Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2019, Az. 5 AZR 505/18

5. Senat | REWIS RS 2019, 498

ARBEITSRECHT BERUF BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) SOZIALRECHT INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT ARBEITSUNFÄHIGKEIT

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Entgeltfortzahlung - Einheit des Verhinderungsfalls


Leitsatz

Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.

Ein einheitlicher Verhinderungsfall ist regelmäßig hinreichend indiziert, wenn zwischen einer "ersten" krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und einer dem Arbeitnehmer im Wege der "Erstbescheinigung" attestierten weiteren Arbeitsunfähigkeit ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Hiervon ist auszugehen, wenn die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. September 2018 - 7 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die [X.] vom 19. Mai bis zum 29. Juni 2017.

2

Die 1954 geborene Klägerin war bis einschließlich Juli 2017 bei der Beklagten als Fachkraft in der Altenpflege beschäftigt. [X.]eit August 2017 befindet sie sich im Ruhestand.

3

In der [X.] vom 9. bis zum 25. Januar 2017 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Vom 26. Januar bis zum 6. Februar 2017 befand sie sich im Erholungsurlaub. [X.]eit dem 7. Februar 2017 war sie infolge eines psychischen Leidens erneut arbeitsunfähig. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis einschließlich 20. März 2017. Anschließend bezog die Klägerin auf der Grundlage von Folgebescheinigungen ihrer [X.]ausärzte, die ihr eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich Donnerstag, dem 18. Mai 2017 attestierten, Krankengeld.

4

Am Freitag, dem 19. Mai 2017 unterzog sich die Klägerin wegen einer Gebärmuttersenkung einer seit längerem geplanten [X.]. Bereits am Vortag, dem 18. Mai 2017, wurde der Klägerin durch ihre niedergelassene Frauenärztin mit einer „Erstbescheinigung“ Arbeitsunfähigkeit vom 19. Mai bis zunächst 16. Juni 2017 und mit einer „Folgebescheinigung“ bis voraussichtlich 30. Juni 2017 attestiert.

5

Im Juli 2017 erbrachte die Klägerin aufgrund von Urlaub und zum Abbau von Überstunden gewährten [X.] keine Arbeitsleistungen mehr. Im gleichen [X.]raum begann sie eine psychotherapeutische Behandlung bei einem Neurologen. Begleitend wurden ihr - wie bereits seit Beginn ihrer psychischen Erkrankung - Psychopharmaka verordnet.

6

Für die [X.] vom 19. Mai bis zum 29. Juni 2017 leistete weder die Beklagte Entgeltfortzahlung noch wurde der Klägerin seitens ihrer Krankenkasse Krankengeld bewilligt.

7

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung habe am 18. Mai 2017 geendet. Erst die [X.] vom 19. Mai 2017 habe erneut zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt. Ab diesem Tag sei deshalb ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen entstanden.

8

Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.364,90 Euro brutto nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. [X.]eptember 2017 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und behauptet, die Klägerin sei wegen ihres gynäkologischen Leidens schon vor dem 19. Mai 2017 arbeitsunfähig gewesen. Ungeachtet dessen sei davon auszugehen, dass die fortbestehende psychische Erkrankung der Klägerin über den 18. Mai 2017 hinaus Arbeitsunfähigkeit verursacht habe. Nach dem Grundsatz der Einheit des [X.] habe ihre Entgeltfortzahlungspflicht daher mit dem Ablauf von sechs Wochen am 20. März 2017 geendet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage - nach Vernehmung der behandelnden Ärzte Dr. R, [X.] und Dr. [X.] - abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Klägerin hat für die [X.] vom 19. Mai bis zum 29. Juni 2017 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus § 3 Abs. 1 EFZG.

1. Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 [X.]tz 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Dies gilt nach dem Grundsatz der Einheit des [X.] auch dann, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die [X.] nur einmal in Anspruch nehmen. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem [X.]punkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt. Das ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des [X.] ist grundsätzlich die Entscheidung des Arztes, der Arbeitsunfähigkeit - ungeachtet der individuellen Arbeitszeit des betreffenden Arbeitnehmers - im Zweifel bis zum Ende eines Kalendertags bescheinigen wird. Das gilt unabhängig davon, ob das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeits- oder arbeitsfreien Tag fällt ([X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 155, 196).

