Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.08.2017, Az. 25 W (pat) 58/15

25. Senat | REWIS RS 2017, 6986

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Travomed comp/Travo/Travo (Unionsmarke)" – zur Kennzeichnungskraft – Warenidentität und -ähnlichkeit – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne durch selbständig kennzeichnende Stellung – keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer Zeichenserie


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 042 830

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 3. August 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde des Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das am 1. August 2012 angemeldete Zeichen

2

[X.]med comp

3

ist am 20. August 2012 unter der Nr. 30 2012 042 830 in das beim [X.] geführte Markenregister für Waren der Klassen 5 und 10 eingetragen worden und genießt nach einer Teillöschung aktuell noch Schutz für folgende Waren:

4

Klasse 5: Pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel; sämtliche vorgenannten Waren mit dem Wirkstoff [X.]prost;

5

Klasse 10: Chirurgische und ärztliche Instrumente und Apparate, orthopädische Artikel; Applikationen für pharmazeutische Präparate; Spritzen für medizinische Zwecke; Inhalatoren; Medizinprodukte.

6

Gegen die Eintragung der am 21. September 2012 veröffentlichten Marke hat der Inhaber der zwei nachfolgend angeführten Marken am 17. Dezember 2012 Widerspruch erhoben.

7

Die Widerspruchsmarke [X.] 023 486

8

[X.]

9

ist seit dem 11. Mai 2011 unter der Nummer [X.] 30 2010 023 486 eingetragen und genießt Schutz für die nachfolgenden Waren der Klassen 5:

Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich ophthalmologische Produkte und Präparate; diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten.

Die Widerspruchsmarke (Unionsmarke)

[X.]

ist seit dem 22. März 2011 unter der Nummer [X.] 009 508 491 eingetragen und genießt Schutz für die nachfolgenden Waren der Klasse 5:

Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten.

Die Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s hat mit zwei Beschlüssen vom 12. August 2014 und vom 4. August 2015 die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von §§ 125b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] verneint und die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angegriffene Marke den erforderlichen [X.] einhalte. Die [X.] seien mangels entgegenstehender Anhaltspunkte durchschnittlich kennzeichnungskräftig, auch wenn sie eine Abwandlung der Wirkstoffbezeichnung „[X.]prost“ darstellten. Die sich gegenüberstehenden Marken könnten sich hinsichtlich der pharmazeutischen Erzeugnisse auf identischen Waren begegnen. Im Übrigen lägen die zu beurteilenden Waren zumindest in einem engeren Ähnlichkeitsbereich. Mit den beanspruchten Waren seien neben den Fachkreisen auch breite Verkehrskreise angesprochen, die allerdings bei Waren, die die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden beeinflussen könnten, eine gewisse Sorgfalt aufwenden würden. Verbraucher würden die beanspruchten Waren nicht spontan, sondern gezielt bzw. nach fachlicher Beratung erwerben. Die angegriffene Marke müsse daher einen deutlichen Abstand einhalten, an den aber aufgrund der erhöhten Aufmerksamkeit des Verkehrs, die sich [X.] auswirke, keine allzu strengen Anforderungen zu stellen seien. Dieser Abstand werde von der angegriffenen Marke in jeder Hinsicht noch eingehalten. Es stünden sich die Markenwörter „[X.]med comp“ und „[X.]“ gegenüber, die sich klanglich schon durch ihre Wortlänge auffällig unterscheiden würden. Die angegriffene Marke verfüge am Wortende, auf dem auch die Betonung liege, noch über die zusätzlichen Bestandteile „-med comp“, die der Widerspruchsmarke fehlten. Es bestehe kein Anlass, einen Bestandteil der angegriffenen Marke wegzulassen oder zu vernachlässigen. Keiner ihrer Bestandteile sei für das Zeichen in seiner Gesamtheit mehr prägend als der andere. Die Marke werde als zusammenhängender Begriff im Sinne eines medizinischen Produkts betrachtet, das den Wirkstoff „[X.]prost“ enthalte. Somit werde der angesprochene Verkehr die Unterschiede zwischen den genannten Marken in jedem Fall bemerken. Dies gelte selbst für den Fall, dass der am Ende des Zeichens stehende Bestandteil „comp“ wegen der Länge des Zeichens vernachlässigt würde. Für weitere Arten der [X.] sei nichts vorgetragen oder ersichtlich. Die angesprochenen Verkehrskreise würden insbesondere nicht davon ausgehen, dass es sich bei der jüngeren Marke um ein weiteres Produkt des Widersprechenden handle. Die gemeinsame Buchstabenfolge „[X.]“ weise auf den Wirkstoff „[X.]prost“ hin und werde aus diesem Grund nicht zwingend mit dem Widersprechenden in Verbindung gebracht, zumal auch andere Anbieter pharmazeutischer Produkte den Bestandteil „[X.]“ in ihren Marken verwendeten.

