Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 04.07.2019, Az. 7 C 31/17

7. Senat | REWIS RS 2019, 5791

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Gegenstand

Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH; Vorabentscheidungsersuchen zum Informationszugang von Insolvenzverwaltern zu steuerlichen Daten der Finanzbehörden


Leitsatz

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zum Informationszugang von Insolvenzverwaltern zu steuerlichen Daten der Finanzbehörden.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Der [X.] wird um Klärung folgender Fragen zur Auslegung der Verordnung ([X.]) 2016/679 des [X.] und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/[X.] ([X.], ABl. L 119 vom 4. Mai 2016 S. 1) im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 A[X.]V gebeten:

1. Dient Art. 23 Abs. 1 Buchst. [X.] ([X.]) 2016/679 auch dem Schutz der Interessen von Finanzbehörden?

2. Falls ja, erfasst die Formulierung "Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche" auch die Verteidigung der Finanzbehörde gegen zivilrechtliche Ansprüche und müssen diese bereits geltend gemacht sein?

3. Erlaubt die Regelung des Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung ([X.]) 2016/679 zum Schutz eines wichtigen finanziellen Interesses eines Mitgliedstaats im Steuerbereich eine Beschränkung des Auskunftsrechts nach Art. 15 der Verordnung ([X.]) 2016/679 zur Abwehr von zivilrechtlichen [X.] gegen die Finanzbehörde?

Gründe

I

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter. Er begehrt zur Prüfung von [X.] vom zuständigen Finanzamt steuerli[X.]he Auskünfte über die Insolvenzs[X.]huldnerin, eine Unternehmergesells[X.]haft.

2

Seinen unter Berufung auf das [X.] des [X.] gestellten Antrag auf Auskunft über die Androhung von Zwangsvollstre[X.]kungsmaßnahmen und die Erteilung von Vollstre[X.]kungsaufträgen, erhaltene Zahlungen, den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Zahlungsunfähigkeit der S[X.]huldnerin sowie Übersendung von Spei[X.]herkontenauszügen aller dort geführten Steuerarten für die Veranlagungszeiträume März 2014 bis Juni 2015 lehnte das Finanzamt ab.

3

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgeri[X.]ht im Wesentli[X.]hen statt. Die Berufung des beklagten [X.] hat das Oberverwaltungsgeri[X.]ht zurü[X.]kgewiesen: Der Informationsanspru[X.]h werde weder dur[X.]h berei[X.]hsspezifis[X.]he Regelungen im Steuerverfahrensre[X.]ht verdrängt no[X.]h stünden ihm Auss[X.]hlussgründe entgegen. Die begehrten Informationen unterfielen zwar in sa[X.]hli[X.]her Hinsi[X.]ht dem S[X.]hutzberei[X.]h des Steuergeheimnisses, seien aber gegenüber dem Insolvenzverwalter ebenso wenig geheimhaltungsbedürftig wie gegenüber dem Betroffenen, um dessen steuerli[X.]he Verhältnisse es gehe. Die Verfügungsbefugnis über die steuerli[X.]hen Daten sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Dieser Übergang erstre[X.]ke si[X.]h au[X.]h auf Ges[X.]häftsgeheimnisse und steuerli[X.]he Daten, soweit dies für die ordnungsgemäße Verwaltung der Insolvenzmasse und die Insolvenzabwi[X.]klung erforderli[X.]h sei. Der Insolvenzverwalter könne vom Insolvenzs[X.]huldner Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse beanspru[X.]hen. Die Mitwirkungspfli[X.]ht des Insolvenzs[X.]huldners umfasse au[X.]h die Verpfli[X.]htung, das Finanzamt vom Steuergeheimnis zu befreien; seine Geheimhaltungsinteressen müssten insoweit zurü[X.]ktreten.

4

Mit der vom Berufungsgeri[X.]ht wegen grundsätzli[X.]her Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der Klage weiter.

