Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. KRB 12/07

Kartellsenat | REWIS RS 2007, 3371

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BUND[X.]SG[X.]RICHTSHOF [X.]07vom 19. Juni 2007 in der [X.] gegen Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja [X.]R: ja __________________ [X.] 1999 § 81 Abs. 2 (vgl. [X.] 2005 § 81 Abs. 5) Der kartellbedingte Mehrerlös ist vorrangig anhand der Preisentwicklung auf vergleichbaren Märkten zu bestimmen; nur soweit dies nicht möglich erscheint, kommen abstrakte Berechnungsmethoden in Betracht.
[X.], [X.]uss vom 19. Juni 2007 [X.] KRB 12/07 [X.] [X.] wegen Kartellordnungswidrigkeiten

- 2 -Der [X.] hat am 19. Juni 2007 ohne mündliche Verhandlung durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr. Hirsch, [X.] [X.] und [X.] Raum, Prof. [X.] und [X.] beschlossen: 1. Auf die Rechtsbeschwerden der [X.]n und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des 1. Kartellsenats des [X.] vom 27. März 2006 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen nach § 79 Abs. 5 [X.]G aufgehoben, soweit es sich gegen die [X.] richtet. 2. Die weitergehenden Rechtsbeschwerden der [X.]n werden nach § 79 Abs. 3 [X.]G i.V. mit § 349 Abs. 2 StPO ver-worfen. 3. [X.] der Betroffenen zu 1, 4, 6, 8, 9 und 10 gegen das vorgenannte Urteil werden nach § 79 Abs. 3 [X.]G i.V. mit § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Betroffenen tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und [X.]ntscheidung, auch über die verbliebenen Kosten der Rechtsmittel, an einen anderen Kartellsenat des [X.] zurückverwiesen.

- 3 -Gründe: 1 Das [X.] hat die Betroffenen zu 2 bis 10 wegen vorsätzli-chen Zuwiderhandelns gegen das Verbot des § 1 [X.], den Betroffenen zu 1 wegen vorsätzlicher Verletzung seiner Aufsichtspflicht schuldig gesprochen. Gegen die Betroffenen hat es Geldbußen zwischen 250.000 [X.]uro (Betroffener zu 1) und 6.000 [X.]uro festgesetzt. Gegen die beiden [X.]n, die Un-ternehmen, für welche die Betroffenen tätig wurden, hat das [X.] im Fall der [X.]n zu 1 eine aus den [X.]inzelgeldbußen a[X.]ierte [X.] in Höhe von 5,65 Mio. [X.]uro und gegen die [X.] zu 2 eine solche in Höhe von 430.000 [X.]uro verhängt. Das Urteil fechten die Betrof-fenen zu 1, 4, 6, 8, 9 und 10 sowie die beiden [X.]n mit ihren Rechtsbeschwerden an. Die Staatsanwaltschaft beim [X.] greift mit ihren zu Ungunsten der beiden [X.]n eingelegten Rechtsbe-schwerden, die vom [X.] vertreten werden, lediglich den Rechtsfolgenausspruch an. [X.] der Betroffenen sind aus den Gründen der Antragsschrift des [X.]s unbegründet im Sinne des § 79 Abs. 3 [X.]G i.V. mit § 349 Abs. 2 StPO. Während die Rechts-beschwerden der [X.]n zum Schuldspruch erfolglos bleiben, führen sie ebenso wie die Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft im [X.] bei den [X.]n zu einer Aufhebung der angefochte-nen [X.]ntscheidung. [X.] Die Betroffenen waren in ein flächendeckendes Kartell im Papiergroß-handel eingebunden, das [X.] getroffen hat. [X.]s umfasste mit Ausnahme der Länder [X.] und [X.] das Gebiet der ge-2