Hiergegen wendet sich der Widersprechende mit seiner Beschwerde. Ausgehend von zumindest durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der [X.], [X.] bzw. hochgradiger [X.] und einer nach dem Gesamteindruck der Marken bestehenden hohen Zeichenähnlichkeit, sei die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gegeben. Klanglich und schriftbildlich sei beim Vergleich der Zeichen von einer hohen Ähnlichkeit auszugehen, weil die Markenwörter in der Buchstabenfolge „[X.]“ übereinstimmten. Die in der angegriffenen Marke enthaltenen Bestandteile „med“ bzw. „comp“ hätten überhaupt keine Unterscheidungskraft und seien jedenfalls wesentlich kennzeichnungsschwächer als das Element „[X.]“. Das Kürzel „med“ werde sofort und ohne weiteres Nachdenken von jedermann als reine Sachangabe im Sinne von „medizinisch“ erkannt. Gleiches gelte für den Bestandteil „comp“, der vom Verkehr als Abkürzung der Sachangabe „compositum“ verstanden werde. Weiterhin gelte in klanglicher wie schriftbildlicher Hinsicht, dass [X.] stärker beachtet würden als die übrigen Markenteile, zumal vorliegend aus dem oben genannten Grund die Endung der angegriffenen Marke nicht markant in Erscheinung trete. Es komme hinzu, dass das Publikum dazu neige, längere Markenwörter in einer die Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen. Auch in begrifflicher Hinsicht sei eine die [X.] begründende Zeichenähnlichkeit gegeben, weil ein etwaiger begrifflicher Gehalt der Zeichen in Bezug auf den Wirkstoff „[X.]prost“ in die gleiche Richtung gehe und die Zusätze „med“ bzw. „comp“ lediglich auf den medizinischen Bereich bzw. auf eine Wirkstoffkombination hinwiesen. Die Zusätze änderten deswegen an der begrifflichen Übereinstimmung der Zeichen nichts. Entgegen der Auffassung der Markenstelle handle es sich bei der angegriffenen Marke nicht um ein einheitliches Zeichen. Trotz der formalen Zusammenschreibung der [X.]e „[X.]“ und „med“ sei von einer Prägung des Zeichens durch den Bestandteil „[X.]“ auszugehen, da der Verkehr die Bestandteile „med“ und „comp“ sofort und ohne jegliches Nachdenken im Sinne einer rein beschreibenden Sachangabe auffassen werde. Es gebe keinen Grund anzunehmen, dass der [X.] „[X.]“ keine selbständig kennzeichnende Funktion aufweisen könne, da „[X.]“ als Abwandlung der [X.] „[X.]med“ unterscheidungskräftig sei. Im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse sei nach ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, dass glatt beschreibende und häufig verwendete Angaben wie „extra“ oder „forte“ vom Publikum nicht als betriebliche Herkunftsbezeichnungen aufgefasst würden und dementsprechend nicht geeignet seien, die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.