2. Die Annahme des [X.]s, nach diesen Grundsätzen habe die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 19. Mai 2017 keinen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch begründet, ist rechtsfehlerfrei. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die neue Erkrankung erst zu einem [X.]punkt Arbeitsunfähigkeit ausgelöst hat, zu dem die vorangegangene krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits beendet war.

a) Die Beklagte hat sich im Streitfall auf den Grundsatz der Einheit des [X.] berufen und dabei [X.]. bestritten, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin infolge ihrer psychischen Erkrankung vor Eintritt der Arbeitsverhinderung wegen ihres gynäkologischen Leidens beendet war. Diese Tatsache darzulegen und zu beweisen, war, wie das [X.] zutreffend erkannt hat, [X.]che der Klägerin.

aa) Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 [X.]tz 1 EFZG ([X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 6 der Gründe, [X.]E 115, 206). Ebenso wie er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solcher beweispflichtig ist, trifft ihn auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast. Meldet sich der Arbeitnehmer in unmittelbarem [X.] an den ausgeschöpften Sechs-Wochen-[X.]raum des § 3 Abs. 1 [X.]tz 1 EFZG erneut mit einer [X.] arbeitsunfähig krank und bestreitet der Arbeitgeber unter Berufung auf den Grundsatz der Einheit des [X.], dass Arbeitsunfähigkeit infolge der „neuen“ Krankheit erst jetzt eingetreten sei, hat der Arbeitnehmer als anspruchsbegründende Tatsache darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass die neue Arbeitsunfähigkeit erst zu einem [X.]punkt eingetreten ist, zu dem die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits beendet war ([X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 19 f., [X.]E 155, 196; so auch die [X.] im Schrifttum, zuletzt bspw. [X.]/[X.] 4. Aufl. § 80 Rn. 74; Laws FA 2017, 101, 106 f.; [X.]/[X.] 8. Aufl. EFZG § 3 Rn. 78; [X.]/[X.] (2019) BGB § 616 Rn. 538; [X.]/[X.] 20. Aufl. EFZG § 3 Rn. 44; [X.]/[X.] 1. Dezember 2019 EFZG § 3 Rn. 63). Der Arbeitnehmer ist mit anderen Worten darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass seine bi[X.]erige Erkrankung bei Eintritt der mit neuer [X.] attestierten Arbeitsverhinderung keine Arbeitsunfähigkeit mehr ausgelöst hat. Das gilt auch dann, wenn sich an den ausgeschöpften Sechs-Wochen-[X.]raum des § 3 Abs. 1 [X.]tz 1 EFZG ein [X.] angeschlossen hat und der Arbeitnehmer in der Folge vom Arbeitgeber unter Vorlage einer neuen [X.] Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen einer sich unmittelbar an den [X.] anschließenden Arbeitsverhinderung verlangt.

bb) Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast unterscheidet sich insoweit von der bei [X.]. Deren rechtliche Bewertung in § 3 Abs. 1 [X.]tz 2 EFZG ist eine durch Gesetz zugunsten des Arbeitgebers getroffene Ausnahmeregelung von dem allgemeinen Grundsatz der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Zwar muss der Arbeitnehmer, der innerhalb der [X.]räume des § 3 Abs. 1 [X.]tz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist, darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt und - bestreitet der Arbeitgeber den Eintritt einer neuen, auf einem anderen Grundleiden beruhenden Krankheit - den Arzt von der Schweigepflicht entbinden. Doch hat die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung der Arbeitgeber zu tragen, weil nach der sprachlichen Fassung des § 3 Abs. 1 [X.]tz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG ihn und nicht den Arbeitnehmer die objektive Beweislast trifft ([X.] 10. September 2014 - 10 [X.] - Rn. 27, [X.]E 149, 101; 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 5 und 6 der Gründe, [X.]E 115, 206; [X.] ArbR-[X.]dB/[X.] 18. Aufl. § 98 Rn. 61; [X.]/[X.] 1. Dezember 2019 EFZG § 3 Rn. 73).

cc) Entgegen der Auffassung der Revision steht diesem Verständnis das Urteil des [X.] vom 5. November 2003 (- 5 [X.] -) nicht entgegen. Gegenstand dieser Entscheidung sind nicht Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, sondern Ansprüche des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug. Tritt der Arbeitgeber einem solchen Anspruch mit der Behauptung entgegen, der vormals arbeitsunfähige Arbeitnehmer sei im maßgeblichen Annahmeverzugszeitraum weiterhin infolge Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert, beruft er sich auf ein Unvermögen iSv. § 297 BGB. Nach dieser Bestimmung kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur [X.] des Angebots oder im Fall des § 296 BGB zu der für die [X.]andlung des Gläubigers bestimmten [X.] außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Die sprachliche Fassung von § 297 BGB gibt damit vor, dass der Arbeitgeber eine Einwendung erhebt, wenn er gegenüber einem Anspruch aus Annahmeverzug geltend macht, eine vor dem Streitzeitraum bestehende Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers habe nicht vor diesem geendet, sondern fortbestanden. Für die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Einwendung trägt der Arbeitgeber als Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast ([X.]Rspr., jüngst [X.] 28. August 2019 - 5 [X.] 381/19 - Rn. 7; 22. August 2018 - 5 [X.] - Rn. 25). [X.]ieraus lassen sich jedoch keine Rückschlüsse auf die Beweislastverteilung bei der Geltendmachung von [X.] nach § 3 Abs. 1 EFZG ziehen.

