Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2017, Az. I ZB 6/16

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 11112

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Gegenstand

Rechtserhaltende Benutzung einer Marke: Ergänzung einer Marke durch Zusätze als Verwendung der Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form; Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Marke durch Zusätze - Dorzo


Leitsatz

Dorzo

1. Die Ergänzung einer an sich unveränderten Marke durch Zusätze stellt keine Benutzung der Marke in der eingetragenen Form gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG dar, wenn die Zusätze mit dem Zeichen erkennbar verbunden sind. In diesem Fall handelt es sich um eine Verwendung der Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form (§ 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG).

2. Erkennt der Verkehr das mit Zusätzen verwendete Markenwort (hier: Dorzo-Vision®) nicht mehr als eigenständiges Produktkennzeichen (hier: Dorzo), verändert die Abweichung grundsätzlich den kennzeichnenden Charakter der Marke, so dass von einer rechtserhaltenden Benutzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nicht ausgegangen werden kann.

3. Bei der Prüfung, ob eine von der Eintragung abweichende Verwendung der Marke deren kennzeichnenden Charakter verändert, kommt es nicht darauf an, ob die Marke innerhalb der konkreten Verwendungsform eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 24. Dezember 2015 an [X.] zugestellten Beschluss des 30. Senats ([X.]) des [X.] wird auf Kosten des Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die Markeninhaberin hat am 16. September 2010 die Wortmarke "[X.]" Nr. 30 2010 054 551 beim [X.] für die Waren der Klasse 5 "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke" angemeldet. Die Marke wurde am 11. März 2011 in das Register eingetragen und die Eintragung am 15. April 2011 veröffentlicht.

2

Der Widersprechende hat am 14. Juli 2011 Widerspruch aus seiner am 11. Mai 2010 eingetragenen Wortmarke Nr. 30 2010 023 494 "[X.]" erhoben, deren Schutzbereich die Waren der Klasse 5 "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse und Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Medizinprodukte, soweit in Klasse 5 enthalten" umfasst.

3

Das [X.] hat mit Beschluss vom 6. Februar 2013 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und die dagegen gerichtete Erinnerung der Markeninhaberin mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin hat das [X.] die Beschlüsse des [X.]s aufgehoben und den Widerspruch aus der Marke Nr. 30 2010 023 494 zurückgewiesen ([X.], [X.], 503).

4

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Markeninhaberin beantragt, verfolgt der Widersprechende sein Löschungsbegehren weiter.

5

II. Das [X.] hat angenommen, der Widersprechende habe auf die im Beschwerdeverfahren am 29. Juni 2015 in zulässiger Weise erhobene [X.] der Markeninhaberin eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 26 Abs. 1 [X.] nicht glaubhaft gemacht. Zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen bestehe außerdem keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Dazu hat es ausgeführt:

6

Dem Widersprechenden habe es oblegen, die Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 26 [X.] nach Art, Dauer und Umfang für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] maßgeblichen [X.]raum der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen. Soweit der Widersprechende vortrage, die [X.] GmbH als seine Lizenznehmerin habe in den vergangenen Jahren in ausreichendem Umfang unter den Bezeichnungen "[X.]®", "[X.]Comp-Vision®" und "[X.]Comp-Vision® sine" [X.] mit dem Wirkstoff [X.]lamid in Form von Augentropfen vertrieben, sei die Widerspruchsmarke nicht in der eingetragenen Form, sondern mit Zusätzen verwendet worden. Dadurch sei der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke so verändert worden, dass eine rechtserhaltende Benutzung nicht angenommen werden könne.

7

Die Widerspruchsmarke sei originär nur unterdurchschnittlich kennzeichnungskräftig. "[X.]" sei eine bei Arzneimittelkennzeichnungen gebräuchliche Verkürzung der Wirkstoffbezeichnung "[X.]lamid". Dies sei sowohl für Ärzte und Apotheker als auch für weite Teile der Endverbraucher erkennbar. Habe der Widersprechende die Widerspruchsmarke im relevanten Benutzungszeitraum für verschreibungspflichtige Arzneimittel verwendet, bestehe hinsichtlich pharmazeutischer Erzeugnisse [X.]. Ob und in welchem Umfang eine Ähnlichkeit zu den übrigen von der angegriffenen Marke erfassten Waren bestehe, könne offen bleiben, da eine Verwechslungsgefahr bereits im Bereich der [X.] mangels hinreichender Ähnlichkeit beider Marken zu verneinen sei.