Zudem bestehe auch die Gefahr von Verwechslungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen Inverbindungbringens. Da die angesprochenen Verkehrskreise den Bestandteil „[X.]“ als kennzeichnenden Bestandteil des angegriffenen Zeichens wahrnehmen würden, erzeugten die nachgestellten, beschreibenden Angaben „med“ bzw. „comp“ beim Publikum die Vorstellung, dass es sich bei den Produkten um die „medizinische Produktlinie“ des Inhabers der älteren Marke handle. Es dränge sich des Weiteren die Annahme auf, dass „[X.]med comp“ nur eine Abwandlung oder Unterart der Marke „[X.]“ sei. Da der Widersprechende nicht nur Inhaber der Marke „[X.]“, sondern auch der Marke „[X.]-Vision“ sei, sei auch eine [X.] im weiteren Sinne unter dem Gesichtspunkt eines Serienzeichens gegeben.

Auf die Einrede der Nichtbenutzung seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke sei einzuräumen, dass die [X.] derzeit nicht benutzt würden. Es lägen aber berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung nach § 26 [X.] vor. Der Widersprechende sei einer der Geschäftsführer der [X.] Diese habe in Vorbereitung der Benutzung der Marken die Zulassung des Arzneimittels „[X.] 40 Mikrogramm/ml Augentropfen“ beantragt und mit Bescheid vom 28. April 2015 erhalten. Die [X.] sei aber mit Schreiben vom 6. Juli 2015 von der [X.] darauf hingewiesen worden, dass zu deren Gunsten Schutzrechte bzw. ergänzende Schutzrechtszertifikate bezüglich des Wirkstoffes „[X.]prost“ bestünden. Aufgrund dieses Hinweises sei von der Benutzung des Zeichens abgesehen worden. Der Benutzung der Marken stünden damit Hindernisse entgegen, die einen ausreichend unmittelbaren Zusammenhang mit den Marken aufweisen würden, die vom Willen des Markeninhabers unabhängig seien und die die Benutzung der Marke unmöglich oder unzumutbar machten. Denn einerseits sei eine Benutzung der Marken für Arzneimittel irreführend, sofern diese nicht den Wirkstoff „[X.]prost“ enthielten. Andererseits sei der Wirkstoff eine für einen anderen Marktteilnehmer patentrechtlich geschützte Substanz, so dass der Markeninhaber den Wirkstoff nicht in den Verkehr bringen könne, ohne die Rechte Dritter zu verletzen.

Der Widersprechende beantragt zuletzt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des [X.]s vom 12. August 2014 und vom 4. August 2015 aufzuheben, soweit die Widersprüche aus den Marken [X.] 30 2010 023 486 und [X.] 009 508 491 zurückgewiesen worden sind und die Löschung der angegriffenen Marke [X.] 30 2012 042 830 aufgrund dieser beiden Widersprüche anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit [X.] vom 8. November 2016 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Sie ist darüber hinaus der Auffassung, dass die Gefahr von Verwechslungen nicht bestehe. Auch wenn die Silbe „med“ beschreibende Anklänge aufweise, so sei sie nicht kennzeichnungsschwächer als der Bestandteil „[X.]“, der ein Hinweis auf den Wirkstoff sei. Der übereinstimmende Bestandteil der Zeichen, der sachbeschreibend auf einen Wirkstoff hinweise, könne nicht kollisionsbegründend sein. Aus diesem Grund könne der Bestandteil „[X.]“ auch keine mittelbare [X.] begründen. Die Eintragung von lediglich zwei Zeichen begründe im Übrigen noch kein Serienzeichen. Zudem sei auch kein Fall der berechtigten Nichtbenutzung nach § 26 [X.] gegeben. Zunächst sei schon die Benutzung des Zeichens „[X.]“ keine rechtserhaltende Benutzung der Marke „[X.]“. Auch die insoweit auf den Patentschutz bezogenen Argumente seien unbeachtlich. Die Benutzung einer Marke für ein einen unter Patentschutz stehenden Wirkstoff enthaltendes Arzneimittel sei eine freie Entscheidung des Inhabers. Das Bestehen eines Monopols auf den Wirkstoff hindere grundsätzlich die Benutzung der Marke nicht. Schließlich könne der Markeninhaber die Marke mit einem anderen Produkt belegen.