II

5

Das Verfahren ist auszusetzen und eine Vorabents[X.]heidung des Geri[X.]htshofs der [X.] (im Folgenden: Geri[X.]htshof) zu den im [X.] formulierten Fragen einzuholen (Art. 267 A[X.]V).

6

1. Die maßgebli[X.]hen Vors[X.]hriften des Unionsre[X.]hts finden si[X.]h in Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1, Art. 15 und Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. e, i und [X.] ([X.]) 2016/679.

7

2. Die eins[X.]hlägigen Vors[X.]hriften des nationalen Re[X.]hts sind während des Revisionsverfahrens dur[X.]h Gesetz vom 17. Juli 2017 ([X.] I S. 2541) in die Abgabenordnung ([X.]) eingefügt worden und mit Wirkung vom 25. Mai 2018 in [X.] getreten. Sie lauten:

8

§ 2a Anwendungsberei[X.]h der Vors[X.]hriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten

"(3) Die Vors[X.]hriften dieses Gesetzes und der Steuergesetze über die Verarbeitung personenbezogener Daten finden keine Anwendung, soweit das Re[X.]ht der [X.], im Besonderen die Verordnung ([X.]) 2016/679 ... in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar oder na[X.]h Absatz 5 entspre[X.]hend gilt".

"(5) Soweit ni[X.]hts anderes bestimmt ist, gelten die Vors[X.]hriften der Verordnung ([X.]) 2016/679, dieses Gesetzes und der Steuergesetze über die Verarbeitung personenbezogener Daten natürli[X.]her Personen entspre[X.]hend für Informationen, die si[X.]h beziehen auf identifizierte oder identifizierbare

1. verstorbene natürli[X.]he Personen oder

2. Körpers[X.]haften, re[X.]htsfähige oder ni[X.]ht re[X.]htsfähige Personenvereinigungen oder Vermögensmassen."

9

§ 32e Verhältnis zu anderen Auskunfts- und Informationszugangsansprü[X.]hen

"Soweit die betroffene Person oder ein Dritter na[X.]h dem [X.] vom 5. September 2005 ([X.] I S. 2722) in der jeweils geltenden Fassung oder na[X.]h entspre[X.]henden Gesetzen der Länder gegenüber der Finanzbehörde einen Anspru[X.]h auf Informationszugang hat, gelten die Artikel 12 bis 15 der Verordnung ([X.]) 2016/679 in Verbindung mit den §§ 32a bis 32d entspre[X.]hend. Weitergehende [X.] über steuerli[X.]he Daten sind insoweit ausges[X.]hlossen. § 30 Absatz 4 Nr. 2 ist insoweit ni[X.]ht anzuwenden."

§ 32b Informationspfli[X.]ht der Finanzbehörde, wenn personenbezogene Daten ni[X.]ht bei der betroffenen Person erhoben wurden

"(1) Die Pfli[X.]ht der Finanzbehörde zur Information der betroffenen Person gemäß Artikel 14 Absatz 1, 2 und 4 der Verordnung ([X.]) 2016/679 besteht ergänzend zu den in Artikel 14 Absatz 5 der Verordnung ([X.]) 2016/679 und § 31[X.] Absatz 2 genannten Ausnahmen ni[X.]ht,

1. soweit die Erteilung der Information

a) die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der Finanzbehörden oder anderer öffentli[X.]her Stellen liegenden Aufgaben im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Bu[X.]hstabe d bis h der Verordnung ([X.]) 2016/679 gefährden würde oder

b) ...

und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung zurü[X.]ktreten muss. § 32a Absatz 2 gilt entspre[X.]hend."