- 4 -samten [X.]. Der Betroffene zu 1 ist Geschäftsführer der [X.]n zu 1. Die Betroffenen zu 2 bis 10 sind Repräsentanten der [X.]n und waren für diese in den [X.] tätig. Von den [X.]n betroffen war nur das sogenannte Lagergeschäft, be-schränkt auf Liefermengen bis drei Tonnen. Nicht erfasst waren dagegen die [X.]n im Hinblick auf das Streckengeschäft. Im Streckengeschäft werden von den [X.] in der Regel große Abnahmemengen ver-äußert, die direkt durch die Papierindustrie an die Abnehmer wie Druckereien ausgeliefert werden. Abgesprochen wurde der [X.] zu 100 bis 200 Gramm. Höhere oder niedrigere Mengen sollten mit entsprechen-den in der Papierindustrie üblichen Zu- und Abschlägen versehen werden. Die [X.] galten nicht für freie Kunden, die sich meist als Großab-nehmer im Streckengeschäft eindeckten und allenfalls Nachfragespitzen über das Lagergeschäft abwickelten. [X.]ine Sonderstellung nahmen schließlich noch die geregelten Kunden ein. Darunter ist eine zahlenmäßig sehr kleine [X.] zu verstehen, die sich gegenüber den —normalenfi Kunden durch eine größere Abnahmemenge, besondere persönliche Beziehungen oder besonders gute Zahlungsmoral abhoben. Ihnen wurde ein niedrigerer Mindestverkaufs-preis, der zwischen den Kartellmitgliedern kundenabhängig abgesprochen [X.], eingeräumt. 3 Die [X.]n wurden in den einzelnen [X.] in [X.] Maße eingehalten, wobei das [X.] keine überregio-nale Koordination der festgelegten Preise festgestellt hat. 4 Nicht einheitlich war auch die Praxis hinsichtlich des Offsetpapiers. [X.] dieses [X.] ebenso wie Preprint, eine höherwertige Offsetpapiersorte [X.] in 5

- 5 -einigen Regionalkartellen von der [X.] umfasst war, wurde es in anderen von der [X.] ausgenommen. Hinsichtlich des [X.] ([X.]) kam es zwar zu keinen [X.]. In allen Regionalkartellen bestand aber insoweit ein —Nichtangriffspaktfi, was bedeutete, dass die Kartellteilnehmer ihren eigenen Marktanteil hinsichtlich des [X.]s nicht mit Mitteln des Preiswettbewerbs zu Lasten eines kartellge-bundenen Konkurrenten vergrößern wollten. Das [X.] hat für sämtliche Regionalkartelle kartellbedingte [X.] festgestellt. [X.] hat das [X.] mit der Begründung nicht festgestellt, dass auch hinsichtlich der Märkte [X.] und [X.] der Verdacht von Regionalkartellen bestehe, auch wenn sie nicht vom [X.] in die Bußgeldbescheide einbezogen worden seien. 6 Das [X.] hat den Marktpreis, der sich ohne kartellbedingte Beeinflussung ergeben hätte, auf der Grundlage der Preisunterbietungen ge-schätzt, die es innerhalb eines jeden Regionalkartells in mehr oder minder star-ker Ausprägung gegeben hat. Die Preisunterbietungen zeigen nach Auffassung des [X.]s den Rahmen auf, innerhalb dessen sich der [X.] mit hoher Wahrscheinlichkeit gebildet hätte. Innerhalb des [X.] der durch Zeugenvernehmungen festgestellten Unterbietungen hat das [X.] einen —gewichteten Mittelwertfi als den Betrag festgelegt, der den Marktpreis darstellen soll, der ohne kartellrechtswidrige Beeinflussung durchschnittlich entstanden wäre. [X.]s hat weiter die Quote des im Lagergeschäft veräußerten [X.] bzw. [X.] festgestellt, bei der die Mindestpreisvereinbarung eingehalten worden ist. Diese Quote hat das Ober-landesgericht in Bezug zu der Gesamtmenge gesetzt und so die Teilmenge er-mittelt, die unter die Preisvereinbarung fällt. Diese Menge hat es dann mit ei-7

