Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.05.2023, Az. X ZR 67/21

10. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4748

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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats ([X.]) des [X.] vom 22. April 2021 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 2 930 066 (Streitpatents), das am 8. April 2015 unter Inanspruchnahme einer [X.] Priorität vom 9. April 2014 angemeldet wurde.

2

[X.] betrifft ein Dekorteil für einen Fahrzeuginnenraum und ein Verfahren zu dessen Herstellung. Patentanspruch 1, auf den drei weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet:

Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend einen Träger (11) mit einer durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten [X.] (12), die eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist, und einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der [X.] (12), wobei der Lackaufbau (13) wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der [X.] (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst, wobei eine der [X.] (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine im Wesentlichen glatte Oberfläche aufweist, wobei jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24) definieren und wobei die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur aufweist, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

- Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der durch den Träger (11) gebildeten oder auf dem Träger angeordneten [X.] (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines [X.]s,

- Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und anschließend im [X.] eine erste Lackschicht (14; 20) des [X.] (13) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur aufgebracht wird,

- Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei die Unterform mit einer zweiten Oberform zusammengeführt wird und anschließend eine zweite Lackschicht (15; 21) des [X.] (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebene Oberflächenstruktur aufgebracht wird.

3

Patentanspruch 5, auf den ein weiterer Anspruch zurückbezogen ist, schützt sinngemäß eine Vorrichtung zur Durchführung eines solchen Verfahrens zur Herstellung eines Dekorteils mit entsprechenden Merkmalen.

4

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in drei geänderten Fassungen verteidigt.

5

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent mit ihren erstinstanzlichen Anträgen und mit sieben weiteren Hilfsanträgen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

7

I. Das Streitpatent betrifft [X.] für Fahrzeuginnenräume.

8

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, solche Dekorteilte mit einlagigen Lackschichten zum Schutz gegen Beschädigungen und Verschmutzung oder zur Verbesserung der Optik zu versehen. Diese Lackschichten würden vorwiegend glatt auf die [X.] aufgetragen bzw. bildeten eine plane Oberfläche (Abs. 3).

9

Das Streitpatent betrifft das technische Problem, einen neuartigen Lackaufbau zur Erreichung oder Verstärkung einer dreidimensionalen optischen Tiefenwirkung zur Verfügung zu stellen (Abs. 5).

2. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1. Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils (10) für einen Fahrzeuginnenraum, umfassend

1.1 einen Träger (11)

1.2

mit einer [X.], die

1.2.a

durch den Träger (11) gebildet oder

1.2.b     

auf dem Träger angeordnet ist und

1.2.1

eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite (16) aufweist,

1.3 einen zumindest teilweise transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau (13) an der Vorderseite (16) der [X.] (12),

1.3.1     

der wenigstens zwei an der Vorderseite (16) der [X.] (12) ausgebildete, insbesondere angegossene, und übereinander angeordnete Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) umfasst.

1.3.1.1

Eine der [X.] (12) abgewandte Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) weist eine im Wesentlichen glatte Oberfläche auf.

1.3.1.2

Jeweils zwei übereinanderliegende Lackschichten (14, 15; 20, 21, 22) definieren zwischen sich eine Grenzfläche (18; 23, 24).

1.3.1.2.1

Die wenigstens eine Grenzfläche (18; 23, 24) weist in Relation zur im Wesentlichen glatten Oberfläche der Vorderseite (17) der äußersten Lackschicht (15; 22) eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur auf.

Verfahrensschritte:

2. Bereitstellen eines Rohlings umfassend den Träger (11) mit der [X.] (12) in einer zur Aufnahme des Rohlings vorgesehenen Unterform eines Lackierwerkzeugs.

3. Durchführen eines ersten Lackierschrittes, wobei

3.1       

die Unterform mit einer ersten Oberform zusammengeführt wird und

3.

anschließend im Lackierwerkzeug eine erste Lackschicht (14; 20) des [X.] (13) mit einer durch die Formfläche der ersten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird.

