Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 54/10 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 6197

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Festsetzung von Mahngebühren - Verwaltungsakt - Beauftragung gem § 88 SGB 10 - Vollstreckung - Zuständigkeit der ARGE nicht der BA - sozialgerichtliches Verfahren - keine notwendige Beiladung)


Leitsatz

Für die als Verwaltungsakt zu qualifizierende Festsetzung von Mahngebühren waren nach dem bis zum 31.12.2010 geltenden Recht der Grundsicherung allein die Arbeitsgemeinschaften sachlich zuständig.

Eine Übertragung der Aufgabe "Forderungseinzug" auf die Bundesagentur für Arbeit war nicht zulässig.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich im Rahmen der Aufhebung und Rückforderung von Leistungen nach dem [X.] ([X.]) gegen die Erhebung von Mahngebühren durch die beklagte [X.] ([X.]).

2

Die [X.] ([X.]) hob gegenüber dem Kläger mit einem Bescheid vom 2.8.2007 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum von September 2005 bis Januar 2007 auf und forderte von ihm einen Betrag in Höhe von 5886,25 Euro zurück (3266,30 Euro Regelleistung und 2619,95 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung). Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Die [X.] übergab sodann den Vorgang der [X.] der beklagten [X.] zur Einziehung der Forderung. Diese betreibt auf der Grundlage einer "Verwaltungsvereinbarung zur Erbringung von Dienstleistungen 2007" vom 2./3.1.2007 verschiedene Aufgaben, die in einem Dienstleistungskatalog aufgelistet sind. Darunter fällt auch der Einzug von Forderungen für die [X.].

3

Mit Schreiben vom [X.] forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung des Erstattungsbetrags auf. Mit einem weiteren, mit "Mahnung" überschriebenem Schriftstück vom 14.10.2007 wies die Beklagte den Kläger auf seine noch bestehenden Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 5915,95 Euro hin. In dieser Summe enthalten war eine Position in Höhe von 29,70 Euro, die bezeichnet wurde: "Forderung: Mahngebühren/Bescheid: 14.10.07 RD Sachsen".

4

Den hiergegen erhobenen Widerspruch verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom [X.] als unzulässig mit der Begründung, bei der Mahnung habe es sich nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt, da sie keine Rechtswirkung nach außen entfalte. Vielmehr werde nur noch über die bestehende Forderung sowie über weitere Zahlungsmodalitäten unterrichtet.

5

Auf die hiergegen erhobene Klage, mit der sich der Kläger ausschließlich gegen die Erhebung der Mahngebühren wandte, hat das [X.] die Festsetzung der Mahngebühren aufgehoben (Urteil vom [X.]). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das [X.] ([X.]) in seinem Urteil vom [X.] ausgeführt, die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft, weil es sich bei der Festsetzung von Mahngebühren durch die Beklagte um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Auch wenn die Mahnung selbst lediglich als unselbstständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckung zu qualifizieren sei, stelle die Festsetzung von Mahngebühren in bestimmter Höhe auf gesetzlicher Grundlage ein hoheitliches Handeln mit Außenwirkung zur Regelung eines Einzelfalls dar. Allerdings sei die Beklagte gegenüber dem Kläger zur Festsetzung von Mahngebühren nicht befugt gewesen, da Inhaberin der Erstattungsforderung allein die [X.] sei. Aus der Übertragung von Aufgaben an die [X.] im Rahmen des § 44b Abs 3 [X.] folge, dass die Beklagte als Trägerin der Grundsicherung bei der Vollstreckung von Forderungen der [X.] kein eigenes Geschäft mehr wahrnehme. Dies gelte insbesondere für solche Forderungen, die auf den kommunalen Unterkunftsleistungen beruhten. In diesem Zusammenhang könne dahinstehen, ob die 2007 getroffene Verwaltungsvereinbarung zwischen der [X.] und der Beklagten eine nach §§ 88 ff [X.] ([X.]) zulässige Übertragung von Aufgaben darstelle, denn zum einen habe es die Beklagte versäumt, das Tätigwerden im fremden Auftrag hinreichend deutlich zu machen, zum anderen hätte die Beklagte gemäß § 90 Satz 2 [X.] den Widerspruch der [X.] vorlegen müssen und habe nicht selbst über ihn entscheiden dürfen.

