Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.04.2015, Az. IV B 115/13

4. Senat | REWIS RS 2015, 12756

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Gegenstand

Dauerhafte Sicherung gerichtlicher Internetrecherchen - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als absoluter Revisionsgrund


Leitsatz

1. NV: Eigene Internetrecherchen des Gerichts werden nur dann zum Inhalt der finanzgerichtlichen Akte, wenn sie dauerhaft gesichert werden, insbesondere durch Ausdruck. Lediglich ein Verweis in einer gerichtlichen Entscheidung auf eine Webseite im Internet ersetzt die erforderliche dauerhafte Sicherung nicht .

2. NV: Eine Gehörsverletzung stellt nur dann einen absoluten Revisionsgrund dar, wenn die Verletzung des rechtlichen Gehörs sich auf das Gesamtergebnis des Verfahrens bezieht und nicht nur einzelne Feststellungen bzw. rechtliche Gesichtspunkte betrifft .

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 24. September 2013  12 [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist zum Teil unzulässig, zum Teil unbegründet, so dass sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist.

2

1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision zum Teil bereits nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) dargelegt. Im Übrigen scheitert die Zulassung der Revision wegen der erhobenen [X.] jedenfalls daran, dass sich die gerügten Fehler nicht auf das Ergebnis der angegriffenen Entscheidung auswirken können.

3

a) Die Zulassung der Revision wegen eines [X.] setzt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Daran fehlt es, wenn das Finanzgericht ([X.]) sein Urteil nicht nur auf die Begründung gestützt hat, die der Rechtsmittelführer für [X.] hält, sondern darüber hinaus eine selbständig tragende Begründung gegeben hat, zu der weder ein Verfahrensmangel noch ein anderer Revisionszulassungsgrund vorgetragen wird (vgl. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 30. August 2013 X B 28, 29/13, [X.], 1800, und vom 20. September 2013 III B 129/12, [X.], 163; ständige Rechtsprechung). Ausführungen zu einer möglichen Ursächlichkeit des Mangels der [X.] sind dann entbehrlich, wenn es sich um die Rüge eines absoluten Revisionsgrundes i.S. des § 119 [X.]O handelt (vgl. [X.] in [X.], 163).

4

b) Im Streitfall haben die Kläger im Hinblick auf die Begründung des [X.], wonach die Vermietung des geleasten [X.] mangels Nachhaltigkeit der Tätigkeit den Bereich der privaten Vermögensverwaltung nicht verlassen habe und die Annahme eines Gewerbebetriebs schon deshalb ausscheide, keinen Zulassungsgrund geltend gemacht. Das mit der Klage vor dem [X.] verfolgte Ziel, gewerbliche Verluste feststellen zu lassen, kann so nicht erreicht werden. Das Gleiche gilt mit Blick auf die Begründung der Entscheidung des [X.], dass keine positive Totalgewinnprognose für die [X.] gegeben sei.

5

Die Beschwerde rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs, der Pflicht zur Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens, der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung und der Beteiligtenöffentlichkeit, da das [X.] auf Vortrag der Kläger nicht eingegangen sei, mit dem eine Fehlmaßnahme bei Anschaffung des geleasten Oldtimers sowie die fehlende private Nutzung dieses Fahrzeugs geltend gemacht worden sei und indem das [X.] Fundstellen aus Recherchen im [X.] bei seinem Urteil verwertet habe, ohne dass die Kläger hinreichende Möglichkeit gehabt hätten, hierzu Stellung zu nehmen und ohne dass diese Rechercheergebnisse Teil der Akte geworden wären.

6

Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, weshalb die für die Annahme der geltend gemachten Einkünfteerzielungsabsicht erforderliche Totalgewinnprognose positiv gewesen sein soll. Das [X.] hat in seiner Urteilsbegründung dargelegt, dass die von den Klägern vorgelegten Berechnungen keine Annahme eines Totalgewinns für die Oldtimervermietung erkennen ließen, so dass es aus der Sicht des [X.] bereits an der schlüssigen Darlegung eines objektiv erzielbaren Totalgewinns fehlt. Mit der ausführlichen Begründung des [X.] setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

7

Die Entscheidung des [X.] kann schließlich nicht auf geltend gemachten Verfahrensmängeln beruhen, die die Feststellung des [X.] tragen, die Kläger hätten deshalb persönliche Gründe für die defizitäre [X.] gehabt, weil sie das hierfür geleaste Fahrzeug bei einer [X.] selbst benutzt hätten. Denn bereits der Besitz des im Jahr … gebauten [X.] durch die Kläger auf Grundlage eines Leasing-Vertrages begründet angesichts des verbreiteten [X.] und [X.] an solchen Fahrzeugen einen persönlichen Grund für die Inkaufnahme daraus resultierender Verluste. In Zusammenschau mit der nicht angegriffenen Entscheidung über die fehlende positive Totalgewinnprognose trägt bereits dies die Entscheidung des [X.], die auf Feststellung von Verlusten gerichtete Klage mangels Gewinnerzielungsabsicht abzuweisen.

