Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.10.2011, Az. B 14 AS 45/11 B

14. Senat | REWIS RS 2011, 2081

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit - Begriff der groben Fahrlässigkeit - fehlende Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG - eingeschränkte Überprüfbarkeit durch das Revisionsgericht


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2010 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger bezog unter anderem vom [X.] bis zum 31.3.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die der Höhe nach zwischen den Beteiligten streitig geblieben sind. Im Ergebnis des Widerspruchsverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 25.7.2007 hob der Beklagte diese Bewilligung nach Anhörung des [X.] wegen zu berücksichtigendem Vermögen aus einem Aktienpaket auf (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Klage und Berufung hiergegen sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des [X.] vom 18.9.2009; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Berlin-Brandenburg vom 16.12.2010). Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung zunächst ausgeführt, es sei zweifelhaft, ob der Kläger nicht schon im Hinblick auf nicht angegebene Einkünfte nicht hilfebedürftig gewesen sei, denn er habe seinen Lebensunterhalt und insbesondere auch Aufwendungen, die die Bedarfe nach dem [X.] ([X.]) überstiegen, umfassend decken können. Außerdem sei anzumerken, dass das selbst bewohnte Hausgrundstück des [X.] nicht zum geschützten Vermögen gehöre, was das [X.] ausführlich dargelegt hat. Jedenfalls sei der Kläger im Hinblick auf das Aktienpaket, dessen Wert den für ihn maßgebenden Vermögensfreibetrag um rund 3400 Euro überstiegen habe, nicht bedürftig gewesen. Das Vorhandensein eines Aktienpakets habe der Kläger bei Antragstellung grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich, wahrheitswidrig verneint. Bezogen auf dieses Vermögen sei der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 [X.] ([X.]) erfüllt, sodass sich die Aufhebung als rechtmäßig darstelle.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz des Urteils des [X.] zur Entscheidung des Bundessozialgerichts ([X.]) vom 15.4.2008 ([X.]/7b [X.] - [X.], 186 = [X.] 4-4200 § 12 [X.]) sowie Verfahrensfehler geltend.

3

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind. Die Beschwerde war daher ohne Hinzuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 Sozialgerichtsgesetz ).

4

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs 2 [X.] hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl [X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]). Es muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angegeben werden, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt.

5

Diesen Anforderungen an die Beschwerdebegründung wird der Vortrag des Klägers nicht gerecht. Er hat nicht ausreichend dargelegt, dass die von ihm gestellte [X.],

ob die Annahme eines Auskunftspflichtigen, die Behörde habe ohnehin schon die erforderliche Kenntnis des Sachverhalts dem Grunde nach, die Anforderungen an seinen Sorgfaltsmaßstab bei der Beantwortung der Fragen reduziert,

        

6

grundsätzliche Bedeutung im dargestellten Sinne hat. Die Revisionsbegründung lässt eine Auseinandersetzung mit der umfangreichen, vom [X.] zum Teil zitierten Rechtssprechung des [X.] zum Maßstab der Prüfung der groben Fahrlässigkeit vermissen. Die Frage des Vorliegens grober Fahrlässigkeit anhand eines subjektiven Maßstabs stellt sich mit dieser Rechtsprechung aber als eine der revisionsgerichtlichen Prüfung weitgehend entzogene tatrichterliche Würdigung dar (vgl bereits [X.]E 47, 180 = [X.] 2200 § 1301 [X.] 8). Insofern hätte es eingehender Ausführungen dazu bedurft, welche weiteren Rechtsfragen sich hinsichtlich des anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabs stellen könnten. Soweit die Beschwerdebegründung sinngemäß darstellt, dass ausgehend vom subjektiven Fahrlässigkeitsbegriff neben einer Vielzahl von Umständen sich auch die Annahme des Auskunftspflichtigen, die Behörde habe bereits auf anderem Wege Kenntnis von dem zu überprüfenden Sachverhalt erlangt, auf die Beurteilung seines Verhaltens auswirken müsse, betrifft dies im [X.] die tatrichterliche Würdigung im Einzelfall und damit die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Frage der Richtigkeit der Entscheidung des [X.] eröffnet indes die Zulassung der Revision nicht und ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 7; stRspr).

