Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.08.2016, Az. 1 B 93/16

1. Senat | REWIS RS 2016, 6905

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Gegenstand

Keine Wiedereinsetzung bei fehlender Kausalität zwischen Mittellosigkeit und Fristversäumnis


Leitsatz

Voraussetzung für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, dass zwischen dem unverschuldeten Hindernis und der Fristversäumnis ein Kausalzusammenhang besteht.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie legt den geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.] genügt. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.]) liegt nicht vor.

2

1. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.] rechtfertigende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 [X.] hinreichend bezeichnet, wenn die [X.]eschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] oder eines anderen der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. Februar 2015 - 1 [X.] 3.15 - juris Rn. 7 m.w.N.). Die nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander präzise gegenübergestellt werden. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.]undesverwaltungsgericht oder unter anderem das [X.]undesverfassungsgericht in der Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge nicht.

3

So liegt der Fall hier. Die [X.]eschwerde hat dem Leitsatz aus dem [X.]eschluss des [X.] vom 23. Juli 2003 (1 [X.] 386.02 - [X.]uchholz 310 § 166 [X.] Nr. 39) keinen Rechtssatz aus der Entscheidung des [X.]erufungsgerichts gegenüber gestellt. Sie rügt vielmehr die Nichtbeachtung der Entscheidung vom 23. Juli 2003 bei der Rechtsanwendung des [X.]erufungsgerichts im vorliegenden Fall. Damit kann sie die Zulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht erreichen.

4

2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 [X.]) liegt nicht vor. Die [X.]eschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht habe die [X.]erufung nicht als unzulässig verwerfen dürfen, ohne zuvor über den innerhalb der [X.]erufungsbegründungsfrist gestellten Antrag auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe und [X.]eiordnung eines Rechtsanwalts entschieden und ggf. Wiedereinsetzung nach [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe gewährt zu haben. Damit habe das Gericht Verfahrensrecht und im Hinblick auf die Verweigerung des Zugangs zur [X.]erufungsinstanz zugleich den Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 [X.], Art. 103 Abs. 1 GG) und auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt.

5

Die geltend gemachte Verletzung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegt unabhängig von der Frage der Entscheidungserheblichkeit nicht vor. Nach § 60 Abs. 1 [X.] ist einer [X.] auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Daher liegt regelmäßig ein Grund zur Wiedereinsetzung vor, wenn eine erstinstanzlich unterlegene [X.], die sich für bedürftig halten durfte, innerhalb der [X.]erufungsbegründungsfrist einen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe eingereicht hat, um abhängig von der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe darüber zu entscheiden, ob die [X.]erufung durchgeführt werden soll, das [X.]erufungsgericht über diesen Antrag aber nicht innerhalb der Frist für die [X.]egründung der [X.]erufung entschieden hat. Allerdings entspricht es der Rechtsprechung des [X.], dass Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren ist, wenn die fristgemäße Einlegung oder [X.]egründung des Rechtsmittels "wegen" der ausstehenden Entscheidung über den [X.] unterblieben ist ([X.]eschluss vom 5. Juni 2008 - 5 [X.] 28.09 - juris Rn. 6). Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher, dass zwischen dem unverschuldeten Hindernis und der Fristversäumnis ein Kausalzusammenhang besteht (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 29. März 2012 - IV Z[X.] 16.11 - NJW 2012, 2041; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2014, § 60 Rn. 101). Die fehlende [X.]egründung des Rechtsmittels muss nämlich gerade auf die [X.]edürftigkeit der [X.] zurückzuführen sein. Die Kausalität kann verneint werden, wenn der [X.]eschwerdeführer nicht zu erkennen gegeben hat, dass der Rechtsanwalt, der die [X.]erufung eingelegt hat, nur dann zu einem weiteren Tätigwerden im [X.]erufungsverfahren bereit ist, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt wird ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 11. März 2010 - 1 [X.]vR 290/10 - juris Rn. 18).

6

Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung hat das [X.]erufungsgericht verfahrensfehlerfrei seine Entscheidung gestützt, das Wiedereinsetzungsgesuch abzulehnen. Es hat eingehend dargelegt, warum nach seiner Würdigung im vorliegenden Fall ein kausaler Zusammenhang zwischen der geltend gemachten Mittellosigkeit und dem Fristversäumnis nicht zu erkennen sei ([X.]). So habe der Kläger selbst vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe die [X.]erufung - unmittelbar nach der Zulassung und vor der Entscheidung über das [X.] - am 23. April 2015 begründet und abgesandt. Gegen die erforderliche Kausalität spreche zudem der Gang des zweitinstanzlichen Verfahrens. Der Kläger habe schon den Antrag auf Zulassung der [X.]erufung fristgerecht und ohne Abwarten einer Entscheidung über den [X.] umfangreich begründet. Dieser tatrichterlichen Würdigung tritt die [X.]eschwerde nicht entgegen.

7

Die [X.]eschwerde tritt auch der tatrichterlichen Würdigung des [X.]erufungsgerichts, wonach der Kläger ein mangelndes Verschulden an der Versäumung der [X.]egründungsfrist nicht glaubhaft gemacht hat ([X.] -10), nicht entgegen. Fehlt es an einer unverschuldeten Fristversäumnis, werden der Rechtsschutz und das rechtliche Gehör des [X.] aber nicht in einer Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzenden Weise verkürzt.

8

3. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 [X.]).

9

4. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 [X.]. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

1 B 93/16

10.08.2016

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 25. Mai 2016, Az: 18 A 2206/12, Beschluss

§ 60 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.08.2016, Az. 1 B 93/16 (REWIS RS 2016, 6905)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6905

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