- 6 -nem vorher ermittelten Marktpreis multipliziert. Von dem sich so ergebenden Wert hat es einen Sicherheitsabschlag in Höhe von 5% vorgenommen und [X.] den kartellbedingten Mehrerlös festgestellt. Das [X.] hat auch die Mengen einbezogen, bei denen der Verkaufspreis oberhalb des [X.] lag, weil diese ebenfalls absprachebeeinflusst seien. I[X.] Während die Angriffe der [X.]n gegen die Schuldsprüche ohne [X.]rfolg bleiben, führt die von ihnen wie auch die von der [X.] erhobene Sachrüge zur Aufhebung des Urteils im gesamten [X.] im Hinblick auf die beiden [X.]n. 8 1. Das [X.] hat den Mehrerlös nicht rechtsfehlerfrei be-stimmt. 9 a) Unter Mehrerlös ist nach der Rechtsprechung des [X.] der Differenzbetrag zwischen den tatsächlichen [X.]innahmen, die aufgrund des Wettbewerbsverstoßes erzielt werden, und den [X.]innahmen zu verstehen, die das durch die [X.]n bevorzugte Unternehmen ohne den Wettbe-werbsverstoß erzielt hätte ([X.], [X.]. v. 25.4.2005 [X.] KRB 22/04, [X.]/[X.] D[X.]-R 1487, 1488 [X.] steuerfreier Mehrerlös; [X.]. v. 24.4.1991 [X.] KRB 5/90, [X.]/[X.] 2718, 2719 [X.] Bußgeldbemessung). 10 Der Mehrerlös kann nach § 81 Abs. 2 Satz 2 [X.] 1999 geschätzt wer-den. [X.]ine Schätzung setzt aber voraus, dass tatsächlich ein Mehrerlös entstan-den ist ([X.], [X.]. v. 28.6.2005 [X.] KRB 2/05, [X.]/[X.] D[X.]-R 1567, 1569 [X.] [X.] [X.]). Dies hat das [X.] für sämtliche Regio-11

- 7 -nalkartelle ohne Rechtsverstoß bejaht. [X.]s hat dies jeweils dem Umstand ent-nommen, dass in allen Regionalkartellen die [X.]n über einen er-heblichen Zeitraum praktiziert worden seien. Da keine Anhaltspunkte dafür be-ständen, dass die Preiskartelle gänzlich wirkungslos gewesen seien, bestehe im vorliegenden Fall Gewissheit über die [X.]ntstehung eines [X.]s. Diese Beweiswürdigung, die dem vom [X.] aufgestellten beweisrechtli-chen Grundsätzen ([X.] [X.]/[X.] D[X.]-R 1567, 1569 ff. [X.] [X.] [X.]) Rechnung trägt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. b) Die nach § 81 Abs. 2 Satz 2 [X.] 1999 eröffnete [X.] räumt dem Tatrichter einen erheblichen [X.]rmessensspielraum ein. [X.]r hat selbst zu entscheiden, welche Schätzungsmethode dem vorgegebenen Ziel, der Wirk-lichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird. Die Schätzung muss den strafprozessualen Vorgaben [X.] wie etwa dem [X.] [X.] genügen. Sie muss schlüssig sein, und ihre [X.]r-gebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein ([X.], [X.]. v. 4.2.1992 [X.] 5 StR 655/91, [X.]R AO § 370 Abs. 1 Nr. [X.]). Dem wird das Urteil des [X.] nicht gerecht. 12 aa) Allerdings ist entgegen der Auffassung des [X.]s nicht zu beanstanden, dass das [X.] für die Preisbestimmung die auf anderen Märkten und mit bestimmten Marktteilnehmern erzielten Preise seiner Berechnung nicht zugrunde gelegt hat. Im Ansatz zutreffend führt das Bundes-kartellamt aus, dass die [X.]rmittlung des [X.]s grundsätzlich im Vergleich zu funktionierenden Märkten erfolgen sollte. Dieser aus § 19 Abs. 4 Nr. 2 [X.] entnommene Rechtsgedanke beruht auf der [X.]rkenntnis, dass sich der unter realen Marktbedingungen gebildete Preis für die [X.] dann als die optimale Berechnungsgrundlage darstellt, wenn die Märkte ihrer Struktur nach vergleichbar sind. Von dieser Berechnungsmethode ist im 13