§ 32[X.] Auskunftsre[X.]ht der betroffenen Person

"(1) Das Re[X.]ht auf Auskunft der betroffenen Person gegenüber einer Finanzbehörde gemäß Artikel 15 der Verordnung ([X.]) 2016/679 besteht ni[X.]ht, soweit

1. die betroffene Person na[X.]h § 32b Absatz 1 oder 2 ni[X.]ht zu informieren ist,

2. die Auskunftserteilung den Re[X.]htsträger der Finanzbehörde in der Geltendma[X.]hung, Ausübung oder Verteidigung zivilre[X.]htli[X.]her Ansprü[X.]he oder in der Verteidigung gegen ihn geltend gema[X.]hter zivilre[X.]htli[X.]her Ansprü[X.]he im Sinne des Artikels 23 Absatz 1 Bu[X.]hstabe [X.] ([X.]) 2016/679 beeinträ[X.]htigen würde; Auskunftspfli[X.]hten der Finanzbehörde na[X.]h dem Zivilre[X.]ht bleiben [X.]

...".

III

Die Vorlagefragen sind ents[X.]heidungserhebli[X.]h. Von ihrer Beantwortung hängt der Erfolg der Revision des Beklagten ab. Sie bedürfen einer Klärung dur[X.]h den Geri[X.]htshof, weil sie weder dur[X.]h seine Re[X.]htspre[X.]hung geklärt no[X.]h offenkundig sind. Zu der Vorlage und den einzelnen Vorlagefragen sind folgende Erwägungen von Bedeutung:

Die Verordnung ([X.]) 2016/679 findet auf den hier zugrundeliegenden Sa[X.]hverhalt keine unmittelbare Anwendung; es geht weder um personenbezogene (steuerli[X.]he) Daten einer natürli[X.]hen Person im Sinne von Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Nr. 1 der Verordnung ([X.]) 2016/679 no[X.]h um einen datens[X.]hutzre[X.]htli[X.]hen Auskunftsanspru[X.]h der betroffenen Person na[X.]h Art. 15 der Verordnung ([X.]) 2016/679. Die datens[X.]hutzre[X.]htli[X.]he Betroffenenstellung ist ein hö[X.]hstpersönli[X.]hes Re[X.]ht, das ni[X.]ht Teil der Insolvenzmasse wird und daher ni[X.]ht vom Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter na[X.]h § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung ([X.]) erfasst wird. Allerdings hat der Geri[X.]htshof seine Zuständigkeit, um eine einheitli[X.]he Auslegung des Unionsre[X.]hts zu gewährleisten, wiederholt au[X.]h für sol[X.]he Vorabents[X.]heidungsersu[X.]hen bejaht, die Vors[X.]hriften des Unionsre[X.]hts betrafen, in denen der Sa[X.]hverhalt des Ausgangsverfahrens ni[X.]ht in den Geltungsberei[X.]h des Unionsre[X.]hts fiel, aber die genannten Vors[X.]hriften dur[X.]h das nationale Re[X.]ht aufgrund eines darin enthaltenen Verweises auf ihren Inhalt unmittelbar und unbedingt für anwendbar erklärt worden waren (vgl. [X.], Urteile vom 16. März 2006 - [X.]-3/04 [[X.]:[X.]:[X.]:2006:176], [X.] - Rn. 14 ff. und vom 18. Oktober 2012 - [X.]/10 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 45 ff.).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Mit den Ergänzungen der Abgabenordnung verfolgt der Gesetzgeber - wie si[X.]h insbesondere aus § 2a Abs. 3 und 5 [X.] ergibt - das Ziel, über den unmittelbaren Anwendungsberei[X.]h der Verordnung ([X.]) 2016/679 hinaus dem allgemeinen Grundsatz der Abgabenordnung entspre[X.]hend einheitli[X.]he verfahrensre[X.]htli[X.]he Regelungen - die regelmäßig zuglei[X.]h Regelungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten darstellen - für alle vom Steuer- und Steuerverfahrensre[X.]ht Betroffenen ungea[X.]htet ihrer Re[X.]htsform vorzusehen (vgl. [X.]. 18/12611, [X.]). Anhaltspunkte dafür, dass dieses Regelungsziel si[X.]h auf unionsre[X.]htli[X.]h determinierte Steuern bes[X.]hränkt, sind ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h. Eine na[X.]h Steuers[X.]huldnern und Steuerarten differenzierende Verarbeitung der Daten wäre im Übrigen - wie die Vertreter des für die Novellierung der Abgabenordnung federführend zuständigen [X.] in der mündli[X.]hen Verhandlung erläutert haben - au[X.]h te[X.]hnis[X.]h ni[X.]ht zu realisieren.