8

c) Die von den Klägern erhobene Rüge, das [X.] habe einen Verfahrensfehler begangen, als es entgegen der Pflicht aus § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen habe, indem es seinen Feststellungen einen Sachverhalt zugrunde gelegt habe, der nicht hätte berücksichtigt werden dürfen, bezieht sich darauf, dass das [X.] eigene [X.]-Recherchen zur Urteilsbegründung herangezogen hat, zu denen den Klägern nur eingeschränkt rechtliches Gehör gewährt worden sei und die sich auch nicht bei den Akten des [X.] befinden.

9

Bei den nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]O von dem Gericht zu berücksichtigenden Tatsachen handelt es sich um Schriftsätze der Beteiligten, ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung und in einem etwaigen Erörterungstermin, ihr Verhalten, die den Streitfall betreffenden Steuerakten, beigezogene Akten eines anderen Verfahrens, vom Gericht eingeholte Auskünfte, Urkunden, andere Gegenstände und bewegliche Sachen und die aufgrund einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme gewonnenen Beweisergebnisse [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 96 [X.]O Rz 22; [X.] in [X.], [X.]O, § 96 Rz 6; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 [X.]O Rz 9; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 96 [X.]O Rz 11, jeweils m.w.[X.]). Auch offenkundige und gerichtsbekannte Tatsachen sind zu berücksichtigen [X.] in [X.], § 96 [X.]O, Rz 23 ff.; [X.] in [X.], [X.]O, § 96 Rz 6).

In dem angefochtenen Urteil verweist das [X.] wegen der Herkunft verschiedener tatsächlicher Feststellungen auf [X.]-Recherchen, die es selbst vorgenommen hat. Ausdrucke dieser Recherchen befinden sich jedoch nicht in den vorgelegten Akten des [X.]. Das [X.] gibt in seinen Entscheidungsgründen lediglich Webseiten des [X.] an, um die Herkunft der angenommenen Tatsachen zu erläutern; zum Teil wird auch auf die Angabe der Webseite verzichtet.

Ein Verweis auf Webseiten des [X.] führt jedoch nicht dazu, dass deren Inhalt zum Inhalt der Gerichtsakte werden könnte. Hierzu hätte es einer dauerhaften Sicherung des jeweils in Bezug genommenen Inhalts der betroffenen Webseite bedurft, insbesondere durch ihren Ausdruck (vgl. [X.] vom 20. Juli 2006 I B 165/05, [X.] 2007, 52, unter II.3.). Angesichts des steten Wandels des Informationsangebots des [X.] kann eine Verweisung auf eine Webseite grundsätzlich nicht die erforderliche Gewähr dafür bieten, dass eine dort durch das [X.] abgerufene Datei auch noch später diesen Inhalt hat (vgl. auch Beschluss des [X.] vom 28. August 2003 I ZB 26/01, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2004, 77, unter [X.] bb).

Es kann offen bleiben, ob der fehlende Ausdruck der Webseite und ihre Beifügung zur Gerichtsakte dadurch geheilt wurde, dass das [X.] den Inhalt der auf der Webseite enthaltenen Namen der Kläger auf der Zieleinfahrtsliste einer [X.] in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung wörtlich festgehalten und ihn so zum Aktenbestandteil gemacht hat. Denn nach dem oben Ausgeführten ist die eigenhändige Benutzung des [X.] durch die Kläger nicht erforderlich, um persönliche Gründe für die Inkaufnahme eines Verlustes aus dem Leasing eines [X.] anzunehmen.

d) Die fehlende Kausalität der erhobenen Verfahrensrügen ist auch nicht deshalb unerheblich, weil ein absoluter Revisionsgrund nach § 119 Nr. 3 [X.]O gegeben wäre und damit eine Kausalitätsvermutung greifen könnte. Denn die unwiderlegliche Vermutung der Ursächlichkeit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs für die getroffene Entscheidung nach § 119 Nr. 3 [X.]O gilt nur, wenn sich der Gehörsverstoß --wie z.B. bei rechtswidriger Ablehnung eines [X.] auf das Gesamtergebnis des Verfahrens bezieht (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 3. September 2001 GrS 3/98, [X.]E 196, 39, [X.] 2001, 802). Sie gilt hingegen nicht, wenn der gerügte Verstoß nur einzelne Feststellungen bzw. rechtliche Gesichtspunkte betrifft (vgl. [X.]-Urteil vom 9. April 2008 I R 43/07, [X.] 2008, 1848; [X.] vom 25. Juni 2014 VII B 183/13, [X.], 1905). Im Streitfall betreffen die [X.] der Kläger nur einzelne Feststellungen.

2. Von einer weiteren Darstellung der Gründe und des Tatbestands wird nach § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O abgesehen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IV B 115/13

14.04.2015

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 24. September 2013, Az: 12 K 911/13, Urteil

§ 96 Abs 1 S 1 Halbs 1 FGO, § 119 Nr 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 81 FGO, § 96 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.04.2015, Az. IV B 115/13 (REWIS RS 2015, 12756)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12756

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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