Der Widersprechende hat beantragt, den Rechtsstreit im Hinblick auf das Verfahren BGH I ZB 6/16 auszusetzen. [X.] einer Marke unter Hinzufügung eines weiteren Markenbestandteils werde im dortigen Verfahren geklärt. Der [X.] hat mit Hinweis vom 12. Dezember 2016 eine Aussetzung abgelehnt und darauf hingewiesen, dass es vorliegend auf die vom [X.] im Verfahren BGH I ZB 6/16 zu entscheidende Rechtsfrage nicht ankomme und insoweit eine Aussetzung des Verfahrens nicht angezeigt sei. Der Widersprechende hat zudem in der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2017 angeregt, gegebenenfalls die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 vom 12. August 2014 und vom 4. August 2015 sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2017 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Widersprechenden bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht keine [X.] nach §§ 125b Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.], so dass die Markenstelle den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen hat, § 43 Abs. 2 Satz 2 [X.].

Das Vorliegen einer [X.] für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.]es unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 64 Rn. 9 – Maalox/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – pjur/pure; [X.], 833 Rn. 30 – Culinaria/[X.]). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der [X.] (vgl. dazu [X.], 343 Rn. 48 – [X.]/[X.]; [X.], 64 Rn. 9 – Maalox/[X.]; [X.], 1040 Rn. 25 – pjur/pure; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der [X.] weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.

Ausgehend von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der [X.] im Hinblick auf die [X.], die von der angegriffenen Marke identisch beansprucht werden, und einer erhöhten Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise im Bereich der Arzneimittel, hält die jüngere Marke den gebotenen Markenabstand ein. Gleiches gilt im Ergebnis für die weiteren zu vergleichenden Waren, die im Bereich der durchschnittlichen [X.] liegen. Insoweit fällt zwar in der Gesamtabwägung die Kennzeichnungskraft der [X.] stärker ins Gewicht. Angesichts des größeren Abstandes der zu vergleichenden Waren reicht aber auch hier der [X.] aus, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei [X.] häufig der sehr sorgfältige Fachverkehr der Ärzte und Apotheker beteiligt ist und zudem auch die normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auf diesem Warensektor einen relativ hohen Grad an Aufmerksamkeit aufwenden. Denn auch der allgemeine Verkehr widmet allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, mehr Aufmerksamkeit als vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (vgl. [X.], 50, 53 – [X.]/[X.]). Der [X.] hat daher bei vergleichbar enger Zeichenlage und gegebener [X.] im [X.] insbesondere eine begriffliche [X.] verneint, soweit beide [X.] sich deutlich an eine [X.] annähern und insoweit eine Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke zu bejahen war (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 16. Januar 2014 – 25 W (pat) 72/12 = GRUR 2014, 669 – [X.]/[X.]; Beschluss vom 17. März 2011 – 25 W (pat) 516/10 = [X.], 67 – Panprazol/PANTOZOL; Beschluss vom 27. April 2016 – 25 W (pat) 536/13 – Diclo/[X.]; die Entscheidungen sind über die Homepage des [X.] öffentlich zugänglich).

1. Die [X.] sind im Hinblick auf einen Teil der beanspruchten Waren unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftig. Es ist nicht zu verkennen, dass sie im Bereich der ophthalmologischen (augenheilkundlichen) Produkte und Erzeugnisse recht deutlich auf den Wirkstoff „[X.]prost“ hinweisen. Derartige sprechende Marken aus dem Bereich der Arzneimittel hat der [X.] regelmäßig als normal kennzeichnungskräftig angesehen, wenn die Marke insgesamt noch über einen bloßen Hinweis auf den Wirkstoff hinausgeht und ein entsprechendes Verständnis ein gewisses Kombinationsvermögen erfordert, so dass die Fachkreise und der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Bezugnahme nicht unmittelbar, sondern nur mit gedanklichen Zwischenschritten erkennen. Vorliegend ist die [X.] in den [X.] „[X.]“ noch soweit hinreichend verfremdet, dass diese über das zur Schutzfähigkeit erforderliche Maß an Unterscheidungskraft verfügen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], selbst wenn den Fachkreisen und den von entsprechenden Krankheiten betroffenen Verbrauchern „[X.]prost“ als Wirkstoff im Bereich der Augenheilkunde bekannt ist. Nachdem aber die Verfremdung lediglich in der Weglassung der dritten Silbe der Wirkstoffbezeichnung besteht und die Wirkstoffbezeichnung damit vergleichsweise deutlich hervortritt, reicht dies nicht mehr aus, um noch von einer originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft auszugehen (vgl. hierzu [X.], 905 Rn. 15 – [X.]; [X.], 911 Rn. 16 – [X.]; [X.] [X.], 503 – [X.][X.]; [X.], Beschluss vom 16. Januar 2014 – 25 W (pat) 72/12 = GRUR 2014, 669 – [X.]/[X.]; Beschluss vom 17. März 2011 – 25 W (pat) 516/10 = [X.], 67 – Panprazol/PANTOZOL; Beschluss vom 27. April 2016 – 25 W (pat) 536/13 – Diclo/[X.]). Nachdem die [X.] nicht benutzt werden, kann die originär unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft in Bezug auf ophthalmologische Produkte und Präparate nicht gesteigert worden sein. Hinsichtlich der weiteren von den [X.] beanspruchten Waren, die keinen erkennbaren Bezug zu dem Wirkstoff [X.]prost aufweisen, ist die Widerspruchsmarke durchschnittlich kennzeichnungskräftig.

