Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.03.2014, Az. 28 W (pat) 578/12

28. Senat | REWIS RS 2014, 6767

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Anmeldung einer aus kyrillischen Schriftzeichen bestehenden Wort-Bild-Marke "Omas Gurken" - Freihaltungsbedürfnis - Täuschungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2012 027 340.8

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 26. März 2014 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin kraft Auftrags Kriener

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke 30 2012 027 340.8

Abbildung

2

ist am 26. April 2012 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

3

Klasse 29: [X.], tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Essiggurken (Cornichons);

4

Klasse 31: Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse (soweit in Klasse 31 enthalten); frisches Obst und Gemüse; Gurken (soweit in Klasse 31 enthalten);

5

Klasse 35: Dienstleistungen eines Groß- und/oder Einzelhändlers in Bezug auf Lebensmittel, insbesondere frisches, konserviertes oder gekochtes Gemüse, insbesondere Gurken.

6

Die Markenstelle für Klasse 29 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 21. September 2012 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, bei dem angemeldeten Bildzeichen handle es sich um ein kyrillisches Schriftzeichen, das in der Übersetzung „Omas Gurken“ bedeute. Das Zeichen enthalte damit einen beschreibenden Hinweis darauf, dass es sich bei den beanspruchten Waren um Gurken handle, die nach Großmutterart, also nach traditioneller ([X.]) Art und Weise hergestellt und beschaffen seien. Auch die hier beanspruchten Waren „[X.], tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse (soweit in Klasse 31 enthalten); frisches Obst und Gemüse“ könnten diese Art von Gurken beinhalten bzw. sich auf diese Ware beziehen. Dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] stehe hier auch nicht entgegen, dass es sich um eine fremdsprachige Angabe in kyrillischer Schrift handle. Denn der Handel mit den baltischen [X.] und [X.] expandiere aufgrund entsprechender Handelsabkommen und Wirtschaftsvereinbarungen, wovon auch der Lebensmittelbereich in ansteigendem Maße betroffen sei. Daher würden im Zusammenhang mit dem regen [X.] mit [X.] auch [X.] Gurkensorten (sowie Obst und anderes Gemüse) mit den fremdsprachigen Bezeichnungen auf dem [X.] Markt vertrieben bzw. diesbezügliche Dienstleistungen angeboten und entscheidungserhebliche inländische Verkehrskreise die entsprechenden Schriftzeichen verstehen. Angesichts der Verwendung kyrillischer Schriftzüge auf dem Frontetikett erwarte der angesprochene Verkehr, dass es sich um ein in [X.] hergestelltes Produkt handle. Selbst wenn nur ein relativ kleiner Teil der allgemeinen Durchschnittsverbraucher dieses [X.] verstehen sollten, so sei es jedenfalls dem einschlägigen inländischen [X.]n Handel als Produktbezeichnung im Sinne von „[X.]“ ohne weiteres geläufig. Die am Handel beteiligten Fachkreise, auf die allein abgestellt werden könne, würden damit sofort und ohne weiteres Nachdenken einen konkreten und direkten Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellen können. Es handle sich um gängige Ausdrücke einer mit einer Welthandelssprache vergleichbaren Sprache, die im Handelsverkehr zur Beschreibung der betroffenen Waren und Dienstleistungen dienten. Das Anmeldezeichen erlange auch nicht durch grafische Elemente die erforderliche Unterscheidungskraft. Bei dem in schwarzer Schrift dargestellten kyrillischen, aus zwei Begriffen bestehenden Schriftzeichen handle es sich gerade nicht um einen eigenständigen Bildbestandteil, der eine ausreichend bildhafte Verfremdung der nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteile bewirken und von der Sachangabe, dass es sich um aus [X.] stammende „Gurken nach Großmutters Art“ handle, wegführen könne. Das angemeldete Zeichen eigne sich daher nicht als betrieblicher Herkunftshinweis. Zudem sei das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erfüllt, da sich das hier in Rede stehende Zeichen darin erschöpfe, die Art oder Beschaffenheit der beanspruchten Waren sowie diesbezüglicher Dienstleistungen wiederzugeben.

