Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2010, Az. V ZB 176/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2091

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.][X.] vom 21. Oktober 2010 in der [X.]- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 21. Oktober 2010 durch [X.] [X.], [X.] [X.], [X.] und [X.] und die Richterin [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 29. Zivilkammer des [X.] vom 21. Juni 2010 den Betroffenen in seinen Rechten ver-letzt hat. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechen-den Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in den [X.] werden dem [X.] auferlegt. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 3.000 •. Gründe: [X.] Der Betroffene ist afghanischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Anga-ben reiste er am 6. Mai 2010 von [X.] über [X.] und [X.] in die [X.] ein. Er meldete sich am 7. Mai 2010 gegen 0.10 Uhr bei der [X.] in [X.]. Dort wurde er wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das [X.] vorläufig festgenommen, weil er keine Identitäts-papiere vorlegen konnte. 1 - 3 - Der Betroffene, der über keinen Aufenthaltstitel für die [X.] verfügt, hatte bereits in [X.] und [X.] Asylanträge gestellt. 2 Auf den Antrag der Beteiligten zu 2 ordnete das Amtsgericht die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 6. August 2010 an. Die hiergegen ge-richtete Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen, ohne den Betroffe-nen persönlich angehört zu haben. 3 Am 1. Juli 2010 wurde der Betroffene aus der Haft entlassen, weil sein Verfahrensbevollmächtigter bei dem Verwaltungsgericht vorläufigen Rechts-schutz gegen die Zurückschiebung nach [X.] beantragt hatte. 4 Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass die Entscheidung des [X.]s ihn in seinen Rechten verletzt hat. 5 I[X.] Das Beschwerdegericht hat u.a. ausgeführt, dass die Haftgründe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 5 [X.] erfüllt seien. Der Betroffene habe nicht nach § 62 Abs. 2 Satz 3 [X.] glaubhaft gemacht, dass er sich der Zurück-schiebung nicht entziehen werde. Zwar habe er sich bei der [X.] ge-meldet. Jedoch verfüge er weder über einen festen Wohnsitz noch über persön-liche Bindungen und sei schon zweimal aus [X.] ausgereist. Es könne auch davon ausgegangen werden, dass die Zurückschiebung innerhalb der [X.] (§ 62 Abs. 2 Satz 4 [X.]) erfolge. 6 II[X.] 1. Die auf Feststellung nach § 62 Abs. 1 FamFG gerichtete Rechtsbe-schwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthaft (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - [X.], [X.] 2010, 152 Rn. 4; [X.] vom 17. Juni 2010 - [X.], juris Rn. 7, 9) und auch im Übrigen zulässig (§ 71 Abs. 1 FamFG). 7 - 4 - 2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Entschei-dung des [X.] hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt (§ 62 Abs. 1 FamFG). Denn die Feststellung, der Betroffene habe durch sein Verhalten deutlich gemacht, dass er nicht nach [X.] möchte, sondern in [X.] bleiben und sich der Zurückschiebung entziehen wolle, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Beschwerdegericht hätte den Betrof-fenen anhören müssen. 8 a) Die persönliche Anhörung des Betroffenen ist nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG auch im Beschwerdeverfahren grundsätzlich zwingend vorgeschrie-ben. Hiervon darf das Beschwerdegericht nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG nur absehen, wenn eine ordnungsgemäße persönliche Anhörung des Betroffenen in erster Instanz erfolgt ist und zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhö-rung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschluss vom 28. Januar 2010 - [X.], [X.] 2010, 163; Beschluss vom 4. März 2010 - [X.], [X.], 323 Rn. 13; Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], juris Rn. 8). 9 b) Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Denn seit dem Erlass der Haftanordnung hatten sich neue Gesichtspunkte ergeben, die eine persönliche Anhörung erforderlich machten. Der Betroffene hatte nämlich im Beschwerde-verfahren u.a. geltend gemacht, er sei nach [X.] gekommen, um hier einen Asylantrag zu stellen; deshalb habe er sich bei der [X.] gemel-det. Er werde sich bis zur Entscheidung darüber, ob ein Asylverfahren in [X.] durchgeführt werde, in einer Aufnahmeeinrichtung zur Verfügung halten und nicht untertauchen. 10 c) Zutreffend weist der Betroffene darauf hin, dass der ernsthafte Wille, ein Asylverfahren durchzuführen, in die Beurteilung, ob er ohne die Freiheits-entziehung untertauchen wird, einzustellen ist. Dabei kommt insbesondere dem Umstand, dass der Betroffene sich aus freien Stücken bei der [X.] 11 - 5 - gemeldet hat, eine Bedeutung zu, die nicht ohne weiteres hinter die nach [X.] des [X.] maßgeblichen Umstände - den fehlenden festen Wohnsitz, die fehlenden [X.] Bindungen in [X.] und die zweimalige Ausreise aus [X.] - zurücktreten kann. Denn der Betroffene hat die wiederholte Ausreise aus [X.] mit den Verhältnissen, unter denen Asylbewerber dort leben müssen, plausibel begründet. Ob dieses Vorbringen glaubhaft ist, kann nur aufgrund einer persönlichen Anhörung des Betroffenen hinreichend sicher beantwortet werden (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - [X.], [X.] 2010, 152 Rn. 10). 3. Wegen dieses Verfahrensfehlers hat die Entscheidung des Beschwer-degerichts den Betroffenen in seinem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt (vgl. § 62 Abs. 1 FamFG). Denn das Unterlassen der notwendigen mündlichen Anhörung im Beschwerdeverfahren drückt wegen deren grundle-gender Bedeutung der gleichwohl aufrechterhaltenen Haft zur Sicherung der Zurückschiebung den Makel einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf, der durch die Nachholung der Maßnahme - jedenfalls im Fall der Erledigung der Hauptsache - rückwirkend nicht mehr zu tilgen ist (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - [X.], [X.] 2010, 152 Rn. 10). 12 IV. [X.] beruht auf §§ 83 Abs. 2, 81 Abs. 1, 430 FamFG; unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Abs. 5 [X.] entspricht es billi-gem Ermessen, das [X.] als derjenigen Körperschaft, der die [X.] angehört, zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfol-gung notwendigen Auslagen des Betroffenen zu verpflichten (vgl. Senat, [X.] vom 22. Juli 2010 - [X.], juris Rn. 18). 13 - 6 - Die Festsetzung des [X.] folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO. 14 [X.] [X.] Schmidt-Räntsch

Roth Brückner Vorinstanzen: AG [X.] am Main, Entscheidung vom 07.05.2010 - 934 XIV 1232/10 - LG [X.]/Main, Entscheidung vom [X.] - 2-29 T 88/10 -

Meta

V ZB 176/10

21.10.2010

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2010, Az. V ZB 176/10 (REWIS RS 2010, 2091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2091

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZB 78/10 (Bundesgerichtshof)

Abschiebungshaftverfahren: Zulässigkeit des Haftaufhebungsantrags neben dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft; von der …


V ZB 265/10 (Bundesgerichtshof)

Ausländerrecht: Prognose über mögliche Abschiebung innerhalb der angeordneten Haftdauer


V ZB 265/10 (Bundesgerichtshof)


V ZB 78/10 (Bundesgerichtshof)


V ZB 13/10 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZB 184/09

V ZB 2/10

V ZB 222/09

V ZB 3/10

V ZB 28/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.