2. Zwischen den von der Widerspruchsmarke und den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren besteht teilweise [X.]. Wie von der Markenstelle zutreffend ausgeführt, können sich die Marken auf identischen Waren begegnen, da die [X.] Schutz für ophthalmologische Produkte und Präparate beanspruchen und die von der angegriffenen Marke beanspruchten pharmazeutischen Erzeugnisse mit dem Wirkstoff [X.]prost wegen der Indikation dieses Wirkstoffs gleichfalls augenheilkundliche Medikamente sein können. Insoweit besteht zwischen den jeweils beanspruchten Waren kein Indikationsabstand. Nachdem eine Verwendung des Wirkstoffes [X.]prost außerhalb der Augenheilkunde zumindest nicht ausgeschlossen ist, besteht zwischen solchen pharmazeutischen Erzeugnissen und Arzneimitteln seitens der angegriffenen Marke und den ophthalmologischen Produkten und Präparaten der [X.] durchschnittliche [X.] (zum [X.] bei unterschiedlichen Indikationsgebieten vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 9 Rn. 109). Soweit die angegriffene Marke Waren der Klasse 10 beansprucht, nämlich chirurgische und ärztliche Instrumente und Apparate, orthopädische Artikel; Applikationen für pharmazeutische Präparate; Spritzen für medizinische Zwecke; Inhalatoren; Medizinprodukte, kann gegenüber den von den [X.] beanspruchten Waren, nämlich Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten, eine durchschnittliche [X.] unterstellt werden.

3. Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüber stehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-) Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken können ([X.]. 2010, 129 Rn. 60 – [X.]/[X.]; [X.], 1055 Rn. 26 – airdsl).

3.1. Vorliegend reicht angesichts der Kürze der zweisilbigen [X.] „[X.]“ schon die nur in der angegriffenen Marke enthaltene dritte Sprechsilbe „med“ in klanglicher Hinsicht aus, um einen ausreichenden Markenabstand herzustellen, auch wenn die [X.] in den beiden ersten Silben klanglich identisch sind. Der Widersprechende weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Verkehr [X.] stärker beachtet, jedoch ist die Silbe „med“ in der angegriffenen Marke nicht zu überhören, so dass sich die Zeichen nach allen relevanten Kriterien der klanglichen Ähnlichkeit deutlich voneinander abheben.

3.2. Auch in schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich die [X.] schon durch die dritte Silbe der angegriffenen Marke so weit, dass eine [X.] nicht besteht. Da die angegriffene Marke im ersten [X.] „[X.]med“ aus acht Buchstaben besteht, die Widerspruchsmarke aber nur aus fünf Buchstaben, weichen die Zeichen in ihrer Länge und ihrer Umrisscharakteristik allein in dieser Hinsicht deutlich voneinander ab.