7

Hiergegen richtet sich die zulässige Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ausführt, dass entgegen der Annahme der Markenstelle für die Beurteilung der Unterscheidungskraft nicht nur auf ein sprachliches Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise, sondern vorrangig auf den Endverbraucher abzustellen sei. Ein Warenangebot mit [X.]n Lebensmitteln gehöre heute bereits in vielen [X.] Supermärkten zum Standardangebot. Die beanspruchten und mit dem Anmeldezeichen gekennzeichneten Produkte richteten sich somit nicht nur an den kleinen Kreis [X.] Händler und Verbraucher, sondern daneben auch an alle inländischen Verbraucher. Vor diesem Hintergrund würden in kyrillischer Schrift wiedergegebene Bezeichnungen von einem erheblichen Teil der angesprochenen inländischen Verbraucher, die der [X.]n Sprache in Wort und Schrift nicht mächtig seien, „bildlich“ wahrgenommen und deshalb als Herkunftshinweis aufgefasst. Selbst die Teile des [X.] Publikums, die kyrillische Buchstaben lesen könnten, seien nicht ohne weiteres in der Lage, den Bedeutungsgehalt im Wege der Transliteration zu ermitteln, da ihnen die beiden [X.]n Begriffe des [X.] überwiegend unbekannt sein dürften. Des Weiteren stelle die Bezeichnung „Omas Gurken“ mangels einer eindeutigen Bedeutung keine unmittelbar beschreibende Sachaussage hinsichtlich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dar. Sogar im Zusammenhang mit Gurken lasse die Bezeichnung offen, um was für Gurken ([X.] Salat-, Essig- oder Salzgurken) es sich handle. Auch die Angabe „Omas“ lasse dies nicht erkennen, selbst wenn darin ein Hinweis auf eine traditionelle Art und Weise der Herstellung oder Zubereitung der Gurken gesehen werden sollte. Insgesamt würden mit dem Anmeldezeichen daher allenfalls diffuse Eigenschaften der fraglichen Produkte assoziiert, ohne diese jedoch direkt zu beschreiben. Aus den o. g. Gründen sei auch ein Freihaltebedürfnis an dem angemeldeten Zeichen zu verneinen.

8

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

9

den Beschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 29, vom 21. September 2012 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Klasse 29: [X.], tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Gemüse; Essiggurken (Cornichons);

Klasse 31: Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse (soweit in Klasse 31 enthalten); frisches Gemüse; Gurken (soweit in Klasse 31 enthalten);

Klasse 35: Dienstleistungen eines Groß- und/oder Einzelhändlers in Bezug auf Lebensmittel, insbesondere frisches, konserviertes oder gekochtes Gemüse, insbesondere Gurken

das absolute Schutzhindernis der Freihaltebedürftigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

a) Dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterfallen solche Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Mit diesem Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten werden (vgl. [X.] GRUR 2004, 680, 681 Rdnr. 35, 36 - [X.]; [X.], 723, 725 Rdnr. 25 - [X.]). Das Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendung solcher Merkmale gilt grundsätzlich auch für Marken, die aus fremdsprachigen Wörtern bestehen, wobei auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 – Matratzen Concord/[X.]).

b) Bei dem Anmeldezeichen handelt es sich ausweislich der Recherchen des [X.] um zwei in kyrillischer Schrift abgebildete Worte der [X.]n Sprache mit der Gesamtbedeutung von „Omas Gurken“, was sich zwanglos in [X.] ermitteln lässt.

In dieser Bedeutung stellt das Anmeldezeichen einen unmittelbar beschreibenden Sachhinweis auf die Art und die Beschaffenheit der o. g. Waren der Klassen 29 und 31 dar, nämlich, dass es sich um (Gemüse bzw. Erzeugnisse in Form von) Gurken handelt, die aus [X.] kommen und nach Großmutterart, also nach traditioneller ([X.]) Art und Weise hergestellt bzw. beschaffen sind. Der Hinweis „Omas“ bzw. „Oma´s“ wird im Zusammenhang mit Lebensmitteln häufig in diesem Sinne anpreisend verwendet; dies war auch schon im Anmeldezeitpunkt der Fall (vgl. [X.] (pat) 91/03 – Omas Glühwein). Dass dabei der Bezeichnung „Omas Gurken“ keine Einzelheiten, wie [X.] die konkrete Art der Gurken, zu entnehmen sind, schließt den allgemein beschreibenden Charakter nicht aus (vgl. [X.] – Omas Glühwein).

Die beanspruchten „Dienstleistungen eines Groß- und/oder Einzelhändlers in Bezug auf Lebensmittel, insbesondere frisches, konserviertes oder gekochtes Gemüse, insbesondere Gurken“ werden durch die Bezeichnung „Omas Gurken“ dahingehend beschrieben, dass diese Dienstleistungen Gurken, die nach traditioneller ([X.]) Art und Weise hergestellt bzw. beschaffen sind, zum Gegenstand haben.

c) Zwar dürfte [X.] – jedenfalls im maßgeblichen Anmeldezeitpunkt (26. April 2012), zu dem [X.] noch kein [X.] war (Beitritt erst am 22. August 2012, vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Mitgliedstaaten_der_WTO) – noch nicht zu den Welthandelssprachen (nach neuerer Definition) gehört haben, bei denen eine grundsätzliche Eignung zur Beschreibung von der Rechtsprechung bislang ohne Weiteres angenommen wurde (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rdnr. 401).