8

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

9

1. Die Annahme des [X.]s, der Widersprechende habe die Widerspruchsmarke nicht rechtserhaltend im Sinne von § 26 Abs. 1 [X.] benutzt, hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 29. Juni 2015 wirksam die [X.] gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] erhoben hat und dass diese Einrede im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen war.

aa) Ist der Widerspruch vom Inhaber einer eingetragenen Marke mit älterem [X.]rang erhoben worden, so hat er, wenn der Gegner die Benutzung der Marke bestreitet, glaubhaft zu machen, dass sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor der [X.] der Eintragung der Marke, gegen die der Widerspruch sich richtet, gemäß § 26 benutzt worden ist, sofern sie zu diesem [X.]punkt seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist (§ 43 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Endet der [X.]raum von fünf Jahren der Nichtbenutzung nach der [X.] der Eintragung, so hat der Widersprechende, wenn der Gegner die Benutzung bestreitet, glaubhaft zu machen, dass die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch gemäß § 26 benutzt worden ist (§ 43 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

bb) Die am 11. Mai 2010 eingetragene Widerspruchsmarke war zum [X.]punkt der [X.] der Eintragung der angegriffenen Marke am 15. April 2011 noch nicht fünf Jahre im Register eingetragen, so dass für die von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene [X.] die Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht anwendbar ist. Die fünfjährige Benutzungsschonfrist für die Widerspruchsmarke lief fünf Jahre nach deren Eintragung am 11. Mai 2015 ab (§ 25 Abs. 1 [X.]) und endete damit nach der [X.] der Eintragung der angegriffenen Marke. Für die im Streitfall erhobene [X.] ist damit auf die Frist des § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] abzustellen.

cc) Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass der Widersprechende Art, Dauer und Umfang der Nutzung der Widerspruchsmarke für die [X.] vom 13. August 2010 bis zum 13. August 2015 glaubhaft zu machen hatte. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist maßgeblich der [X.] vor der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 13. August 2015 (vgl. [X.], Beschluss vom 28. September 2006 - [X.], [X.], 321 Rn. 29 = [X.], 321 - COHIBA).

b) Die Rechtsbeschwerde wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des [X.]s, der Widersprechende habe für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 [X.] maßgeblichen [X.] vor der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht.

aa) Das [X.] hat angenommen, nach der eidesstattlichen Versicherung der Produktmanagerin der [X.] GmbH vom 3. August 2015 sprächen die Umsatzzahlen zwar dafür, dass die [X.] GmbH als Lizenznehmerin des Widersprechenden und mit dessen Zustimmung in den vergangenen Jahren in ausreichendem Umfang unter den Bezeichnungen "[X.]®" und "[X.]Comp-Vision® sine" [X.] mit dem Wirkstoff [X.]lamid in Form von Augentropfen vertrieben habe, wenngleich die Umsatzzahlen nicht auf eigener Kenntnis der Produktmanagerin beruhten. Dies bedürfe jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Die Widerspruchsmarke "[X.]" sei jedenfalls nicht in der eingetragenen Form, sondern mit Zusätzen verwendet worden. Die Lizenznehmerin habe die Zeichen "[X.]®", "[X.]Comp-Vision®" und "[X.]Comp-Vision® sine" wie nachfolgend dargestellt benutzt:

