Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.10.2013, Az. V ZR 15/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1884

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 15/13
vom

17. Oktober 2013

in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 17. Oktober 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und [X.], die Richterin Weinland und den Richter Dr. Kazele
beschlossen:

Die Beschwerde der Streithelfer gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14.
Zivilsenats des [X.] vom 21. Dezember 2012
wird zurückgewiesen.
Die Streithelfer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der den Klägern entstandenen Kosten.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt

Gründe:
I.
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks in einem in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts erschlossenen Baugebiet. Oberhalb des [X.] liegt ein Waldgrundstück des [X.]n. Auf diesem befindet sich ein Bachlauf, der nicht durchgängig Wasser führt. Aus dem Bach wird durch ein vom Grundstück des [X.]n ausgehendes, danach in der [X.] verlegtes Rohrsystem Oberflächenwasser in das Entwässerungssystem der [X.] abgeleitet. Die Leitung wurde nicht von dem [X.]n hergestellt; ob sie von dem
Streithelfer zu 1 (einem Wasserverband) oder von den früheren Eigentümern der
tiefer gelegenen Grundstücke auf Grund einer gegenüber der Gemeinde (der Rechtsvorgängerin der Streithelferin zu 2) übernommenen Ver-pflichtung zur Erschließung des Baugebiets angelegt wurde, ist streitig.
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Im Juni 2006 kam es nach einem Starkregen zu einer Überflutung des Bachlaufs, wobei Erdmassen vom Hang abrutschten und diese durch die [X.] auch auf das Grundstück der Kläger gelangten. Nach den von den Parteien nicht angegriffenen, auf einem Sachverständigengutachten beruhenden Fest-stellungen des Berufungsgerichts bestand die Ursache für das wild abfließende Wasser darin, dass an dem auf dem Grundstück des [X.]n befindlichen Einlauf in das Rohrsystem ein zum Schutz vor Verstopfung ungeeignetes Gitter angebracht war, das sich u.a. mit Laub zugesetzt hatte. Ohne das verstopfte Gitter wäre das Rohrsystem in der Lage gewesen, die Wassermassen ohne eine Überflutung der tiefer liegenden Grundstücke abzuleiten. Nach dem Scha-densereignis ist der Einlauf zu dem Rohrsystem von dem
Streithelfer zu 1 ver-legt und
mit einem anderen Einlauf versehen worden.
Die Kläger, denen durch das Abrutschen der Erdmassen ein Schaden [X.]n den Ersatz dieses Betrags verlangt und dem Wasserverband, der Stadtgemeinde sowie den [X.] den Streit verkündet. Das [X.] hat sie abgewiesen. Die Streithelfer wollen mit der Nichtzulas-sungsbeschwerde die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.
II.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 178 ff. [X.] ist, verneint einen Anspruch der Kläger auf Ausgleich der ihnen durch das Gemisch aus Sand, Steinen und Schlamm entstanden Schäden.
Ein Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehe deshalb nicht, weil der [X.] die auf ein Naturereignis zurückgehende Beeinträchtigung des 2
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Grundstücks der Kläger weder durch eigene Handlungen ermöglicht noch durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt habe. Der [X.] habe die Rohr-leitung nicht angelegt und ziehe keinen Nutzen aus ihr. Er sei auch nicht aus der Unterhaltungspflicht des Eigentümers für die in und an fließenden Gewäs-sern befindlichen Anlagen nach § 94 [X.] für deren Zustand verantwort-lich. Für die Unterhaltungspflicht könne nicht allein auf das Eigentum des Grundstückseigentümers nach §§ 93, 94 BGB an den sich auf seinem Grund-stück befindlichen Teilen der Anlagen abgestellt werden, wenn der Eigentümer nicht
die Befugnis habe, auf den Bestand oder den Zustand der Anlage [X.]. So liege es hier, weil der [X.] auf Grund der Beschränkungen sei-nes Eigentums durch das Wasserecht nach §
1a Abs. 4 Nr. 2 [X.] aF (jetzt § 4 Abs. 3 Nr. 2 [X.]) nicht berechtigt gewesen sei, bauliche Änderungen an der Rohrleitung -
durch das Anbringen eines anderen, sich nicht mit Blättern und anderen Waldabfällen zusetzenden Gitters vor dem [X.] -
vorzunehmen. Der [X.] habe lediglich die Anlage auf seinem Grundstück zu dulden.
Der [X.] sei auch nicht wegen Verletzung einer Verkehrssicherungs-pflicht nach § 823 Abs. 1 BGB den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet. Ihn treffe keine Unterhaltungspflicht für die Anlage. Da zudem weder vorgetra-gen noch ersichtlich sei, dass ein anderes Gitter montiert worden wäre, ergebe sich eine Schadensersatzpflicht des [X.]n auch nicht aus dem Umstand, dass dieser vor einigen Jahren das umgefallene Gitter vor dem Einlauf wieder aufgestellt habe.
[X.]
[X.] ist zurückzuweisen.