3.3. Soweit der Widersprechende der Auffassung ist, dass [X.] bestehe, weil der Bestandteil „[X.]“ den Gesamteindruck der angegriffenen Marke präge und die Wortbestandteile „med“ bzw. „comp“ in der Weise zurückträten, dass sie für den Gesamteindruck völlig zu vernachlässigen seien, kann dem nur teilweise gefolgt werden. Der Verkehr hat zumindest keinen Anlass, sich allein an dem Wortbestandteil „[X.]“ zu orientieren. Dem steht nicht entgegen, dass der weitere Wortbestandteil „med“ isoliert betrachtet als beschreibender Hinweis auf pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel verstanden werden kann und damit für sich genommen nicht schutzfähig ist. Allein der Umstand, dass sich das zu beurteilende Zeichen aus einem schutzfähigen und schutzunfähigen Teil zusammensetzt, führt nicht ohne Weiteres zur Annahme einer Prägung durch den kennzeichnungskräftigen Teil ([X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 9 Rn. 370 m. w. N.). Vorliegend tragen zunächst die Zusammenschreibung der Bestandteile „[X.]“ und „med“ der angegriffenen Marke in einem Wort und dessen leichte Aussprechbarkeit grundsätzlich dazu bei, dass der Verkehr nicht veranlasst ist, das Zeichen aufzuspalten und die einzelnen Teile für sich zu lesen bzw. zu sprechen. Im Gegensatz zu den von dem Widersprechenden angeführten Beispielen rein beschreibender [X.]e wie z. B. „forte“ ist der Bestandteil „med“ für sich genommen kein eigenständiger Begriff und wird in der Fachsprache nicht isoliert benutzt, um besondere Eigenschaften des Arzneimittels zu beschreiben. Vor allem aber ist auch dem Bestandteil „[X.]“ als Hinweis auf den Wirkstoff „[X.]prost“ eine deutliche Kennzeichnungsschwäche beizumessen. Insoweit sind in der angegriffenen Marke zwei kennzeichnungsschwache Bestandteile so miteinander kombiniert, dass eine starke Klammerwirkung entsteht und sie nach der Wahrnehmung des Verkehrs ein einheitliches Wort bilden, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass einer der beiden Bestandteile das Zeichen dominiert und der Verkehr sich nur an diesem orientieren wird (vgl. [X.], 909 Rn. 29 – [X.]). Im Übrigen weist der Widersprechende zwar zutreffend darauf hin, dass der weitere Bestandteil der angegriffenen Marke „comp“ – anders als „med“ – ein bei Arzneimitteln üblicher, sachbeschreibender Zusatz sei, der auf eine Wirkstoffkombination hinweise („compositum“). Insoweit spricht einiges dafür, dass der Verkehr diesen [X.] nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen wird und insoweit die angegriffene Marke durch den [X.] „[X.]med“ geprägt wird. Nachdem sich die Zeichen aber schon in dem Bestandteil „med“ so weit unterscheiden, dass keine [X.] besteht, kann im Ergebnis die Frage dahingestellt bleiben, inwieweit der Bestandteil „comp“ beim [X.] zu berücksichtigen ist.

3.4. In begrifflicher Hinsicht stimmen beide [X.] insoweit überein, als in beiden Zeichen hinweisende Anklänge auf den Wirkstoff „[X.]prost“ enthalten sind. Soweit eine Übereinstimmung der sich gegenüberstehenden Marken nur im Hinblick auf einen beschreibenden Anteil der Zeichen besteht, ist eine begriffliche [X.] jedoch schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Ausgehend von dem Grundsatz, dass eine schutzunfähige Angabe für sich gesehen nicht Grundlage einer markenrechtlichen [X.] sein darf, reicht auch eine Übereinstimmung in beschreibenden Begriffen oder sprechenden Bestandteilen nicht aus, um eine begriffliche [X.] bejahen zu können, insbesondere dann nicht, wenn – wie hier vorliegend – diese Übereinstimmung die einzige begriffliche Gemeinsamkeit der Marken darstellt, weil der Verkehr dann den Marken allenfalls dieselbe beschreibende Aussage entnimmt, die Marken aber nicht demselben Unternehmen zuordnet (vgl. dazu [X.]/ [X.], [X.], 11. Aufl., § 9 Rn. 288 m. w. N.).

