Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.10.2016, Az. IV B 119/15

4. Senat | REWIS RS 2016, 3197

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Gegenstand

Gewerbesteuer als sonstige Masseverbindlichkeit bei Veräußerung eines Containerschiffs durch den Insolvenzverwalter; Übertragung der zur Einkommensteuer ergangenen Rechtsprechung auf die Gewerbesteuer


Leitsatz

1. NV: Die Einkommensteuerschuld, die aus der Verwertung, hier Veräußerung, des zur Insolvenzmasse (und zum Betriebsvermögen) gehörenden Containerschiffs resultiert, ist nach der Rechtsprechung als sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren. Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen für die durch die Veräußerung ausgelöste Gewerbesteuerschuld .

2. NV: Masseverbindlichkeit ist auch die Gewerbesteuerschuld, die auf der veräußerungsbedingten Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags gemäß § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG beruht .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 25. November 2015  2 [X.]/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhobenen [X.] sind unbegründet.

2

1. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) zuzulassen.

3

a) Bei der Rechtsfortbildungsrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) handelt es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O). In den Fällen, in denen eine Entscheidung des Revisionsgerichts der Rechtsfortbildung dient, liegt deshalb regelmäßig auch eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vor (z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 31. März 2010 IV B 131/08, m.w.N.).

4

Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den [X.] aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist (vgl. u.a. [X.]-Beschluss vom 20. Juni 2012 IV B 122/11). Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den [X.] erforderlich machen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 12. Mai 2010 IV B 19/09, und vom 20. Juni 2012 IV B 122/11; jeweils m.w.N.).

5

b) Die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine entsprechende Anwendung der zur Einkommensteuer ergangenen Rechtsprechungsgrundsätze zur Aufdeckung von stillen Reserven im Insolvenzverfahren auf die Gewinnermittlung nach der Tonnage sowie auf die Gewerbesteuer rechtmäßig sei, so dass der [X.], der im Insolvenzverfahren aus der Auflösung des [X.] bei der Gewinnermittlung nach der Tonnage resultiere, als Masseverbindlichkeit zu qualifizieren sei, wenn der Unterschiedsbetrag bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den [X.]punkt des Wechsels der Gewinnermittlungsart nach der Tonnage gesondert und einheitlich festgestellt worden sei, ist nicht klärungsbedürftig, da sie, wie von dem Finanzgericht ([X.]) auch zutreffend dargelegt, durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist.

6

aa) Mit Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 23/11 ([X.]E 241, 233, [X.], 759) hat der [X.] unter Hinweis auf die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich zu der Abgrenzung einer Insolvenzforderung zu einer Masseverbindlichkeit Stellung genommen. Danach sind Insolvenzforderungen nach § 38 der Insolvenzordnung ([X.]) solche Forderungen, die zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem [X.]punkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung (z.B. § 38 der Abgabenordnung i.V.m. § 36 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an. Entscheidend ist, wann der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde. Der Rechtsgrund für einen (abstrakten) Steueranspruch ist gelegt, wenn der gesetzliche [X.] verwirklicht wird. Ob und wann ein [X.] nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist, richtet sich auch im [X.] an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen. Bezogen auf die Einkommensteuer kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderung folglich darauf an, ob der einzelne (unselbständige) [X.] --insbesondere die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG-- vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.

7

Im Fall der Veräußerung eines Wirtschaftsguts durch den Insolvenzverwalter wird der [X.] mithin durch diese Handlung nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet, weshalb die aus der Gewinnrealisierung resultierende Einkommensteuer als sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu qualifizieren ist. Die vorgenannten Grundsätze sind auch dann anzuwenden, wenn durch die Veräußerung nach Insolvenzeröffnung stille Reserven aufgedeckt werden, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind ([X.]-Urteil in [X.]E 241, 233, [X.], 759).

8

bb) Diese Rechtsprechung ist zwar zu einer [X.] ergangen, die Rechtsgrundsätze gelten aber gleichermaßen für die Gewerbesteuerforderung. Auch diesbezüglich kommt es darauf an, wann der [X.] nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist. Die Gewerbesteuer wird gemäß § 16 des [X.] ([X.]) auf Grund des [X.] festgesetzt, der sich gemäß § 11 [X.] unter Anwendung einer Steuermesszahl auf den Gewerbeertrag ermittelt. Der Gewerbeertrag seinerseits ist der nach den Vorschriften des EStG (oder des Körperschaftsteuergesetzes) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 [X.] bezeichneten Beträge (§ 7 Satz 1 [X.]). Aus der Anknüpfung an die Gewinnermittlung nach den Vorschriften des EStG folgt, dass die Begründung der Gewerbesteuerforderung nicht anders beurteilt werden kann als die der [X.].

9

Das [X.] hat die Rechtsgrundsätze des [X.]-Urteils in [X.]E 241, 233, [X.], 759 daher zu Recht auch auf den Streitfall angewandt und bezüglich der insolvenzrechtlichen Begründung der Gewerbesteuerforderung zutreffend auf den Verkauf des Containerschiffs durch den Kläger abgestellt.

Auch der Umstand, dass mit dem Gewinn aus der Auflösung des [X.] nicht die stillen Reserven im [X.]punkt der Auflösung, sondern die stillen Reserven im [X.]punkt des Wechsels der Gewinnermittlungsart vom Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG zur Tonnagebesteuerung nach § 5a EStG der Besteuerung unterworfen werden, ändert nichts daran, dass der [X.] auch bezüglich der stillen Reserven erst durch den Verkauf des Containerschiffs verwirklicht worden ist. Der Gesetzgeber hat sich in § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG, hier Satz 3 Nr. 2, dazu entschieden, die im [X.]punkt des Wechsels der Gewinnermittlungsart bestehenden stillen Reserven nicht bereits zu diesem [X.]punkt, sondern erst zu einem späteren [X.]punkt der Besteuerung zu unterwerfen. Dass diese stillen Reserven aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gemäß § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG bereits im  [X.]punkt des Wechsels der Gewinnermittlungsart gesondert und einheitlich festgestellt werden, ist daher für die Verwirklichung des Steuertatbestandes nicht von Bedeutung.

2. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

3. Von einer weiteren Begründung und insbesondere von einer Darstellung des Sachverhalts sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

Meta

IV B 119/15

27.10.2016

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 25. November 2015, Az: 2 K 152/15, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 4 Abs 1 EStG 2009, § 5a Abs 4 S 3 Nr 2 EStG 2009, § 38 InsO, § 55 Abs 1 Nr 1 InsO, EStG VZ 2013, § 16 GewStG 2002, § 7 S 1 GewStG 2002, GewStG VZ 2013, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27.10.2016, Az. IV B 119/15 (REWIS RS 2016, 3197)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3197

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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18 U 149/17

18 U 13/18

6 U 149/19

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