b) Für die Darlegung und den Nachweis von Beginn und Ende einer auf einer bestimmten Krankheit beruhenden Arbeitsunfähigkeit kann sich der Arbeitnehmer zunächst auf die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stützen (zu deren Beweiswert [X.]. [X.] 26. Febr[X.]r 2003 - 5 [X.] - zu I 1 der Gründe, [X.]E 105, 171; zu den ab 1. Jan[X.]r 2016 eingeführten Vordrucken vgl. [X.] ArbRB 2016, 47 ff., 93 ff.). Ist jedoch unstreitig oder bringt der Arbeitgeber gewichtige Indizien dafür vor, dass sich die Erkrankungen, hinsichtlich derer dem Arbeitnehmer jeweils Arbeitsunfähigkeit attestiert worden ist, überschneiden, so ist der Beweiswert der dem Arbeitnehmer hinsichtlich der „neuen“ Krankheit ausgestellten „[X.]“ erschüttert. Der Arbeitnehmer muss nunmehr für den [X.]punkt der Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit wegen einer „früheren“ Krankheit vor Eintritt der neuerlichen Arbeitsverhinderung vollen Beweis erbringen. Dafür steht ihm das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung (vgl. [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 155, 196).

aa) Bei der näheren Bestimmung der Anforderungen an die wechselseitige Darlegungslast der Parteien darf nicht übersehen werden, dass der Arbeitgeber in aller Regel keine Kenntnis von den Krankheitsursachen hat und kaum in der Lage ist, belastbare Indiztatsachen für das Vorliegen eines einheitlichen [X.] vorzutragen ([X.] 2017, 1976). Die für den Arbeitgeber bestehende Möglichkeit eines Auskunftsersuchens an die zuständige Krankenkasse nach § 69 Abs. 4 SGB X bezieht sich auf das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung und schließt die Übermittlung von Diagnosedaten ausdrücklich aus. Zudem greift die Bestimmung nur bei Arbeitnehmern ein, die in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind. Für privat Versicherte besteht kein entsprechender gesetzlicher Auskunftsanspruch. Unabhängig davon hat der Arbeitgeber keine Möglichkeit, die Mitteilung der Krankenkasse zu überprüfen. In Anbetracht dieser Schwierigkeiten hat das [X.] bereits erkannt, dass dem Arbeitgeber, der sich auf eine Fortsetzungserkrankung iSd. § 3 Abs. 1 [X.]tz 2 EFZG beruft, hinsichtlich der ihn insoweit treffenden Darlegungs- und Beweislast Erleichterungen zuzubilligen sind (vgl. dazu [X.] 13. Juli 2005 - 5 [X.] - zu I 6 der Gründe, [X.]E 115, 206). Entsprechendes hat in Bezug auf die vom Arbeitgeber im Rahmen von § 3 Abs. 1 [X.]tz 1 EFZG vorzutragenden Indizien für das Vorliegen eines einheitlichen [X.] zu gelten. Auch dabei ist der Unkenntnis des Arbeitgebers von den Krankeitsursachen angemessen Rechnung zu tragen.

bb) [X.]iervon ausgehend besteht ein hinreichend gewichtiges Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen [X.] regelmäßig dann, wenn sich an eine „erste“ Arbeitsverhinderung in engem zeitlichen Zusammenhang eine dem Arbeitnehmer im Wege der „[X.]“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit dergestalt anschließt, dass die bescheinigten [X.] zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder dass zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt. Bei solchen [X.]chverhalten ist es dem Arbeitgeber angesichts fehlender zwischenzeitlicher Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers nahezu unmöglich, konkrete Anhaltspunkte zur Erschütterung des [X.] der ärztlichen Bescheinigungen vorzutragen (vgl. [X.] 2017, 1976; zu weiteren [X.] 15. November 2016 - 12 [X.] 453/16 -). Es ist de[X.]alb dem Arbeitnehmer auch unter Berücksichtigung seiner [X.]chnähe zuzumuten, seine Behauptung, es lägen voneinander zu trennende [X.] vor, durch konkreten Vortrag zu den Krankheitsursachen sowie zum Ende bzw. Beginn der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit zu konkretisieren und hierfür ggf. vollen Beweis zu erbringen.

