Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2014, Az. V ZR 194/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 65

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Gegenstand

Verkäuferhaftung bei vermitteltem Eigentumswohnungskaufvertrag: Zurechenbarkeit von Beratungsfehlern des Vermittlers bei Fehlen jeglichen persönlichen Kontakts zwischen Verkäufer und Kaufinteressent


Leitsatz

Verzichtet der Verkäufer auf jeglichen Kontakt mit dem Käufer und überlässt er dem Vermittler die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife, darf der Käufer bei verständiger Würdigung im Allgemeinen davon ausgehen, dass der Vermittler bei der Beratung (auch) namens und in Vollmacht des Verkäufers handelt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 4. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin suchte am 4. Mai 2007 die Geschäftsräume der [X.] (fortan Firma [X.]) auf. Deren Mitarbeiter empfahl ihr den Kauf einer Eigentumswohnung. [X.]ie unterzeichnete einen Vermittlungsauftrag für eine Wohnung der - in dem Auftrag nicht namentlich genannten - Beklagten zu 1, deren Komplementärin die Beklagte zu 2 ist, in [X.] zum Preis von 102.509 €. In dem Auftrag ist der Hinweis enthalten, dass die Firma [X.] Honorar ausschließlich von der Verkäuferin erhalte. Auf der Rückseite findet sich eine handschriftliche Berechnung der Kosten des Erwerbs der Wohnung. Am selben Tag unterzeichnete die Klägerin ein notarielles Kaufangebot, das die Beklagte zu 1 in der Folgezeit annahm. Finanziert wurde der Kauf durch zwei Darlehensverträge mit gestaffelten Laufzeiten.

2

Die Klägerin verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrags, Freistellung von Darlehensverpflichtungen sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz weitergehender [X.]chäden sowie des Annahmeverzugs. [X.]ie meint, mit der Beklagten zu 1 sei neben dem Kaufvertrag ein Beratungsvertrag zustande gekommen, den diese (durch die Firma [X.]) schlecht erfüllt habe, weil sie sie nicht auf die Besonderheiten der steuerlichen Förderung nach § 7i E[X.]tG und auf die sehr lange Gesamtlaufzeit der Darlehensverträge hingewiesen habe. Außerdem sei der Kaufpreis sittenwidrig überhöht gewesen.

3

Die Klage hat vor dem [X.] Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der von dem [X.]enat zugelassenen Revision möchte die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des [X.]s erreichen. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

4

Nach Ansicht des Berufungsgerichts scheitert eine Haftung der [X.] aus Beratungsvertrag daran, dass ein solcher Vertrag zwischen der [X.] zu 1 und der Klägerin nicht zustande gekommen ist. Zwar könne ein Beratungsvertrag anzunehmen sein, wenn der Verkäufer dem Käufer Berechnungsbeispiele [X.]. Hier sei das Berechnungsbeispiel aber nicht durch die [X.] zu 1 als Verkäuferin vorgelegt worden, sondern durch die Firma [X.] sei nicht namens der [X.] zu 1 aufgetreten, sondern im eigenen Namen im Rahmen eines ihr von der Klägerin erteilten [X.]. Es sei auch nicht festzustellen, dass der Vertrieb der Wohnungen durch die [X.] zu 1 so organisiert worden sei, dass die Firma [X.] freie Hand gehabt habe. Die [X.] zu 1 habe sich vielmehr von verschiedenen Maklern Käufer vermitteln lassen. Die Klage sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 138 Abs. 2 BGB begründet. Die Klägerin habe schon nicht substantiiert dargelegt, dass ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der Wohnung bestehe. Die bloße Behauptung, der Wert der Wohnung betrage 48.000 €, genüge nicht. Vielmehr müssten Anknüpfungstatsachen vorgetragen werden.

II.

5

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann weder ein Anspruch aus Beratungsvertrag noch ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint werden.

6

1. Nach den bisherigen Feststellungen lässt sich ein Anspruch der Klägerin gegen die [X.] zu 1 auf [X.]chadensersatz wegen Verletzung ihrer Pflichten aus einem Beratungsvertrag nach § 280 Abs. 1 BGB, für den die [X.] zu 2 nach § 161 Abs. 2, § 128 HGB haften würde, nicht mit der Begründung ablehnen, es fehle an einem Beratungsvertrag.

