Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.11.2019, Az. 10 B 20/19

10. Senat | REWIS RS 2019, 1488

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Gründe

I

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Er klagt unter [X.]erufung auf das Informationsfreiheitsgesetz [X.] ([X.]) auf Verpflichtung zur Gewährung von Auskunft über [X.]ewegungen auf den Steuerkonten des Insolvenzschuldners in dem von ihm betreuten Insolvenzverfahren.

2

Auf die Rüge des [X.]eklagten hat das Verwaltungsgericht mit [X.]eschluss vom 4. April 2019 festgestellt, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Die [X.]eschwerde des [X.]eklagten hat das [X.] mit [X.]eschluss vom 13. Juni 2019 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene weitere [X.]eschwerde.

II

3

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 [X.], § 152 Abs. 1 und § 173 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere [X.]eschwerde ist unbegründet. Für Rechtsstreitigkeiten, die auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützte Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters über [X.]ewegungen auf den Steuerkonten des Insolvenzschuldners betreffen, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

4

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Eine solche Zuweisung besteht für Streitigkeiten der hier gegebenen Art nicht. Entgegen der weiteren [X.]eschwerde ist der Weg zu den Finanzgerichten nicht eröffnet. Dies hat das [X.] zu Recht festgestellt.

5

1. Der [X.] ist zunächst nicht aufgrund der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO gegeben. Danach ist der [X.] - soweit hier von [X.]edeutung - in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten gegeben; Abgabenangelegenheiten sind danach u.a. alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängende Angelegenheiten. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Gewährung von Einsicht in Steuerakten und die Auskunft über steuerliche Daten vor diesem Hintergrund eine Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 FGO, wenn über sie auf der Grundlage steuerverfahrensrechtlicher Regelungen zu entscheiden ist oder wenn die betreffenden [X.]egehren im [X.] wurzeln und insoweit mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang stehen ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 15. Oktober 2012 - 7 [X.] - [X.] 310 § 40 VwGO Nr. 307 Rn. 14 und vom 17. September 2018 - 7 [X.] 6.18 - NWV[X.]l 2019, 26 Rn. 6).

6

a) Die genannte Rechtsprechung geht davon aus, dass der auf das Informationsfreiheitsrecht gestützte Auskunftsanspruch eines Insolvenzverwalters wegen eines Anfechtungsverfahrens grundsätzlich neben Ansprüchen der Abgabenordnung besteht und somit nicht zur Abgabenangelegenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 FGO wird. Hieran hat sich im Ergebnis nichts durch die Vorschriften der §§ 32a ff. [X.], welche mit Art. 17 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 ([X.]) in die Abgabenordnung eingefügt wurden und am 25. Mai 2018 in [X.] getreten sind, geändert. Nach der neu geschaffenen Regelung des § 32e Satz 1 [X.] gelten die Artikel 12 bis 15 der Verordnung ([X.]) Nr. 2016/679 i.V.m. den §§ 32a bis 32d [X.] entsprechend, soweit die betroffene Person oder ein Dritter nach dem Informationsfreiheitsgesetz des [X.] oder eines [X.] gegenüber der Finanzbehörde einen Anspruch auf Informationszugang hat. Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass die [X.]eschränkungen der Verordnung ([X.]) Nr. 2016/679 sowie der Abgabenordnung durch die Informationsfreiheitsgesetze verdrängt oder umgangen werden können ([X.]. 18/12611 S. 89; vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 4. Juli 2019 - 7 C 31.17 - [X.], 1698 Rn. 15). Der Umfang von Ansprüchen nach den [X.] wird hierdurch im Hinblick auf Abgabenangelegenheiten auf ein bestimmtes Niveau begrenzt. Auch der Umfang der Ansprüche Dritter wird in der Rechtsfolge parallelisiert ([X.], in: Tipke/[X.], [X.]/FGO, Stand Mai 2019, § 32e [X.] Rn. 1).

7

Allein deshalb handelt es sich noch nicht um eine abgabenrechtliche Angelegenheit im o.g. Sinne. Maßgeblich für die [X.]estimmung des Rechtswegs ist die Rechtsnatur des Streitgegenstandes. Dieser richtet sich neben dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt nach der das Rechtsverhältnis regelnden Anspruchsgrundlage (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 21. November 2016 - 10 AV 1.16 - [X.]VerwGE 156, 320 Rn. 5; [X.], Urteil vom 25. Februar 1993 - [X.] - [X.]Z 121, 367 <372 f.>), hier also nach der Zuordnung der jeweiligen Anspruchsgrundlage entweder zum Abgabenrecht oder zum sonstigen, von § 40 Abs. 1 VwGO erfassten öffentlichen Recht. Unerheblich ist es, ob bei der Prüfung von Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Vorschrift auch andere Vorschriften anzuwenden sind, die ihrerseits dem Abgabenrecht zuzuordnen sind. Denn gemäß § 17 Abs. 2 [X.] entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in [X.]etracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Hier folgt die Anspruchsgrundlage aus den [X.]. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 32e Satz 1 [X.], der das [X.]estehen eines solchen Anspruchs voraussetzt und lediglich auf der Rechtsfolgenseite die Grenzen des Anspruchs regelt. Diese Norm ersetzt nicht die Ansprüche aus den [X.], sondern modifiziert sie (vgl. [X.], in: [X.], Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand Juni 2018, § 32e [X.] Rn. 9), was keinen Einfluss auf den zulässigen Rechtsweg hat ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 2. Mai 2007 - 6 [X.] 10.07 - [X.]VerwGE 129, 9 Rn. 9). Eine Ersetzung der - wie hier relevanten - landesrechtlichen Informationsfreiheitsansprüche durch solche aus [X.]recht (hier der Abgabenordnung) dürfte auch kompetenzrechtlich ausgeschlossen sein. Aus dem jeweils einschlägigen Informationsfreiheitsgesetz ergeben sich die Voraussetzungen des Anspruchs sowie gegebenenfalls Einschränkungen, die weiter gehen als die von § 32e Satz 1 [X.] in [X.]ezug genommenen. Steuerverfahrensrechtliche Vorschriften kommen daher allenfalls neben solchen der Informationsfreiheitsgesetze und der Verordnung ([X.]) Nr. 2016/679 zur Anwendung. Nur in diesem Sinne kann der [X.]eschluss des [X.] vom 4. Juli 2019 - 7 C 31.17 - ([X.], 1698 Rn. 15) verstanden werden, wenn dort in Anlehnung an die [X.]eschlussempfehlung des [X.] des Deutschen [X.]tags zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des [X.]versorgungsgesetzes und anderer Vorschriften ([X.]. 18/12611 S. 89) von einer bereichsspezifischen Verdrängung die Rede ist. Die Regelung des § 32e [X.] wird dort allein als eine [X.]egrenzung auf der Rechtsfolgenseite verstanden.