4. Durchführen eines zweiten Lackierschrittes, wobei

4.1      

die Unterform mit einer zweiten Oberform zusammengeführt wird und

4.2

anschließend eine zweite Lackschicht (15; 21) des [X.] (13) mit einer durch die Formfläche der zweiten Oberform vorgegebenen Oberflächenstruktur aufgebracht wird.

3. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung.

a) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergibt sich aus Merkmal 1.3, dass alle in Merkmal 1.3.1 vorgesehenen Lackschichten in einzelnen Bereichen transparent oder transluzent sein und dass diese Bereiche zumindest teilweise übereinander liegen müssen.

aa) Wie auch die Berufung nicht verkennt, lässt der Wortlaut von Merkmal 1.3 allerdings offen, welche Teile des [X.] transparent oder transluzent sein müssen.

Bei isolierter Betrachtung dieses Merkmals wären damit Ausgestaltungen umfasst, bei denen nur eine der mindestens zwei Schichten, aus denen der Lackaufbau besteht, transparente oder transluzente Teilbereiche aufweist, denn auch solche Bereiche bilden einen Teil des [X.].

bb) Auch aus der Funktion von Merkmal 1.3 ergibt sich nicht zwingend ein engeres Verständnis.

Merkmal 1.3 dient der Verwirklichung der bereits erwähnten Aufgabenstellung, eine dreidimensionale Tiefenwirkung zu erzielen oder zu verstärken (Abs. 5 und 8).

Als weiteres Mittel zur Erreichung dieses Ziels führt die Beschreibung unter anderem die in Merkmal 1.3.1.2.1 vorgesehene dreidimensionale Ausgestaltung der Grenzfläche zwischen zwei Schichten an (Abs. 15 ff.).

Bei einer solchen Ausgestaltung können dreidimensionale Tiefeneffekte schon dadurch erzielt werden, dass die oberhalb der Grenzfläche liegende Schicht zumindest teilweise transparent oder transluzent ist und so einen Blick auf die Grenzfläche ermöglicht. Dies gilt auch dann, wenn die unterhalb der Grenzfläche liegende Schicht weder transparent noch transluzent ist.

cc) Ein engeres Verständnis ergibt sich jedoch aus Merkmal 1.2.1, wonach die [X.] eine als Sichtseite des Dekorteils ausgebildete Vorderseite aufweisen muss.

Diese [X.] kann nach den Merkmalen 1.2.a und 1.2.b wahlweise durch den Träger selbst gebildet oder auf diesem angeordnet sein. Auch im zuletzt genannten Fall bildet sie eine vom Lackaufbau zu unterscheidende Schicht, die zum Beispiel aus einem Holzfurnier, einer Kunststoff- oder Metallfolie oder einer Farbschicht bestehen kann (Abs. 23). Auch für solche Ausgestaltungen gilt die in Merkmal 1.2.1 definierte Vorgabe, dass die [X.] als Sichtseite des Dekorteils ausgebildet ist.

Entgegen der Auffassung der [X.] enthält der Begriff "Sichtseite" nicht nur eine nähere Konkretisierung des im gleichen Zusammenhang verwendeten Begriffs "Vorderseite". Aus der Anforderung, dass die Vorderseite als Sichtseite ausgebildet sein muss, ergibt sich vielmehr, dass der zuletzt genannte Begriff nicht zur räumlichen Abgrenzung dient, sondern eine zusätzliche Funktion der Vorderseite der [X.] (12) beschreibt.

Dem ist zu entnehmen, dass die Vorderseite der [X.] auch in fertigem Zustand des Trägers zumindest teilweise sichtbar sein muss. Hierzu muss der an der [X.] angeordnete Lackaufbau zumindest in einzelnen Teilbereichen durchgehend - also durch alle Lackschichten hindurch - transparent oder transluzent sein.

b) Aus denselben Gründen ergibt sich, dass der Lackaufbau - ebenfalls abweichend von der Auffassung des Patentgerichts - nur dann transparent oder transluzent ist, wenn er für sichtbares Licht durchlässig ist.

aa) Die Begriffe "transparent" und "transluzent" werden in der Streitpatentschrift zwar nicht ausdrücklich definiert. Aus der Anforderung, dass die darunter liegende Vorderseite des Dekorteils als Sichtseite ausgebildet ist, ergibt sich aber, dass diese auch ohne Hilfsmittel für das menschliche Auge wahrnehmbar ist.