c) Im Streitfall ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den der Klägerin bescheinigten [X.] gegeben.

aa) Durch ihre behandelnden [X.]ausärzte wurde der Klägerin - unter Berücksichtigung der zuletzt ausgestellten „Folgebescheinigung“ - Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 18. Mai 2017 bescheinigt. Daran schloss sich die der Klägerin am 18. Mai 2017 durch ihre Gynäkologin ab dem 19. Mai 2017 im Wege einer [X.] attestierte Arbeitsunfähigkeit unmittelbar an. Schon ausgehend hiervon ist im Streitfall das Vorliegen eines einheitlichen [X.] ausreichend indiziert. Unabhängig davon spricht zudem viel für die Annahme des [X.]s, in dem unstreitigen Fortbestand der psychischen Erkrankung über den 18. Mai 2017 hinaus und der damit zusammenhängenden Behandlung der Klägerin liege ein ausreichendes Indiz für das Bestehen eines einheitlichen [X.].

bb) Es oblag somit der Klägerin, vollen Beweis für den Ausschluss eines einheitlichen [X.] zu erbringen. Das ist ihr nicht gelungen. Das [X.] hat hierzu auf Antrag der Klägerin drei behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen vernommen. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist es rechtsfehlerfrei von einem non liquet ausgegangen.

(1) Das Revisionsgericht kann die vom Berufungsgericht nach § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nur daraufhin überprüfen, ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei und ohne Verletzung von Denkgesetzen und allgemeinen [X.] erfolgt ist, ob sie rechtlich möglich ist und ob das Berufungsgericht alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat ([X.]Rspr., zB [X.] 28. Juni 2012 - 6 [X.] - Rn. 70 mwN, [X.]E 142, 225).

(2) Danach ist die Beweiswürdigung des [X.]s nicht zu beanstanden. Es hat alle fallrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt und das Ergebnis der Beweisaufnahme widerspruchsfrei gewürdigt. Soweit es den [X.] und die Zeugin S auf Antrag der Klägerin zu deren Behauptung vernommen hat, die Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung habe am 18. Mai 2017 geendet, hat es die Aussagen der Ärzte für nicht ergiebig erachtet. Die Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und ist nachvollziehbar. Das gilt umso mehr als der Zeuge Dr. R die Klägerin nach eigener Aussage letztmalig am 7. April 2017 persönlich gesehen hatte, und hierbei noch von einer Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 21. April 2017 ausgegangen war. Soweit der Zeuge geäußert hat, die von ihm festgestellte Arbeitsunfähigkeit wegen des psychischen Leidens sei am 18. Mai 2017 „abgeschlossen gewesen“, hat er dies nicht auf eigene Befunde, sondern darauf gestützt, dass die Klägerin nach diesem Termin in der [X.]ausarztpraxis nicht mehr vorstellig geworden sei. Dabei handelt es sich aber um nicht mehr als eine Vermutung des Arztes, die das [X.] zu Recht nicht von der zu beweisenden Tatsache überzeugen konnte. Die Zeugin S hat bekundet, sie habe die von ihr am 21. April 2017 und 5. Mai 2017 gezeichneten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in Vertretung ihres Kollegen Dr. R und nach dessen Vorgaben ausgestellt, ohne dabei die Klägerin untersucht oder persönlich gesprochen zu haben. We[X.]alb die Krankschreibung durch „Folgebescheinigungen“ zuletzt bis Donnerstag, den 18. Mai 2017 erfolgte, konnte die Zeugin nicht erläutern.

