Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2011, Az. 4 StR 30/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 8968

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Gegenstand

Voraussetzungen eines Bandendiebstahls; Erforderlicher Inhalt der Urteilsgründe beim Wohnungseinbruchdiebstahl; Urteilsfeststellungen bei Aufrechterhaltung der Beschlagnahme unter Anwendung der verfallsrechtlichen Härtevorschrift


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.]     wird das Urteil des [X.] vom 27. August 2010

a) im Tenor dahin ergänzt, dass der Angeklagte  [X.]im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten [X.]          der Staatskasse zur Last;

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

aa) soweit der Angeklagte [X.]          in den Fällen [X.] 2 e und 2 o der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

bb) soweit der Angeklagte [X.]          und der frühere Mitangeklagte [X.]     in den Fällen [X.] 2 f, 2 g und 2 l der Urteilsgründe verurteilt worden sind;

cc) in den [X.] gegen den Angeklagten [X.]      und den früheren Mitangeklagten [X.]sowie hinsichtlich der gegen den Angeklagten [X.]verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten;

dd) hinsichtlich aller Angeklagter im Ausspruch über das Absehen von der Verfallsanordnung und die Feststellungen des Wertes des Erlangten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten [X.] und [X.]   werden verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]     wegen Diebstahls unter Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des [X.] vom 25. September 2009 und Einbeziehung der dortigen Einzelstrafen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und wegen Bandendiebstahls in fünf Fällen und wegen [X.] zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.]     hat es wegen Diebstahls in drei Fällen und wegen [X.] unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des [X.] vom 8. Januar 2010 die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und wegen Bandendiebstahls in fünf Fällen, Beihilfe zum Bandendiebstahl, Beihilfe zum Diebstahl und wegen Diebstahls die weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Der nicht revidierende frühere Mitangeklagte B.         ist des Diebstahls in fünf Fällen, des Bandendiebstahls in sechs Fällen und des [X.] schuldig gesprochen und zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Des Weiteren hat die [X.] bei allen Angeklagten "wegen Rückgewinnungshilfe" von der Anordnung des Verfalls abgesehen und festgestellt, dass der Wert des [X.] für den Angeklagten [X.]       15.000 Euro, für den Angeklagten [X.]        30.000 Euro und für den früheren Mitangeklagten B.      50.000 Euro beträgt.

2

Die Angeklagten [X.]       und [X.]       wenden sich mit ihren jeweils auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilungen. Die Rechtsmittel führen in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zu der [X.], die hinsichtlich der Schuldsprüche in den Fällen [X.], 2 g und 2 l der Urteilsgründe sowie der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf den früheren Mitangeklagten B.      zu erstrecken ist. Im Übrigen sind die Revisionen offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Soweit der Angeklagte [X.]     im Fall [X.] 2 e der Urteilsgründe und der Angeklagte [X.]     in den Fällen [X.] 2 g und 2 l der Urteilsgründe jeweils wegen Bandendiebstahls verurteilt worden ist, hält der Schuldspruch einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Urteilsgründe nicht belegen, dass es sich bei den Diebstählen um Bandentaten handelte.

4

Die Annahme eines Bandendiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt neben einer ausdrücklich oder konkludent getroffenen [X.] zwischen mindestens drei Personen voraus, dass der Täter gerade als Mitglied der Bande unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt. Die Einzeltat muss Ausfluss der [X.] sein und darf nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Januar 2006 - 4 StR 595/05, [X.], 342 f.; Beschluss vom 13. Januar 2005 - 3 [X.], [X.], 567, 568, und Urteil vom 23. Februar 2000 - 1 StR 568/99, [X.]R StGB § 260 Abs. 1 Bande 1, jeweils zu § 260 Abs. 1 StGB; [X.], StGB, 58. Aufl., § 244 Rn. 41; [X.] in [X.], 12. Aufl., § 244 Rn. 66). Die am 29. Dezember 2009, am 25. Januar und 3. Februar 2010 verübten Diebstähle wurden nach den Feststellungen von jeweils zwei Bandenmitgliedern gemeinsam mit einem oder zwei weiteren nicht zu der Bande gehörenden Tatbeteiligten begangen. Dass sie in Erfüllung der zwischen den Angeklagten [X.]     , [X.]      und dem früheren Mitangeklagten B.      getroffenen [X.] ausgeführt wurden, ist nicht festgestellt. Da die [X.] die weiteren Diebstähle am 31. Dezember 2009 sowie am 16. und 18. Februar 2010, die ebenfalls jeweils von zwei Bandenmitgliedern und in zwei Fällen im Zusammenwirken mit außerhalb der Bande stehenden Beteiligten begangen wurden, ohne nähere Begründung nicht als Bandentaten gewertet hat, lässt sich der erforderliche Bandenbezug auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Hinsichtlich der Tat [X.] 2 e der Urteilsgründe kommt hinzu, dass das [X.] zur [X.] lediglich festgestellt hat, dass zunächst der Angeklagte [X.]       und der frühere Mitangeklagte B.      im [X.] 2009 übereinkamen, unter Beteiligung Dritter Diebstähle zu begehen, und der Angeklagte [X.]        sich diesen "in der Folgezeit" anschloss. Ob der Angeklagte [X.]      bei dem ersten unter seiner Beteiligung begangenen Diebstahl am 29. Dezember 2009 bereits Bandenmitglied war, bleibt nach den Urteilsgründen offen.