Zuglei[X.]h wollte der nationale Gesetzgeber dem Grunde na[X.]h bestehende Ansprü[X.]he auf Informationszugang na[X.]h den [X.]en des [X.] und der Länder diesem einheitli[X.]hen Steuerverfahrensre[X.]ht unterstellen und so die [X.]e für steuerli[X.]he Daten berei[X.]hsspezifis[X.]h verdrängen ([X.]. 12611, [X.]). Diesem Zwe[X.]k dient § 32e [X.]. Eine Auslegung dieser Vors[X.]hrift als Re[X.]htsgrundverweisung s[X.]heidet aus. Sie hätte zur Folge, dass die darin angeordnete entspre[X.]hende Anwendung der Art. 12 bis 15 der Verordnung ([X.]) 2016/679 in Verbindung mit den §§ 32a bis 32d [X.] auf [X.] mangels Betroffenenstellung stets zu einem Anspru[X.]hsauss[X.]hluss führen und folgli[X.]h ins Leere laufen würde. Ein sol[X.]hes Normverständnis liegt angesi[X.]hts des Wortlauts von § 32e Satz 1 [X.] fern. Es entspri[X.]ht na[X.]h den Erläuterungen der Vertreter des [X.] in der mündli[X.]hen Verhandlung au[X.]h ni[X.]ht der in § 32e Satz 2 und 3 [X.] zum Ausdru[X.]k kommenden Regelungsabsi[X.]ht, die [X.] - soweit sie in den [X.]en des [X.] und der Länder eröffnet werden - im Sinne einer Obergrenze auf das Maß zu begrenzen, das si[X.]h aus der Abgabenordnung ergibt.

Vor diesem Hintergrund kommt eine "gespaltene" Auslegung der Neuregelungen in der Abgabenordnung für dem Unionsre[X.]ht unterfallende Sa[X.]hverhalte einerseits und diesem ni[X.]ht unterfallende Sa[X.]hverhalte andererseits ni[X.]ht in Betra[X.]ht.

Zu Frage 1:

Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob eine Finanzbehörde den Zugang zu steuerli[X.]hen Daten der Steuers[X.]huldnerin überhaupt unter Berufung auf Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ([X.]) 2016/679 verweigern darf. Hiervon ist der nationale Gesetzgeber na[X.]h dem eindeutigen Wortlaut des § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.], der ausweisli[X.]h der Gesetzesbegründung ([X.]. 18/12611, [X.]) auf Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ([X.]) 2016/679 gestützt ist und diese Vors[X.]hrift zudem ausdrü[X.]kli[X.]h in Bezug nimmt, offenkundig ausgegangen. In den eins[X.]hlägigen Fa[X.]hkreisen wird demgegenüber teilweise die Auffassung vertreten, die Öffnungsklauseln in Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. i und [X.] ([X.]) 2016/679 seien nur für Privatre[X.]htssubjekte eins[X.]hlägig; Bu[X.]hstabe j habe insoweit im Ergebnis nur klarstellende Funktion gegenüber dem zum S[X.]hutz der Re[X.]hte und Freiheiten anderer Privater weit gefassten Bu[X.]hstaben i (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.]/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 23 [X.] Rn. 43; Bä[X.]ker, in: [X.]/[X.], [X.]/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 23 Rn. 32 f.; [X.], [X.] 2017, 2182, 2194 f.). Für diese Auffassung spri[X.]ht, dass der S[X.]hutz wi[X.]htiger öffentli[X.]her Interessen Gegenstand der Öffnungsklauseln in Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. a bis h der Verordnung ([X.]) 2016/679 ist. Wi[X.]htige finanzielle Interessen des Staates im Haushalts- und Steuerberei[X.]h können etwa auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. e der Verordnung ([X.]) 2016/679 ges[X.]hützt werden.