6

Die Beklagte hat die vom [X.] in seinem Urteil zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung der §§ 31 Satz 1, 89 Abs 1 und 90 Satz 2 [X.]. Sie vertritt die Auffassung, die Erhebung von Mahngebühren stelle keinen Verwaltungsakt dar. Insbesondere habe sie die Mahngebühr nicht in einem formalisierten Verfahren festgesetzt, sondern zusammen mit der Mahnung sei die anfallende Mahngebühr, deren Höhe sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe, eingefordert worden. Auch die äußere Form der Mahnung spreche nicht für das Vorliegen eines so genannten "Formverwaltungsakts". Darüber hinaus sei sie auf der Grundlage der mit der [X.] gemäß § 88 [X.] abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarung auch zur Erhebung der Mahngebühren berechtigt gewesen. Auch könne die Rechtswidrigkeit zumindest des Widerspruchsbescheids nicht aus § 90 Satz 2 [X.] hergeleitet werden, wonach die [X.] des Auftraggebers den Widerspruchsbescheid "erlässt", denn diese Regelung sei als Sollvorschrift auszulegen, wie sich aus den zugrunde liegenden Gesetzesmaterialien ergebe.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 25. Februar 2010 und das Urteil des [X.] vom 26. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das Urteil des [X.] im Hinblick auf die Verwaltungsaktqualität der Erhebung der Mahngebühren für zutreffend, weist aber ergänzend darauf hin, dass er die zwischen der Beklagten und der [X.] getroffene Verwaltungsvereinbarung für rechtswidrig halte.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.] ist nicht begründet.

Der Senat konnte in der Sache entscheiden, denn es bestehen keine von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensfehler (dazu unter 1.). Die als Verwaltungsakt zu qualifizierende Festsetzung von [X.] konnte mit der hier zulässigen Anfechtungsklage angegriffen werden (dazu unter 2.). Bei der Entscheidung in der Sache hat die Vorinstanz entgegen der Ansicht der Revision kein [X.]recht verletzt. Es kann offen bleiben, ob [X.] durch eine [X.] auf der Grundlage des Verwaltungsvollstreckungsrechts des [X.] oder des der Länder erhoben werden dürfen (dazu unter 3.a), denn jedenfalls war die beklagte [X.] gegenüber dem Kläger zur Erhebung von [X.] nicht befugt (dazu unter 3.b).

1. Es liegt hier kein eine Sachentscheidung hindernder Verfahrensfehler darin, dass die [X.] dem Verfahren nicht beigeladen wurde. Ein Fall einer von Amts wegen im Revisionsverfahren zu berücksichtigenden notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 Sozialgerichtsgesetz (<[X.]> vgl zuletzt nur [X.] vom [X.] - [X.] [X.] 17/08 R - juris) ist vorliegend nicht gegeben, weil die gerichtliche Entscheidung gegenüber der [X.] und gegenüber der [X.] nicht nur einheitlich ergehen kann. Eine einheitliche Entscheidung ist aus Rechtsgründen notwendig, wenn die gerichtliche Entscheidung im [X.] oder im Stattgabefall unmittelbar und zwangsläufig Rechte des [X.] gestaltet, bestätigt oder feststellt, verändert oder aufhebt (vgl [X.] vom 9.2.1994 - 11 [X.] - juris; [X.] § 75 [X.]; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, [X.], [X.]). Hieran fehlt es vorliegend, weil die [X.] allenfalls ein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, ohne dass ihre Rechte durch die Entscheidung zwangsläufig und unmittelbar festgestellt oder verändert werden.

2. Zutreffend ist der Kläger gegen die Festsetzung der [X.] mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.]) vorgegangen, deren besondere Voraussetzungen hier ebenfalls gegeben sind.