- 8 -Übrigen auch der [X.] in zwei früheren [X.]ntscheidungen [X.] ([X.] [X.]/[X.] D[X.]-R 1487, 1488 [X.] steuerfreier Mehrerlös; [X.] [X.]/[X.] D[X.]-R 1567, 1571 [X.] [X.] [X.]). Das [X.] hat eine solche Vergleichbarkeit hier allerdings rechtsfehlerfrei abgelehnt. Hinsichtlich der Länder [X.] und [X.] ergibt sich dies daraus, dass sich das [X.] nicht hat davon überzeugen können, dass diese Märkte kartellfrei waren. [X.]s hat sich in-soweit auf die Angaben des [X.]gestützt, der von entsprechen-den Absprachen auch dort berichtet hat. Selbst wenn [X.] was für einen [X.] Markt spricht [X.] dort ein insgesamt niedrigeres Preisniveau ge-herrscht haben sollte, brauchte das [X.] das dortige Preisniveau nicht als Marktpreis zugrunde zu legen, wenn aus seiner Sicht erhebliche [X.] für [X.]n auch in diesen Märkten vorhanden waren. 14 Die Nichtberücksichtigung der freien und geregelten Kunden begegnet aus Rechtsgründen gleichfalls keinen Bedenken. Beide Gruppen weisen Be-sonderheiten auf, die gegen eine Verallgemeinerungsfähigkeit der dort erzielten Preise im Sinne eines für die Mehrerlösbestimmung geeigneten hypothetischen Marktpreises sprechen. Während die freien Kunden große Mengen hauptsäch-lich im Streckengeschäft abnehmen und nur Nachfragespitzen im Lagerge-schäft decken, zeichnen sich die geregelten Kunden durch Spezifika wie be-sondere Bonität oder Zahlungsmoral oder persönliche Beziehungen aus. Beide weisen damit bedeutsame Unterschiede zu den von der Preisvereinbarung er-fassten Kunden auf. Ihre Zahl ist überdies nach den Feststellungen des [X.] gering. Wenn sich das [X.] aufgrund dieser Um-stände gehindert gesehen hat, die zwischen diesen Kundengruppen erzielten Preise als Vergleichsmaßstab zugrunde zu legen, ist dies vom [X.] hinzunehmen. Aus dem Grundsatz der freien [X.]

- 9 -gung (§ 261 StPO) ergibt sich nämlich, dass die Schlüsse des Tatrichters nur möglich, aber keineswegs zwingend zu sein brauchen. Auf eine größere oder überwiegende Wahrscheinlichkeit kommt es dabei nicht an ([X.]St 26, 56, 62 f.; 29, 18, 20). Dieses vom [X.] eingehend begründete [X.]rgeb-nis ist deshalb vom Rechtsbeschwerdegericht nicht zu beanstanden. [X.]) Dagegen begegnet der vom [X.] gewählte Begrün-dungsansatz [X.] entgegen der Auffassung des [X.]s [X.] durch-greifenden Bedenken, weil er wirtschaftlich zu nicht nachvollziehbaren [X.]rgeb-nissen führt. Das [X.] hat die jeweils festgestellten Unterschrei-tungen des abgesprochenen [X.] als Maßstab für die Bestimmung eines hypothetischen Marktpreises angenommen, wobei es im Hinblick auf die jeweiligen [X.] einen durchschnittlichen [X.] gebildet hat. Diesen durchschnittlichen [X.] als Marktpreis zugrunde zu legen, ist schon deshalb unzulässig, weil sich auf einem durch ei-ne [X.] kartellierten Markt kein Marktpreis entwickeln kann. Durch die [X.] sind die Marktmechanismen außer [X.] gesetzt worden. Selbst wenn es zu Unterbietungen des abgesprochenen Preises kommt, ist dies kein Ausdruck eines marktkonformen Wechselspiels zwischen Angebot und Nachfrage; vielmehr orientieren sich auch die davon abweichenden Preise letzt-lich an dem ausgehandelten [X.]. Die die Preisbildung bestimmende Überlegung wird immer nur sein, ob und inwieweit der Konkurrent die abge-sprochene Preisbindung seinerseits unterbieten wird. Dabei kann aber eine Preisunterbietung im [X.]inzelfall in ihrer Größenordnung umgekehrt auch darauf zurückzuführen sein, dass sie aus einem hohen [X.] quasi subventio-niert wird, um Kunden langfristig an sich zu binden. 16 [X.] liegt darin, dass der abgesprochene Preis kein Marktpreis ist, sondern einen von den Beteiligten 17

