Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.11.2010, Az. 4 StR 404/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1698

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Gegenstand

Verwertbarkeit von in Übereinstimmung mit der einstweiligen Anordnung des BVerfG übermittelten Verkehrsdaten: Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage in der späteren Hauptsacheentscheidung


Leitsatz

Zur Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer während der Geltungsdauer einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach deren einschränkenden Vorgaben gerichtlich angeordneten und vollzogenen Ermittlungsmaßnahme (hier: Anforderung und Übermittlung von Telekommunikations-Verkehrsdaten), wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Hauptsacheentscheidung die Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlage für die Ermittlungsmaßnahme feststellt .

Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten …-D. und [X.] wird das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2009

a) aufgehoben, soweit der Angeklagte [X.] und der frühere Mitangeklagte S. im Fall II. 1 der Urteilsgründe (jeweils wegen Diebstahls) verurteilt worden sind; in diesem Umfang wird das Verfahren eingestellt;

b) soweit es die Angeklagte …-D. und den früheren Mitangeklagten S. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten in den Fällen [X.] und [X.] nur eines [X.] schuldig sind; die im Fall [X.] der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen entfallen;

c) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass die Angeklagte ...-D. des Diebstahls in einunddreißig und des [X.] in sechs Fällen, der Angeklagte [X.] des Diebstahls in neunzehn und des [X.] in zwei Fällen sowie der frühere Mitangeklagte S. des Diebstahls in [X.] und des [X.] in neun Fällen schuldig sind;

d) hinsichtlich des Angeklagten [X.] aufgehoben, soweit über den Betrag von 13.862,43 € hinaus festgestellt ist, dass der Verfall des Wertersatzes wegen entgegen stehender Ansprüche von Verletzten unterbleibt und soweit der Umfang des aus den Taten [X.] über diesen Betrag hinaus bezeichnet ist; die weiter gehenden Feststellungen entfallen.

2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

3. Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten [X.] entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren eingestellt worden ist. Die Angeklagte ...-D. hat die Kosten ihres, der Angeklagte [X.] die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte ...-D. des Diebstahls in 31 Fällen sowie des [X.] in sieben Fällen, den Angeklagten [X.] in 20 Fällen sowie des [X.] in zwei Fällen und den früheren Mitangeklagten [X.] in 58 Fällen sowie des [X.] in zehn Fällen schuldig gesprochen. Es hat jeweils Gesamtfreiheitsstrafen verhängt, gegenüber der Angeklagten ...-D. eine solche von drei Jahren und drei Monaten, gegenüber dem Angeklagten [X.] eine solche von zwei Jahren und sechs Monaten sowie gegenüber dem früheren Mitangeklagten [X.] eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und – unter Einbeziehung der Strafen aus einem anderen Urteil – eine weitere von vier Jahren und sechs Monaten. Ferner hat es festgestellt, dass die Angeklagte ...-D. aus den Taten insgesamt 3.420,66 € bzw. der Angeklagte [X.] insgesamt 19.730,21 € erlangt haben und nur deshalb nicht auf den Verfall des Wertersatzes erkannt worden ist, weil dem die Ansprüche der in den Urteilsgründen im Einzelnen aufgeführten Verletzten entgegenstehen.

2

Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten jeweils die Verletzung materiellen Rechts. Die Angeklagte ...-D. beanstandet ferner das Verfahren. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; soweit die Fälle [X.], II. 54 und [X.] der Urteilsgründe betroffen sind, ist die Entscheidung gemäß § 357 [X.] auch auf den früheren Mitangeklagten [X.] zu erstrecken, der nicht Revision eingelegt hat. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

I.

3

Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen verübte der frühere Mitangeklagte [X.], zunächst ab Februar 2004 gemeinsam mit dem Angeklagten [X.] und spätestens ab Februar 2008 gemeinsam mit der Angeklagten ...-D., zahlreiche [X.], im Wesentlichen in öffentliche Gebäude wie Kindergärten, Schulen oder kirchliche Einrichtungen. Jeweils einer der beiden Angeklagten hatte die Aufgabe, [X.] zum Tatort zu fahren und diesen zu sichern, während [X.] in die jeweiligen Tatobjekte einbrach. Die Angeklagten sorgten in den Fällen, in denen sie beteiligt waren, auch für den Absatz der Beute, wobei der Verkaufserlös mit [X.] geteilt wurde. Während der Ausführung der einzelnen Taten stand [X.] mit [X.] bzw. ...-D. über Mobiltelefone in ständiger Verbindung, um gegebenenfalls unverzüglich gewarnt werden zu können.

