Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.11.2022, Az. X ZR 96/20

10. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8763

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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats ([X.]) des [X.] vom 9. Juni 2020 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten sind Inhaberinnen des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 2 024 487 (Streitpatents), das am 24. April 2007 unter Inanspruchnahme einer [X.] Priorität vom 11. Mai 2006 angemeldet wurde und einen Einwegbioreaktor mit Sensoranordnung betrifft.

2

Patentanspruch 1, auf den neun Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der von den Beklagten im Hauptantrag verteidigten Fassung (mit Änderungsmarkierung gegenüber der erteilten Fassung):

Einwegbioreaktor mit reversibel, äußerlich anbringbarer Sensoranordnung zur Messung einer physikalischen Größe eines enthaltenen flüssigen Mediums, dadurch gekennzeichnet, dass wobei in wenigstens einer dem Zu- und/oder Abfluss von Medium dienenden Peripherieleitung (14, 16, 18) des [X.] ein Sensoradapter (28) zur Aufnahme einer über eine innere Grenzfläche (32a, 32b; 40; 44a, 44b) des [X.] mit die Peripherieleitung (14, 16, 18) durchströmendem flüssigen Medium wechselwirkenden, elektronischen Sensoranordnung (34, 38; 42; 44a, 44b, 46, 48) integriert ist, und dass der Sensoradapter (28) als ein die Peripherieleitung (14, 16, 18) fortsetzender Einsatz, der von dem enthaltenen flüssigen Medium durchströmbar ist, in der Peripherieleitung (14, 16, 18) ausgeführt ist und der Sensoradapter (28) [X.] zum Befestigen der Sensoranordnung (34; 38; 42; 44a; 44b, 46, 48) an dem Sensoradapter (28) umfasst.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Die Beklagten haben das Streitpatent in der oben wiedergegebenen und hilfsweise in vier weiteren Fassungen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Hauptantrag und ihre Hilfsanträge 1, 3 und 4 weiterverfolgen sowie einen ergänzten Hilfsantrag 2 stellen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

6

I. [X.] betrifft einen Einwegbioreaktor mit einer Sensoranordnung zur Messung der physikalischen Größe eines enthaltenen Mediums.

7

1. [X.] nimmt einleitend auf einen aus der [X.] Anmeldung 2005/0163667 bekannten, als Beutel ausgebildeten Einwegbioreaktor Bezug, der in seinem Inneren eine Mehrzahl von mit der Beutelwand verbundenen Sensorkissen aufweist.

8

Diese Kissen enthielten Materialien, deren Fluoreszenzeigenschaften sich in Abhängigkeit von bestimmten physikalischen Bedingungen, insbesondere gelöstem Sauerstoff, pH-Wert oder CO2-Gehalt des im Bioreaktor befindlichen Mediums änderten. Außerhalb der Beutelwand sei im Bereich jedes Sensorkissens eine Detektoranordnung anbringbar, die eine Lichtquelle und einen mit einer Auswertungsschaltung verbundenen Fotodetektor umfasse. Von diesem werde das in Reaktion auf das Anregungslicht vom Sensorkissen abgegebene Fluoreszenzlicht erfasst. Dessen Eigenschaften würden mit Hilfe der Auswerteschaltung analysiert, so dass auf die fotophysikalischen Bedingungen im Sensorkissen geschlossen werden könne (Abs. 2).

9

Da die bei Einwegbioreaktoren übliche Sterilisierung mit Gammastrahlung oder aggressiven Chemikalien wie Ethylenoxid ([X.]) die Sensorik beschädigen könne, werde diese aufgespalten in einen das Medium im Inneren des [X.] berührenden robusten Teil und einen äußerlich anbringbaren, empfindlicheren Teil, der insbesondere die Sensorelektronik enthalte und der benutzerseitig unsteril angebracht werden könne (Abs. 2).

Nachteilig sei, dass die erforderliche Resistenz gegen [X.] unter Beibehaltung der für die Messung erforderlichen Fluoreszenzeigenschaften die Auswahl an geeigneten Sensorkissen begrenze. Eine weitere Limitierung bestehe darin, dass die Sensorkissen das Medium im Bioreaktor nicht beeinflussen dürften. Insbesondere bei der Verwendung eines Einwegbioreaktors als Zellkulturgefäß bestehe die Gefahr einer zu innigen Wechselwirkung zwischen den Zellen und den Sensorkissen (Abs. 3).