- 10 -festgelegten [X.] im Regelfall sehr auskömmlichen [X.] Preis darstellt. [X.]benso wenig lässt sich nachvollziehen, nach welchen Maßstäben das [X.] den hypothetischen Marktpreis als —gewichteten Durchschnittspreisfi ermittelt hat. [X.]ine Mittelung der Abweichung hätte nur dann eine Aussagekraft, wenn die Streuung der Preisabweichungen einem typischen Marktgeschehen [X.]. Da jedoch keine Vergleichsmärkte bestehen, kann auch einer solchen Durchschnittsbetrachtung keine Aussagekraft im Hinblick auf einen fiktiven Marktpreis beigemessen werden. Die Abweichungen von den abgesprochenen Preisen sind [X.] unabhängig, ob es sich um [X.]inzel- oder Durchschnittsabwei-chungen handelt [X.], nicht Ausdruck eines markttypischen Geschehens, sondern allenfalls des Grades an Kartelldisziplin, die auf dem Markt herrscht. Die wirtschaftliche Fragwürdigkeit dieses Berechnungsansatzes zeigt auch folgende, von der Staatsanwaltschaft vorgetragene Überlegung. Der kar-tellbedingte Mehrerlös wäre desto geringer, je höher die [X.] wäre. Bei hoher Kartelldisziplin weichen die Kartellmitglieder allenfalls geringfügig von den abgesprochenen [X.]n ab. Die Folge wäre, dass nach dem Berechnungsansatz des [X.]s der Mehrer-lös auch sehr niedrig zu berechnen wäre. Tatsächlich dürfte das Gegenteil aber richtig sein. Wenn der ausgehandelte [X.] auskömmlich ist, was nach der Lebenserfahrung naheliegt (vgl. [X.] [X.]/[X.] D[X.]-R 1567, 1569 [X.] [X.] [X.]), dann spricht zugleich eine hohe Wahrscheinlich-keit dafür, dass es besonders gewinnbringend ist, das Kartell durchzuhalten. Die kartellbedingten [X.] sind deshalb in diesen Fällen nicht besonders niedrig, sondern tatsächlich eher besonders hoch. 18 cc) Bei der [X.]rmittlung eines fiktiven Marktpreises ist die Vergleichs-marktbetrachtung grundsätzlich die überlegene Schätzungsmethode. Der [X.] wird deshalb nach geeigneten Vergleichsmärkten suchen müssen. Sol-19