Zu Frage 2:

Sofern si[X.]h Finanzbehörden grundsätzli[X.]h auf Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ([X.]) 2016/679 berufen können, ist klärungsbedürftig, ob die Formulierung "Dur[X.]hsetzung zivilre[X.]htli[X.]her Ansprü[X.]he" au[X.]h die Verteidigung gegen zivilre[X.]htli[X.]he Ansprü[X.]he erfasst. Dies ist - wie wiederum sowohl dem Wortlaut als au[X.]h der Begründung zu § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] ([X.]. 18/12611, [X.]) eindeutig entnommen werden kann - na[X.]h Eins[X.]hätzung des nationalen Gesetzgebers der Fall. Dabei dient die ausdrü[X.]kli[X.]he Erwähnung von Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ([X.]) 2016/679 in § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] na[X.]h den Ausführungen der Vertreter des [X.] in der mündli[X.]hen Verhandlung im Hinbli[X.]k auf die angestrebte [X.] zur Klarstellung, dass es nur um die Verteidigung gegen zivilre[X.]htli[X.]he Ansprü[X.]he im Sinne dieser Regelung geht.

§ 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] soll si[X.]herstellen, dass die Finanzbehörden im Sinne einer glei[X.]hmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung und der Si[X.]herung des Steueraufkommens bei zivilre[X.]htli[X.]hen Forderungen ni[X.]ht besser, aber au[X.]h ni[X.]ht s[X.]hle[X.]hter gestellt werden als andere S[X.]huldner oder Gläubiger; die Auskunftspfli[X.]hten sollen si[X.]h daher allein na[X.]h dem Zivilre[X.]ht ri[X.]hten (vgl. [X.]. 18/12611, [X.]). Die Vors[X.]hrift zielt auf eine Korrektur der "insolvenzverwalterfreundli[X.]hen" Re[X.]htspre[X.]hung der Verwaltungsgeri[X.]hte zu [X.] na[X.]h den [X.]en des [X.] und der Länder (vgl. [X.], [X.] 2017, 2182, 2194; [X.], in: [X.], [X.]/FGO, Stand Juni 2018, § 32a [X.] Rn. 14). Dana[X.]h erstre[X.]kt si[X.]h die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters na[X.]h § 80 Abs. 1 [X.] au[X.]h auf vom Steuergeheimnis erfasste Informationen, die der Prüfung von [X.] na[X.]h den §§ 129 ff. [X.] gegen die Finanzbehörde dienen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 7 [X.] 3.16 - NVwZ-RR 2018, 916 Rn. 24). Als Konsequenz dieser Re[X.]htspre[X.]hung konnten die Insolvenzverwalter von den Finanzbehörden Zugang zu steuerli[X.]hen Daten der Insolvenzs[X.]huldner verlangen, dur[X.]h die sie regelmäßig erst in die Lage versetzt wurden, Insolvenzanfe[X.]htungsansprü[X.]he gegen die Finanzbehörde zu prüfen. Gegenüber anderen Gläubigern des Insolvenzs[X.]huldners ist der Insolvenzverwalter auf zivilre[X.]htli[X.]he Auskunftsansprü[X.]he bes[X.]hränkt, die § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] ausdrü[X.]kli[X.]h unberührt lässt. Die zivilre[X.]htli[X.]hen Auskunftsansprü[X.]he hängen aber na[X.]h der ständigen Re[X.]htspre[X.]hung des [X.]geri[X.]htshofs davon ab, dass ein Insolvenzanfe[X.]htungsanspru[X.]h dem Grunde na[X.]h feststeht und es nur no[X.]h um die nähere Bestimmung von Art und Umfang des Anspru[X.]hs geht. Solange ein Rü[X.]kgewährs[X.]huldverhältnis ni[X.]ht feststeht, hat si[X.]h der Insolvenzverwalter daher wegen aller benötigten Auskünfte an den Insolvenzs[X.]huldner zu halten (vgl. [X.], Urteile vom 13. August 2009 - [X.] - [X.], 1942 Rn. 7 m.w.N. und vom 14. Februar 2019 - [X.] - NJW 2019, 1289 Rn. 29). Von anderen Gläubigern kann der Insolvenzverwalter somit erst in einem deutli[X.]h späteren Verfahrensstadium Auskunft beanspru[X.]hen; die dadur[X.]h bewirkte S[X.]hle[X.]hterstellung der Finanzbehörden soll § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] künftig auss[X.]hließen.