Bei der in der Mahnung vom 14.10.2007 enthaltenen Festsetzung von [X.] handelt es sich um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 Satz 1 [X.], der mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann. Die Festsetzung von [X.] enthält eine für den betroffenen Schuldner verbindliche Einzelfallregelung (vgl [X.]/App, [X.]/Verwaltungszustellungsgesetz , 9. Aufl 2011, § 19 VwVG RdNr 7 und § 3 VwVG RdNr 8). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der bisherigen Revisionsrechtsprechung, denn das [X.]sozialgericht ([X.]) hat bislang lediglich entschieden, dass die Mahnung selbst kein Verwaltungsakt sei, ohne dass die Erhebung einer Gebühr für diese Mahnung Gegenstand der Verfahren gewesen wäre (vgl [X.] Beschluss vom 5.8.1997 - 11 [X.]r 95/97 - juris RdNr 6; Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 264/98 B - juris RdNr 7; dem folgend [X.]finanzhof Beschluss vom 30.9.2002 - VII S 16/02 - juris RdNr 8). Auch der 12. Senat des [X.] ist bereits im Rahmen einer Beitragsstreitigkeit von der Verwaltungsaktqualität einer [X.]festsetzung nach § 19 Abs 2 VwVG ausgegangen ([X.] vom 23.11.1992 - 12 RK 23/90 - [X.] 3-7910 § 59 [X.]). Demgegenüber greift das Argument der [X.], sie "fordere" nur, was sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe und regele nichts, nicht durch. Die Verpflichtung zur Zahlung der Gebühr ergibt sich nämlich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern setzt voraus, dass sie - wie es etwa in § 19 Abs 2 Satz 1 VwVG heißt - "erhoben" wird. Nach der entsprechenden landesrechtlichen Regelung, auf die sich die Beklagte alternativ beruft, ist sogar nur ein entsprechender Gebührenrahmen festgelegt (der im Übrigen bei 25 Euro endet). Auf die Frage, ob es sich aufgrund der Verwendung des Wortes "Bescheid" im Mahnschreiben um einen so genannten formellen Verwaltungsakt handelte, gegen den bereits deshalb die Anfechtungsklage statthaft ist (vgl hierzu nur [X.] vom [X.] - B 4 R 75/06 R - juris), kommt es hier nicht mehr an.

Auch sonst steht der Zulässigkeit der Anfechtungsklage nichts entgegen, insbesondere fehlt es nicht an den speziell für die Anfechtungsklage geltenden Sachurteilsvoraussetzungen. Soweit zwischen den Beteiligten bislang streitig war, ob die Beklagte zum Erlass des Widerspruchsbescheids befugt war (§ 90 Satz 2 [X.]), berührt dies das für die Anfechtungsklage nach § 78 Abs 1 Satz 1 [X.] erforderliche Vorverfahren als Sachurteilsvoraussetzung nicht ([X.]E 24, 134, 137 = [X.] Nr 7 zu § 85 [X.]).

3. Das [X.] hat der Anfechtungsklage auch zu Recht stattgegeben, denn der Bescheid der [X.] über die Erhebung einer Mahngebühr ist rechtswidrig.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob Rechtsgrundlage für die mit dem Bescheid vom 14.10.2007 erhobenen [X.] § 19 Abs 2 VwVG iVm § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] und § 66 Abs 1 Satz 1 [X.] ist oder § 4 Abs 2 Sächsisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (SächsVwVG) iVm §§ 1, 6 Sächsisches Verwaltungskostengesetz (SächsVwKG) und [X.] Tarifstelle 8.1 der Anlage 1 zu § 1 des [X.] vom 24.5.2006 ([X.]) iVm § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] und § 66 Abs 3 Satz 1 [X.]. Für die Verwaltungsvollstreckung und damit auch für die der Vollstreckung vorgelagerten Mahnung besteht jedenfalls keine Kostenfreiheit nach § 64 Abs 1 Satz 1 [X.] ([X.] in von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 66 Rd[X.]3; speziell zur Mahngebühr [X.]/App, [X.] 2002, 7). Die Frage nach der Anwendung von [X.]- oder Landesrecht bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, weil der Verwaltungsakt vom 14.10.2007 ohnehin (formell) rechtswidrig ist. Die Beklagte war nämlich nach beiden Rechtsgrundlagen zur Erhebung von [X.] nicht befugt, weil ihr die sachliche Zuständigkeit fehlte (dazu unter a). Dieser Mangel, an dem der Verwaltungsakt zur Erhebung der [X.] leidet, führt zu dessen Aufhebung (dazu unter b).

