Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2010, Az. 8 B 57/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 10341

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Gegenstand

Voraussetzungen einer vermögensrechtlichen Enteignung


Gründe

1

Die [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht dargelegt. Die [X.]eschwerdebegründung formuliert keine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung zukäme.

3

Für grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin die Frage:

"Wenn eine [X.] Länderbehörde vor Gründung der [X.] und in Vollziehung eines entsprechenden [X.]efehles der [X.] verfügt, dass ein Grundstück bei Eintritt einer definierten Voraussetzung an den ursprünglichen Eigentümer zurückzuführen ist, führt dann die Nichtbefolgung dieser Verfügung nach Gründung der [X.] zu einem neuen Enteignungstatbestand, der als Enteignungsmaßnahme der [X.] nach den [X.]estimmungen des Vermögensgesetzes zu behandeln ist?"

5

Diese Frage erfordert keine Klärung in einem Revisionsverfahren, da sie sich anhand der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung ohne Weiteres - verneinend - beantworten lässt (vgl. [X.]eschlüsse vom 28. Mai 1997 - [X.]VerwG 4 [X.] - [X.] 407.4 § 5 [X.] Nr. 10 und vom 24. August 1999 - [X.]VerwG 4 [X.] 72.99 - [X.]VerwGE 109, 268 <270> = [X.] 310 § 60 VwGO Nr. 228).

6

Eine Enteignung im vermögensrechtlichen Sinne setzt eine faktische, vollständige und endgültige Verdrängung des bisherigen Eigentümers aus seiner Rechtsposition voraus ([X.]eschluss vom 21. September 1994 - [X.]VerwG 7 [X.] 14.94 - [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 30; Urteile vom 6. Dezember 1996 - [X.]VerwG 7 C 9.96 - [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 96 S. 294 und vom 13. Februar 1997 - [X.]VerwG 7 C 50.95 - [X.]VerwGE 104, 84 = [X.] 428 § 1 [X.] Nr. 104 S. 313 m.w.N.). Dazu muss der [X.]etreffende im Zeitpunkt des Zugriffs das Eigentum noch innehaben. Wurde es ihm bereits zuvor durch eine Enteignung entzogen, kann das Unterbleiben einer Rückgabe keine - nochmalige - Enteignung darstellen, weil der Vermögenswert dem früheren [X.]erechtigten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zugeordnet ist. Der von der Klägerin als "definierte Voraussetzung" umschriebene Rückfall des Grundstücks in den [X.]odenfonds begründet kein Eigentum des früheren, im Zuge der [X.]odenreform enteigneten [X.]erechtigten, sondern belässt das Grundstück in der Verfügungsmacht des Staates. Damit fehlt die Voraussetzung einer nochmaligen Enteignung, die nur in [X.]etracht käme, wenn der Vermögenswert zwischenzeitlich zumindest faktisch dem [X.]erechtigten zurückgegeben und dieser wieder als Eigentümer angesehen worden wäre (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2001 - [X.]VerwG 8 C 23.01 - [X.] 428 § 1 Abs. 1 [X.] Nr. 15 S. 41).

7

2. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht dargetan. Die [X.]eschwerde arbeitet keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz heraus, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des [X.] tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hätte. Stattdessen greift sie im Stil einer [X.]erufungsbegründung die Anwendung der in der Rechtsprechung zu § 1 Abs. 8 [X.]uchst. a [X.] entwickelten Grundsätze durch das Verwaltungsgericht und dessen Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung an.

8

Soweit die [X.]eschwerde dabei - auch vom Verwaltungsgericht herangezogene - Entscheidungen des [X.] zitiert, geht sie entweder auf die darin aufgestellten Rechtssätze nicht ein oder stellt ihnen keine dem angegriffenen Urteil zu entnehmenden abstrakten Rechtssätze gegenüber. So rügt die Klägerin, bei [X.]erücksichtigung des Urteils vom 13. Februar 1997 - [X.]VerwG 7 C 50.95 - (a.a.[X.]) habe das Verwaltungsgericht die Enteignung nicht als vom Willen der [X.] [X.]esatzungsmacht gedeckt ansehen dürfen, nennt dazu jedoch keine divergierenden Rechtssätze. Den [X.]eschlüssen vom 20. April 2000 - [X.]VerwG 7 [X.] - ([X.] 428 § 1 Abs. 8 [X.] Nr. 12) und vom 24. Juni 2005 - [X.]VerwG 7 [X.] 6.05 - ([X.] 2006, 277) entnimmt sie zwar zutreffend, dass für [X.] ausländisches Vermögen kein generelles besatzungsrechtliches Enteignungsverbot, sondern nur ein allgemeines Schutzversprechen galt, und dass deshalb der [X.] nur bei Vorliegen eines konkreten Enteignungsverbots unterbrochen war. Die [X.]eschwerde zeigt aber nicht auf, dass das Verwaltungsgericht einen davon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hätte. Vielmehr hat es sich ausweislich der Ausführungen auf Seite 12 der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils ausdrücklich der zitierten Rechtsprechung angeschlossen. Kritik an der Anwendung der darin entwickelten Grundsätze oder an der tatrichterlichen [X.]eweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO, etwa an der verwaltungsgerichtlichen Auslegung des [X.]efehls Nr. 151 der SMA [X.]randenburg oder der [X.]estimmung des Zeitpunkts des Zugriffs auf das Eigentum der Klägerin, kann nicht mit der [X.] geltend gemacht werden.