- 11 -che können auch im benachbarten Ausland liegen. [X.]rst wenn sich keine kartell-freien Vergleichsmärkte feststellen lassen, muss der hypothetische Marktpreis, der Bezugspunkt für die Berechnung des [X.]s ist, im Wege einer ge-samtwirtschaftlichen Analyse bestimmt werden. Hierbei wird der Tatrichter [X.] worauf die [X.]n zutreffend hingewiesen haben [X.] regelmäßig sachverständiger Hilfe bedürfen. Speziell für einen Markt wie den hier [X.] bietet sich eine solche Form der Berechnung an. Bei den [X.] handelt es sich um Großhändler. Die vom Hersteller berechneten Preise lassen sich ebenso feststellen wie die jeweiligen Kostenstrukturen der Neben[X.]. Anhand einer empirisch zu ermittelnden allgemeinen Umsatzrendite, die in vergleichbaren Branchen mit ähnlichen Marktbedingungen durchschnittlich er-zielt wird, kann auf einen durchschnittlichen zu erwartenden Marktpreis [X.] werden. Dieser so eher abstrakt gewonnene Marktpreis kann dann noch dadurch weiter realitätsbezogen bestimmt werden, dass markttypische [X.]lemente für den Papiergroßhandel einbezogen werden. Solche können neben besonderen konjunkturellen [X.]inflüssen auch Besonderheiten in der [X.] oder in der Struktur der Nachfrager sein. Dieses [X.]rgebnis kann dann weiter optimiert und gegebenenfalls angegli-chen werden, indem die so ermittelten Preise mit den intakten Teilmärkten in Beziehung gesetzt werden. In diesem Sinne können [X.] zumindest in Form einer Kontrollüberlegung [X.] die mit den geregelten oder freien Kunden erzielten Durchschnittspreise in die Schätzung einbezogen werden. Dabei müssen [X.] die spezifischen Merkmale dieser Kundengruppen berücksichtigt werden. Auch wenn die Märkte nicht kartellfrei gewesen sein sollten, können signifikant unterschiedliche Preisstrukturen in [X.] und [X.] bei der Be-stimmung des Marktpreises Beachtung finden. Schließlich können, sofern hier-über mittlerweile entsprechende Informationen vorliegen sollten, die Preisbe-wegungen auf den verfahrensgegenständlichen [X.] nach Aufdeckung durch das 20

- 12 -[X.] kartellfreien [X.] Märkten trotz des mittlerweile eingetretenen Zeitablaufs Aussagekraft haben. Sie sind gegebenenfalls in Beziehung zu [X.] zu einem im Wege der gesamtwirtschaftlichen Analyse abstrakt ermittelten Marktpreis. [X.]) [X.] Aufklärung bedarf in diesem Zusammenhang auch die [X.], ob hinsichtlich des [X.]s ein Mehrerlös entstanden sein kann. Das [X.] hat einen solchen Mehrerlös nicht festzustellen vermocht, weil diese Papiersorte im Wesentlichen exklusiv vertreten werde, ein Wechsel des Händlers mit einem Wechsel der Papiersorte verbunden sei und deshalb Restmengen nicht mehr aufgebraucht werden könnten. Zudem seien auch die Mengen so gering, dass dieser Gesichtspunkt eine Wechselbereitschaft zusätz-lich mindere. Diese [X.]rwägungen sind nicht ohne weiteres geeignet, für den Be-reich des [X.]s die [X.] zu entkräften, dass eine [X.] deshalb getroffen und aufrecht erhalten wird, weil sie höhere als am Markt sonst erzielbare Preise erbringt ([X.] [X.]/[X.] D[X.]-R 1567, 1569 [X.] [X.] [X.]). Unter diesem Gesichtspunkt hätte deshalb der —Nichtangriffspaktfi hinsichtlich des [X.]s überprüft werden müssen. Ob eine Wechselbereitschaft der Abnehmer bestanden hätte, wenn insoweit ein Preiswettbewerb geherrscht hätte, hängt entscheidend davon ab, in welchem Umfang der Preis für das [X.] hätte gesenkt werden können. Auch bei geringen Mengen würde der Abnehmer nämlich dann den Lieferanten wech-seln, wenn das ihm angebotene Papier deutlich billiger ist, selbst wenn er ge-wisse Restmengen nicht mehr verwerten kann. Mit sachverständiger Hilfe könn-te deshalb auch der Frage nachgegangen werden, ob es angesichts der ver-triebenen Mengen und des spezifischen Nachfrageverhaltens der Abnehmer vor dem Hintergrund des tatsächlichen Preisniveaus einen nennenswerten Spielraum für einen Preiswettbewerb gab. Lassen sich solche Spielräume für 21