Hierzu muss der Lackaufbau zumindest in Teilbereichen sichtbares Licht durchlassen.

bb) Die Ausführungen in der Beschreibung, wonach die Erfindung vielfältige optische 3D-Effekte und/oder holographische Effekte ermöglicht (Abs. 8), führen entgegen der Auffassung der [X.] nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Dabei kann zugunsten der [X.] unterstellt werden, dass 3D-Effekte auch unter ausschließlichem Einsatz von UV-Licht erzeugt werden können - etwa dadurch, dass solches Licht in eine als Lichtleiter ausgebildete Lackschicht eingebracht wird, wie dies die Beschreibung als Möglichkeit vorsieht (Abs. 14).

Auch bei solchen Ausgestaltungen muss zumindest ein Teil der Vorderseite des Dekorteils als Sichtseite ausgebildet, also für das menschliche Auge sichtbar sein. Eine mittelbare Wahrnehmung aufgrund der Reflexion, Brechung oder Streuung von ultraviolettem oder infrarotem Licht reicht hierfür nicht aus.

c) Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass die nach Merkmal 3.2 erzeugte Oberflächenstruktur nicht zwingend identisch sein muss mit der dreidimensionalen Struktur der Grenzfläche im Sinne von Merkmal 1.3.1.2.1.

Die in Merkmal 3.2 vorgegebene Erzeugung einer Oberflächenstruktur auf der ersten Lackschicht durch korrespondierende Ausgestaltung der ersten Oberform eröffnet zwar die Möglichkeit, bereits in diesem Verfahrensschritt die dreidimensionale Struktur zu schaffen, die gemäß Merkmal 1.3.1.2.1 an der Grenzfläche zwischen zwei Lackschichten vorhanden sein muss. Patentanspruch 1 schreibt die Ausgestaltung der dreidimensionalen Struktur in dieser Weise aber nicht zwingend vor. In Einklang damit führt die Beschreibung aus, die dreidimensionale Struktur an der Grenzfläche könne insbesondere durch in die jeweils inneren Lackschichten geprägte Strukturen oder durch auf die jeweils inneren Lackschichten aufgesetzte Elemente ausgebildet werden (Abs. 9).

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei durch die [X.] Patentanmeldung 2012/0043702 ([X.]) vorweggenommen. [X.] offenbare ein Verfahren zum Herstellen eines Dekorteils mittels einer Spritzgießmaschine. Die Eignung zur Verwendung in einem Fahrzeuginnenraum sei zwar nicht erwähnt. Aus dieser Zweckangabe ließen sich jedoch keine verfahrenstechnischen Besonderheiten ableiten. Bei dem in [X.] offenbarten Verfahren werde der in einer Spritzgießmaschine hergestellte und in einer Unterform aufgenommene Rohling in einem ersten Lackierschritt grundiert. In einem zweiten Lackierschritt werde eine transparente Deckschicht aufgebracht. Als erste Lackschicht werde eine transparente Lackschicht (90) offenbart. Diese Lackschicht müsse jedenfalls transluzent sein, da der Lackauftrag mittels UV-Licht getrocknet werde. Eine dreidimensionale Struktur könne optional durch Lasergravieren aufgebracht werden.

Ausgehend von [X.] seien dem Fachmann, einem Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik oder einem Absolventen des Hochschul-Studiengangs Industrie- und Produktdesign, der über mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von [X.] für Kraftfahrzeuge verfüge und bei Bedarf einen erfahrenen Ingenieur der Fertigungstechnik hinzuziehe, die mit den [X.] 1 und 2 verteidigten Gegenstände nahegelegt gewesen. Die beanspruchte besondere Formgestaltung der Grenzfläche zur Erreichung oder Verstärkung der optischen Tiefenwirkung sei aus dem Stand der Technik geläufig, speziell für den Automobilbereich etwa aus der [X.] [X.] 10 2010 031 814 ([X.]). Es habe Anlass bestanden, das in [X.] offenbarte zeit- und kostenaufwendige Verfahren des [X.] zu verbessern.