7

a) Ob ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist, ist zwar, worauf die [X.] zu Recht hinweisen, eine Frage tatrichterlicher Würdigung, die im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist ([X.]enat, Urteil vom 26. April 1991 - [X.], NJW 1991, 2556, 2557, in [X.], 263 insoweit gekürzt). In diesem Rahmen ist die Würdigung des Berufungsgerichts aber zu beanstanden, weil es die Anforderungen des [X.]enats an die Erteilung einer konkludenten [X.] durch den Verkäufer und an die Offenkundigkeit des Auftretens des Vermittlers für den Verkäufer verkannt hat.

8

b) Nach der Rechtsprechung des [X.]enats kommt zwischen Verkäufer und Käufer ein Beratungsvertrag zustande, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen, insbesondere auf Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt. Gleiches gilt, wenn der Verkäufer dem Käufer als Ergebnis der Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, welches der Herbeiführung des [X.] dienen soll ([X.]enat, Urteile vom 31. Oktober 2003 - [X.], [X.], 371, 374, vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 1873 Rn. 7 und vom 25. Oktober 2013 - [X.], [X.] 2014, 560 Rn. 5). Das Berufungsgericht stellt zwar fest, dass der Klägerin eine solche Berechnung vorgelegt worden ist, meint aber, die damit verbundene Beratung sei hier namens der Firma [X.], nicht dagegen (auch) für die [X.] zu 1 erfolgt. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist diese Ansicht rechtsfehlerhaft.

9

c) aa) (1) [X.]tellt sich bei der Vermittlung des Kaufvertrags die Aufgabe der Beratung des Kaufinteressenten und ist sie von dem Verkäufer einem Makler oder sonstigen Vermittler überlassen worden, kann sich dessen stillschweigende Bevollmächtigung zum Abschluss des [X.] zwischen Verkäufer und Käufer aus den Umständen ergeben (§ 167 BGB). Dabei sind für die Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung und an die Kundgabe des Willens, die Beratung für den Verkäufer zu übernehmen und auszuführen (§ 164 BGB), keine zu strengen Anforderungen zu stellen, wenn der Käufer dem Vermittler seinerseits keinen Maklerauftrag erteilt. Es reicht dann aus, dass die individuelle Beratung des Kaufinteressenten eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss der [X.] war ([X.]enat, Urteile vom 14. März 2003 - [X.], NJW 2003, 1811, 1812 f., vom 13. Oktober 2006 - [X.], NJW 2007, 1874 Rn. 16 und vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 1873 Rn. 10).

(2) Ein Beratungsvertrag des Käufers mit dem Verkäufer kann kraft konkludent erteilter Vollmacht auch dann zustande kommen, wenn unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Vermittler und dem Kaufinteressenten bestehen. Es kommt stets in Betracht, dass ein Makler oder Anlagevermittler bei der Vertragsanbahnung - ohne äußeren Einschnitt in seinem Auftreten - auch für den Verkäufer, also in doppelter Funktion tätig wird; daher kann eine Haftung aus beiden Rechtsverhältnissen entstehen. Im Hinblick auf eine Haftung des Verkäufers machen Rechtsbeziehungen zwischen dem Kaufinteressenten und dem Vermittler lediglich nähere Feststellungen dazu erforderlich, ob die - auf das Objekt des Verkäufers bezogene - Beratung des Interessenten dessen Kaufentschluss fördern sollte, ob der Vermittler dabei (auch) namens des Verkäufers handeln konnte und gehandelt hat und ob der Kaufentschluss (auch) auf der Beratung in Vertretung des Verkäufers beruhte ([X.]enat, Urteile vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 1873 Rn. 11 f. und vom 25. Oktober 2013 - [X.], [X.] 2014, 560 Rn. 8).