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist die in kyrillischer Schrift wiedergegebene [X.] Bezeichnung aber selbst dann freihaltebedürftig, wenn sie nicht von einem überwiegenden Teil der allgemeinen inländischen Verkehrskreise, insbesondere der überwiegenden Zahl der Durchschnittsverbraucher, verstanden wird. Denn das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] erfordert keine einhellige oder überwiegende Verkehrsauffassung (vgl. [X.], 865, 869 "SPA"; 24 W (pat) 51/05 - [X.]). Vielmehr ist ein derartiger beschreibender Charakter in gleicher Weise rechtlich relevant, wenn er nur von den am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen erkannt wird ([X.] GRUR 2010, 534 – [X.]; a. a. [X.] – Matratzen Concord/[X.]; [X.]/[X.], a. a. [X.], § 8 Rdnr. 396 m. w. N.). Damit können im Einzelfall selbst die Kenntnisse eines relativ kleinen Teils aller beteiligten Verkehrskreise einer Markeneintragung entgegenstehen, zumal jeder Mitbewerber beschreibende Angaben frei verwenden können muss (vgl. [X.] a. a. [X.] – [X.]).

Ob die lexikalisch nachweisbare Bezeichnung bereits im Anmeldezeitpunkt für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen tatsächlich beschreibend verwendet wurde, kann dagegen dahinstehen (vgl. [X.] GRUR 2004, 146, 147 Rdnr. 32 – [X.]). Vielmehr genügt es in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], dass sie zu diesem Zweck verwendet werden könnte. Eine begriffliche Unschärfe des [X.], die die Anmelderin geltend macht, steht der Annahme eines Schutzhindernisses ebenfalls nicht entgegen, da es ausreicht, wenn das Zeichen zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen bezeichnet ([X.] a. a. [X.] – [X.]), wie dies hier der Fall ist.

2. Im Zusammenhang mit den weiter beanspruchten Waren der

Klasse 29: [X.], tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst;

Klasse 31: frisches Obst

Denn die angesprochenen maßgeblichen Verkehrskreise, die die Bedeutung des [X.] im Sinne von „Omas Gurken“ verstehen werden (s. o. Ziff. 1), erwarten bei den damit gekennzeichneten o. g. Waren der Klasse 29 und 31 solche, die konservierte, tiefgekühlte, getrocknete oder gekochte bzw. frische Gurken (nach traditioneller Art) beinhalten oder darstellen, während sie sich nach der Fassung des [X.] aber nur auf Obst beziehen. Das Publikum wird deshalb bei einer Verwendung der angemeldeten Bezeichnung für die im [X.] aufgeführten fraglichen Obstwaren stets in seiner berechtigten Erwartung getäuscht werden, Gurken bzw. ein Gurken enthaltenes Produkt zu erhalten, weshalb die Eignung zur Täuschung ersichtlich i. S. d. § 37 Abs. 3 [X.] ist. Es besteht auch keine Möglichkeit einer nicht täuschenden Verwendung der fraglichen Bezeichnung im Zusammenhang mit den o. g. Waren aus Obst. Auf die Modalitäten der Markenbenutzung kommt es dabei nicht an, d. h. eine in der angemeldeten Form täuschende Marke wird nicht dadurch eintragbar, dass möglicherweise mittels erläuternder Zusätze bei der Benutzung - z.B. auf Etiketten - die Irreführungsgefahr ausgeschlossen werden könnte (BPatGE 45, 1, 3 - Kombucha; BPatG 26 W (pat) 57/10 - Schlehdorn; 28 W (pat) 546/10 – [X.]; [X.]/[X.], a. a. [X.], § 8 Rdnr. 579 und 582).

III.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim [X.], [X.]. 45 a, 76133 [X.], durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.

Meta

28 W (pat) 578/12

26.03.2014

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.03.2014, Az. 28 W (pat) 578/12 (REWIS RS 2014, 6767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6767

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

28 W (pat) 527/18 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – „Mein Plattfisch“ – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis – keine Täuschungsgefahr


30 W (pat) 566/20 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdesache – "My-My (Wort-/Bildmarke) /MY-MY (Wortmarke)" - Verwechslungsgefahr


28 W (pat) 535/18 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Tierreich" – Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis – Täuschungsgefahr


28 W (pat) 531/12 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Edle Ernte" – Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


25 W (pat) 32/19 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Tierwohl Label" – fehlende Unterscheidungskraft


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.