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1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-chung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO wegen der vorgetragenen Abweichung des Berufungsurteils von Entscheidungen des [X.] ([X.] 1994, 373 ff; [X.] 2011, 35 ff und Urteil vom 7. Juni 2004

20 A 4757/01, veröffentlicht in juris) sowie des [X.] (Urteil vom 28. April 2010 -
18 [X.], veröffentlicht in juris) bei der Ausle-gung des § 94 [X.]
NRW zuzulassen. Die gerügte Abweichung ist nicht ent-scheidungserheblich. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgezeigten Rechtsfragen zum Inhalt und Umfang der sich aus dem Wasserrecht ergeben-den Pflichten des Eigentümers einer Anlage an und in einem oberirdischen Gewässer stellen sich hier nicht. Der Rechtsstreit ist vielmehr im Ergebnis rich-tig entschieden, da den Klägern weder ein nachbarrechtlicher Ausgleichsan-spruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB noch ein Schadensersatzan-spruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungs-pflicht zusteht.
2. Es ist bereits zweifelhaft, ob -
wie es die Vorinstanzen angenommen haben -
der [X.] nach §
94 Abs. 1 BGB Eigentümer der Teile der nicht von ihm angelegten, allein dem Schutz anderer Grundstücke dienenden Rohranlage ist, soweit sich diese auf seinem Grundstück befinden. Es könnte an der Anlage auch selbständiges Eigentum nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB bestehen. Diese Frage bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, weil das angegriffene Beru-fungsurteil jedenfalls aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist.
a) Ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB der Kläger gegen den [X.]n besteht nicht. Dieser Anspruch setzt voraus, dass der Ei-gentümer eines Grundstücks als Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB für die Beeinträchtigung eines anderen Grundstücks verantwortlich ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. April 1991 -
[X.], [X.]Z 114, 183, 187). Die durch Natur-8
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ereignisse ausgelösten Störungen (hier durch eine Schlammlawine
nach einem Starkregen) sind dem Eigentümer eines Grundstücks nur dann zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn die Beein-trächtigung erst durch ein pflichtwidriges Verhalten herbeigeführt worden ist (Senat, Urteil vom 2. März 1984 -
V [X.], [X.]Z 90, 255, 266; [X.], Urteil vom 18. April 1991 -
[X.], aaO). So verhält es sich jedoch nicht, wenn der Einlass zu einer von [X.] zum Schutz vor einem Übertritt des Wassers auf tiefer gelegene Grundstücke angelegten Rohrleitung nicht ordnungsgemäß errichtet, erhalten oder gewartet worden ist. Nicht der Eigentümer eines höher gelegenen Grundstücks ist verpflichtet, durch Erhaltung und Reinigung eines solchen Abflusses für einen ausreichenden Schutz der tiefer gelegenen
Grund-stücke zu sorgen ([X.], Urteil vom 18. April 1991 -
[X.], [X.], 188 f); vielmehr haben grundsätzlich deren Eigentümer sich um den Schutz ihrer Grundstücke zu kümmern, wozu sie berechtigt sein können, auf dem höher gelegenen Grundstück die dafür erforderlichen Schutzmaßnahmen (etwa durch Anlegen eines Rohres zum Schutz ihrer (bebauten) Grundstücke vor wild ab-fließendem Oberflächenwasser zu ergreifen ([X.], Urteil vom 18. April 1991

[X.], aaO, 191 f). Eine solche Befugnis zur Errichtung einer Rohranlage auf einem höher gelegenen Grundstück zum Schutz der in einem tiefer gelege-nen Baugebiet gelegenen Grundstücke kann allerdings auch einem Unterneh-men der Entwässerung zustehen oder durch eine behördliche Anordnung [X.] werden (vgl. § 118 [X.]).
Eine gesetzliche Pflicht des Eigentümers eines oberliegenden Grund-stücks, die von anderen zum Schutze der tiefer gelegenen Grundstücke errich-teten Anlagen zu erhalten, wird auch nicht durch das Wasserrecht (§
94 [X.]; jetzt geregelt in §
36 [X.]) begründet. Die genannten wasserrechtlichen Vorschriften sollen allein nachteilige Auswirkungen auf das Gewässer (Beein-trächtigungen oder schädliche Gewässerveränderungen) durch Anlagen in und 11
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an oberirdischen Gewässern verhindern, jedoch nicht benachbarte Grundstücke vor aus der Anlage austretendem bzw. nicht durch die Anlage abgeführtem, wild abfließendem Oberflächenwasser schützen (vgl. [X.], Urteil vom 31. Januar 2011 -
5 [X.], juris Rn. 46).
b) Der [X.] ist auch nicht wegen Verletzung
einer Verkehrssiche-rungspflicht den Klägern gegenüber nach § 823 Abs. 1 BGB zum Schadenser-satz verpflichtet. Es ist nicht seine Sache, sondern die der geschädigten [X.] bzw. des
Streithelfers
zu 1,
sich darum zu kümmern, dass eine allein dem Schutz der tiefer gelegenen Grundstücke vor einem für deren Nutzung ge-fährlichen, unkontrolliert abfließenden Oberflächenwasser dienende Rohranlage sich in einem dazu geeigneten Zustand befindet.
3. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde im Zusammenhang mit dem
Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB gerügte Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG liegt offensichtlich nicht vor. Dass das Berufungsgericht den Parteivortrag oder die Feststellungen des Sachverständigen übergangen hätte, ist weder aufge-zeigt noch ersichtlich. Es ist lediglich der Rechtauffassung der Kläger und ihrer Streithelfer nicht gefolgt, dass der [X.] als Grundstückseigentümer für die Verwendung einer ungeeigneten Schachtabdeckung über der Rohranlage ver-antwortlich gewesen sei. Das vermag den Vorwurf einer Verletzung des Art.
103 Abs. 1 GG nicht zu begründen, weil der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs das Gericht zwar zur Kenntnisnahme und zur Erwägung des [X.] bei seiner Entscheidung, aber nicht dazu verpflichtet, der (hier überdies unrichtigen) Rechtsansicht einer Partei zu folgen (vgl.
BVerfGE
64, 1, 12; 87, 1, 33).
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub

Weinland
Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.12.2011 -
14 O 9/10 -

O[X.], Entscheidung vom 21.12.2012 -
19 U 17/12 -

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Meta

V ZR 15/13

17.10.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.10.2013, Az. V ZR 15/13 (REWIS RS 2013, 1884)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1884

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 15/13

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