Ob dieses Regelungsziel von Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ([X.]) 2016/679 gede[X.]kt ist, bedarf der Klärung. Die Vors[X.]hrift ermä[X.]htigt den nationalen Gesetzgeber - unter bestimmten Voraussetzungen - zum Erlass bes[X.]hränkender Regelungen zur Si[X.]herstellung der Dur[X.]hsetzung zivilre[X.]htli[X.]her Ansprü[X.]he. Na[X.]h herkömmli[X.]hem Verständnis bezieht si[X.]h der Begriff "Dur[X.]hsetzung" auf die Sphäre des Anspru[X.]hsinhabers (Gläubigers) und wird in erster Linie als Synonym für die Vollziehung oder Vollstre[X.]kung eines dem Grunde na[X.]h bereits feststehenden Anspru[X.]hs verwendet; Glei[X.]hes dürfte etwa für den Begriff "the enfor[X.]ement" in der [X.] oder "l’exé[X.]ution" in der [X.] Fassung der Verordnung ([X.]) 2016/679 gelten. Die Verteidigung gegen zivilre[X.]htli[X.]he Ansprü[X.]he lässt si[X.]h daher ni[X.]ht ohne Weiteres unter den Begriff "Dur[X.]hsetzung" subsumieren. Dies gilt umso mehr als der Verordnungsgeber in Art. 9 Abs. 2 Bu[X.]hst. f, Art. 17 Abs. 3 Bu[X.]hst. e, Art. 18 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] und Abs. 2, Art. 21 Abs. 1 Satz 2 und Art. 49 Abs. 1 Bu[X.]hst. e der Verordnung ([X.]) 2016/679 zwis[X.]hen den Begriffen "Geltendma[X.]hung", "Ausübung" oder "Verteidigung" (von Re[X.]htsansprü[X.]hen) differenziert. Dabei ist unklar, ob die Verteidigung von Re[X.]htsansprü[X.]hen au[X.]h die Verteidigung gegen sol[X.]he Ansprü[X.]he umfasst (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.]/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 17 [X.] Rn. 46; [X.], in: [X.]/[X.], [X.]/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 17 Rn. 83).