(3) Für die Annahme einer Bevollmächtigung des Vermittlers zum Abschluss eines Beratungsvertrages mit dem Verkäufer reicht die Feststellung aus, dass der Verkäufer den Vermittler mit dem Vertrieb der Immobilie beauftragt hat und dabei wusste oder jedenfalls nicht ausschließen konnte, dass dieser gegenüber Interessenten die finanziellen Vorteile eines Kaufs herausstellen würde. Die Erteilung eines solchen Auftrags kann eine für dessen Ausführung ausreichende Innenvollmacht umfassen (so etwa in [X.]enat, Urteil vom 25. Oktober 2013 - [X.], [X.] 2014, 560). Ein Beratungsvertrag muss aber nicht scheitern, wenn es an einer solchen Innenvollmacht fehlt oder wenn eine solche Vollmacht auf Grund von Beschränkungen im Innenverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Vermittler [X.] nicht umfasst. Aus den Umständen kann sich nämlich eine stillschweigend erteilte [X.] des Vermittlers (§ 167 Abs. 1 Fall 2 BGB) zum Abschluss eines Beratungsvertrages ergeben ([X.]enat, Urteile vom 27. November 1998 - [X.], [X.], 111, 117, vom 14. März 2003 - [X.], NJW 2003, 1811, 1812, vom 13. Oktober 2006 - [X.], NJW 2007, 1874 Rn. 2, 16 f. und vom 6. Juli 2007 - [X.], juris Rn. 11). Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Käufer den Umständen bei objektivierter Betrachtung (dazu: [X.]/[X.]chramm, 6. Aufl., § 167 Rn. 42) eine solche Vollmacht entnehmen darf und welchen Umfang sie danach aus seiner objektivierten [X.]icht hat. Das Fehlen oder Vorhandensein eines [X.] hat bei der Frage nach einer [X.] keine ausschlaggebende Bedeutung, weil es auf die Außensicht des Käufers ankommt und dieser in der Regel nicht erkennen kann, ob der Vermittler einen Vermittlungsauftrag hat.

(4) Der Vermittler kann von einer Innen- oder [X.] zum Abschluss eines [X.] durch ausdrückliche Erklärung Gebrauch machen. Der Wille des Vermittlers, für den Verkäufer zu handeln, kann und wird aber in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig im [X.]inne von § 164 Abs. 2 BGB nicht aus einer solchen Erklärung des Vermittlers, sondern - wie häufig auch die Vollmacht selbst - nur aus den Umständen „erkennbar hervortreten“. Er kann sich auch bei Anlegung eines strengeren Maßstabs etwa daraus ergeben, dass der Berater in den verwendeten [X.] als Vertriebspartner des Verkäufers genannt ist, dass er von dem Verkäufer zur Verfügung gestellte Berechnungsbeispiele verwendet oder dass er Berechnungsbeispiele auf den Kopfbögen des Verkäufers erstellt (vgl. [X.]enat, Urteile vom 31. Oktober 2003 - [X.], [X.], 371, 375 und vom 13. Oktober 2006 - [X.], NJW 2007, 1874 Rn. 16 f.). [X.]ie kann sich aber, was das Berufungsgericht missverstanden hat, auch aus der [X.] durch den Verkäufer ergeben. Das hat der [X.]enat für Fälle entschieden, in denen der Verkäufer auf jeglichen Kontakt mit dem Käufer verzichtet und den Vermittler mit dem Vertrieb und den Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife beauftragt hat ([X.]enat, Urteile vom 10. November 2006 - [X.], juris Rn. 10 f., vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 1873 Rn. 12 und vom 25. Oktober 2013 - [X.], [X.] 2014, 560 Rn. 8, 11). Das Fehlen oder Vorhandensein eines Auftrags ist aber- ebenso wie bei der [X.] - auch für die Frage danach ohne Bedeutung, ob der Vermittler von einer vorhandenen (Innen- oder Außen-) Vollmacht gegenüber dem Käufer auch Gebrauch macht. Auch hier kommt es entscheidend darauf an, ob der Käufer den Umständen, etwa dem, dass der Vermittler tatsächlich die Vertragsverhandlung bis hin zum Abschluss für den Verkäufer führt, bei verständiger Würdigung entnehmen darf, dass der Vermittler für den Verkäufer und nicht (nur) in eigenem Namen handeln will.

bb) Dass es sich hier so verhalten hat, lässt sich mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneinen und nach den bisherigen Feststellungen auch nicht ausschließen.