Abbildung Abbildung

Die auf den Verpackungen verwendeten, von der eingetragenen Form abweichenden Benutzungsformen stellten keine Benutzung der Widerspruchsmarke dar. Bei der der eingetragenen Form am nächsten kommenden Verwendungsform "[X.]®" sehe der Verkehr die beiden Bestandteile "[X.]" und "Vision" nicht als selbständige Zeichen, sondern als einheitlichen Herkunftshinweis an. Beide Bestandteile seien gleich groß und mit einer einheitlichen Schrifttype geschrieben, sie seien durch einen Bindestrich verbunden. Die Kennzeichnung sei einheitlich in hellblauer Farbe gehalten, während die übrigen Aufschriften im Wesentlichen eine schwarze Farbe aufwiesen. Hinzu komme das am Ende der Wortkombination hinter "Vision" hochgestellte "®", das der Verkehr nicht nur auf "Vision", sondern auf das gesamte Zeichen beziehen werde. Außerdem hätten beide Bestandteile beschreibende Anklänge in Bezug auf den Wirkstoff ([X.]lamid) und den Anwendungsbereich (Vision als [X.] Begriff für "Sicht, Sehkraft, Sehvermögen"). Das Zeichenumfeld weise ebenfalls auf ein einheitliches Zeichen hin, weil sich unmittelbar über dem Zeichen "[X.]®" die weitere Kennzeichnung "[X.]®" befinde, die auf die Firma der Herstellerin, der [X.] GmbH, hinweise. Der angesprochene Verkehr gehe bei dieser Gestaltung von zwei und nicht von drei Marken aus. Der Umstand, dass der Widersprechende den [X.] "Vision" als Stammbestandteil einer umfangreichen Zeichenserie benutze, ändere daran nichts.

bb) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Widerspruchsmarke nicht gemäß § 26 Abs. 1 [X.] in der eingetragenen Form verwendet worden ist.

(1) Die Rechtsbeschwerde macht dagegen geltend, die Widerspruchsmarke "[X.]" sei in der eingetragenen Form als Wort verwendet worden. Dass die Produkte der Lizenznehmerin des Widersprechenden mit weiteren Wort-Zeichen versehen worden seien, ändere hieran nichts. Ein einfaches Nebeneinanderstellen von zwei Zeichen sei nicht als Verwendung in abweichender Form anzusehen. Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch.

(2) Die isolierte Verwendung von Wortmarken kommt in der Praxis kaum vor. Wird eine Wortmarke dergestalt benutzt, dass das Wortzeichen graphisch oder farblich gestaltet wird oder bildliche Elemente hinzugefügt werden, ist zu prüfen, ob diese weiteren Elemente einen Bezug zur Funktion der Marke als Herkunftshinweis haben oder lediglich allgemeine Sachangaben oder werbliche Hervorhebungsmittel sind ([X.], Urteil vom 8. Januar 2014 - [X.], [X.], 662 Rn. 18 = [X.], 856 - Probiotik, mwN). Bei der Frage, ob eine Marke in der eingetragenen Form oder in einer hiervon abweichenden Form benutzt worden ist, muss deshalb vorab geklärt werden, ob weitere Elemente wie zusätzliche Wörter, Bilder, Formen, Farben einen relevanten Bezug zur Marke aufweisen, oder ob es sich lediglich um von der Marke völlig unabhängige allgemeine Sachangaben oder Ausstattungselemente handelt, die für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Marke ohne Bedeutung sind ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 26 Rn. 153). Die Ergänzung einer an sich unveränderten Marke durch Zusätze stellt keine Benutzung der Marke in der eingetragenen Form gemäß § 26 Abs. 1 [X.] dar, wenn die Zusätze mit dem Zeichen erkennbar verbunden sind. In diesem Fall handelt es sich um eine Verwendung der Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 1998 - [X.], [X.], 54, 55 = [X.], 1081 - [X.]; Beschluss vom 15. Dezember 1999 - [X.], [X.], 1040, 1041 = [X.], 1164 - FRENORM/FRENON; Beschluss vom 20. Januar 2005 - [X.], [X.], 515, 516 = [X.], 620 - [X.]). Die Verbindung zwischen der Marke und einem Zusatz kann insbesondere durch die räumliche Nähe oder die Einbindung in ein Logo hergestellt werden ([X.], Urteil vom 17. November 2014 - I ZR 114/13, [X.], 587 Rn. 13 und 16 f. = WRP 2015, 732 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 26 Rn. 156).

(3) Zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die Widerspruchsmarke auf den von dem Widersprechenden vorgelegten Abbildungen der Produktverpackungen nicht isoliert verwendet worden ist. Vielmehr ist das Wortzeichen "[X.]" durch textliche Zusätze ergänzt worden. Dabei hat das [X.] zu Recht auf die gesamten, in blauer Farbe einheitlich gestalteten Produktbezeichnungen "[X.]®", "[X.]Comp-Vision®" und "[X.]Comp-Vision® sine" abgestellt und die weiteren, das Arzneimittel näher beschreibenden Angaben in schwarzer Schrift bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung außer Betracht gelassen. Die Verbindung des Markenworts "[X.]" zu den ergänzenden Begriffen "Vision®", "Comp-Vision®" und "Comp-Vision® sine" wird durch die räumliche Zusammenführung, durch den Bindestrich oder die Zusammenschreibung, durch das einheitliche Schriftbild und die identische Farbgebung hergestellt.