8

Schließlich ergibt sich im Umkehrschluss aus der Regelung des § 32i Abs. 2 [X.], dass Ansprüche Dritter nach den [X.] nicht zu den Abgabenangelegenheiten gehören (s. hierzu unten, Rn. 10 ff. - 2.). Dort wird für diesbezügliche Ansprüche der betroffenen Person ausdrücklich der [X.] eröffnet; für Klagen Dritter fehlt eine entsprechende Regelung (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 15. Juli 2019 - 3 K 91/19 - [X.] 2019, 1956 <1957>; noch nicht rechtskräftig).

9

b) Da sich insbesondere die Anspruchsgrundlagen aus den [X.] ergeben, wurzelt der Anspruch auch nicht im [X.] (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 4. Juli 2019 - 7 C 31.17 - [X.], 1698 Rn. 24). Für Ansprüche auf Grundlage der Informationsfreiheitsgesetze bleibt demnach auch nach der Rechtsänderung zum 25. Mai 2018 der Verwaltungsrechtsweg gegeben ([X.], in: [X.], Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand Juni 2018, § 32e [X.] Rn. 9; zweifelnd [X.], in: Tipke/[X.], [X.]/FGO, Stand Mai 2019, § 32e [X.] Rn. 17).

2. Eine Zuweisung an die Finanzgerichte ergibt sich auch nicht aus § 32i Abs. 2 [X.] i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO. Diese Regelung gilt allein für Klagen der betroffenen Person. Der Insolvenzverwalter ist keine betroffene Person. [X.]ei der betroffenen Person handelt es sich gemäß Art. 4 Nr. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 2016/679 um eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person. [X.]etroffen ist diejenige Person, auf die sich die personenbezogenen Daten beziehen. [X.]ei den hieraus folgenden Rechten handelt es sich stets um ein höchstpersönliches Rechtsverhältnis, hier des [X.]. Dieses wird nicht Teil der Insolvenzmasse und wird daher nicht vom Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 [X.] erfasst ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 4. Juli 2019 - 7 C 31.17 - [X.], 1698 Rn. 13; [X.], Urteil vom 20. Juni 2019 - 11 LC 121/17 - juris Rn. 53 ff.).

Soweit die [X.]eschwerde geltend macht, dass § 32i Abs. 2 [X.] neben Klagen der betroffenen Person noch eine zweite Alternative anspreche, verkennt sie, dass sich diese Alternative auf weitere Klagegegenstände bezieht. Der [X.] möglicher Kläger bleibt auf betroffene Personen beschränkt ([X.]. 18/12611 S. 92; vgl. [X.], in: [X.], Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand Juni 2018, § 32i [X.] Rn. 17). § 32i Abs. 2 [X.] dient der Umsetzung von Art. 79 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 2016/679, der seinerseits allein [X.]ezug nimmt auf Klagen der betroffenen Person (vgl. [X.], in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2018, Art. 79 Rn. 5; Moos/[X.], in: [X.]/Gabel, [X.]/[X.]DSG, 3. Aufl. 2019, Art. 79 [X.] Rn. 4 f.).

3. Der Umstand allein, dass demnach neben den Finanzgerichten auch Verwaltungsgerichte zum Teil dieselben Normen der Datenschutzgrundverordnung und der Abgabenordnung anzuwenden haben, mag als unpraktisch empfunden werden, soweit dies zu divergierender Rechtsprechung führen sollte. Hierfür sieht die Rechtsordnung mit Art. 95 Abs. 3 GG i.V.m. dem Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] i.d.F. der [X.]ekanntmachung vom 19. Juni 1968 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 144 der Verordnung vom 31. August 2015 ([X.] I S. 1474), einen Lösungsmechanismus vor. Im Übrigen obläge es dem Gesetzgeber, diesem Umstand durch eine gesetzliche Rechtswegzuweisung zu begegnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 18. Mai 2010 - 1 [X.] 1.10 - [X.]VerwGE 137, 52 Rn. 13 m.w.N.).

Der Festsetzung eines Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren bedarf es nicht, da für [X.]eschwerden der vorliegenden Art nach Nr. 5502 der Anlage 1 zum GKG eine Festgebühr von 60 € erhoben wird.

Meta

10 B 20/19

18.11.2019

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. Juni 2019, Az: 15 E 376/19, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.11.2019, Az. 10 B 20/19 (REWIS RS 2019, 1488)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1488

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15 K 194/20

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