Sofern die Formulierung "Dur[X.]hsetzung zivilre[X.]htli[X.]her Ansprü[X.]he" die Verteidigung der Finanzbehörde gegen sol[X.]he Ansprü[X.]he eins[X.]hließt, stellt si[X.]h die weitere Frage, ob die Ansprü[X.]he (hier die Insolvenzanfe[X.]htungsansprü[X.]he) dem Anspru[X.]hsgegner gegenüber bereits geltend gema[X.]ht sein müssen, oder ob es ausrei[X.]ht, dass die Informationen verlangt werden, um sol[X.]he Ansprü[X.]he zu prüfen. Der spra[X.]hli[X.]h missglü[X.]kte Wortlaut des § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] stellt auf die Verteidigung des Re[X.]htsträgers der Finanzbehörde "gegen ihn geltend gema[X.]hter zivilre[X.]htli[X.]her Ansprü[X.]he ..." ab. Versteht man "geltend ma[X.]hen" als Synonym für "fordern", "behaupten", "anmelden", "beanspru[X.]hen" oder "dur[X.]hsetzen", impliziert die Formulierung "geltend gema[X.]ht", dass der Anspru[X.]hsinhaber (Gläubiger) si[X.]h gegenüber dem Anspru[X.]hsgegner (S[X.]huldner) s[X.]hon eines Anspru[X.]hs berühmt hat, dieser also jedenfalls dem Grunde na[X.]h bereits konkretisiert ist. Dagegen dürfte die bloße - mithilfe der begehrten steuerli[X.]hen Daten erst no[X.]h näher zu prüfende - Mögli[X.]hkeit, dass Insolvenzanfe[X.]htungsansprü[X.]he gegen die Finanzbehörde bestehen, ni[X.]ht ausrei[X.]hen. Wäre der Auskunftsanspru[X.]h erst na[X.]h Geltendma[X.]hung des Insolvenzanfe[X.]htungsanspru[X.]hs ausges[X.]hlossen, liefe die Norm allerdings weitgehend leer, denn der Insolvenzverwalter hätte die erforderli[X.]hen Daten s[X.]hon vorher erlangt. Der [X.] versteht § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] deshalb entspre[X.]hend seinem eindeutigen Sinn und Zwe[X.]k dahingehend, dass die Formulierung "geltend gema[X.]ht" au[X.]h "no[X.]h geltend zu ma[X.]hende" bzw. "mögli[X.]he" Ansprü[X.]he umfasst. Fragli[X.]h und klärungsbedürftig ist, ob dieses Verständnis von Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ([X.]) 2016/679 no[X.]h gede[X.]kt ist.

Zu Frage 3:

S[X.]hließli[X.]h bedarf der Klärung, ob eine nationale Regelung, na[X.]h der das Auskunftsre[X.]ht gemäß Art. 15 der Verordnung ([X.]) 2016/679 zur Abwehr mögli[X.]her Insolvenzanfe[X.]htungsansprü[X.]he gegen die Finanzbehörde bes[X.]hränkt wird, auf Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. e der Verordnung ([X.]) 2016/679 gestützt werden kann.

Na[X.]h der Vorstellung des nationalen Gesetzgebers liegt das Regelungsziel des § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.], die Finanzbehörde bei zivilre[X.]htli[X.]hen Forderungen weder besser no[X.]h s[X.]hle[X.]hter zu stellen als andere Gläubiger und S[X.]huldner, au[X.]h im Interesse der glei[X.]hmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung und der Si[X.]herung des Steueraufkommens; diese beiden Ziele stellten wi[X.]htige Ziele des allgemeinen öffentli[X.]hen Interesses im Haushalts- und Steuerberei[X.]h im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. e der Verordnung ([X.]) 2016/679 dar (vgl. [X.]. 18/12611, [X.]). Der [X.] geht angesi[X.]hts des Wortlauts von § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] und der Gesetzesbegründung zwar davon aus, dass der Gesetzgeber primär von der Öffnungsklausel in Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. [X.] ([X.]) 2016/679 Gebrau[X.]h ma[X.]hen wollte. Dafür spri[X.]ht in systematis[X.]her Hinsi[X.]ht, dass er auf die Öffnungsklauseln in Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. d bis h der Verordnung ([X.]) 2016/679 (nur) in anderen Vors[X.]hriften, etwa in § 32b Abs. 1 Nr. 1 Bu[X.]hst. a [X.], auf den § 32[X.] Abs. 1 Nr. 1 [X.] verweist, Bezug genommen hat. Ungea[X.]htet dessen kann jedenfalls ni[X.]ht zweifelsfrei ausges[X.]hlossen werden, dass § 32[X.] Abs. 1 Nr. 2 [X.] hilfsweise au[X.]h auf Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. e der Verordnung ([X.]) 2016/679 gestützt werden kann.