2. [X.] betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, die Möglichkeiten zum Einsatz von Sensoren in sterilisierbaren Reaktoren zu erweitern und die Wechselwirkung zwischen Sensor und Medium zu verringern.

3. Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 einen Einwegbioreaktor vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

1       

Einwegbioreaktor

2       

mit reversibel, äußerlich anbringbarer Sensoranordnung zur Messung einer physikalischen Größe eines enthaltenen flüssigen Mediums,

3a    

wobei in wenigstens einer dem Zu- und/oder Abfluss von Medium dienenden Peripherieleitung des [X.] ein Sensoradapter integriert ist.

3b    

[X.] verfügt über eine innere Grenzfläche und dient der Aufnahme einer elektronischen Sensoranordnung.

3c    

[X.] tritt über die innere Grenzfläche des [X.] mit dem flüssigen Medium, welches die Peripherieleitung durchströmt, in Wechselwirkung.

4       

[X.] ist als ein die Peripherieleitung fortsetzender Einsatz ausgeführt, der von dem in der Peripherieleitung enthaltenen flüssigen Medium durchströmbar ist.

5       

[X.] umfasst [X.] zum Befestigen der Sensoranordnung an dem Sensoradapter.

4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung.

a) [X.] im Sinne von Merkmal 1 ist ein zum einmaligen Gebrauch bestimmtes Gefäß, das reaktionsfähige Medien aufnehmen kann, zum Beispiel Zellkulturen (Abs. 7).

Nach der verteidigten Fassung von Merkmal 2 muss der Reaktor zur Aufnahme flüssiger Medien geeignet sein. Als vorzugswürdig führt die Beschreibung einen faltbaren Beutel an (Abs. 14).

Besondere Anforderungen bezüglich Aufbau, Betrieb und enthaltenen Medien sind damit, wie das Patentgericht unbeanstandet ausgeführt hat, nicht verbunden.

b) Hinsichtlich der mit der Sensoranordnung zu messenden physikalischen Größen enthält Patentanspruch 1 keine Festlegungen.

Als gemessene Größen kommen zum Beispiel der Sauerstoff- oder der CO2-Gehalt, der pH-Wert, die Temperatur und die Leitfähigkeit des im Bioreaktor befindlichen flüssigen Mediums in Betracht (Abs. 2, 8-10).

c) Ebenfalls keine Festlegungen enthält Patentanspruch 1 in Bezug auf die eingesetzten Messmethoden.

Bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels werden zwar einzelne Methoden aufgezeigt. Weder hieraus noch aus dem sonstigen Inhalt der Patentschrift ergibt sich aber eine Beschränkung auf diese Methoden.

d) Entscheidend für die angestrebte Minimierung der Wechselwirkung zwischen Sensor und Medium sind Aufbau und Anordnung des die Sensoranordnung aufnehmenden und mit ihr zusammenwirkenden [X.].

aa) Zutreffend ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass der in der Patentbeschreibung nicht näher definierte Begriff "Peripherieleitung" eine Leitung umbeschreibt, die von außen an den Bioreaktor angeschlossen ist und sich damit außerhalb des Reaktors - also in dessen Peripherie - befindet.

(1) Die Leitung hat nach Merkmal 3a die Funktion, den Zu- und/oder Ablauf von Medium in bzw. aus dem Reaktor zu ermöglichen. Darunter fällt auch eine Leitung, die beide Funktionen zugleich erfüllt, also eine Zirkulation des Mediums ermöglicht.

(2) Die Anordnung des [X.] in der Peripherieleitung hat den Vorteil, dass eine Wechselwirkung zwischen Sensor und Medium nicht im Bereich der Reaktorwand, sondern nur während der vergleichsweise kurzen [X.] des Durchstroms von Medium durch die Peripherieleitung erfolgt (Abs. 6).

Entgegen der Ansicht der Berufung lässt sich daraus nicht ableiten, dass eine Zirkulationsleitung nur dann eine Peripherieleitung im Sinne der Merkmale 3a und 4 ist, wenn sie lediglich Mess- oder Probezwecken dient, nicht aber der Förderung des Reaktionsprozesses.