Der mit Hilfsantrag 3 verteidigte Gegenstand sei ebenfalls nicht patentfähig. Das Aufsetzen von Elementen auf die erste Lackschicht während des ersten Lackierschritts sei in [X.] offenbart. Gemäß Figur 6 und den darauf bezogenen Ausführungen in der Beschreibung könne ein Firmenlogo (70) auf die erste Lackschicht im Siebdruckverfahren aufgebracht werden, wobei das Logo ausweislich Figur 10 eine dreidimensionale Struktur aufweise.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.

1. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist durch [X.] jedenfalls nahegelegt.

a) [X.] betrifft ein Verfahren zum Beschichten oder Bedrucken eines durch Spritzgießen hergestellten Werkstücks.

Die Beschreibung von [X.] führt aus, durch Spritzgießen hergestellte Produkte würden aus ästhetischen Gründen oder zum Kennzeichnen von Funktionen häufig mit verschiedenen Farben gestaltet, zum Beispiel mit Firmenlogos, Mustern oder anderen Bezeichnungen. Die hierfür eingesetzten Verfahren erforderten mehrere aufeinander folgende Bearbeitungsprozeduren und nähmen viel Zeit in Anspruch (Abs. 4).

Zur Verbesserung schlägt [X.] eine drehbare Arbeitsplattform mit einer Patrize und mehreren Matrizen vor (Abs. 8).

In einem ersten Arbeitsbereich wird das Werkstück (40) durch Spritzgießen hergestellt (Abs. 9 und 32).

In einem zweiten Arbeitsbereich wird mit Hilfe einer anderen Matrize eine [X.] (60) eingespritzt und durch [X.] mit UV-Licht getrocknet (Abs. 11 f. und 34 f.).

In einem dritten Arbeitsbereich wird die Oberfläche mit einer andersfarbigen Farbschicht (70) versehen (Abs. 14). Dies kann durch Tampondruck, Siebdruck, Sprühdruck, Trocknen, Einspritzen von UV-Lack, [X.] mit einer UV-Härtungslampe oder Lasergravieren erfolgen. Die Farbe dieser Schicht (70) unterscheidet sich von derjenigen der Grundierung oder des Werkstücks (Abs. 37). Die genannten Techniken können unabhängig voneinander oder in Kombination miteinander angewendet werden. Die hierfür geeigneten Werkzeuge sind auf der Arbeitsplattform angeordnet. Für Tampondruck, Siebdruck und Sprühdruck stehen eine Heißtransferdruckmaschine, eine Punktdruckvorrichtung bzw. ein Sprüher zur Verfügung, mit denen die Druckmuster aufgebracht werden können. Zum Einspritzen von UV-Lack kommt auch in diesem Arbeitsschritt eine hierfür geeignete Matrize zum Einsatz. Zum Lasergravieren wird ein Laserkopf eingesetzt, mit dem tiefengesteuerte Muster, die wie eingebrannt wirken, direkt auf das massive Werkstück graviert werden können (Abs. 42).

In einem vierten Arbeitsbereich wird ein UV-Decklack (90) eingespritzt, der durch [X.] mit UV-Licht getrocknet wird (Abs. 16 f. und 39 f.). Diese Deckschicht (90) ist transparent (Abs. 39).

b) Zu den damit offenbarten Herstellungsverfahren gehört die Kombination einer lasergravierten Grundierung mit einer transparenten Deckschicht, die beide aus UV-Lack bestehen.

Mit diesem Verfahren wird ein Werkstück mit zwei Lackschichten hergestellt, deren Grenzfläche aufgrund des [X.] zumindest abschnittsweise dreidimensionale Strukturen aufweist. Damit sind neben den Merkmalen 1, 1.1 und 2 sowie den [X.] und 4 auch die Merkmale der Merkmalsgruppe 1.3.1 offenbart.