(4) Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, einzige Voraussetzung für eine rechtserhaltende Benutzung eines Zeichens, das ohne Abwandlung als Teil einer Gesamtkennzeichnung verwendet werde, sei die Eignung, als Herkunftshinweis wahrgenommen zu werden. Es sei dagegen nicht erforderlich, dass die Marke innerhalb der Gesamtkennzeichnung als eigenständige Marke wahrgenommen werde. Soweit die Rechtsbeschwerde damit zu begründen sucht, der Widersprechende habe die Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form benutzt, wird diese Auffassung durch die von der Rechtsbeschwerde hierfür in Anspruch genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]; Urteil vom 18. April 2013 - [X.]/12, [X.], 722 = [X.], 761 - Stofffähnchen; Urteil vom 18. Juli 2013 - [X.]/12, [X.], 922 = [X.], 1314 - [X.]) nicht gestützt. Die Verbindung der Marke mit weiteren Elementen führt vielmehr zu der nach § 26 Abs. 3 [X.] vorzunehmenden Prüfung, ob die von der Eintragung abweichende Benutzung als rechtserhaltende Benutzung der Marke angesehen werden kann.

cc) Die Rechtsbeschwerde wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des [X.]s, die von dem Widersprechenden vorgetragenen Benutzungshandlungen seien nicht gemäß § 26 Abs. 3 [X.] als rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke anzusehen, weil sie den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke veränderten.

(1) Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 [X.] nur vor, wenn die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Eine Veränderung des kennzeichnenden Charakters ist dann zu verneinen, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt, in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. [X.], Urteil vom 31. Mai 2012 - [X.], [X.], 68 Rn. 14 = [X.], 61 - Castell/VIN [X.]; Urteil vom 10. Januar 2013 - [X.], [X.], 840 Rn. 20 = [X.], 1030 - [X.]; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 26 Rn. 177). Werden zur Kennzeichnung einer Ware zwei Zeichen verwendet, liegt es in der Regel nahe, dass der Verkehr darin ein aus zwei Teilen bestehendes zusammengesetztes Kennzeichen erblickt. Denkbar ist aber auch, dass der Verkehr in der Kennzeichnung keinen einheitlichen Herkunftshinweis, sondern zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen sieht ([X.], Urteil vom 5. November 2008 - [X.], [X.], 766 Rn. 50 f. = [X.], 831 - [X.]; [X.], [X.], 840 Rn. 20 - [X.]). Hiervon ist das [X.] ausgegangen. Die Beurteilung, ob die abweichende Benutzung den kennzeichnenden Charakter der Widerspruchsmarke verändert, ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt, insbesondere auf eine zutreffende Rechtsanwendung und die Beachtung der allgemeinen Lebenserfahrung, überprüfbar ([X.], Beschluss vom 13. Dezember 2007 - [X.], [X.], 719 Rn. 24 = [X.], 1098 - idw Informationsdienst Wissenschaft).

(2) Das [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Kennzeichnungen "[X.]®" und "[X.]Comp-Vision®" seien als jeweils einheitliche Kennzeichen und nicht als zwei getrennte Zeichen anzusehen, das Wort "[X.]" könne in den von dem Widersprechenden vorgetragenen Verwendungen nicht mehr als eigenständiges Produktkennzeichen erkannt werden.

Die typographische Gestaltung, der Bindestrich und die Einheitlichkeit von Schrifttyp und Schriftfarbe sind für sich allein zwar nicht geeignet, diese Annahme zu begründen ([X.], [X.], 515, 516 - [X.]). Allerdings kann die graphische Gestaltung in die Beantwortung der Frage, ob nach der Verkehrsanschauung zwei selbständige Kennzeichen vorliegen oder von einem einheitlichen Kennzeichen auszugehen ist, einbezogen werden (vgl. [X.], [X.], 587 Rn. 17 - [X.]).