a) Nach dem Vollstreckungsrecht des [X.] war für die Erhebung der [X.] sachlich zuständig die [X.] als Behörde, die den zu vollstreckenden Leistungsbescheid erlassen hat (vgl § 3 Abs 3, 4 iVm § 19 Abs 2 VwVG). Wie sich aus den - den Senat insoweit nach § 162 [X.] bindenden - Feststellungen des [X.] ergibt, gilt Gleiches nach den entsprechenden Regelungen des [X.] Verwaltungsvollstreckungsrechts (vgl § 13 Abs 2 iVm § 4 Abs 1 Satz 2 SächsVwVG sowie §§ 1, 6 SächsVwKG). Die Besonderheiten der Organisationsstruktur der [X.] führen nicht dazu, dass neben der [X.] auch die Beklagte für die Erhebung von [X.] zuständig geblieben ist (aa). Etwas anderes folgt auch nicht aus der abgeschlossenen Verwaltungsvereinbarung ([X.]). Ebenso wenig kann die sachliche Zuständigkeit der [X.] aus der entsprechenden Anwendung des § 88 [X.] hergeleitet werden (cc).

aa) Die Beklagte ist nicht befugt, einzelne Aufgabenbereiche im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ohne entsprechende gesetzliche Grundlage in eigener Zuständigkeit auszuüben. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der [X.] um einen der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt. Nach § 6 Abs 1 Satz 1 [X.] sind Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich die [X.] und die kreisfreien Städte und [X.] (vgl auch § 12 Satz 1, § 19a Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch [X.] ). Trotz ihrer Trägereigenschaft war es der beklagten [X.] verwehrt, gegenüber dem Kläger in eigener Zuständigkeit tätig zu werden. Das Verhältnis zwischen der [X.] und der [X.] bestimmte sich allein nach § 44b Abs 3 Satz 1 [X.] aF, wonach die [X.] "die Aufgaben" der [X.] als Leistungsträger nach dem [X.] wahrnahm. Dabei sollte die [X.] die gesamten operativen Aufgaben einer einheitlichen Leistungsverwaltung wahrnehmen ([X.] 119, 331, 368 mwN). Die Übertragung einzelner Aufgaben durch die Träger kollidiert mit dem Grundsatz der einheitlichen Wahrnehmung der Aufgaben nach dem [X.] (§ 44b Abs 1 Satz 1 [X.]; vgl [X.], [X.] 2011, 131, 138) und bedarf deshalb einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Eine Art "Selbsteintrittsrecht" der Grundsicherungsträger sieht das Gesetz dagegen nicht vor. Die Vorinstanzen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass ein solches Selbsteintrittsrecht nie ein Tätigwerden im Leistungsbereich des jeweils anderen Trägers rechtfertigen könnte. Ein einheitlicher Forderungseinzug erfordert aber regelmäßig ein solches Tätigwerden in einem anderen Leistungsbereich. Letztlich geht auch die Beklagte (zu Recht) davon aus, sie sei als Leistungsträgerin nicht bereits originär zuständig gewesen, denn in diesem Fall hätte es nicht der Vereinbarung eines Auftragsverhältnisses zwischen der [X.] und ihr bedurft, um im Rahmen des [X.] tätig zu werden.

[X.]) Die sachliche Zuständigkeit der [X.] lässt sich aber auch nicht aus § 1 der hier geschlossenen Verwaltungsvereinbarung zur Erbringung von Dienstleistungen 2007 vom 2./3.1.2007 iVm dem dort in Bezug genommenen Dienstleistungskatalog, der auch die Dienstleistung "Forderungseinzug" beinhaltet, iVm §§ 88 bis 90 [X.] herleiten. Dass die Übertragung von Aufgaben auf andere Leistungsträger oder auf Dritte einer gesetzlichen Grundlage bedarf, folgt aus der grundsätzlich fehlenden Disponibilität der Zuständigkeitsregelungen für den Fall, dass hierdurch die Rechtssphäre des Bürgers berührt wird (vgl [X.] in [X.]/[X.], Stand 2007, § 88 [X.] Rd[X.] mwN), was hier der Fall ist.