Entgegen der Auffassung der Berufung steht dem nicht entgegen, dass Lasergravieren auch das Erzeugen von farblich abgehobenen Strukturen ermöglicht, die keine Vertiefungen aufweisen. Wie auch die Berufung nicht in Zweifel gezogen hat, kann eine Lasergravur jedenfalls auch in der Weise erfolgen, dass sich Vertiefungen und damit dreidimensionale Strukturen bilden. Auch eine solche Vorgehensweise ist vom [X.] der [X.] umfasst. Dort steht zwar eine von der darunter liegenden Schicht abweichende Farbgebung im Vordergrund. Aus der Aufzählung der dafür als geeignet bezeichneten Verfahren ergibt sich aber hinreichend deutlich, dass auch die optische Hervorhebung durch [X.] Lasergravieren als andere Farbe in diesem Sinne zu verstehen ist.

c) Eine solche Kombination verwirklicht zusätzlich die Merkmale 1.2, 1.2.a, 1.2.1 und 1.3, sofern auch die Grundierung transparent ist.

Ob auch eine solche Ausgestaltung in [X.] unmittelbar und eindeutig offenbart ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Sie ist aufgrund der in [X.] enthaltenen Ausführungen zur farblichen Ausgestaltung jedenfalls nahegelegt.

Wie die [X.] zu Recht ausführt, deuten die Ausführungen, wonach die Farbschicht (70) eine andere Farbe aufweist als die Grundierung (60) oder das Werkstück (40), darauf hin, dass auch die Farbe des Werkstücks als Gestaltungselement eingesetzt werden kann. Hierfür sprechen ergänzend die Ausführungen zum Stand der Technik, wonach es unter anderem um das Aufbringen von Schriftzügen, Firmenlogos oder sonstigen Mustern geht. [X.] will daran nichts ändern, sondern strebt nur an, für das Aufbringen solcher Muster ein Verfahren zu finden, das sich für die Massenproduktion besser eignet.

Ausgehend von dieser Zielsetzung lag es jedenfalls nahe, auch die Grundfarbe des Werkstücks als Gestaltungselement - und damit als Sichtseite im Sinne von Merkmal 1.2.1 - einzusetzen, indem die Grundierung ebenfalls transparent ausgestaltet wird. Dass dies mit besonderen Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Aus dem Hinweis, dass die Deckschicht aus UV-Lack transparent ist, und dem Umstand, dass die Grundierung ebenfalls aus UV-Lack besteht, ergab sich zudem ein naheliegender Weg, um beide Schichten transparent auszugestalten.

Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob sich die in [X.] enthaltenen Ausführungen zu einer von der Farbe des Werkstücks abweichenden Farbe des aufgebrachten Musters nur auf den in [X.] optional vorgesehenen Fall beziehen, dass keine Grundierung aufgebracht wird. Selbst wenn diese Frage zugunsten der Berufung bejaht wird, ist eine abweichende Gestaltung aus den genannten Gründen als naheliegend anzusehen.

2. Der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.

a) Nach Hilfsantrag 1 soll Patentanspruch 1 im Wesentlichen wie folgt geändert werden:

- Der Lackaufbau besteht aus zwei Lackschichten, nämlich einer inneren Schicht (14) und einer äußeren Schicht (15).

- Die Oberflächenstruktur beider Lackschichten wird im Wesentlichen durch die Oberfläche der zum Lackieren eingesetzten Oberform bestimmt.

- Die Formfläche der Oberform für den zweiten Lackierschritt ist im Wesentlichen glatt; diejenige der Oberform für den ersten Lackierabschnitt weist hingegen zumindest abschnittsweise eine dreidimensionale Struktur auf.

Anders als nach der erteilten Fassung ist mithin zwingend vorgeschrieben, dass die erste Lackschicht schon durch die beim Aufbringen eingesetzte Oberform eine Oberfläche mit dreidimensionalen Strukturen erhält. Dies ermöglicht es, die in Merkmal 1.3.1.2.1 vorgesehene Grenzfläche ohne weitere Bearbeitung der ersten Oberfläche durch bloßes Aufbringen der zweiten Lackschicht zu erzeugen. Auch nach Hilfsantrag 1 ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Oberfläche der ersten Lackschicht vor dem Aufbringen der zweiten durch zusätzliche Maßnahmen in ihrer Struktur verändert wird.

b) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass die Aufbringung einer dreidimensionalen Struktur durch korrespondierende Ausgestaltung der Oberform ausgehend von [X.] naheliegend war.