(1) Das Berufungsgericht stützt seine gegenteilige Ansicht im Wesentlichen darauf, dass keine Unterlagen verwendet worden seien, die auf die [X.] zu 1 hindeuteten, dass sich weder eine Einbindung der Firma [X.] in die Vertriebsstruktur der [X.] zu 1 noch ein Auftrag der [X.] zu 1 an diese feststellen lasse, dass für die [X.] zu 1 noch andere Vermittler tätig geworden seien und dass die [X.] zu 1 ihre Wohnungen auch selbst vermarktet habe. Diese Gesichtspunkte sind für die Feststellung, ob die [X.] zu 1 die Firma [X.] gemäß § 167 Abs. 1 Fall 2 BGB gegenüber der Klägerin zur Beratung bevollmächtigt und ob der Wille der Firma [X.], von einer solchen Vollmacht auch Gebrauch zu machen, gemäß § 164 Abs. 2 BGB gegenüber der Klägerin erkennbar hervorgetreten ist, ohne Bedeutung.

(2) Weder eine [X.] noch ein Handeln des Vermittlers für den Verkäufer setzen die Verwendung von Unterlagen voraus, die auf den Verkäufer hinweisen. Die Ausgestaltung des [X.] zwischen der [X.] zu 1 und der Firma [X.] besagt nichts darüber, wie das Verhalten der [X.] zu 1 und der Firma [X.] gegenüber der Klägerin aus deren objektivierter [X.]icht als Kaufinteressentin zu bewerten ist. Dafür ist es auch unerheblich, ob die [X.] zu 1 gegenüber anderen Kaufinteressenten andere Vermittler einsetzt oder selbst tätig wird. Entscheidend ist, wie die Klägerin das Verhalten der [X.] zu 1 und der Firma [X.] bei objektiver Betrachtung verstehen durfte.

(3) Nach den bisherigen Feststellungen lassen sich danach weder eine [X.] der Firma [X.] noch deren Handeln namens der [X.] zu 1 ausschließen. Die [X.] zu 1 hat in dem Verkaufsprospekt die [X.]teuervorteile als wesentliches Vermarktungsargument eingesetzt. [X.]ie hat darin die Kaufinteressenten nicht nur auf eine externe Beratung durch [X.]teuerberater verwiesen, sondern ausdrücklich eingeladen, sich auch an sie selbst zu wenden. Damit stellte sich die Aufgabe einer Beratung der Kaufinteressenten auch gegenüber der Klägerin. Diese Aufgabe hat die [X.] zu 1 jedenfalls ihr gegenüber nicht selbst wahrgenommen. Nach den bisherigen Feststellungen hatte die Klägerin allein mit der Firma [X.] zu tun. Diese hat sich danach nicht auf das Wecken von Interesse beschränkt, sondern nahtlos alle Aufgaben übernommen, die nach der gewöhnlichen Aufgabenverteilung dem Verkäufer obliegen. Darauf lässt jedenfalls der Umstand schließen, dass die Klägerin noch am Tage der Beratung ein notarielles Angebot hat beurkunden lassen, das inhaltlich dem von der [X.] zu 1 in dem Prospekt abgedruckten Muster entsprach, der der Klägerin - wenn auch erst im Notartermin - ausgehändigt worden ist. Die [X.] zu 1 könnte sich damit der Firma [X.] nicht nur als Maklerin bedient haben, sondern diese aus der [X.]icht eines Käufers in der Lage der Klägerin zu ihrer [X.]achwalterin gemacht haben, die für sie in allen Fragen im Zusammenhang mit dem Erwerb einschließlich der vorgesehenen Beratung tätig werden durfte und auch so tätig geworden ist.

d) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich in diesem Punkt auch nicht, wie die [X.] meinen, deshalb als richtig, weil kein Beratungsfehler vorliege. Das Berufungsgericht hat entsprechende Feststellungen zwar nicht getroffen; es geht aber von einem Beratungsfehler aus, den es nur mangels [X.] nicht für relevant hält.

