten Bodenflächen nur [X.] gewachsen seien.

Insoweit fehlt es bereits an dem Vortrag, dass der [X.]läger in der Berufungsinstanz statt eines [X.] auch die Zurückverweisung der Sache an das [X.] beantragt habe (vgl zu diesem Erfordernis [X.] Beschluss vom 14.2.2006 - B 9a SB 22/05 B - juris Rd[X.] mwN).

Aber selbst wenn der Gerichtsbescheid des [X.] an einem wesentlichen Verfahrensmangel gelitten haben sollte, würde der Vortrag des [X.] nicht ausreichen, die Zulassung der Revision mit einem Verstoß des [X.] zu begründen. Seit der Änderung des § 159 [X.]G durch das Vierte Gesetz zur Änderung des [X.]B IV und anderer Gesetze vom 22.12.2011 ([X.] 3057) ist eine Zurückverweisung nach [X.] 1 [X.] der Norm durch das [X.] nur möglich, wenn aufgrund des erstinstanzlichen [X.] eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Dies ist der Fall, wenn sie einen erheblichen Einsatz von personellen und sächlichen Mitteln erforderlich macht (vgl BT-Drucks 17/6764 [X.]). Die Notwendigkeit einer solchen Beweisaufnahme hat das [X.] jedoch verneint. Soweit der [X.]läger entgegen der Auffassung des [X.] eine weitere Aufklärung hinsichtlich des Zustands der Bodenflächen für erforderlich hält, rügt er damit inzident eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 103 [X.]G). Deren besondere Darlegungsvoraussetzungen können aber nicht durch die Rüge des § 159 [X.]G umgangen werden. Eine solche Sachaufklärungsrüge erfordert die Darlegung, dass das [X.] einem bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei (§ 160 [X.] 2 [X.] [X.]G). Dies zeigt der [X.]läger in seiner Beschwerdebegründung nicht auf.

b. Auch die Rüge einer Verletzung der §§ 13, 14 [X.]B I und der Amtsermittlung nach § 103 [X.]G wegen der fehlenden Ermittlung seiner Elterneigenschaft kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Der [X.]läger trägt dazu vor, dass der [X.] eine erhebliche Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 20 [X.]B X) vorzuwerfen sei, die zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts führen müsse. Außerdem sei wegen der strittigen Elterneigenschaft die Beratungspflicht gemäß § 14 [X.]B I verletzt worden, sodass die Möglichkeit der Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs bestehe.

Insoweit handelt es sich jedoch nicht um die Rüge eines [X.] iS des § 160 [X.] 2 [X.] [X.]G. Ein solcher Mangel liegt nur vor, wenn infolge einer unrichtigen Anwendung oder infolge Nichtanwendung einer verfahrensrechtlichen Vorschrift das Verfahren des [X.] fehlerhaft geworden ist (vgl bereits B[X.] vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - [X.]E 2, 81 - juris Rd[X.]). Der [X.]läger behauptet mit seinem Vortrag keinen prozessualen Verstoß des [X.], sondern bemängelt vielmehr das verfahrensrechtliche Vorgehen der [X.]. Soweit er hierdurch rügen will, das [X.] habe zu Unrecht das Vorgehen der [X.] gebilligt, würde es sich um die Geltendmachung der vermeintlichen inhaltlichen Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung handeln. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

c. Soweit der [X.]läger schon bei der Darstellung des Tatbestandes in seiner Beschwerdebegründung weitere [X.] hinsichtlich der Ermittlung, Aktenführung und Prozessvertretung der [X.] erheben wollte, hat er auch insoweit keinen Verfahrensmangel des [X.] aufgezeigt, auf dem die Entscheidung beruhen könnte.

d. Soweit der [X.]läger auf Seite 3 der Beschwerdebegründung "hiermit beantragt", die Forderung der [X.] niederzuschlagen oder zu erlassen, kann der Senat darüber nicht entscheiden. Hierzu ist die Beklagte berufen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur [X.]lärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a [X.] 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 12 KR 27/21 B

01.09.2021

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Halle (Saale), 18. Juli 2019, Az: S 16 KR 204/18, Gerichtsbescheid

§ 103 SGG, § 128 Abs 1 S 1 SGG, § 159 Abs 1 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.09.2021, Az. B 12 KR 27/21 B (REWIS RS 2021, 2915)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2915

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