4. Es kann auch keine [X.] im weiteren Sinne nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bejaht werden. Bei den Bestandteilen „med“ bzw. „comp“ handelt es sich nicht um Unternehmenskennzeichen oder Stammbestandteile einer Markenserie, so dass dem Bestandteil „[X.]“ innerhalb der angegriffenen Marke keine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt. Nur unter diesen Voraussetzungen hat die Rechtsprechung die Bejahung einer [X.] im weiteren Sinne bei Übernahme einer Widerspruchsmarke in ein prioritätsjüngeres Kennzeichen in Betracht gezogen (vgl. dazu [X.], 905 Rn. 37 f. – [X.]; [X.], 909 Rn. 38 f. – [X.]).

5. Schließlich ist die Annahme einer mittelbaren [X.] unter dem Gesichtspunkt einer Zeichenserie seitens des Widersprechenden schon deswegen ausgeschlossen, weil beide [X.] nicht benutzt werden, so dass es an der zwingenden Voraussetzung einer benutzten Zeichenserie fehlt ([X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 9 Rn. 495).

6. [X.] der [X.] bzw. die Frage der berechtigten Gründe für eine Nichtbenutzung nach § 26 Abs. 1 [X.] kann dahingestellt bleiben. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit [X.] vom 8. November 2016 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Diese ist mit Ablauf der Benutzungsschonfrist zum 8. November 2016 zulässig. Nachdem die zu vergleichenden Zeichen jedoch nicht verwechselbar ähnlich sind, kommt es auf die Benutzung nicht an. Auch soweit der Widersprechende mit [X.] vom 24. November 2016 im Hinblick auf ein vor dem [X.] geführtes Rechtsbeschwerdeverfahren I ZB 6/16 (Ausgangsverfahren vor dem [X.] war das Verfahren 30 W (pat) 42/13, Beschluss vom 24. Dezember 2015 = [X.], 503 – [X.] plus T STADA/[X.]) die Aussetzung des vorliegenden Verfahrens beantragt hat, war dies nicht veranlasst, weil die vor dem [X.] zu klärende Rechtsfrage [X.] betraf. Im Zusammenhang mit der Benutzungsfrage sei aber darauf hingewiesen, dass der Patentschutz für einen pharmazeutischen Wirkstoff für einen anderen Marktteilnehmer (auch im Rahmen eines ergänzenden Schutzzertifikats) nach Auffassung des [X.]s in aller Regel keinen berechtigten Grund für eine Nichtbenutzung darstellt. Da bei erfolgreichen Wirkstoffeinführungen häufig oder sogar regelmäßig ergänzende Schutzzertifikate erteilt werden, müssen auch die Generikahersteller, die nach Ablauf des Patentschutzes regelmäßig auf den Markt drängen, sich auf diesen naheliegenden Umstand bei ihrer Planung, auch im Zusammenhang mit den Kennzeichnungen, einstellen.

7. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, nachdem weder eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung zu entscheiden war, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.]s erfordert, § 83 Abs. 2 [X.].

Meta

25 W (pat) 58/15

03.08.2017

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.08.2017, Az. 25 W (pat) 58/15 (REWIS RS 2017, 6986)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6986

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

25 W (pat) 57/15 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Travomed/Travo/Travo (Unionsmarke)" – zur Kennzeichnungskraft – Warenidentität und -ähnlichkeit – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr …


25 W (pat) 8/15 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "N4Life/4Life (Unionsmarke)/4Life (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)" – zur Kennzeichnungskraft – mögliche Warenidentität - keine unmittelbare …


30 W (pat) 42/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Dorzo plus T STADA/Dorzo" – zur rechtserhaltenden Benutzung – Benutzung als Abwandlungsbestandteil einer …


I ZB 6/16 (Bundesgerichtshof)

Rechtserhaltende Benutzung einer Marke: Ergänzung einer Marke durch Zusätze als Verwendung der Marke in einer …


30 W (pat) 511/20 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "EM blond (Wort-Bildmarke)/EM (Unionsmarke/Wort-Bildmarke)" – keine Glaubhaftmachung der rechterhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarken - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

I ZB 6/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.