- 13 -einen Preiswettbewerb feststellen, bilden diese Preisdifferenzen die Grundlage für die Bestimmung des kartellbedingten [X.]s. ee) Der Tatrichter wird bei der nochmals umfassend neu vorzunehmen-den Bestimmung des [X.]s zu beachten haben, dass der auch im [X.] anzuwendende [X.] nicht auf jede [X.] jeweils gesondert anzuwenden ist. Der Grundsatz —in [X.] pro reofi ist keine Beweis-, sondern eine [X.]ntscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Rechtsfolgen-ausspruch unmittelbar entscheidungserheblichen Tatsache zu gewinnen [X.] ([X.], Urt. v. 27.6.2001 [X.] 3 [X.], [X.], 609; Urt. v. 29.3.1983 [X.] 1 StR 50/83, NJW 1983, 1865). Auf einzelne [X.]lemente der Beweiswürdigung ist der [X.] prinzipiell nicht anzuwenden ([X.] MDR 1975, 468, 469). Dies gilt auch für Indiztatsachen, aus denen lediglich ein Schluss auf eine un-mittelbar entscheidungsrelevante Tatsache gezogen werden kann (vgl. [X.]St 25, 285, 286 f.; 35, 308, 313; 36, 286, 289 ff.). Hierzu zählen die Anknüpfungs-tatsachen für eine Schätzung, die mit der ihnen zukommenden Ungewissheit in die Gesamtwürdigung einzustellen sind. 22 Der Tatrichter hat deshalb die Schätzungsgrundlagen aufgrund einer Wahrscheinlichkeitsbetrachtung zu ermitteln und dabei den nach seiner freien Überzeugung der wirtschaftlichen Situation am nächsten kommenden Ansatz zu wählen. Dabei ist er aufgrund des [X.]es nicht gehalten, hinsichtlich jeder Schätzungsgrundlage jeweils die für den Betroffenen günstigste Variante zu unterstellen (vgl. [X.], Urt. v. 26.10.1998 [X.] 5 StR 446/97, [X.]R AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 1; Urt. v. 25.2.1987 [X.] 3 StR 552/86, [X.]R AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 Steuerschätzung 2; Raum in [X.]/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 3. Aufl., [X.]). Verbliebene [X.]

- 14 -unsicherheiten muss der Tatrichter jedoch in einem Sicherheitsabschlag zum Ausdruck bringen. Dieser hat freilich umso höher auszufallen, je mehr [X.] was der Tatrichter zu bewerten hat [X.] die einzelnen Berechnungsgrundlagen in ihrer Gesamtschau mit Unsicherheiten behaftet sind. Durch diesen Sicherheitsab-schlag wird der [X.] gewahrt (vgl. [X.] [X.]/[X.] D[X.]-R 1487, 1488 f. [X.] steuerfreier Mehrerlös). 2. Die zutreffende Bestimmung des [X.]s ist Voraussetzung für die Wahl des [X.]. Durch die 7. [X.]-Novelle hat der Gesetzgeber die [X.] geändert. Nach dem nunmehr geltenden [X.] des § 81 Abs. 4 [X.] 2005 kann die Geldbuße über die [X.] von 1 Mio. [X.]uro nach Satz 1 hinaus nach Satz 2 auf 10 vom Hundert des Gesamt-umsatzes des jeweiligen Unternehmens festgesetzt werden. Da nach § 4 Abs. 3 [X.]G das mildeste Gesetz anzuwenden ist, sind jeweils die möglichen Buß-geldhöchstbeträge miteinander zu vergleichen (vgl. [X.]/[X.], [X.]G, 2. Aufl., § 4 [X.]. 20). Nach [X.] bildet der dreifache Mehrerlös die [X.]. Ist dieser Betrag niedriger als 10% des Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahres, verbleibt es bei dem auch vom Oberlan-desgericht angewendeten [X.] des § 81 Abs. 2 [X.] 1999. 24 Wendet der neue Tatrichter wiederum den [X.] nach der al-ten Gesetzesfassung an, wird er zu bedenken haben, dass grundsätzlich der Mehrerlös auch tatsächlich abzuschöpfen ist. [X.]ine Ausnahme kann allenfalls dann gelten, wenn eine Abschöpfung durch die Geschädigten bereits erfolgt oder unmittelbar eingeleitet ist. Ohne eingehende Begründung hierzu hätte das [X.] jedenfalls kein bloßes —Ahndungsbußgeldfi verhängen dürfen (vgl. [X.] [X.]/[X.] D[X.]-R 1487, 1489 f. [X.] steuerfreier Mehrerlös). 25