2. Nicht tragfähig ist auch die Begründung, mit welcher das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen die [X.] auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 812 Abs. 1 [X.]atz 1 BGB und gemäß § 161 Abs. 2, § 128 HGB i.V.m. dieser Vorschrift verneint.

a) [X.] ist schon der rechtliche Ansatz. Die Klägerin macht die Nichtigkeit des Kaufvertrags nicht nach § 138 Abs. 2 BGB, sondern nach § 138 Abs. 1 BGB geltend. [X.]ie hat sich zwar auch auf eine psychische Erkrankung berufen. Im [X.] beruft sie sich aber darauf, dass der Preis für die Wohnung in einem auffälligen Missverhältnis zu deren Wert steht, was bei Hinzutreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten einen Verstoß gegen die guten [X.]itten begründet und zur Nichtigkeit des Vertrags nach § 138 Abs. 1 BGB führt (vgl. [X.]enat, Urteil vom 19. Januar 2001 - [X.], [X.], 298, 301 f.). Für die verwerfliche Gesinnung spricht eine tatsächliche Vermutung, wenn das Missverhältnis besonders grob ist. Das wiederum ist anzunehmen, wenn - bei einer Benachteiligung des Käufers - die Verkehrswertüberschreitung oder - bei einer Benachteiligung des Verkäufers - die Verkehrswertunterschreitung 90% oder mehr beträgt (vgl. [X.]enat, Urteil vom 24. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1652 Rn. 8 sowie [X.], [X.], 252, 253 f.).

b) Die Klägerin hat ein besonders grobes Missverhältnis schlüssig vorgetragen.

aa) Bei den Anforderungen an die Darlegung eines besonders groben Missverhältnisses verfolgen die Zivilsenate des [X.] keinen einheitlichen Ansatz. Im Ausgangspunkt noch einheitlich wird ein Vortrag als schlüssig und ausreichend substantiiert angesehen, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen ([X.]enat, Beschlüsse vom 12. Juni 2008- [X.], [X.], 2068 Rn. 6, vom 2. April 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1236 Rn. 10 und vom 20. März 2014 - [X.], [X.] [[X.]] = juris Rn. 5). Kommt es auf den Verkehrswert einer [X.]ache an, ist es nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden [X.]enats grundsätzlich ausreichend, wenn die darlegungspflichtige [X.] einen bestimmten Wert behauptet und durch [X.]achverständigengutachten unter Beweis stellt ([X.]enat, Urteile vom 5. Oktober 2001- [X.], NJW 2002, 429, 431, r. [X.]p. und vom 13. Dezember 2002 - [X.], NJW-RR 2003, 491 f., r. [X.]p. sowie Beschlüsse vom 2. April 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1236 Rn. 10 und vom 20. März 2014 - [X.], [X.] 2014, 349 [[X.]] = juris Rn. 6). Etwas anderes gilt nur, wenn eine solche Behauptung ins Blaue hinein erfolgt, wobei der [X.]enat bei der Annahme eines Rechtsmissbrauchs Zurückhaltung übt (vgl. etwa Beschluss vom 20. März 2014 - [X.], [X.] 2014, 349 [[X.]] = juris Rn. 6). Demgegenüber erfordert ein den [X.]ubstantiierungsanforderungen genügender Vortrag zu einem entsprechenden Minderwert einer erworbenen Immobilie nach der Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.], der das Berufungsgericht in der [X.]ache folgt, die Darlegung konkreter, dem Beweis zugänglicher Angaben zu den wertbildenden Faktoren der erworbenen Wohnung (Urteile vom 12. November 2002 - [X.] ZR 3/01, [X.], 61, 62 und vom 19. [X.]eptember 2006 - [X.] ZR 204/04, [X.], 2343, Rn. 20, insoweit nicht in [X.], 109 abgedruckt; [X.] NJW 2009, 1585 Rn. 25). Inwieweit diese unterschiedlichen Ansätze zu abweichenden Ergebnissen im Einzelfall führen, kann hier dahinstehen. Die [X.]ache ist deshalb auch nicht dem Großen [X.]enat für Zivilsachen vorzulegen.