4

In den Fällen, in denen EC-Karten mit den zugehörigen PIN aus den Gebäuden entwendet wurden, hoben [X.] und der jeweils tatbeteiligte Angeklagte entweder gemeinsam oder einer allein im [X.] mit den erbeuteten Karten Geld an Bankautomaten ab.

II.

5

Die Verurteilung wegen Diebstahls im Fall [X.] der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil insoweit Verjährung eingetreten ist; dies führt zur Verfahrenseinstellung gemäß § 206a Abs. 1 [X.].

6

Wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 31. August 2010 zutreffend ausgeführt hat, war der Haftbefehl vom 10. Februar 2009 nicht geeignet, eine Unterbrechung der Verjährungsfrist herbeizuführen, da er lediglich Taten aus dem [X.] betraf, nicht aber die Tat vom 14. Februar 2004 (Fall [X.] der Urteilsgründe). Zu einer vorherigen Unterbrechung (§ 78c StGB) der gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 i.V.m. §§ 242, 243 StGB fünf Jahre betragenden Verjährungsfrist ist es nicht gekommen. Das Verfahren wegen dieses Diebstahls wurde mit Verfügung vom April 2004 eingestellt, weil kein Täter ermittelt werden konnte (Fallakte 1, [X.]. 17). Erstmals aufgrund der geständigen Einlassung des früheren Mitangeklagten [X.] vom 9. März 2009 (Bd. "Vernehmungen", [X.]. 3114, 3117) wurden die Ermittlungen zu dieser Tat wieder aufgenommen und die betreffende Verfahrensakte mit Verfügung vom 11. Mai 2009 ([X.], [X.]. 860) angefordert.

7

Die deswegen gemäß § 206a Abs. 1 [X.] gebotene teilweise Einstellung des Verfahrens, die gemäß § 357 Satz 1 [X.] auf den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.] zu erstrecken ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. Januar 1959 – 4 [X.], [X.]St 12, 335, 340; vom 16. September 1971 – 1 [X.], [X.]St 24, 208 und vom 9. Januar 1987 – 3 [X.], [X.], 239 m.w.N.; [X.] in Löwe/[X.], [X.], 25. Aufl., § 357 Rn. 8; [X.] in [X.], [X.], 6. Aufl., § 357 Rn. 7; [X.] in [X.], [X.], § 357 Rn. 6, jeweils m.w.N.), führt zu einer Änderung des Schuldspruchs. Im Hinblick auf die Anzahl und die Höhe der jeweils verbleibenden [X.] schließt der [X.] aus, dass der Tatrichter ohne die im Fall [X.] der Urteilsgründe verhängten [X.] von sechs ([X.]) bzw. acht ([X.]) Monaten geringere Gesamtfreiheitsstrafen verhängt hätte. Diese können deshalb in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 [X.] bestehen bleiben.

III.

8

Die Angeklagte ...-D. macht mit einer Verfahrensrüge geltend, die Beweiswürdigung des [X.]s beruhe unter anderem auf der Auswertung von Verkehrsdaten über [X.] im Sinne der §§ 96, 113a [X.]. Diese seien jedoch auf einer gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 [X.] nichtigen Rechtsgrundlage von den Telekommunikationsdiensteanbietern übermittelt worden, da das [X.] mit Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08 u.a., [X.], 611 m. [X.]. Ohler [X.], 626 und [X.]. [X.] [X.], 629) entschieden habe, § 100g Abs. 1 Satz 1 [X.] verstoße gegen Art. 10 Abs. 1 GG, soweit es um die Erhebung von Verkehrsdaten gemäß § 113a [X.] gehe. Auf diesem [X.] beruhe das angefochtene Urteil, da die geständigen Einlassungen der Angeklagten teilweise sehr allgemein gehalten gewesen seien und der frühere Mitangeklagte [X.] die Täterschaft im Fall II. 65 der Urteilsgründe bestritten habe.

9

1. Die Rüge ist nicht in der § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] entsprechenden Form erhoben.

Die Revision hat den der Datenerhebung zu Grunde liegenden amtsgerichtlichen Beschluss nicht mitgeteilt. Dies war auch nach der Entscheidung des [X.]s vom 2. März 2010 nicht entbehrlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des [X.]s in seiner Antragsschrift vom 31. August 2010 Bezug genommen.