9

3. Dass eine [X.], soweit sie die Anwendung prozessrechtlicher Vorschriften betrifft, als Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu verstehen sein kann ([X.]eschluss vom 12. April 2001 - [X.]VerwG 8 [X.] 2.01 - [X.] 310 § 92 VwGO Nr. 13 S. 5), führt ebenfalls nicht zum Erfolg der [X.]eschwerde.

Selbst wenn die Einwände der Klägerin gegen die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des [X.] als Rüge verfahrensfehlerhafter Tatsachenfeststellung aufgefasst werden könnten, fehlt jedenfalls eine substantiierte, den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügende Darlegung von Verfahrensmängeln. Insbesondere zeigt die [X.]eschwerde weder entscheidungsrelevante aktenwidrige Feststellungen noch denkfehlerhafte, logisch unmögliche Schlüsse von Indizien auf Haupttatsachen auf.

Mit dem Vorbringen, die Enteignung sei erst am 11. März 1949 abgeschlossen gewesen, wendet sie sich nicht gegen die verwaltungsgerichtliche Datierung der Grundbucheintragung desjenigen, dem das Flurstück im Zuge der [X.]odenreform zugeteilt wurde, sondern dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Umschreibung der dem [X.]egünstigten zugeteilten Fläche auch ohne Flurstücks- und Parzellennummer für ausreichend hielt. Die Frage, ob es eine solche Eintragung für maßgeblich halten durfte, ist Rechts- und nicht Tatsachenfrage.

Soweit die [X.]eschwerdebegründung sich gegen die verwaltungsgerichtliche Auslegung des [X.]efehls Nr. 151 der SMA [X.]randenburg wendet, legt sie keinen Denkfehler dar, der der Verfahrensrüge zum Erfolg verhelfen könnte. Verfahrensmängel können zwar in einem denkfehlerhaften Schluss von Indizien auf Haupttatsachen liegen. Dazu müsste aber der vom Verwaltungsgericht gezogene Schluss, der [X.]efehl Nr. 151 habe keine Rückwirkung für sich in Anspruch genommen, denklogisch ausgeschlossen, und nur die gegenteilige, von der Klägerin gezogene Schlussfolgerung logisch möglich sein. Das hat die [X.]eschwerde nicht dargelegt. Sie ersetzt nur die verwaltungsgerichtliche Auslegung des [X.]efehls, der die Frage der Rückabwicklung vollzogener Enteignungen nicht ausdrücklich regelt, durch eine eigene, von ihr bevorzugte Interpretation. Das Verwaltungsgericht war durch Denkgesetze auch nicht gehindert, bei der Auslegung des [X.]efehls andere Äußerungen der [X.] zu berücksichtigen. Dabei musste es Äußerungen aus anderen Zuständigkeitsbezirken als demjenigen des [X.]efehlsgebers nicht denknotwendig für irrelevant halten, da das Problem der Enteignung mittelbar ausländischen Grundbesitzes im Zuge der [X.]odenreform sich in der gesamten [X.] [X.]esatzungszone stellte und die Frage, inwieweit Enteignungen rückgängig gemacht werden sollten, auch Gegenstand der zentralen Willensbildung in der [X.] war (vgl. Urteil vom 13. Februar 1997 a.a.[X.] S. 90, wonach das dort ausgewertete Archivmaterial den Schluss rechtfertigte, dass "zumindest" in [X.] die [X.]odenreformenteignungen in den Fällen und in dem Umfang [X.]estand haben sollten, in denen das entzogene Land bereits aufgesiedelt und an Neubauern verteilt sei).

Von einer weiteren [X.]egründung der Entscheidung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO abgesehen, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der [X.]eigeladenen waren nicht erstattungsfähig, weil diese keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben. Die [X.]eigeladene zu 2 hat sich lediglich ohne Antragstellung zur [X.]eschwerde geäußert.

Meta

8 B 57/09

18.01.2010

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Frankfurt (Oder), 17. Dezember 2008, Az: 6 K 2429/03, Urteil

§ 1 Abs 1 VermG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.01.2010, Az. 8 B 57/09 (REWIS RS 2010, 10341)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10341

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