Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2018, Az. 5 StR 543/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15029

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Gegenstand

Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung während der Vernehmung einer jugendlichen Nebenklägerin: Verletzung der Pflicht zur sofortigen Unterrichtung des von der unterbrochenen Zeugenvernehmung ausgeschlossenen Angeklagten nach Wiederzulassung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Juni 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendschutzkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2

Der Angeklagte beanstandet zu Recht einen Verstoß gegen § 247 Satz 4 StPO.

3

Das [X.] hatte für die Dauer der Vernehmung der 16-jährigen Nebenklägerin gemäß § 247 Satz 2 StPO die Entfernung des Angeklagten aus dem Gerichtssaal angeordnet. Die Nebenklägerin sagte zur Sache aus; ihre Vernehmung und die Hauptverhandlung wurden für eine Mittagspause unterbrochen. Nach der Mittagspause wurde die Verhandlung fortgesetzt; die Vernehmung der Nebenklägerin blieb unterbrochen. Der Angeklagte wurde wieder vorgeführt. In seiner Anwesenheit erfolgte die Vernehmung des Zeugen [X.]  . Nach Entlassung des Zeugen wurde der Angeklagte erneut von der Verhandlung ausgeschlossen und die Vernehmung der Nebenklägerin fortgesetzt. Eine Unterrichtung des Angeklagten über den wesentlichen Inhalt der Aussage der Nebenklägerin erfolgte erst im Anschluss.

4

Dieses Verfahren verstößt gegen § 247 Satz 4 StPO. Sobald der Angeklagte wieder anwesend ist, hat der Vorsitzende ihn vom wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist. Die durch § 247 StPO ermöglichte Verhandlung ohne den Angeklagten und seine hierdurch behinderte Verteidigung sind nur hinzunehmen bei Unterrichtung über das in seiner Abwesenheit Geschehene, bevor weitere Verfahrenshandlungen erfolgen. Das gilt auch, wenn die in seiner Abwesenheit durchgeführte Vernehmung nur unterbrochen war ([X.], Urteil vom 31. März 1992 - 1 StR 7/92, [X.]St 38, 260; Beschluss vom 18. März 1992 - 3 StR 39/92, [X.], 346). Maßgebend für die Unterrichtung ist nicht der Abschluss der Zeugenvernehmung, sondern die Wiederzulassung des Angeklagten. Er muss vor weiterer Beweiserhebung in seiner Anwesenheit durch Unterrichtung so gestellt werden, dass sein Informationsstand im Wesentlichen dem der anderen Prozessbeteiligten entspricht (vgl. [X.], Urteil vom 9. Januar 1953 - 1 StR 620/52, [X.]St 3, 384). Denn ohne Kenntnis der bereits teilweise in die Hauptverhandlung eingeführten Aussage kann er insbesondere sein Fragerecht gegenüber weiteren Zeugen grundsätzlich nicht sachgerecht ausüben (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 1992 aaO; Beschluss vom 6. September 1989 - 3 StR 235/89, [X.]R StPO § 247 Satz 4 Unterrichtung 3).

5

Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Denn dem Angeklagten wurde die Möglichkeit genommen, dem nach der Vernehmung der Nebenklägerin und vor seiner Unterrichtung von dieser Zeugenaussage vernommenen Zeugen [X.]   Vorhalte zu machen oder Fragen zu stellen, wenn Widersprüche zu den bis dahin erfolgten Angaben der Nebenklägerin aufgetreten waren (vgl. [X.], Beschluss vom 24. September 1997 - 2 [X.], [X.], 263). Die Verurteilung des Angeklagten stützt sich zwar im Wesentlichen auf die Aussage der Nebenklägerin. Aber auch die Aussage des Zeugen [X.]   hat angesichts der hier gegebenen [X.] im Rahmen der Beweiswürdigung insbesondere für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin Bedeutung erlangt.

[X.]          

      

Sander          

      

Schneider

      

Dölp          

      

[X.]          

      

Meta

5 StR 543/17

25.01.2018

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 27. Juni 2017, Az: 539 KLs 66/16

§ 247 S 2 StPO, § 247 S 4 StPO, § 247a StPO, § 337 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2018, Az. 5 StR 543/17 (REWIS RS 2018, 15029)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15029

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