bb) Der Vortrag der Klägerin genügt nämlich auch den erhöhten Anforderungen der Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats. Die Klägerin hat sich nicht nur auf die nach der Rechtsprechung des erkennenden [X.]enats ausreichende Behauptung, der Verkehrswert der Wohnung betrage 48.000 €, und den Antritt von [X.]achverständigenbeweis beschränkt. [X.]ie hat vielmehr in der Klageschrift näher erläutert, dass und auf welcher Grundlage sie den Betrag errechnet hat. Dieser Vortrag hängt keineswegs, wie das Berufungsgericht meint, „im luftleeren Raum“. Die Klägerin hat den ihr bei der Beratung nach ihrem Vortrag mitgeteilten und in der Rentabilitätsberechnung der Firma [X.] angesetzten [X.] von monatlich 277 € zugrunde gelegt und den Wert der Wohnung nach der Ertragswertmethode mit näher bezeichneten [X.]n berechnet. Dass und warum die Ertragswertmethode, deren Wahl bei einer Kapitalanlage naheliegt, und dass und warum die anderen gewählten [X.] sachlich richtig sind, musste sie nicht darlegen. Das ist im Rahmen der Beweisaufnahme durch [X.]achverständigengutachten zu klären.

cc) Angesichts dieser Angaben liegt die Annahme fern, die Klägerin habe das besonders grobe Missverhältnis von Kaufpreis und Wert ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten [X.]achverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“ behauptet (dazu [X.]enat, Urteil vom 13. Dezember 2002 - [X.], NJW-RR 2003, 491 und Beschluss vom 2. April 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 1236 Rn. 11).

c) Die Klägerin hat auch das Vorliegen einer verwerflichen Gesinnung behauptet. [X.]ie hat sich in der Klageschrift auf die aus dem dargelegten besonders groben Missverhältnis folgende tatsächliche Vermutung berufen. Mehr musste sie nicht tun (vgl. [X.]enat, Urteile vom 9. Oktober 2009 - [X.], [X.], 363 Rn. 19 und vom 10. Februar 2012 - [X.], [X.], 1570 Rn. 9).

III.

Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben. Die [X.]ache ist mangels der erforderlichen Feststellungen nicht entscheidungsreif und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hierbei macht der [X.]enat von der Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen [X.]enat nach § 563 Abs. 1 [X.]atz 2 ZPO Gebrauch. Für die neue Verhandlung weist der [X.]enat auf Folgendes hin:

1. Nach den bisherigen Feststellungen spricht viel dafür, dass die Klägerin den Umständen bei objektiver Betrachtung entnehmen durfte, die Firma [X.] sei von der [X.] zu 1 zum Abschluss (auch) eines [X.] bevollmächtigt und mache von dieser Vollmacht Gebrauch. Dies wird unter Würdigung des gesamten Ablaufs der Vertragsanbahnung bis hin zu dem Geschehen bei dem Notartermin aufzuklären sein. Dabei wird es nicht auf äußere Einschnitte im Auftreten der Mitarbeiter der Firma [X.] ankommen ([X.]enat, Urteil vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 1873 Rn. 11).

2. Ein Beratungsfehler kann sich aus der Berechnung der Mitarbeiter der Firma [X.] ergeben. [X.]ie sieht Kreditbelastungen von 664 € monatlich und [X.]teuervorteile von 322 € monatlich vor, ohne die begrenzte Dauer der Förderung zu berücksichtigen. Fehlerhaft wäre die Beratung auch, wenn der Klägerin nicht auf die unterschiedlichen Laufzeiten der Förderung und der Kreditverpflichtung und auf die Bedeutung der langen Laufzeit der Kreditverpflichtung hingewiesen worden sein sollte (zu letzterem [X.]enat, Urteil vom 17. Januar 2014- [X.], Wohnungseigentümer 2014, 113 Rn. 10).

[X.]tresemann                   [X.]chmidt-Räntsch                    Czub

                     Kazele                                 [X.]

Meta

V ZR 194/13

19.12.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 4. Juli 2013, Az: 20 U 233/11, Urteil

§ 164 Abs 2 BGB, § 167 Abs 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2014, Az. V ZR 194/13 (REWIS RS 2014, 65)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1510 REWIS RS 2014, 65

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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