- 15 -26 Gleiches gilt im Übrigen, falls der neue Tatrichter das Bußgeld aus dem Rahmen der Neufassung des § 81 Abs. 4 [X.] 2005 entnehmen sollte. Auch hier muss darüber befunden werden, ob der Vorteil (vgl. hierzu Raum in [X.]/Bunte, Kartellrecht, 10. Aufl., § 81 [X.] [X.]. 140 ff.) abzuschöpfen ist. Dies ist im Rahmen der Bußgeldbestimmung durch den Tatrichter zu [X.] (Raum in [X.]/[X.]; [X.] in [X.] Kommentar zum [X.], [X.]. 61, § 81 [X.] 2005 [X.]. 314 ff.). 3. Die aufgezeigten Mängel in der Bestimmung des [X.]s führen sowohl auf die Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft als auch der Ne-benbetroffenen zur Aufhebung der angefochtenen [X.]ntscheidung im [X.] hinsichtlich der beiden [X.]n. [X.]s lässt sich nämlich nicht feststellen, ob sich der unzutreffende Berechnungsansatz zum Vor- oder Nachteil der [X.]n ausgewirkt hat. Da die [X.] mit der Sachrüge [X.]rfolg haben, kommt es auf die [X.], soweit sie sich lediglich auf die Höhe der Geldbußen auswirken, nicht mehr an. Die [X.] der [X.]n sind im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des [X.]s unbegründet im Sinne des § 79 Abs. 3 [X.]G i.V. mit § 349 Abs. 2 StPO. 27 II[X.] [X.] der Betroffenen zu 1, 4, 6, 8, 9 und 10 sind gleichfalls unbegründet im Sinne des § 79 Abs. 3 [X.]G i.V. mit § 349 Abs. 2 StPO. [X.]rgänzend bemerkt der Senat hierzu lediglich Folgendes: 28 Zwar hat das [X.] bei der Bemessung der Bußgelder auf den entstandenen beträchtlichen Schaden der Kunden verwiesen und insoweit 29

- 16 -auf seine Schätzung des [X.]s Bezug genommen. Der Senat schließt jedoch nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe aus, dass damit bestimmend auf die rechnerische Höhe des jeweils entstandenen [X.]s abgestellt werden sollte. Vielmehr wollte das [X.] lediglich den erheblichen Unrechtsgehalt würdigen, der in einem solchen Verhalten zu sehen ist, das sich zu Lasten der nachgelagerten Wirtschaftsstufen auswirkt. Der Rechtsfehler bei der Schätzung der [X.] wirkt sich deshalb nicht auf die Zumessung der Bußgelder gegen die Betroffenen aus. [X.]Bornkamm

Raum Meier-Beck Strohn Vorinstanz: [X.], [X.]ntscheidung vom [X.] - [X.] ([X.]) -

Meta

KRB 12/07

19.06.2007

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. KRB 12/07 (REWIS RS 2007, 3371)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3371

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