In der Sa[X.]he begegnet diese Annahme allerdings Bedenken. Die begehrten steuerli[X.]hen Informationen sind ni[X.]ht für die materiell-re[X.]htli[X.]hen Steueransprü[X.]he, sondern in erster Linie für die insolvenzre[X.]htli[X.]h relevanten [X.] als gegebenenfalls anfe[X.]htbare Re[X.]htshandlungen im Sinne von § 129 Abs. 1 [X.] von Interesse. Der gegen die Finanzbehörde geri[X.]htete Anspru[X.]h des Insolvenzverwalters auf Rü[X.]kgewähr insolvenzre[X.]htli[X.]h angefo[X.]htener Leistungen zählt daher ni[X.]ht zu den Ansprü[X.]hen aus dem Steuerverhältnis. Die Insolvenzanfe[X.]htung führt ledigli[X.]h zur Unwirksamkeit der die Gläubiger bena[X.]hteiligenden Re[X.]htshandlung, jedo[X.]h ni[X.]ht zur Unwirksamkeit der dieser zugrunde liegenden Verpfli[X.]htung. Vielmehr bleibt der Re[X.]htsgrund einer angefo[X.]htenen Leistung - hier die steuerli[X.]hen Ansprü[X.]he - von der Insolvenzanfe[X.]htung unberührt. Der Anfe[X.]htungsgegner muss die ihm vom Insolvenzs[X.]huldner erbra[X.]hte Leistung zurü[X.]kgewähren, behält aber seine zunä[X.]hst erfüllte, nunmehr wieder offene Forderung (§ 144 Abs. 1 [X.]), die er zur Insolvenztabelle anmelden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 7 [X.] 3.16 - NVwZ-RR 2018, 916 Rn. 12 m.w.N.). Das mit § 32[X.] Abs. 1 Nr.2 [X.] verfolgte Anliegen einer Glei[X.]hbehandlung von Finanzbehörden und sonstigen Gläubigern berührt damit zwar finanzielle Interessen des Staates, weil die Finanzbehörde die vereinnahmten Steuergelder ggf. zurü[X.]kgewähren und ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden muss. Ob das Interesse, si[X.]h vor dieser "Rü[X.]kabwi[X.]klung" zu s[X.]hützen, ein anerkennenswertes "wi[X.]htiges Ziel" im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Bu[X.]hst. e der Verordnung ([X.]) 2016/679 darstellt, ist aber zumindest fragli[X.]h, zumal ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Gewährleistung einer glei[X.]hmäßigen und gesetzmäßigen Besteuerung und der Si[X.]herung des Steueraufkommens si[X.]h jedenfalls ni[X.]ht aufdrängt. Au[X.]h der nationale Gesetzgeber hatte - wie die in § 32b Abs. 1 Satz 2 [X.] in Bezug genommene Vors[X.]hrift des § 32a Abs. 2 [X.] zeigt - insoweit vorrangig andere Fälle vor Augen.

Meta

7 C 31/17

04.07.2019

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. September 2017, Az: 15 A 29/17, Urteil

Art 1 Abs 1 EUV 2016/679, Art 4 Nr 1 EUV 2016/679, Art 15 EUV 2016/679, Art 23 Abs 1 Buchst e EUV 2016/679, Art 23 Abs 1 Buchst i EUV 2016/679, § 2a Abs 3 AO 1977, § 2a Abs 5 AO 1977, § 32b Abs 1 AO 1977, § 32c Abs 1 Nr 1 AO 1977, § 32c Abs 1 Nr 2 AO 1977, § 32e AO 1977, Art 23 Abs 1 Buchst j EUV 2016/679

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, EuGH-Vorlage vom 04.07.2019, Az. 7 C 31/17 (REWIS RS 2019, 5791)

Papier­fundstellen: WM2019,1698 REWIS RS 2019, 5791

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