Nach den Ausführungen in [X.] kann die Aufbringung eines Musters auf die Grundierung aus UV-Lack auf unterschiedliche Weisen erfolgen. [X.] führt insoweit bereits eine Vielzahl von Möglichkeiten an, lässt aber erkennen, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist. Daraus ergab sich Anlass, nach weiteren Alternativen zu suchen - insbesondere auch unter dem in [X.] hervorgehobenen Aspekt, ein für die Massenfertigung günstiges Verfahren zu finden.

Ausgehend davon bestand Anlass, auf das nach den Feststellungen des Patentgerichts beispielhaft in [X.] dokumentierte Fachwissen zurückzugreifen, wonach vorteilhafte optische Effekte durch dreidimensionale Oberflächenstrukturen auch durch korrespondierende Ausgestaltung der beim Spritzgießen eingesetzten Form erzielt werden können, etwa dadurch, dass eine Negativform der angestrebten Struktur durch Lasern, Ätzen, Fräsen oder Elektroerosion in die Innenseite des Formwerkzeugs eingebracht wird ([X.] Abs. 9). Das Aufgreifen dieses Gedankens lag insbesondere deshalb nahe, weil [X.] das Lasergravieren als eine in Frage kommende Möglichkeit benennt.

Entgegen der Auffassung der Berufung hat dies nicht zur Folge, dass der in [X.] vorgesehene Schritt, auf die Grundierung eine Schicht mit anderer Farbe aufzubringen, entfällt. Nach den Ausführungen in [X.] kann dieser Schritt auch dadurch erfolgen, dass durch Lasergravur die Oberfläche der Grundierung in einzelnen Bereichen so verändert wird, dass sie sich von den anderen Bereichen abhebt. [X.] sieht mithin nicht zwingend vor, eine zusätzliche Schicht aufzubringen. Der Übergang von einem Lasergravieren der Grundierungsschicht zu einer korrespondierenden Ausgestaltung der zum Erstellen der Grundierungsschicht eingesetzten Oberform stellt angesichts dessen lediglich eine weitere Möglichkeit dar, das in [X.] angestrebte Ergebnis zu erzielen.

3. Für den mit Hilfsantrag 2 verteidigten Gegenstand gilt nichts anderes.

a) Hilfsantrag 2 sieht ergänzend zu Hilfsantrag 1 im Wesentlichen folgende zusätzlichen Merkmale vor:

- Die Lackschichten grenzen an der Grenzfläche direkt aneinander.

- Die Formfläche der ersten Oberform gibt durch die Vorgabe der Oberflächenstruktur der ersten Lackschicht (14) die Struktur der Grenzfläche (18) zwischen erster Lackschicht (14) und zweiter Lackschicht (15) vor.

Damit ist zwingend vorgegeben, dass die dreidimensionale Struktur der Grenzfläche ausschließlich durch die zum Aufbringen der ersten Lackschicht eingesetzte Oberform bestimmt wird.

b) Diese Einschränkung unterliegt keiner abweichenden Beurteilung.

Wie bereits im Zusammenhang mit Hilfsantrag 1 aufgezeigt wurde, lag es ausgehend von [X.] nahe, dreidimensionale Strukturen auf der Oberfläche der Grundierungsschicht durch korrespondierende Ausgestaltung des zur Herstellung dieser Schicht eingesetzten Formwerkzeugs zu erzeugen.

Dass die optisch voneinander abgehobenen Bereiche beim alleinigen Einsatz der in [X.] offenbarten Vorgehensweise dieselbe Grundfarbe aufweisen und sich nur durch andere Lichteffekte wie etwa den Glanz voneinander unterscheiden, stellt entgegen der Auffassung der Berufung keine grundlegende Abkehr von der offenbarten Vorgehensweise dar. Wie bereits aufgezeigt wurde, ergibt sich aus der Vielzahl der in [X.] als geeignet aufgeführten Methoden, dass die Anforderung einer abweichenden Farbgestaltung in weitem Sinne zu verstehen ist. Daraus ergab sich zumindest die Anregung, auch solche Gestaltungen in Betracht zu ziehen, bei denen sich die Unterschiede auf einzelne Nuancen beschränken.

