Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 18.08.2022, Az. 2 BvR 1276/20

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2022, 4810

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Ablehnung eines Antrags auf Auslagenerstattung nach Erledigterklärung der Verfassungsbeschwerde


Tenor

Der Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen des [X.] wird abgelehnt.

Gründe

1

1. Über die Verfassungsbeschwerde ist nicht mehr zu entscheiden, weil die Beschwerdeführerin das Verfassungsbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 8. Juli 2020 für erledigt erklärt hat.

2

2. Der sinngemäße Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist unbegründet.

3

Nach Erledigung der Verfassungsbeschwerde ist über die Auslagenerstattung gemäß § 34a Abs. 3 [X.] nach [X.] zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 [X.]), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen (vgl. [X.] 49, 70 <89>) dar (vgl. [X.] 66, 152 <154>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des [X.] findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. [X.] 33, 247 <264 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 29. Mai 2018 - 2 BvR 2767/17 -, Rn. 13). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall - falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind - davon ausgegangen werden kann, dass sie deren Begehren selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. [X.] 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>). Das ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, wenn die Verfassungsbeschwerde unzulässig war (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 13. April 2011 - 1 BvR 689/11 -, Rn. 4; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 9. Oktober 2014 - 2 BvR 550/14 -, juris, Rn. 3; Beschluss der [X.] des [X.] vom 23. Januar 2019 - 1 BvR 2066/18 -, juris, Rn. 2 f.; Beschluss der [X.] des [X.] vom 9. Juli 2020 - 1 BvR 1054/20 -, Rn. 2 f.).


4

Nach diesen Maßstäben entspricht es nicht der Billigkeit, die Auslagenerstattung anzuordnen.

5

Zwar hat das [X.] die angegriffenen Beschlüsse der [X.] vom 17. März 2020 und des Amtsgerichts vom 15. Januar 2020 durch Beschluss vom 22. Juni 2020 aufgehoben, sodass auch der weitere angegriffene Nichtabhilfebeschluss vom 12. Februar 2020 wirkungslos geworden ist. Es sprechen jedoch andere Gründe, nämlich die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, gegen eine Anordnung der Auslagenerstattung. Der Rechtsweg war bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde vor der Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] erschöpft. Es wäre erforderlich gewesen, dass die Beschwerdeführerin vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg nicht nur formell, sondern auch in der gehörigen Weise unter Nutzung der gegebenen Möglichkeiten durchläuft, um auf die Vermeidung oder Korrektur des gerügten Grundrechtsverstoßes hinzuwirken (vgl. [X.] 112, 50 <60>). Wurde die Anhörungsrüge im fachgerichtlichen Verfahren tatsächlich erhoben, gehört sie auch dann zu dem zu erschöpfenden Rechtsweg, wenn mit der Verfassungsbeschwerde keine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG geltend gemacht wird; entscheidend ist insofern allein, dass das vor dem letztinstanzlichen Fachgericht durchgeführte [X.] nicht offensichtlich aussichtslos war (vgl. [X.] 134, 106 <114> zur fristbestimmenden Wirkung des [X.]s). Dies ist vorliegend der Fall. Die Beschwerdeführerin hat mit der Anhörungsrüge eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gerügt. Diese Rüge hat das [X.] für begründet erachtet.

6

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 1276/20

18.08.2022

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Berlin, 17. März 2020, Az: 55 T 11/20 WEG, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 18.08.2022, Az. 2 BvR 1276/20 (REWIS RS 2022, 4810)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4810 NJW 2022, 3704 REWIS RS 2022, 4810

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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