5

2. Die Verurteilung des Angeklagten [X.]     wegen [X.] gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB im Fall [X.] der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben, weil das [X.] unzureichende Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen getroffen hat. Die Sachverhaltsschilderung der [X.], wonach der Angeklagte [X.]     und der frühere Mitangeklagte B.     gemeinsam mit zwei Mittätern in die Wohnung des Geschädigten einbrachen, erschöpft sich in der Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, ohne die das Tatbestandsmerkmal des Einbrechens ausfüllenden Tatumstände näher zu bezeichnen. Dies genügt nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juni 2000  - 4 StR 190/00, [X.], 607; [X.] in [X.], 6. Aufl., § 267 Rn. 9) und ermöglicht keine revisionsgerichtliche Kontrolle der vom Tatrichter vorgenommenen Subsumtion des Sachverhalts unter die angewandte Strafvorschrift.

6

3. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten [X.]     wegen [X.] im Fall [X.] 2 o der Urteilsgründe begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Wegen [X.] nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer sich falsches Geld in der Absicht verschafft, es als echt in Verkehr zu bringen oder ein solches Inverkehrbringen zu ermöglichen. Die auf das Inverkehrbringen des Falschgelds oder dessen Ermöglichung gerichtete Absicht muss der Täter spätestens bei der Inbesitznahme des Falschgelds gefasst haben (vgl. [X.], aaO, § 146 Rn. 12). Nach den Feststellungen verschaffte sich der Angeklagte [X.]     Anfang des Jahres 2010 eine falsche 100 Euro-Note, die er in der ersten [X.] einem Bekannten zeigte und diesem auf dessen Bitte überließ. Dass der Angeklagte bei der Erlangung des Besitzes an der falschen Note in der Absicht handelte, den Schein als echt in Verkehr zu bringen oder dieses zu ermöglichen, hat die [X.] nicht festgestellt. Da sie dem Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zu [X.] gehalten hat, dass der Bekannte den Anstoß dazu gab, dass der Schein "überhaupt in Umlauf gelangte", versteht sich eine solche Absicht hier auch nicht von selbst.

7

4. Die Revisionen der Angeklagten [X.]     und [X.]      führen schließlich zur Aufhebung der Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO, weil das angefochtene Urteil eine nachvollziehbare Begründung für die jeweils festgestellten Werte des [X.] vermissen lässt. Soweit die [X.] zu den Einzelfällen überhaupt Feststellungen zu dem Wert der Beute getroffen hat - hinsichtlich der Taten [X.] 2 d, 2 e und 2 j fehlen diesbezügliche Angaben vollständig - lässt sich den [X.] weder entnehmen, in welchem Umfang sie die jeweilige Beute den Beteiligten als aus den Taten erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB zugerechnet hat, noch wie die nur im [X.] genannten Gesamtbeträge für den Wert des [X.] ermittelt wurden. Hierfür hätte es näherer Feststellungen dazu bedurft, welche Vermögenswerte bei den einzelnen Taten den [X.] oder Teilnehmern unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs in der Weise zugeflossen sind, dass sie an ihnen tatsächliche Verfügungsgewalt gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt haben. Bei mehreren Tatbeteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht erlangt haben, die nach der Rechtsprechung des [X.] zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Beteiligten führt (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], NJW 2011, 624 Rn. 19 ff. m.w.N.).

8

Im Übrigen entspricht es der Rechtsprechung des [X.], dass die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung zu beachten ist ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], aaO, Rn. 15 m.w.N.). Wird in Anwendung des § 73c Abs. 1 StGB teilweise von der Anordnung des Verfalls abgesehen, hat dies zur Folge, dass der in der Urteilsformel allein zu bezeichnende Vermögensgegenstand bzw. Geldbetrag, den der Staat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO unmittelbar oder als Zahlungsanspruch erwirbt, hinter dem [X.] bzw. dessen Wert zurückbleibt ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], aaO, Rn. 12 ff.). Die [X.] hat die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 StGB nicht erkennbar geprüft. Hierzu hätte sie Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten treffen und sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, inwieweit der Wert des jeweils [X.] noch im Vermögen der Angeklagten vorhanden ist.

9

5. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen [X.], 2 g und 2 l der Urteilsgründe ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auch auf den nicht revidierenden früheren Mitangeklagten B.      zu erstrecken. Gleiches gilt für die Aufhebung der Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO, weil der ihr in erster Linie zu Grunde liegende materiell-rechtliche Fehler - die unzureichende Ermittlung des aus den Taten [X.] - auch den Mitangeklagten B.     in gleicher Weise betrifft (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], aaO, Rn. 32).

Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen [X.] 2 e bis g, 2 l und 2 o der Urteilsgründe und der hierfür verhängten Einzelstrafen entzieht den [X.] gegen den Angeklagten [X.]       und den früheren Mitangeklagten B.        sowie der gegen den Angeklagten [X.]        verhängten zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten die Grundlage.

6. Den von der [X.] ausweislich der Urteilsgründe versehentlich versäumten Teilfreispruch des Angeklagten [X.]          holt der Senat nach.

[X.][X.]

                          Mutzbauer                                              Bender

Meta

4 StR 30/11

01.03.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 27. August 2010, Az: 26 KLs 46/10, Urteil

§ 73 StGB, § 73c Abs 1 StGB, § 244 Abs 1 Nr 2 StGB, § 244 Abs 1 Nr 3 StGB, § 111i Abs 2 StPO, § 111i Abs 5 StPO, § 267 Abs 1 S 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2011, Az. 4 StR 30/11 (REWIS RS 2011, 8968)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8968

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