Ein auf Mess- und Probezwecke beschränkter Einsatz der Leitung eröffnet die Möglichkeit, nur einen geringen Teil des Mediums am Sensor vorbeizuleiten und damit die Gefahr einer Wechselwirkung weiter zu verringern. Patentanspruch 1 lässt sich indes nicht entnehmen, dass von dieser Möglichkeit zwingend Gebrauch gemacht werden muss. Nach der Beschreibung reicht es vielmehr aus, wenn die [X.], in der das Medium mit dem Sensor in Kontakt tritt, gering gehalten wird. Eine feste zeitliche Grenze ist hierbei nicht definiert. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass das Medium oder ein Teil desselben mehrmals durch die Peripherieleitung fließt.

bb) Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass die in Merkmal 3b vorgesehene innere Grenzfläche des [X.] so ausgestaltet sein kann, dass sie in gewissem Umfang für das Medium oder darin enthaltene Teilchen durchlässig ist.

Nach Merkmal 3c hat die innere Grenzfläche die Funktion, eine Wechselwirkung zwischen Medium und Sensor zu ermöglichen. Welcher Art diese Wechselwirkung ist, legt Patentanspruch 1 nicht fest. Entgegen der Auffassung der Berufung kommt deshalb auch eine Wechselwirkung durch Hindurchtreten einzelner Teilchen durch die Grenzfläche in Betracht.

(1) Bei der Schilderung der Ausführungsbeispiele werden allerdings nur Messmethoden beschrieben, die keinen Durchtritt von Teilchen erfordern.

(a) Bei dem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 dargestellten Ausführungsbeispiel wird die innere Grenzfläche des [X.] (28) durch zwei für Infrarotstrahlung transparente Fenster (32a, 32b) gebildet. Die Messung erfolgt durch Auswertung der optischen Eigenschaften eines Infrarotstrahls (36), der von einem Infrarotsender (34) ausgesendet und von einem Infrarotdetektor (38) empfangen wird. Damit kann insbesondere der CO2-Gehalt gemessen werden (Abs. 18).

Abbildung

Bei diesem Beispiel findet nach der Beschreibung eine direkte Wechselwirkung zwischen Sensor und Medium durch die Grenzfläche hindurch statt (Abs. 8).

(b) In weiteren Ausführungsbeispielen wird die innere Grenzfläche durch einen wärmeleitfähigen, in das Innere des Durchströmungsvolumens hineinreichenden Wandabschnitt gebildet, dessen Temperatur von einer Sensoranordnung erfasst werden kann (Abs. 19), oder durch elektrisch leitfähige und gegeneinander isolierte [X.], die eine Messung der elektrischen Leitfähigkeit ermöglichen (Abs. 20). Diese Arten der Wechselwirkung werden in der Beschreibung als indirekt bezeichnet (Abs. 9, 10).

(2) Aus der Schilderung dieser Ausführungsbeispiele ergibt sich jedoch keine Einschränkung auf die darin eingesetzten Messmethoden.

Wie bereits oben aufgezeigt wurde, enthält Patentanspruch 1 keine Festlegung auf bestimmte Messgrößen oder Messmethoden. In der Beschreibung wird zudem ausdrücklich klargestellt, dass die angeführten Ausführungsbeispiele lediglich der Illustration dienen, also keinen beschränkenden Charakter haben, und dem Fachmann auch im Hinblick auf die [X.] ein weites Feld an Modifikationsmöglichkeiten offensteht (Abs. 22).

(3) Den Ausführungen in der Beschreibung, wonach die Erfindung eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen Sensor und Medium vermeide (Abs. 6 Z. 18-20), lässt sich ebenfalls keine Beschränkung auf bestimmte Arten der Wechselwirkung entnehmen.

Diese Ausführungen spiegeln lediglich die in Merkmal 3c vorgesehene Vorgabe wider, dass die Wechselwirkung zwischen Sensor und Medium durch die innere Grenzfläche vermittelt wird. Dementsprechend führt auch die Beschreibung aus, die Datenerfassung erfolge durch die Grenzfläche hindurch (Abs. 6 Z. 20-22).

Die Art und Weise, in der diese Vermittlung stattfindet, ist in Merkmal 3c demgegenüber nicht im Einzelnen festgelegt.

