Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.05.2013, Az. VII B 146/12

7. Senat | REWIS RS 2013, 5976

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Gegenstand

Vorliegen eines Verfahrensfehlers bei Verwertung fremdsprachiger Internet-Auszüge - Keine Revisionszulassung wegen Fehlern bei der Anwendung des materiellen Rechts - Keine Klärungsbedürftigkeit wegen divergierender Behördenentscheidungen


Leitsatz

1. NV: Die Verwertung einer fremdsprachigen Internetseite kann nur dann zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels führen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Auslegung seitens des FG durch Übersetzungsfehler beeinflusst ist .

2. NV: Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen die Zulassung der Revision auch dann nicht, wenn sich die vom FG vermeintlich falsch beantwortete Rechtsfrage in einer größeren Anzahl vergleichbarer Fälle ebenfalls stellen kann .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) führte im Jahr 2008 ein Kraftfahrzeug des Typs [X.] des [X.] in die [X.] ([X.]) ein. In seiner Zollanmeldung bezeichnete er das Fahrzeug als Sammlungsstück mit geschichtlichem Wert und beantragte die Einreihung in die [X.]. 9705 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]). Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --[X.]--) setzte die Einfuhrabgaben zunächst antragsgemäß, aber wegen Zweifeln an der Einreihung des Fahrzeugs als Sammlungsstück nicht abschließend fest. In einem 2009 erstellten Gutachten reihte das Bildungs- und Wissenschaftszentrum der [X.] das Fahrzeug --aufgrund der Angaben des [X.] Verkäufers auf dessen englischsprachiger Homepage im [X.] über die von ihm an dem Wagen vorgenommenen [X.] als gebrauchten Lastkraftwagen in die [X.]. 8704 [X.] ein. Daraufhin erließ das [X.] den streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheid.

2

Einspruch und Klage, die der Kläger unter anderem damit begründet hat, der nachträgliche Austausch des ursprünglichen 216 ci-Motorblocks gegen einen originalen 235 [X.] sei für die Klassifizierung des Fahrzeugs als Sammlungsstück unschädlich, da dadurch jedenfalls keine wesentliche Änderung gegenüber dem Originalzustand eingetreten sei, blieben erfolglos. Das Finanzgericht ([X.]) legte seiner Entscheidung die [X.]-Berichte des [X.] Vorbesitzers über den Einbau des 235 ci-Motorblocks zugrunde, die der Kläger im Verlauf des [X.] und des beginnenden Klageverfahrens nicht angezweifelt hatte. Es urteilte auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] und des [X.] ([X.]), das Fahrzeug habe sich bei der Einfuhr vor allem wegen des Austauschs des [X.] nicht mehr im Originalzustand ohne wesentliche Änderungen an seinen wichtigsten Bestandteilen befunden und sei deshalb nicht als Gegenstand von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert i.S. der [X.]. 9705 [X.] anzusehen.

3

Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet der Kläger mit Verfahrensfehlern des [X.] (Verletzung der Sachaufklärungspflicht) und mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache bzw. dem Erfordernis einer [X.]-Entscheidung zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Dem [X.] seien bei der Beurteilung der Umstände des Falles Fehler unterlaufen, deren Korrektur durch den [X.] im Hinblick auf die davon betroffene große Anzahl von Importen historischer Fahrzeuge erforderlich sei. Wegen des gewandelten Verständnisses der grundsätzlichen Bedeutung sei die Revision auch im Interesse einer einheitlichen Anwendung einer Rechtsfrage von allgemeinem Interesse zuzulassen.

4

Das [X.] tritt der Beschwerde entgegen. Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) seien nicht zu erkennen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Keiner der in § 115 Abs. 2 [X.]O abschließend genannten Gründe für die Zulassung der Revision liegt vor.

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1. Mit der Rüge, das [X.] habe seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, kann der Kläger in diesem Beschwerdeverfahren nicht gehört werden, da er sie nicht bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] erhoben hat. Der Verfahrensfehler mangelhafter Sachaufklärung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O ist nur dann ordnungsgemäß dargelegt, wenn zusätzlich vorgetragen wird, dass die nicht zureichende Aufklärung des Sachverhalts und die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, [X.], 529, m.w.N.). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 [X.]O i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen [X.] --z.[X.] auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde-- zur Folge. Das Übergehen eines Beweisantrages oder einer unterlassenen Zeugeneinvernahme kann deshalb im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte, dem die Nichtbefolgung seiner Beweisanträge erkennbar war, den [X.] nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (Senatsbeschluss vom 28. März 2011 VII B 142/10, [X.], 1370, m.w.N.).

7

2. Einen weiteren Verfahrensmangel sieht der Kläger darin, dass das [X.] die in [X.] abgefassten Internet-Auszüge verwertet hat, ohne sie zunächst übersetzen zu lassen.