2. Die Rüge hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg gehabt.

Das [X.] war weder aus Gründen des einfachen Rechts noch von [X.] wegen gehindert, aus den erhobenen Daten Erkenntnisse zu gewinnen und für die Beweiswürdigung zu verwerten.

a) Das [X.] hat seinen Beschluss vom 16. Januar 2009 rechtsfehlerfrei auf § 100g Abs. 1 [X.] in der Fassung des [X.] und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/[X.] vom 21. Dezember 2007 (BG[X.]. I [X.] 3198) nach Maßgabe der bis zur Entscheidung in der Hauptsache und damit im [X.] geltenden einstweiligen Anordnung des [X.]s (Beschluss vom 11. März 2008 – 1 BvR 256/08, BG[X.]. I [X.] 659; [X.] 121, 1) und der dort getroffenen (einschränkenden) Übergangsregelung gestützt.

aa) Gemäß § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dies umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s auch die Befugnis, im Wege einer solchen einstweiligen Anordnung das Inkrafttreten eines Gesetzes hinauszuzögern, ein bereits in [X.] getretenes Gesetz – ganz oder teilweise – wieder außer [X.] zu setzen oder dessen Anwendbarkeit einzuschränken (vgl. nur [X.] 104, 23, 27 f.; 112, 284, 292; 117, 126, 135; 122, 342, 361 f.; [X.], Beschluss vom 14. September 2010 – 1 BvR 872/10, [X.]. 2). Wird eine gesetzliche Regelung, wie im vorliegenden Fall, durch eine Entscheidung des [X.]s gemäß § 32 Abs. 1 [X.] vorläufig modifiziert, bedeutet dies für die [X.] ihrer Geltung regelmäßig eine endgültige Regelung der Rechtslage. Eine nachträgliche Korrektur für den Geltungszeitraum der einstweiligen Anordnung scheidet aus (vgl. dazu [X.] in [X.], [X.], § 32 Rn. 8 f. [Stand: Juli 2002] m.w.N.; [X.] NStZ 2010, 318, 320). Zwar wird die Gesetzeskraft einer solchen Entscheidung, anders als bei der Hauptsacheentscheidung (vgl. § 31 Abs. 2 [X.]), nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet; eine der Gesetzeskraft zumindest entsprechende Wirkung der nach § 32 Abs. 1 [X.] angeordneten Anwendungseinschränkung ergibt sich aber – für die Geltungsdauer der Anordnung – aus ihrer Funktion als Modifikation eines Gesetzes im formellen Sinne und wird vom [X.] in ständiger Rechtsprechung angenommen (vgl. nur [X.], Beschluss vom 28. August 2003 – 2 BvR 1012/01, [X.], 279, [X.]. 15 zur Zulässigkeit der Informationsweitergabe gem. § 3 Abs. 5 Satz 1 G 10 auf der Grundlage einer im Wege einstweiliger Anordnung ausgesprochenen Übergangsregelung trotz in der Hauptsacheentscheidung festgestellter Unvereinbarkeit mit Art. 10 GG). Dementsprechend ordnet das [X.] bei Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in die Geltung eines Gesetzes eingreift, regelmäßig die Veröffentlichung der Entscheidungsformel im [X.] an; dies ist auch im vorliegenden Fall geschehen (vgl. BG[X.]. I 2008 [X.] 659).

bb) Die Verkehrsdaten wurden im vorliegenden Fall in Übereinstimmung mit den einschränkenden Vorgaben der ergangenen einstweiligen Anordnung des [X.]s vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, [X.] 121, 1) übermittelt und konnten deshalb im angefochtenen Urteil verwertet werden.

Aus der Entscheidungsformel der einstweiligen Anordnung des [X.]s vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, [X.] 121, 1) ergibt sich, dass eine Verpflichtung zur Datenübermittlung an die ersuchende Behörde auf Grund eines Beschlusses nach § 100g Abs. 1 [X.] für die Dauer der Geltung der Anordnung nur bestand, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine [X.] im Sinne des § 100a Abs. 2 [X.] war und die Voraussetzungen des § 100a Abs. 1 [X.] vorlagen.