(4) Die Ausführungen, wonach die Grenzfläche so gestaltet sein könne, dass nur eine minimale Wechselwirkung zwischen ihr und dem Medium erfolge (Abs. 6 Z. 22-25), und wonach eine über die Messung hinausgehende Wechselwirkung zwischen der Grenzfläche und dem Medium, etwa eine chemische Reaktion oder eine Abgabe von Partikeln in das Medium möglichst unterbunden werde (Abs. 11), führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Diese Ausführungen betreffen die unmittelbare Wechselwirkung zwischen der inneren Grenzfläche des [X.] und dem Medium. Die darin formulierte Zielsetzung, die Wechselwirkung möglichst auf das für die Messung notwendige Maß zu reduzieren, mag zwar auch - und erst recht - für die mittelbare Wechselwirkung zwischen Medium und Sensor gelten. Auch daraus ergeben sich jedoch keine Beschränkungen bezüglich der Art und Weise, in der diese Wechselwirkung stattfindet.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist Patentanspruch 1 vor diesem Hintergrund nicht zu entnehmen, dass nur solche Wechselwirkungen stattfinden dürfen, die die Eigenschaften des Mediums nicht verändern. Aus der Zielsetzung, Wechselwirkungen auf das erforderliche Minimum zu reduzieren, ergibt sich vielmehr, dass auch Veränderungen des Mediums in gewissem Umfang hingenommen werden.

cc) Die Anbringung des [X.] mittels eines Adapters und die Trennung von Sensor und Medium durch die innere Grenzfläche ermöglicht ferner den Einsatz von Sensoren, die nicht hinreichend resistent gegen [X.] sind.

Da der Sensor erst nach der Sterilisierung angebracht werden muss, genügt es, wenn der Adapter einschließlich der Grenzfläche eine ausreichende Beständigkeit gegen [X.] wie Gammastrahlen oder Ethylenoxid ([X.]) aufweist (Abs. 6).

Patentanspruch 1 sieht allerdings weder eine Sterilisierung noch eine Beständigkeit der Grenzfläche gegen [X.] zwingend vor.

dd) Die in Merkmal 5 genannten [X.] ermöglichen es, die Sensoranordnung am Sensoradapter zu befestigen und dabei in einer vorgegebenen Weise auszurichten.

In welcher baulichen Weise die Befestigung am Sensoradapter erfolgt, ist nicht vorgeben.

ee) Aus der in Merkmal 3b definierten Anforderung, dass der Adapter der Aufnahme des [X.] dient, ergeben sich entgegen der Ansicht der Berufung keine weitergehenden Einschränkungen.

Die Aufnahme des [X.] dient dem Zweck, diesen so mit dem Adapter zu verbinden, dass er die ihm zugedachte Funktion erfüllen kann. Hierzu genügt eine hinreichend feste Verbindung zwischen Sensor und Sensoradapter. Dem Adapter kommt insoweit die Funktion eines aufnehmenden Teils zu, weil erst durch die Verbindung mit ihm der Sensor zur Messung einer physikalischen Größe des flüssigen Mediums in das [X.]ystem integriert wird. [X.] zu einer bestimmten Ausgestaltung der Aufnahme sind damit nicht verbunden. Den Sensor in den Adapter einzuschieben, beschreibt die Streitpatentschrift lediglich als eine beispielhafte Variante (Abs. 6 Z. 37-38). Diese ist in Figur 3 für das Ausführungsbeispiel eines Temperatursensors (42) gezeigt. Die Ausführungsbeispiele gemäß den Figuren 3 und 5 zeigen hingegen keine Anordnung, bei der der Sensor in den Adapter eingeschoben oder von diesem (teilweise) umschlossen wird, und lassen die konkrete Ausgestaltung der Verbindung offen.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand habe sich für den Fachmann, einen Ingenieur der Fachrichtung Verfahrenstechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Einwegbioreaktoren, naheliegend aus der internationalen Anmeldung 2005/108549 ([X.]) in Verbindung mit der [X.] [X.] 31 44 601 ([X.]) ergeben.