7

Hinsichtlich der weiteren Rechtsfragen zur Berücksichtigung von Immobilienvermögen und zur Höhe der Kosten der Unterkunft fehlen ausreichende Darlegungen, weshalb diese Fragen sich im vorliegenden Rechtsstreit als entscheidungserheblich darstellen und also in einem ggf durchzuführenden Revisionsverfahren klärungsfähig sind. Ausgehend von der nicht mit zulässigen [X.] angegriffenen Rechtsauffassung des [X.], der Kläger sei jedenfalls wegen des Aktienvermögens für den gesamten streitigen Zeitraum nicht hilfebedürftig im Sinne der §§ 7, 9, 12 [X.] gewesen, hätte es Darlegungen des [X.] dazu bedurft, weshalb die Ausführungen des [X.] zur Berücksichtigung des [X.] gleichwohl tragend und deshalb für die vorliegende Entscheidung erheblich sein sollen.

8

Im Hinblick auf die geltend gemachte Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] 2 SGG zur Entscheidung des [X.] vom 15.4.2008 ([X.]/7b [X.] - [X.], 186 = [X.] 4-4200 § 12 [X.]) fehlt es an notwendigen Darlegungen dazu, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Auch insoweit macht die Beschwerdebegründung nicht deutlich, weshalb es auf die Ausführungen des [X.] zur angemessenen Größe eines selbstgenutzten [X.] überhaupt ankommen könnte.

9

Soweit die Beschwerdebegründung als Verfahrensmangel eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung (§ 103 SGG) beanstandet, beachtet sie nicht die gesetzliche Regelung in § 160 Abs 2 [X.] 3 SGG. Danach kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dies erfordert bei anwaltlich vertretenen Klägern den Vortrag, dass er seine Beweisanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] aufrechterhalten hat. Die "Warnfunktion" eines solchen förmlichen Beweisantritts entfällt, wenn [X.] lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind (vgl nur [X.] [X.] 1500 § 160 [X.] 67). Der Kläger trägt aber nicht einmal vor, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 16.12.2010 weiter auf der Beweiserhebung bestanden habe.

Der Kläger kann auch mit seiner Rüge eines Gehörsverstoßes, weil das Gericht sein Vorbringen nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe, nicht durchdringen. Zwar kann als Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] 3 iVm § 62 SGG gerügt werden, das Gericht habe wesentliches Vorbringen der Prozessbeteiligten nicht in Erwägung gezogen. Der Kläger räumt in seiner Beschwerdebegründung zum einen selbst ein, dass die vom [X.] aufgeworfene Frage, ob er weiteres Einkommen erzielt hat, nicht entscheidungserheblich war. Insoweit hat er einen Gehörsverstoß nicht schlüssig dargetan. Im Übrigen hätte es der Darlegungen bedurft, dass sich dieser Vorwurf nicht auf den von ihm behaupteten Beweisantrag bezieht. Der Kläger wendet sich nämlich im [X.] dagegen, dass das [X.] zur Auffassung gelangt ist, der Beklagte habe Kenntnis von seinem weitergehenden Vermögen erst im Widerspruchsverfahren erhalten. Damit enthält die Beschwerdebegründung lediglich eine Wiederholung des zu § 103 SGG Vorgebrachten. Hierauf kann die Beschwerde aber nicht gestützt werden, weil die in § 160 Abs 2 [X.] 3 SGG geregelte Beschränkung von Verfahrensrügen über den Umweg des § 62 SGG nicht erweitert werden kann (vgl [X.] Beschluss vom 3.12.2010 - B 12 KR 11/10 B; [X.] Beschluss vom 28.7.1992 - 2 BU 37/92).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 14 AS 45/11 B

24.10.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Neuruppin, 18. September 2009, Az: S 13 AS 1475/08, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.10.2011, Az. B 14 AS 45/11 B (REWIS RS 2011, 2081)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2081

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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