Nach § 88 Abs 1 Satz 1 [X.], der im Rahmen der Vorschriften über die Zusammenarbeit der Leistungsträger untereinander das Auftragsverhältnis regelt, kann ein Leistungsträger (Auftraggeber) ihm obliegende Aufgaben durch einen anderen Leistungsträger oder seinen Verband (Beauftragter) mit dessen Zustimmung wahrnehmen lassen, wenn dies wegen des sachlichen Zusammenhangs der Aufgaben vom Auftraggeber und Beauftragten zur Durchführung der Aufgaben und im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen zweckmäßig ist.

Die Anwendung des § 88 [X.] scheitert aber bereits daran, dass diese Norm nach ihrem Wortlaut auf die Beauftragung der [X.] durch die [X.] keine Anwendung findet, denn das Gesetz erlaubt es nur einem Leistungsträger iS von § 12 SGB I, als Auftraggeber einen Auftragsvertrag zu schließen (vgl [X.] in [X.] Kommentar, Stand April 2011, § 88 [X.] Rd[X.]9). Die Arbeitsgemeinschaften nach § 44b [X.] aF waren aber selbst nicht Leistungsträger ([X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - [X.]E 97, 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]0). Sie wurden vielmehr von den Trägern gemäß § 44b Abs 1 Satz 1 [X.] aF zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem [X.] durch Vertrag errichtet. Gemäß § 44b Abs 3 [X.] aF nahm die [X.] die Aufgaben der [X.] als Leistungsträger nach dem [X.] wahr. Die kommunalen Träger sollten der [X.] die Wahrnehmung ihrer Aufgaben übertragen. Wegen der fehlenden Leistungsträgereigenschaft der [X.] war es ihr verwehrt, auf der Grundlage des § 88 Abs 1 [X.] ihre Aufgaben durch die Beklagte wahrnehmen zu lassen.

cc) Auch eine entsprechende Anwendung des § 88 [X.] auf den vorliegenden Fall einer Rückübertragung von Aufgaben von einer nach § 44b [X.] aF errichteten [X.] als (Misch-) Behörde auf einen ihrer beiden Leistungsträger scheidet aus. Dagegen spricht bereits die auch verfassungsrechtlich geforderte klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeit (vgl hierzu [X.] 119, 331, 366), die eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage erfordert wie sie inzwischen mit § 44b Abs 4 [X.] idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der [X.] vom [X.] ([X.] 1112) iVm § 44c Abs 2 Satz 2 Nr 4 [X.] und § 44b Abs 5 [X.] auch geschaffen worden ist. Zum anderen besteht bei der "[X.]" von der [X.] zu einem ihrer Träger die besondere Problematik der [X.] der Beteiligten, die einem Vertrag als mehrseitigem Rechtsgeschäft grundsätzlich fremd ist (vgl zur Rechtsnatur der Beauftragung nach § 88 [X.] als koordinationsrechtlichem Vertrag [X.]E 69, 238, 240 = [X.] 3-1200 § 52 [X.]). Auch um [X.] vorzubeugen, bedarf es daher einer verfahrensmäßigen Absicherung einer solchen Aufgabenwahrnehmung. Gegen die Möglichkeit der Arbeitsgemeinschaften, ihre Leistungsträger gemäß § 88 [X.] mit einzelnen Aufgaben zu beauftragen, spricht zuletzt auch, dass § 44b [X.] aF zwar durchaus von einer (entsprechenden) Anwendung der Auftragsregelungen nach §§ 88 ff [X.] ausging, dies aber allein im umgekehrten Verhältnis. Nach § 94 Abs 4 [X.] gelten § 88 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 [X.] für [X.]'en, die nach § 94 Abs 1a Satz 1 [X.] iVm § 44b [X.] aF von den Leistungsträgern nach dem [X.] gegründet werden, entsprechend. Dabei ordnete § 44b Abs 3 Satz 2 Halbs 2 [X.] aF ausdrücklich an, dass § 88 Abs 2 Satz 2 [X.], wonach ein wesentlicher Teil des gesamten Aufgabenbereichs beim Auftraggeber verbleiben muss, nicht galt.