Ein Fachmann, der vor der Aufgabe stehe, die Wechselwirkung zwischen Sensor und Medium in einem Einwegbioreaktor zu minimieren, sehe in [X.] ein erfolgversprechendes Sprungbrett. Von Interesse sei vor allem der Vorschlag, die Sensoren im Zirkulationssystem des [X.] unterzubringen. Die in den patentgemäßen Merkmalen genannte Peripherieleitung liege danach als ein geeigneter Ort für die Platzierung von Sensoren außerhalb des [X.] auf der Hand. Dass die physikalischen Messungen am flüssigen Medium nach der Lehre der [X.] "[X.]" erfolgten, bedeute entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass sie nur innerhalb des [X.] vorgenommen würden. Der Begriff "[X.]" werde stets im Zusammenhang mit dem Zirkulationssystem verwendet und bezeichne damit Messungen in dessen Leitungen.

Da [X.] darüber hinaus die Möglichkeit aufzeige, die Sensoren über Verbindungsstücke im Zirkulationssystem anzuordnen und insoweit auf das in der Fachwelt allgemein bekannte T-Stück hinweise, werde auch der im Streitpatent beschriebene Sensoradapter in das Blickfeld des Fachmanns gerückt. Dies gebe Anlass, nach weiteren Informationen zu suchen, wie Sensoren über T-Stücke in einer Peripherieleitung installiert werden können.

[X.] betreffe eine Apparatur zur Überwachung des Partialdruckes [X.], wie Sauerstoff oder Kohlendioxid, in einer durch eine Leitung strömenden Flüssigkeit, bei der es sich um Blut und damit um eine Flüssigkeit handle, deren Sterilität durch die Messung des Partialdruckes, ähnlich wie in [X.], nicht gefährdet werden dürfe. Um dies zu erreichen, kämen, gleichfalls in Analogie zu [X.], Sensoren zum Einsatz, die über T-Stücke mit der Peripherieleitung verbunden seien. [X.] sehe ein Verbindungsstück mit einer Membran vor, die eine erste Fläche aufweise, welche mit der Flüssigkeit in Kontakt stehe, sowie eine der ersten Fläche gegenüberliegende zweite Fläche, die keinen solchen Kontakt habe, aber für das aus dem Medium stammende Gas durchlässig sei, so dass der Sauerstoffpartialdruck über Sensoren, die der zweiten Fläche benachbart angeordnet seien, unter sterilen Bedingungen gemessen werden könne. Die der Leitung zugewandte Öffnung des [X.] werde auf diese Weise abgedichtet und an die obere Öffnung des vertikalen Abschnitts des [X.] könne ein [X.] angeschlossen werden, der selbst nicht steril sein müsse. Ergänzend hierzu beschreibe [X.], den [X.] mit einem Schraubgewinde auszustatten und in das T-Stück einzuschrauben.

Danach liege für den Fachmann der Einsatz eines [X.] in einer Peripherieleitung auf der Hand, an den ein Sensor mittels Schraubgewinde reversibel und in ausgerichteter Weise befestigt werden könne. Daran ändere auch die zur Befestigung des im T-Stück befindlichen Rings vorgesehene Einbringung eines Dichtungsmittels nichts, da die Schraubverbindung zwischen [X.]gehäuse und der Membranhalterung des [X.] weiterhin gelöst werden könne und damit reversibel sei. Des Weiteren verfüge der Sensoradapter über eine innere Grenzfläche, die den direkten Kontakt zwischen Sensor und Medium verhindere.

Da beide Entgegenhaltungen übereinstimmend Vorrichtungen mit über T-Stücke in peripheren Leitungen verankerten Sensoren offenbarten, mit denen physikalische Größen der durch die Leitungen strömenden Flüssigkeiten gemessen würden, und es sich bei den Flüssigkeiten um solche handle, deren Sterilität während der sensorgesteuerten Messung nicht gefährdet werden dürfe, betrachte der Fachmann die Entgegenhaltungen als Dokumente, die sich in ihren Aussagen ergänzten und in ihrer Zusammenschau einen wertvollen Beitrag zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe leisteten. Die technische Unterschiedlichkeit der offenbarten Vorrichtungen sei vor diesem Hintergrund nicht maßgeblich.

III. Ob diese Beurteilung einer Überprüfung im Berufungsverfahren stand hält, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Das angefochtene Urteil erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend (§ 119 Abs. 1 [X.]).

Ausgehend von der [X.] Anmeldung 2002/0146817 ([X.]) war der mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand von Patentanspruch 1 nahegelegt.

1. [X.] betrifft eine rückkopplungsgesteuerte Biokulturplattform als zellbiologisches Forschungsinstrument und für klinische Zellwachstums- und Zellerhaltungsanwendungen.

