Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.03.2022, Az. B 5 R 320/21 B

5. Senat | REWIS RS 2022, 412

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensrüge - Divergenzrüge - Sachaufklärungsrüge - Antrag auf ein Gutachten nach § 109 SGG)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 15. November 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der 1960 geborene Kläger begehrt die Weitergewährung der ihm aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs seit Mai 2015 befristet bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung über den [X.] hinaus. Der beklagte Rentenversicherungsträger lehnte den entsprechenden Antrag unter [X.]erufung auf ein von der [X.]sychiaterin [X.] erstelltes Gutachten ab ([X.]escheid vom 10.7.2019, Widerspruchsbescheid vom [X.]). Im Klageverfahren hat das [X.] zunächst [X.]efundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und sodann von Amts wegen ein Sachverständigengutachten des Neurologen und [X.]sychiaters [X.] eingeholt. Die [X.]egutachtung bei [X.] am 15.7.2020 hat der Kläger nach dem Ausfüllen testpsychologischer Fragebögen und einem Anamnesegespräch (Dauer: 100 Minuten) abgebrochen. Der Sachverständige ist in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger eine kombinierte [X.]ersönlichkeitsstörung bestehe, sich jedoch keine Hinweise auf neurologische Störungen, eine hirnorganische [X.]sychopathologie, eine [X.]sychose aus dem endogenen Formenkreis, eine depressive Einengung oder eine Antriebsstörung fänden. Hinweise auf nicht authentische [X.]eschwerdeschilderungen seien extrem ausgeprägt gewesen. Es seien qualitative Leistungseinschränkungen anzunehmen (Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit, mit überdurchschnittlich fordernden [X.] Interaktionen oder mit Nacht- oder Wechselschicht); quantitative Einschränkungen ließen sich hingegen nicht belegen. Das [X.] hat ua hierauf gestützt die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom [X.]). Das L[X.] hat nach ergänzender [X.]efragung des [X.] die [X.]erufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 15.11.2021). Den Antrag des [X.] auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 [X.]G bei dem Nervenarzt R hat es als rechtsmissbräuchlich abgelehnt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] hat der Kläger [X.]eschwerde beim [X.][X.] eingelegt. Er rügt einen Verfahrensmangel und macht zudem eine Divergenz geltend.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Kläger hat weder eine Divergenz (Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) noch einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) entsprechend den Anforderungen in § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G ausreichend bezeichnet. Die [X.]eschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 [X.]G zu verwerfen.

4

1. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise gerügt.

5

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), so müssen zur [X.]ezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) zunächst die Tatsachen substantiiert dargetan werden, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer [X.]eeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen [X.]eweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende [X.]egründung nicht gefolgt ist.

6

a) Soweit der Kläger beanstandet, das L[X.] habe die von ihm im [X.]erufungsverfahren beantragte [X.]eweiserhebung nach § 109 [X.]G zu Unrecht unterlassen, muss hier dahinstehen, ob die im [X.]erufungsurteil angeführte [X.]egründung für das Absehen von einer gutachterlichen Anhörung des vom Kläger benannten Arztes tragfähig ist. Das L[X.] hat ausgeführt, die Gutachten von [X.] und [X.] hätten ihm die notwendigen Grundlagen für seine Überzeugungsbildung vermittelt (L[X.]-Urteil S 16 unten). Deshalb ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, inwiefern die Konstellation der Vereitelung einer von Amts wegen nach § 106 [X.]G durchgeführten [X.]eweiserhebung hier vorgelegen haben könnte (vgl dazu L[X.] [X.]aden-Württemberg Urteil vom 14.12.2018 - L 8 R 2569/17 - juris Rd[X.]2, 39; L[X.] Niedersachsen-[X.]remen Urteil vom 11.12.2019 - L 13 S[X.] 4/19 - juris Rd[X.]0 ff, 38; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]eckOGK [X.]G, Stand 1.2.2022, § 109 Rd[X.]7). Ungeachtet dessen ordnet § 160 Abs 2 [X.] Teilsatz 2 [X.]G ausdrücklich an, dass ein Verfahrensmangel im [X.] nicht auf eine Verletzung des § 109 [X.]G gestützt werden kann. Dieser Ausschluss einer Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 109 [X.]G gilt umfassend und unabhängig davon, worauf der geltend gemachte Verfahrensmangel im Einzelnen beruht (stRspr; z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 7.10.2005 - [X.] 1 KR 107/04 [X.] - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 9 Rd[X.] 14; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 5 R 1/19 [X.] - juris Rd[X.] 17; [X.][X.] [X.]eschluss vom 27.3.2020 - [X.] 9 S[X.] 83/19 [X.] - juris Rd[X.] 14 - jeweils mwN).