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Diese Rüge ist unbegründet. Die Verwertung der fremdsprachigen Internetseiten führt nicht von vornherein zur Zulassung der Revision wegen eines [X.]. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil zuzulassen, wenn das Urteil auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Das aber kommt nur dann in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Auslegung seitens des [X.] durch Übersetzungsfehler beeinflusst ist ([X.] vom 8. Mai 2007 I B 12/06, [X.], 1679). Solche Anhaltspunkte sind der Beschwerde aber nicht zu entnehmen, sie sind auch nicht ersichtlich. Aus den vom [X.] im Urteil zitierten [X.] über die Veränderungen am Fahrzeug hat es seiner Entscheidung lediglich die Darstellungen zu dem im Zeitpunkt der Einfuhr eingebauten Motorblock zugrunde gelegt, indem es feststellt, das Fahrzeug habe sich nicht mehr im Originalzustand befunden, weil an einem seiner wichtigsten Bestandteile, dem Motorblock, eine wesentliche Änderung vorgenommen worden sei. Was es dazu den Berichten entnommen hat, ist im Urteil auf [X.] zusammengefasst: "Hiernach ist das streitgegenständliche Fahrzeug jedenfalls 1948 mit einem 216 ci-Motorblock ausgeliefert worden, der von dem [X.] Vorbesitzer durch einen 235 ci-Motorblock aus dem [X.] ausgetauscht worden ist". Die Richtigkeit dieser Feststellungen zieht der Kläger nicht in Zweifel, sondern beanstandet, dass das [X.] den Einbau des 235 ci-Motorblocks als wesentliche Änderung gegenüber dem Originalzustand des Fahrzeugs gewertet hat. Das zeigt, dass die Entscheidung jedenfalls nicht durch Übersetzungsfehler beeinflusst war.

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3. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) zuzulassen. Die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte sind nicht geeignet, die Zulassung zu rechtfertigen. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage, deren Klärung durch den [X.] erforderlich ist, hat der Kläger --entgegen den dazu in ständiger Rechtsprechung entwickelten Anforderungen (vgl. z.[X.] [X.]-Beschlüsse vom 14. November 2011 III B 8/11, [X.]/NV 2012, 221, und vom 11. April 2012 [X.]56/11, [X.]/NV 2012, 1331; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.[X.] nicht formuliert. Er macht vielmehr geltend, dem [X.] seien bei der Auslegung des Rechts Fehler unterlaufen, deren Korrektur wegen der Vielzahl der [X.] und unterschiedlicher Auffassungen zur Eingruppierung und Zollabfertigung historischer Fahrzeuge in [X.]land und der [X.] im allgemeinen Interesse liege. Der Revisionsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfasse entgegen dem früher vorherrschenden Verständnis solche Fälle selbst dann, wenn sich der Fehler des [X.] nicht als schwerwiegend darstelle.

Wie der Kläger offensichtlich selbst erkennt, richtet sich seine Beschwerde gegen die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Derartige Einwendungen können im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zum Erfolg führen. Fehler in der Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall --so sie denn vorliegen-- rechtfertigen für sich genommen nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.[X.] [X.] vom 4. August 2010 [X.]198/09, [X.]/NV 2010, 2102; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34), und zwar auch dann nicht, wenn sich die vom [X.] vermeintlich falsch beantwortete Rechtsfrage in einer größeren Anzahl vergleichbarer Fälle ebenfalls stellen kann. Denn Rechtsanwendung ist Subsumtion des Sachverhalts unter die Rechtsnorm, die dem Tatrichter übertragene Würdigung der von ihm festgestellten Umstände des Einzelfalls (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

Eine Ausnahme hiervon kommt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O nur dann in Betracht, wenn das angefochtene Urteil derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung des revisiblen Rechts aufweist, dass die Entscheidung des [X.] "objektiv willkürlich" erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist. Das ist im Streitfall nicht erkennbar und wird selbst vom Kläger nicht behauptet. Eine darüber hinausgehende Ausweitung der Zulassungsgründe ist der [X.]-Rechtsprechung nicht zu entnehmen (z.[X.] Beschlüsse vom 14. Dezember 2011 [X.]85/11, [X.]/NV 2012, 749; vom 16. August 2011 III B 155/10, [X.]/NV 2012, 48; vom 1. September 2008 IV B 4/08, [X.]/NV 2009, 35, m.w.N.).

4. Die Revisionszulassung kann der Kläger schließlich auch nicht mit dem Vorbringen erreichen, dass die Zollbehörden anderer [X.] "mit den Bedingungen (für den [X.], [X.]. des Senats) weitaus liberaler umgehen als die entsprechenden Behörden in [X.]land". Abgesehen davon, dass diese Rüge jegliche Konkretisierung vermissen lässt, ist damit eine Abweichung des [X.]-Urteils von Entscheidungen anderer Gerichte, die allein eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O begründen könnte (vgl. [X.] vom 13. Juli 2011 [X.]117/10, [X.], 2075; vgl. Gräber/ Ruban, a.a.[X.], § 115 Rz 53, m.w.N.), nicht dargelegt. Divergierende [X.] --welchen [X.] auch immer-- erfordern keine höchstrichterliche Klärung.

Meta

VII B 146/12

13.05.2013

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Bremen, 16. Februar 2012, Az: 4 K 19/10 (2), Urteil

§ 96 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13.05.2013, Az. VII B 146/12 (REWIS RS 2013, 5976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5976

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