4. Die Hilfsanträge 0a, 1a und 2a sowie die Hilfsanträge 0b, 1b und 2b unterliegen ebenfalls keiner abweichenden Beurteilung.

a) Nach den [X.] 0a, 1a und 2a sollen die mit entsprechender Nummerierung versehenen Anträge dahin modifiziert werden, dass in Merkmal 1.3 vor den Wörtern "transparenten und/oder transluzenten Lackaufbau" die Wörter "zumindest teilweise" entfallen.

Diese Änderung vermag nicht zur Bejahung der Rechtsbeständigkeit zu führen, weil ausgehend von [X.] auch Ausgestaltungen mit durchgehend transparenter Grundierungs- und Deckschicht nahelagen.

b) Nach den [X.] 0b, 1b und 2b sollen die mit entsprechender Nummerierung versehenen Anträge dahin modifiziert werden, dass in Merkmal 1.3.1.2.1 die Vorgabe "eine zumindest abschnittsweise dreidimensionale Struktur" ersetzt wird durch "über ihre gesamte Fläche eine dreidimensionale, im Querschnitt wellenartige Struktur".

Wie die Berufungsbegründung zu Recht geltend macht, ist damit im Vergleich zu [X.] allenfalls eine ästhetische Abweichung beansprucht, nicht aber ein abweichender technischer Effekt.

[X.] sieht die Aufbringung beliebiger Muster vor. Eine sich über die gesamte Fläche erstreckende wellenartige Struktur hebt sich davon allenfalls durch ihre besondere ästhetische Gestaltung ab.

5. Der mit Hilfsantrag 2c verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.

a) Nach Hilfsantrag 2c soll Hilfsantrag 2 dahin modifiziert werden, dass bei beiden Lackierschritten [X.] durch ein Gießverfahren aufgebracht wird.

b) Diese Einschränkung vermag schon deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen, weil auch Spritzgießen ein Gießverfahren ist und [X.] sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der [X.] ausgehend von [X.] als besonders vorteilhaftes Material anbot.

Dem von der Berufung in den Vordergrund gestellten Unterschied zum Spritzgießen mit thermoplastischen Materialien kommt im Zusammenhang mit [X.] demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil [X.] sowohl für die Grundierung als auch für die Deckschicht ein Material vorschlägt, das durch besondere Maßnahmen ausgehärtet werden muss.

6. Der mit Hilfsantrag 3 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.

a) Nach Hilfsantrag 3 soll die erteilte Fassung von Patentanspruch 2 um folgendes Merkmal ergänzt werden:

5. Zwischen der Durchführung des ersten Lackschritts und der Durchführung des zweiten Lackschritts werden Elemente, insbesondere Symbole, aufgesetzt.

b) Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass Merkmal 5 nicht vorgibt, welche Beschaffenheit die aufgesetzten Elemente haben. Dies lässt insbesondere die Möglichkeit offen, solche Elemente im Wege des Siebdrucks aufzutragen.

Die von der Berufung vertretene Auffassung, Merkmal 5 erfordere das Aufbringen fester Symbole, findet weder im Wortlaut dieses Merkmals noch im sonstigen Inhalt der Patentschrift eine Stütze.

c) Vor diesem Hintergrund ist das Patentgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass Merkmal 5 schon durch die Erwähnung des Siebdrucks in [X.] nahegelegen hat.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

  

Hoffmann     

  

Kober-Dehm

  

Rombach     

  

Rensen     

  

Meta

X ZR 67/21

09.05.2023

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 22. April 2021, Az: 1 Ni 14/19 (EP), Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.05.2023, Az. X ZR 67/21 (REWIS RS 2023, 4748)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4748


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 Ni 14/19 (EP)

Bundespatentgericht, 1 Ni 14/19 (EP), 22.04.2021.


Az. X ZR 67/21

Bundesgerichtshof, X ZR 67/21, 09.05.2023.


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