Wie der [X.] zutreffend dargelegt hat, sind diese Maßgaben im vorliegenden Fall eingehalten worden. Zum [X.]punkt des Beschlusses des [X.] vom 16. Januar 2009 wurde gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts schwerer Bandendiebstähle gemäß § 244a StGB ermittelt; diese Straftat ist [X.] gemäß § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j [X.].

b) Eine andere rechtliche Beurteilung der gerichtlich angeordneten Übermittlung der entscheidungserheblichen Verkehrsdaten ergibt sich auch nicht daraus, dass das [X.] in der am 2. März 2010 ergangenen Hauptsacheentscheidung die §§ 113a, 113b [X.] sowie § 100g Abs. 1 Satz 1 [X.] wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 1 GG teilweise für nichtig erklärt hat. Die ex-tunc-Wirkung dieser Entscheidung lässt die selbständige Legitimierungsfunktion der einstweiligen Anordnung im Rahmen der dort näher umschriebenen einschränkenden Maßgaben als sog. normvertretendes Übergangsrecht (vgl. dazu [X.] aaO, § 32 Rn. 8, 190; [X.] in [X.] zum [X.], 2. Aufl., § 32 Rn. 369 f.) unberührt. Dies ergibt sich im Übrigen auch unmittelbar aus den Gründen des Urteils vom 2. März 2010: Das [X.] hat eine sechsmonatige anlasslose Speicherung von [X.] – für eine qualifizierte Verwendung – im Rahmen der Strafverfolgung nicht für schlechthin unvereinbar mit Art. 10 Abs. 1 GG angesehen ([X.] aaO, [X.] 615, [X.]. 213). Es hat ferner ausgeführt, dass lediglich die aufgrund der einstweiligen Anordnung erhobenen, aber einstweilen nicht an die ersuchenden Behörden übermittelten, sondern gespeicherten Verkehrsdaten unverzüglich zu löschen sind und nicht an die Behörden übermittelt werden dürfen ([X.] aaO, [X.] 623, [X.]. 306). Auf diejenigen Verkehrsdaten, die unter den Vorgaben der einstweiligen Anordnung des [X.]s vom 11. März 2008 (1 BvR 256/08, [X.] 121, 1) bereits übermittelt wurden, bezieht sich das Gebot der unverzüglichen Löschung gerade nicht.

IV.

Die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen haben jeweils einen geringen Teilerfolg.

1. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle II. 54 und [X.] der Urteilsgründe ist fehlerhaft.

a) Nach den Feststellungen begaben sich die Angeklagte ...-D. und der frühere Mitangeklagte [X.] am frühen Morgen des 7. November 2008 in die Volksbank in [X.], wo [X.] mit einer der in der Nacht zuvor gestohlenen EC-Karten zweimal, um 03:01:35 Uhr und um 03:03 Uhr, Geld bei ein und demselben Geldautomaten abhob. Das erbeutete Bargeld wurde später geteilt. Da bei den zeitlich aufeinander folgenden Abhebungen weder die Bankfiliale noch die Karte gewechselt wurde, stehen die Taten in natürlicher Handlungseinheit ([X.], Beschlüsse vom 10. Juli 2001 – 5 StR 250/01, [X.], 595; vom 21. November 2002 – 4 [X.] und vom 27. April 2010 – 4 [X.]). Somit ist lediglich von einer Tat des [X.] auszugehen. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der für den Fall [X.] der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafe. Da der nicht revidierende Mitangeklagte [X.] sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person erfüllt hat, ist die Entscheidung insoweit gemäß § 357 Satz 1 [X.] auch auf ihn zu erstrecken (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2004 – 5 [X.], [X.]R [X.] § 357 Entscheidung 2; vgl. auch [X.], Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 [X.], [X.], 2840, 2841).

b) Einer Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafen bedarf es nicht. Durch die Zusammenfassung mehrerer Taten zu jeweils einer einzigen Tat ändert sich deren Schuldgehalt nicht ([X.], Beschlüsse vom 9. März 2010 – 4 [X.] und vom 3. August 2010 – 4 [X.]). Der [X.] schließt daher vor dem Hintergrund der Anzahl und der Höhe der verbleibenden [X.] aus, dass die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen bei zutreffender Beurteilung des [X.] niedriger ausgefallen wären.

c) Aus Gründen der Klarstellung hat der [X.] den Schuldspruch insgesamt neu gefasst.

2. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung ebenfalls nicht stand, soweit das [X.] gemäß § 111i Abs. 2 [X.] die Feststellung ausgesprochen hat, dass der Angeklagte [X.] aus den seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Taten einen Geldbetrag von insgesamt 19.730,21 € erlangt hat und dieser Betrag dem Wertersatzverfall nicht unterliegt, da Ansprüche Verletzter entgegenstehen.

a) Im Grundsatz rechtsfehlerfrei hat das [X.] im Urteilstenor zunächst (allein) den Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag bezeichnet, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 [X.] unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt (vgl. dazu eingehend [X.]surteil vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.], z. Veröff. in [X.]St best.). Das [X.] hat, insoweit ebenfalls rechtsfehlerfrei, nach den getroffenen Feststellungen eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten [X.] angenommen (vgl. dazu ebenfalls [X.]surteil vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.]) und ist dabei zutreffend von einem Betrag in Höhe von insgesamt 23.934,69 € ausgegangen, den dieser aus den seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Taten erlangt hat. Die in den Urteilsgründen in Anwendung der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB vorgenommene Minderung des [X.] bzw. des Geldbetrages, der dem Wert des [X.] entspricht, ist aus Rechtsgründen ebenfalls nicht zu beanstanden; es entspricht vielmehr der Rechtsprechung des [X.], dass § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 [X.] zu treffenden Entscheidung zu beachten ist ([X.]surteil vom 28. Oktober 2010 – 4 [X.] m.w.N.). Gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB hat die Strafkammer nur die Werte (in Höhe von insgesamt 19.730,21 €) berücksichtigt, die sich noch im Vermögen des Angeklagten befanden. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

b) Das [X.] hat jedoch übersehen, dass die Regelung des § 111i Abs. 2 [X.] auf die Fälle [X.] bis II. 8 der Urteilsgründe nicht anwendbar ist. Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006 (BG[X.]. I [X.] 2350) geschaffen worden und am 1. Januar 2007 in [X.] getreten. Ihrer Anwendung auf bereits zuvor beendete Taten steht § 2 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 StGB entgegen, wonach insoweit das mildere alte Recht gilt ([X.], Urteil vom 7. Februar 2008 – 4 [X.], [X.], 1093 f.; [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 1 [X.], [X.], 56; Beschluss vom 18. Dezember 2008 – 3 [X.], [X.], 241; [X.], Beschluss vom 12. August 2010 – 4 StR 293/10). Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden die Taten in den Fällen [X.] bis II. 8 der Urteilsgründe im [X.]raum vom Februar 2004 bis August 2006 begangen und waren vor dem 1. Januar 2007 beendet. In diesen Fällen hat der Angeklagte insgesamt einen Betrag in Höhe von 5.867,78 € erlangt. In entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.] zieht der [X.] diese Summe von dem Betrag von 19.730,21 € ab.

c) Eine Erstreckung auf den Nichtrevidenten [X.] kommt hier nicht in Betracht (vgl. zur Anwendbarkeit des § 357 [X.] im Rahmen des § 111i Abs. 2 [X.] ebenfalls [X.]surteil vom 28. Dezember 2010 – 4 [X.]). Der aufgezeigte Rechtsfehler hat sich nicht zu dessen Nachteil ausgewirkt (vgl. [X.], Urteil vom 18. August 1988 – 4 [X.], [X.], 113, 114; [X.] aaO § 357 Rn. 16 m.w.N.). Das [X.] hat den Betrag, den der Nichtrevident [X.] aus den seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Taten erlangt hat, rechtsfehlerfrei mit 61.764,48 € errechnet. Es hat gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aber nur einen Betrag in Höhe von 6.200 € in Ansatz gebracht. Der [X.] kann somit ausschließen, dass sich der oben aufgezeigte sachlich-rechtliche Fehler bei der Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 [X.] zum Nachteil des [X.] ausgewirkt hat.

3. Der nur geringe Teilerfolg der Revisionen rechtfertigt es nicht, die Angeklagten nach § 473 Abs. 4 [X.] teilweise von den durch ihre Rechtsmittel entstandenen (verbleibenden) Kosten und Auslagen freizustellen.

[X.]                                 Solin-Stojanović                               Roggenbuck

                          [X.]Bender

Meta

4 StR 404/10

04.11.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 7. Dezember 2009, Az: 8 KLs 81 Js 187/09 (17/09), Urteil

§ 100g Abs 1 StPO, § 96 TKG, § 113a TKG, § 31 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG, § 32 Abs 1 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.11.2010, Az. 4 StR 404/10 (REWIS RS 2010, 1698)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1698

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