cc) [X.]at die Klägerin danach eine Beendigung der Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer psychischen Erkrankung vor dem 19. Mai 2017 nicht nachzuweisen vermocht, kam es auf die weitere Streitfrage der Parteien, ob das gynäkologische Leiden der Klägerin nicht erst am Tage ihrer Operation, sondern schon früher, jedenfalls am 18. Mai 2017, zu Arbeitsunfähigkeit geführt hat, nicht mehr entscheidungserheblich an. Es ist de[X.]alb unschädlich, dass sich das [X.] mit der Aussage der zu dieser Frage vernommenen Zeugin Dr. [X.] nicht näher auseinandergesetzt hat. Allerdings ergibt sich aus dem über die Vernehmung der Zeugin gefertigten Sitzungsprotokoll vom 29. August 2018, dass die Ärztin die Klägerin am 18. Mai 2017 nicht untersucht hat. Auch lässt die Aussage der Ärztin nicht erkennen, dass sie sich am 18. Mai 2017 nach anderweitigen Erkrankungen der Klägerin und einer diesbezüglich ggf. von anderer Seite erfolgten Krankschreibung erkundigt hat. Ob dazu unter den gegebenen Umständen zwingend Anlass bestand, hat der [X.] nicht zu bewerten. Der Aussage der Ärztin ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass sie sich am 18. Mai 2017 ein umfassendes Bild von dem seelischen und körperlichen Gesundheitszustand der Klägerin verschafft hat.

3. Da es der Klägerin bereits aus den dargestellten Gründen nicht gelungen ist, das Bestehen eines einheitlichen [X.] auszuschließen, kann im Streitfall offenbleiben, ob sich der einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allgemein zuerkannte hohe Beweiswert überhaupt auf die Tatsache bezieht, dass die Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers am letzten Tag der Bescheinigung endet, und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der nach § 5 Abs. 4 [X.]tz 3 der Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen der stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) idF des Beschlusses vom 20. Oktober 2016 ([X.] [X.] 23. Dezember 2016 B5) bestehenden Möglichkeit zukommt, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als „Endbescheinigung“ zu kennzeichnen, wenn zum [X.]punkt ihrer Ausstellung bereits sicher eingeschätzt werden kann, dass die Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des bescheinigten [X.]raums enden wird (vgl. dazu [X.] ArbRB 2016, 47, 48). Auch kommt es nicht darauf an, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, mit denen der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bis zum 18. Mai und ab dem 19. Mai 2017 bescheinigt wurde, jeweils ohne ärztliche Untersuchung ausgestellt wurden. Dass eine solche Untersuchung nach § 4 Abs. 1 [X.]tz 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen hat, ist aber einer der Gründe dafür, we[X.]alb nach der Lebenserfahrung der ärztlichen Bescheinigung in der Rechtsprechung des [X.] hinsichtlich der Darlegung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung ein hoher Beweiswert zuerkannt wird (vgl. nur [X.] 26. Febr[X.]r 2003 - 5 [X.] - zu I 1 der Gründe, [X.]E 105, 171 sowie grundlegend [X.] 11. August 1976 - 5 [X.] - zu 3 a der Gründe, [X.]E 28, 144). Daher wird auch im Schrifttum bezweifelt, ob einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die unter Nutzung neuer telemedizinischer Möglichkeiten zustande gekommen ist, ein Beweiswert für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit bei der Geltendmachung des Entgeltfortzahlungsanspruchs zuerkannt werden kann (zur Problematik vgl. nur Jüngst [X.], 163, 165 ff.; [X.] ArbRB 2019, 147). Dies bedarf im Streitfall indes keiner näheren Erörterung und Beantwortung.

4. Nach dem Grundsatz der Einheit des [X.] konnte die Klägerin somit für die [X.] vom 7. Febr[X.]r bis zum 30. Juni 2017 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nur einmal für die Dauer von sechs Wochen verlangen. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte diesen Anspruch durch die bis zum 20. März 2017 erbrachten Leistungen erfüllt hat.

5. Mangels [X.]auptforderung besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Zinsen.

II. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    [X.]    

        

    Volk    

        

    Berger    

        

        

        

    S. Teichfuß    

        

    Bormann    

                 

Meta

5 AZR 505/18

11.12.2019

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hannover, 7. März 2018, Az: 11 Ca 378/17, Urteil

§ 3 Abs 1 S 1 EntgFG, § 286 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2019, Az. 5 AZR 505/18 (REWIS RS 2019, 498)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 563-564 REWIS RS 2019, 498

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 AZR 318/15 (Bundesarbeitsgericht)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Einheit des Verhinderungsfalls


10 AZR 651/12 (Bundesarbeitsgericht)

Vorsorgekur - Arbeitsunfähigkeit - Fortsetzungserkrankung


11 Sa 390/19 (Landesarbeitsgericht Köln)


5 AZR 149/21 (Bundesarbeitsgericht)

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Beweiswert


5 AZR 197/20 (Bundesarbeitsgericht)

Überzahltes Entgelt - Verfall des Rückzahlungsanspruchs


Referenzen
Wird zitiert von

1 Ca 330/22

8 Ga 20/23

1 Ca 241/22

1 Sa 127/23

8 Ca 922/23

11 Sa 390/19

1 Ta 105/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.