Die vorgeschlagene Vorrichtung besteht aus einer oder mehreren Kassetten, die in einer Andockstation oder einem Gestell und anschließend in einem Inkubator platziert werden können (Abs. 43) und unter anderem eine Pumpe (8), eine Biokammer (10), mehrere Ventile, eine Durchflusszelle (12) und einen nichtinvasiven Sensor (13) aufweisen (Abs. 45). Eine alternative Ausführungsform ist unter anderem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 7 dargestellt.

Abbildung

Ein Teil des im [X.] (22) enthaltenen Mediums wird durch ein Schlauchsystem und ein Ventil (30) durch eine Durchflusszelle (12) geleitet, die abnehmbar mit einem nichtinvasiven Sensor (13) verbunden werden kann. Dieser Sensor dringt nicht in die Perfusionsschleife ein und beeinträchtigt nicht deren Sterilität. Er ist bevorzugt als pH-Sensor oder als Kombination aus pH-Sensor und Tropfkammer ausgestaltet. Die Durchflusszelle weist eine selektive Membran auf, die Proteine und andere Substanzen an einer Wechselwirkung mit dem [X.] hindert. Sie kann den einfachen Durchgang von [X.] zum Detektor-Pfad des [X.] ermöglichen (Abs. 52).

Ein Ausführungsbeispiel für einen solchen Sensor ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 9 dargestellt.

Abbildung

Das Medium fließt durch einen Schlauch (52) und wird tropfenweise durch eine Öffnung (53) in eine teilweise gefüllte, vorzugsweise transparente Kammer (54) geleitet. Während des [X.] einen nichtinvasiven Sensor, der ein Gehäuse (55), ein emittierendes Element (56), einen Fotodetektor (57) und einen Computerchip (58) aufweist (Abs. 73).

2. Damit sind die Merkmale 1 bis 4 offenbart.

a) Den Bioreaktor mit seinen [X.] entsprechend dem Ausgangspunkt von [X.] (Abs. 6) als Perfusionssystem auszubilden, das Aspekte einer dynamischen in-vivo-Umgebung mit einem kontinuierlich zirkulierenden Medium nachbildet, schließt die Lehre des Streitpatents nicht aus. Unabhängig davon nennt [X.] aber auch die Alternative, die Biokammer für eine statische Zellkultur zu verwenden (Abs. 16).

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Biokammer auch als Einwegbioreaktor offenbart.

Allgemeiner Teil der [X.] der [X.] ist die wegwerfbare Gestaltung der [X.]. Bestandteil dieser Schleife ist die Biokammer (Abs. 13), die damit grundsätzlich auch für den einmaligen Gebrauch ausgebildet werden kann. Eine Beschränkung auf das in Figur 5 gezeigte und in Abschnitt 50 in Bezug genommene Ausführungsbeispiel ist damit nicht verbunden. Vielmehr kann auch bei dem in Figur 7 gezeigten Aufbau der [X.] die Biokammer (10) die gelehrte Eignung für den Einweggebrauch aufweisen.

c) Der Sensor (13) kann mittels der Durchflusszelle (12) mit der [X.] verbunden und von ihr getrennt werden und ist damit im Sinne von Merkmal 2 reversibel äußerlich anbringbar. Mit seiner vorzugsweise vorgesehenen Ausgestaltung als pH-Sensor oder Kombination aus pH-Sensor und Tropfkammer (Abs. 52) dient er der Messung einer physikalischen Größe.

Dass der Sensor (13), wie aus Figur 3 ersichtlich ist, an der Grundplatte des [X.] befestigt ist, steht der Reversibilität nicht entgegen. Denn es handelt sich nicht um eine Befestigung, mit der der Sensor zur Messung einer physikalischen Größe des Mediums mit dem Bioreaktor verbunden wird. Zusätzliche Befestigungen zum Zwecke einer definierten äußerlichen Anordnung der Bauteile zueinander schließt Patentanspruch 1 nicht aus.

d) Die in die [X.] integrierte und in Übereinstimmung mit Merkmal 4 als ein die Leitung fortsetzender Einsatz ausgeführte Durchflusszelle (12) ist ein Adapter im Sinne von Merkmal 3a, weil sie mit dem Sensor verbunden werden kann. Die selektive Membran ist eine innere Grenzfläche im Sinne von Merkmal 3b, die eine Wechselwirkung zwischen dem Medium und dem pH-Sensor vermittelt, wie dies in Merkmal 3c vorgesehen ist. Entsprechendes gilt für die Kammer (54), die aufgrund ihrer transparenten Wand eine Wechselwirkung zwischen dem Medium und dem optischen Sensor vermittelt.