Für die Zulässigkeit einer vertraglichen Aufgabenübertragung im hier maßgeblichen Zeitraum kann auch die zwischenzeitlich in § 44b Abs 4 [X.] ergangene Neuregelung nicht fruchtbar gemacht werden. Zwar heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der [X.], [X.] und [X.], § 44b Abs 4 [X.] "stellt klar", dass die gemeinsame Einrichtung einzelne ihrer Aufgaben von den Trägern wahrnehmen lassen könne (BT-Drucks 17/1555, 24; wortgleich der Gesetzentwurf der [X.]regierung, vgl [X.], 37 f). Es ist aber nicht zu erkennen, worauf sich die Annahme, es handele sich lediglich um eine Klarstellung, gründet. Die Gesetzesbegründung macht im selben Zusammenhang zudem deutlich, dass erst durch die Neuregelung "die Möglichkeit eröffnet werden" sollte, einzelne Aufgaben rechtsgeschäftlich auf die Leistungsträger zu übertragen (BT-Drucks, aaO).

b) Die fehlende sachliche Zuständigkeit der [X.] zur Erhebung der [X.] führt zur Aufhebung des Verwaltungsakts vom 14.10.2007. Da der Kläger allein einen Anfechtungsantrag gestellt hat, bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob der Verwaltungsakt gemäß § 40 [X.] an einem so schwerwiegenden Fehler leidet, dass er nichtig ist ([X.]E 17, 139, 142; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 55 Rd[X.]4a; vgl zur Frage der Nichtigkeit im Falle einer sachlichen Unzuständigkeit auch [X.] [X.] 3-5520 § 44 [X.] S 6 f mwN). Auf die Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und bloßer Aufhe[X.]arkeit des Verwaltungsakts kommt es vorliegend auch deshalb nicht an, weil die Aufhe[X.]arkeit des (formell) rechtswidrigen Bescheids nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist. Der Mangel der sachlichen Zuständigkeit gehört weder zu den Fehlern, die nach § 41 [X.] unbeachtlich sind, noch zu den Fehlern, deretwegen nach § 42 Satz 2 [X.] die Aufhebung des Verwaltungsakts nicht verlangt werden kann ([X.] [X.] 3-3300 § 20 [X.]). Insofern ist allein festzustellen, dass der Anfechtungsantrag des Klägers jedenfalls begründet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 14 AS 54/10 R

26.05.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Leipzig, 26. Mai 2009, Az: S 23 AS 457/08, Urteil

§ 44b Abs 1 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 44b Abs 3 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 44b Abs 3 S 2 Halbs 2 SGB 2 vom 20.07.2006, § 44b Abs 4 SGB 2 vom 03.08.2010, § 44b Abs 5 SGB 2 vom 03.08.2010, § 44c Abs 2 S 2 Nr 4 SGB 2 vom 03.08.2010, § 6 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 21.12.2008, § 31 S 1 SGB 10, § 88 Abs 1 S 1 SGB 10, § 88 Abs 2 S 2 SGB 10, § 94 Abs 1a S 1 SGB 10, § 94 Abs 4 SGB 10, § 3 Abs 3 VwVG, § 3 Abs 4 VwVG, § 19 Abs 2 S 1 VwVG, § 4 Abs 1 S 2 VwVG SN, § 13 Abs 2 VwVG SN, § 1 VwKostG SN, § 6 VwKostG SN, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2011, Az. B 14 AS 54/10 R (REWIS RS 2011, 6197)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6197

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 14 AS 12/17 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Unwirksamkeit der Übertragung der Aufgaben der Erstellung von Mahnungen und Einleitung …


B 14 AS 28/19 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Feststellungsklage - feststellungsfähiges Rechtsverhältnis - Grundsicherung für Arbeitsuchende - Erstattungsbescheide - Übertragung …


B 7/14 AS 25/21 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - gemeinsame Einrichtung - Aufgabenwahrnehmung - Zuständigkeit - Wahrnehmung einzelner Aufgaben durch …


B 4 AS 97/11 R (Bundessozialgericht)

(Erstattung von Vorverfahrenskosten nach § 63 SGB 10 - Zulässigkeit des Widerspruchs gegen die Festsetzung …


B 11 AL 5/20 R (Bundessozialgericht)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen - Feststellung des Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.