Das [X.] hat zudem seine Ansicht, dass die Produktbezeichnungen "[X.]®" und "[X.]Comp-Vision®" als einheitliches Kennzeichen wahrgenommen werden, auf weitere Umstände gestützt. Das [X.] hat zu Recht den Umstand berücksichtigt, dass das hochgestellte "®" nicht hinter der Widerspruchsmarke "[X.]", sondern hinter den Bezeichnungen "[X.]" und "[X.]Comp-Vision" angebracht ist. Dies weist auf eine einheitliche Kennzeichnung hin und spricht gegen die Annahme von zwei Zeichen. Der Verkehr entnimmt der Beifügung des Zusatzes "®" zu einem Zeichen regelmäßig den Hinweis, dass es eine Marke genau diesen Inhalts gibt (vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2009 - [X.], [X.], 888 Rn. 15 = [X.], 1080 - [X.]; [X.], [X.], 840 Rn. 35 - [X.]; [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2013 - [X.], [X.], 376 Rn. 24, 26 = [X.], 449 [X.]; [X.], [X.], 662 Rn. 25 - Probiotik). Schließlich hat das [X.] ohne Rechtsfehler die wechselseitige Bezugnahme der beiden Bestandteile "[X.]" und "Vision" in begrifflicher Hinsicht in seine Beurteilung einbezogen. Danach deutet "[X.]" auf die Wirkstoffbezeichnung "[X.]lamid" hin, was sich nach den Feststellungen des [X.]s wegen der erläuternden Angaben auf der Verpackung auch dem allgemeinen Publikum erschließt, und der [X.] Begriff "Vision" für "Sicht", "Sehkraft" und "Sehvermögen" auf den Anwendungsbereich.

(3) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kommt es nicht darauf an, ob der Bestandteil "[X.]" in den Produktbezeichnungen "[X.]®" und "[X.]Comp-Vision®" eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat.

Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auf die Entscheidung "[X.]" des Gerichtshofs der [X.] ([X.], [X.], 922). Dieser Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, dass es für eine rechtserhaltende Benutzung ausreicht, wenn die Widerspruchsmarke in der konkreten Verwendungsform eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat. Entscheidend ist vielmehr, dass die Unterschiede zwischen der Form, in der die Marke benutzt wird, und der Form, in der sie eingetragen wurde, die Unterscheidungskraft der Marke, wie sie eingetragen wurde, nicht verändern darf ([X.], [X.], 922 Rn. 26, 31 - [X.] unter Hinweis auf [X.], [X.], 722 Rn. 35 - Stofffähnchen). Wird die Widerspruchsmarke vom Publikum nicht als eigenständiges Zeichen, sondern nur als Bestandteil einer zusammengesetzten Marke wahrgenommen, verfügen die Widerspruchsmarke und das zusammengesetzte Zeichen über eine unterschiedliche Unterscheidungskraft und zwar selbst dann, wenn die Widerspruchsmarke eine selbstständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten Zeichen hat. Die Annahme der rechtserhaltenden Benutzung einer Marke scheidet deshalb aus, wenn der Verkehr sie in einem [X.] nicht mehr als eigenständiges Kennzeichen wahrnimmt (vgl. [X.]; Beschluss vom 17. Oktober 2013 - [X.]/12, [X.], 483 Rn. 42 = [X.], 432 - test; Büscher, [X.], 305, 309). Das Kriterium der selbständigen kennzeichnenden Stellung spielt lediglich im Rahmen der Verwechslungsprüfung bei der Beurteilung des Gesamteindrucks einer mehrgliedrigen Marke eine Rolle. Bei der Prüfung, ob eine von der Eintragung abweichende Verwendung der Marke deren kennzeichnenden Charakter verändert, kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Marke innerhalb der konkreten Verwendungsform eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat.

(4) Zu Recht hat das [X.] angenommen, bei den von der Lizenznehmerin des Widersprechenden verwendeten Produktbezeichnungen sei nicht deshalb von zwei Zeichen auszugehen, weil der [X.] "Vision" als Stammbestandteil zu einer umfangreichen Zeichenserie gehöre.