Die Durchflusszelle (12) und die Kammer (54) sind ferner zur Aufnahme des [X.] im Sinne von Merkmal 3b geeignet. Wie oben aufgezeigt wurde, reicht hierfür aus, dass die beiden Bauteile so miteinander verbunden werden können, dass der Sensor die ihm zugedachte Funktion erfüllen kann. Diese Voraussetzung ist bei den in [X.] offenbarten Anordnungen erfüllt.

3. Merkmal 5 war ausgehend von [X.] zumindest nahegelegt.

Damit der Sensor zusammenwirkend mit der Durchflusszelle oder Kammer Messungen vornehmen kann, muss die Verbindung so ausgestaltet sein, dass die Teile in vorgegebener Weise, also ausgerichtet zueinander befestigt sind. Das Vorsehen von Mitteln zur vordefinierten Befestigung von Bauteilen geht über gewöhnliches handwerkliches Können nicht hinaus. Die allgemeine Vorgabe, [X.] zum Befestigen der Sensoranordnung an dem Sensoradapter vorzusehen, kann danach keine erfinderische Tätigkeit begründen.

IV. Hinsichtlich der Hilfsanträge ergibt sich keine abweichende Beurteilung.

1. Mit Hilfsantrag 1 wird Merkmal 5 dahingehend ergänzt, dass die [X.] zum Befestigen durch [X.] oder Einschieben der Sensoranordnung in den Sensoradapter ausgebildet sind.

Insoweit ist das Patentgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei diesen Verbindungsarten neben dem Verschrauben um fachnotorisch bekannte Mittel zur Befestigung von Bauteilen handelt.

2. Der im Berufungsverfahren um die Merkmale des erteilten Anspruchs 7 ergänzte Hilfsantrag 2 fügt den Merkmalen des [X.] hinzu, dass die Sensoranordnung einen die Temperatur der Grenzfläche erfassenden Temperaturfühler umfasst und die Grenzfläche aus einem mediendichten, wärmeleitfähigen Material besteht.

Das Patentgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Ausstattung der Sensoranordnung mit einem der Messung der Temperatur des Mediums dienenden Sensor zur Routine gehört. Dies stimmt mit der [X.] in [X.] überein, nach der als nichtinvasiver Sensor jeder geeignete Analysator eingesetzt werden kann (Abs. 52 a.E.).

Die Membran als selektive Barriere zu gestalten, die nur für die Sensormessung notwendige Bestandteile passieren lässt (Abs. 52), legte es dann auch nahe, im Falle der Verwendung eines Temperatursensors die Membran wärmeleitfähig und im Übrigen mediendicht auszubilden.

3. Hilfsantrag 3 sieht im Vergleich zum ursprünglich noch nicht ergänzten Hilfsantrag 2 lediglich einige [X.] vor. Der so verteidigte Gegenstand unterscheidet sich nicht substantiell von dem mit Hilfsantrag 2 verteidigten Gegenstand und ist damit aus denselben Gründen nicht patentfähig.

4. Hilfsantrag 4 sieht gegenüber Hilfsantrag 3 als zusätzliches Merkmal vor, dass der Sensoradapter eine Vertiefung aufweist, die in das Innere eines Durchströmungsvolumens der Peripherieleitung hineinreicht.

Diesbezüglich hat das Patentgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt, dass eine solche Vertiefung ein einfaches Austauschmittel im Vergleich zu der im Stand der Technik etablierten Vorgehensweise ist, eine den Temperatursensor umfassende [X.] vorzusehen, die nicht zugleich einen integralen Bestandteil des [X.] darstellt.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Deichfuß     

      

Kober-Dehm

      

Rensen     

      

Crummenerl     

      

Meta

X ZR 96/20

29.11.2022

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 9. Juni 2020, Az: 3 Ni 7/18 (EP), Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.11.2022, Az. X ZR 96/20 (REWIS RS 2022, 8763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8763

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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