7

b) Der Kläger rügt darüber hinaus auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.]G. Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht geltend gemacht, muss die [X.]eschwerdebegründung hierzu jeweils folgende [X.]unkte enthalten: (1) [X.]ezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen [X.]eweisantrags, dem das L[X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des L[X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden [X.]eweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen [X.]eweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des L[X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen [X.]eweisaufnahme beruhen kann, das L[X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen [X.]eweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem [X.]eschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 12.12.2003 - [X.] 13 RJ 179/03 [X.] - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 5 mwN; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 9 S[X.] 71/19 [X.] - juris Rd[X.] 8; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 5 R 248/20 [X.] - juris Rd[X.] 7; [X.], [X.]G, 3. Aufl 2020, § 160a Rd[X.] 56; Voelzke in juris[X.]K-[X.]G, § 160a Rd[X.] 167, Stand der Einzelkommentierung 4.3.2022).

8

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen in der [X.]eschwerdebegründung nicht. Zwar führt der Kläger aus, er habe in der mündlichen Verhandlung erneut beantragt, ein Gutachten nach § 109 [X.]G von R einzuholen. Das ausdrückliche Verlangen eines im [X.]erufungsverfahren rechtskundig vertretenen [X.]eteiligten nach einem "Gutachten nach § 109 [X.]G", das nicht erkennen lässt, dass eine solche [X.]egutachtung nur hilfsweise beantragt wird, sofern das Gericht eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen nicht für erforderlich hält, ist jedoch kein [X.]eweisantrag iS des § 103 [X.]G (vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom 22.6.2004 - [X.] 2 U 78/04 [X.] - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 4 Rd[X.] 5; [X.][X.] [X.]eschluss vom 7.6.2018 - [X.] 9 V 69/17 [X.] - juris Rd[X.] 10; [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 5 R 1/19 [X.] - juris Rd[X.] 18 mwN). Im Übrigen hat der Kläger auch nicht aufgezeigt, dass es nach der Rechtsauffassung des L[X.] auf die von ihm für notwendig erachtete [X.] und die Klärung der Frage, ob "eine [X.]esserung des Gesundheitszustandes eingetreten ist", überhaupt entscheidungserheblich ankam.

9

2. Der Kläger hat auch eine Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) nicht hinreichend dargetan. Diese liegt vor, wenn das angefochtene Urteil seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde legt, der von einem zu derselben Rechtsfrage entwickelten abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des [X.][X.], des GmSOG[X.] oder des [X.]VerfG abweicht. Darüber hinaus erfordert der Zulassungsgrund der Divergenz, dass die angefochtene Entscheidung auf dieser Abweichung beruht. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist in der [X.]eschwerdebegründung im Einzelnen darzulegen (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G). Hierzu sind die betreffenden Rechtssätze einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des L[X.] auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl [X.][X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 9a [X.]/06 [X.] - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 17; [X.][X.] [X.]eschluss vom 31.7.2017 - [X.] 1 KR 47/16 [X.] - [X.] 4-1500 § 160 [X.]0 Rd[X.] 13). Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das [X.]erufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr; z[X.] [X.][X.] [X.]eschluss vom 10.8.2021 - [X.] 5 R 108/21 [X.] - juris Rd[X.] 11 mwN).

Der [X.]eschwerdebegründung lassen sich schon keine unterschiedlichen Rechtssätze entnehmen, die als sich widersprechend gegenübergestellt werden. Der Kläger führt zur Divergenz lediglich aus, "diese Rechtsauffassung" sei mit der ständigen Rechtsprechung des [X.][X.] unvereinbar. Dabei bleibt unklar, ob damit die drei Absätze zuvor wiedergegebenen Ausführungen des L[X.] zum Grundsatz der objektiven [X.]eweislast oder die zuletzt erwähnte Ansicht des L[X.] zu den Verständigungsschwierigkeiten zwischen dem Kläger und dem [X.] gemeint sind. Soweit der Kläger auf Ausführungen im [X.]eschluss des [X.][X.] vom 23.6.2015 ([X.] 1 KR 17/15 [X.] - juris Rd[X.] 6) [X.]ezug nimmt, die mangelnde Mitwirkung eines [X.]eteiligten entbinde das Gericht nicht von der [X.]flicht, noch mögliche Ermittlungen anzustellen, zeigt er nicht auf, inwiefern dies einem vom L[X.] aufgestellten und seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtssatz widerspricht. Zur ordnungsgemäßen Darlegung des [X.]eruhens der angefochtenen Entscheidung auf einer Rechtsprechungsabweichung reicht schließlich die [X.]ehauptung nicht aus, es sei "nicht auszuschließen, dass bei Durchführung der weiteren [X.]eweisaufnahme der Rechtsstreit zu einer günstigeren Lösung für die [X.]osition des [X.] geführt hätte".

Letztlich beanstandet der Kläger auch mit seiner [X.], dass das L[X.] das von ihm geforderte Gutachten nach § 109 [X.]G als "noch mögliche Ermittlungen" nicht in Auftrag gegeben habe. Die Rüge einer Verletzung des § 109 [X.]G ist im [X.] jedoch auch insoweit ausgeschlossen, als sie in Gestalt einer [X.] präsentiert wird.

Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

                [X.]

Meta

B 5 R 320/21 B

31.03.2022

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Heilbronn, 20. Januar 2021, Az: S 16 R 60/20, Gerichtsbescheid

§ 103 SGG, § 106 SGG, § 109 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.03.2022, Az. B 5 R 320/21 B (REWIS RS 2022, 412)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 412

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