Allerdings kann der Verkehr im Einzelfall einen [X.] als ein selbständig verwendetes Zweitkennzeichen auffassen, weil der Verkehr vielfach an die Verwendung von Zweitkennzeichen gewöhnt ist ([X.], [X.], 515, 516 - [X.], mwN). Ohne weiteres wird die Verwendung einer Zweitmarke deutlich, wenn es sich bei einem der beiden Zeichen um den dem Verkehr bekannten Namen des Unternehmens handelt ([X.], Urteil vom 8. Februar 2007 - [X.], [X.], 592 Rn. 14 = [X.], 958 - bodo Blue Night). In diesem Fall gelten jedoch keine anderen Grundsätze. Nimmt der Verkehr die Bezeichnungen als zwei getrennte Kennzeichen wahr, ist von einer rechtserhaltenden Benutzung auszugehen. Sieht der Verkehr dagegen die beiden Zeichen als unselbständige Bestandteile eines neuen einheitlichen Zeichens an, verwendet der Markeninhaber den darin enthaltenen Bestandteil, der als Marke eingetragen ist, nicht rechtserhaltend.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das [X.] bei der Prüfung der Frage, ob die angesprochenen Verkehrskreise in "[X.]" einen Herkunftshinweis sehen, den Vortrag des Widersprechenden nicht unzureichend gewürdigt. Der Widersprechende hat vorgetragen, die [X.] GmbH habe mit Produkten im Bereich der [X.] mit dem Wortbestandteil "Vision" in den Jahren 2009 bis 2015 Umsätze in Millionenhöhe erzielt. Er hat außerdem die Bezeichnung der Produkte sowie den mit ihnen erzielten Umsatz dargelegt. Das [X.] hat jedoch zu Recht angenommen, dass allein anhand von Produktbezeichnungen und Umsatzzahlen nicht festgestellt werden kann, dass den angesprochenen Verkehrskreisen - im Streitfall sowohl Fachkreise (Ärzte und Apotheker) und Verbraucher - die Zeichenserie "Vision" als solche bekannt ist.

Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die relevanten Verkehrskreise nähmen aufgrund der konkreten Gestaltung der Produkte den Bestandteil der Produktbezeichnung "Vision" als Hinweis auf das Unternehmen "[X.]" und den Bestandteil "[X.]" als eigentlichen Produktnamen wahr. Das [X.] hat angenommen, der Verkehr habe keinen Anlass, in der Kennzeichnung "[X.]®" zwei Zeichen zu sehen, von denen das eine ("Vision") auf den Hersteller hinweise, das andere ("[X.]") das konkrete Produkt bezeichnen solle, weil sich auf den Verpackungen die Marke "[X.]®" befinde. Der Verkehr müsse zudem, um die Kennzeichnung als eine Kombination von Firmenbestandteil und Produktkennzeichen aufzufassen, mehrere Produktlinien des Widersprechenden kennen, die jeweils mit verschiedenen Stammbestandteilen gekennzeichnet seien. Hierfür sei nichts ersichtlich. Diese tatrichterliche Beurteilung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Rechtsbeschwerde will im Ergebnis lediglich die tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene Würdigung ersetzen.

(5) Aus den vorstehenden Gründen kann in der Benutzung der Produktbezeichnung "[X.]Comp-Vision® sine" ebenfalls keine rechtserhaltende Benutzung der Marke "[X.]" gemäß § 26 Abs. 3 [X.] gesehen werden.

c) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 - C.I.L.F.I.T). Dies gilt auch für die Frage, ob die Marke "[X.]" in den in Rede stehenden Verwendungsformen als eigenständige Marke wahrgenommen wird. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, steht dieses Erfordernis mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in Einklang (vgl. vorstehend [X.] (3), Rn. 28).

2. Da der Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht hat, kann offen bleiben, ob die Ansicht des [X.]s zutrifft, dass zwischen den [X.] keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht. Bedenken begegnet hier vor allem die Verneinung einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn.

IV. [X.] beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Büscher     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

Meta

I ZB 6/16

11.05.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 24. Dezember 2015, Az: 30 W (pat) 42/13, Beschluss

§ 26 Abs 1 MarkenG, § 26 Abs 3 S 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.05.2017, Az. I ZB 6/16 (REWIS RS 2017, 11112)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 759 REWIS RS 2017, 11112


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 30 W (pat) 42/13

Bundespatentgericht, 30 W (pat) 42/13, 24.12.2015.


Az. I ZB 6/16

Bundesgerichtshof, I ZB 6/16, 18.10.2017.

Bundesgerichtshof, I ZB 6/16, 11.05.2017.


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