Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.05.2018, Az. 30 W (pat) 521/16

30. Senat | REWIS RS 2018, 9729

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "ARGUS PROTECT SECURITY/ARGUS/L’argus de l’automobile (Unionsbildmarke)" – zur wirksamen Einlegung der Widersprüche – zur ordnungsgemäßen Unterschrift der Widerspruchsformulare – Dienstleistungsidentität – zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken – Prägung der jüngeren Marke durch den Bestandteil "ARGUS" – unmittelbare Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 011 708

hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] in der Sitzung vom 3. Mai 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

[X.] Die Beschwerde der Markeninhaber wird zurückgewiesen.

I[X.] Die Anträge der Widersprechenden, den Markeninhabern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 5. Februar 2013 angemeldete Wortmarke

2

[X.] PROTECT [X.]

3

ist am 13. März 2013 unter der Nummer 30 2013 011 708 für die Dienstleistungen

4

„[X.]: [X.], [X.], bewachte Transporte von Wertsachen und Personen;

5

[X.]: Dienstleistungen eines Sicherheitsdienstes, nämlich Personenschutz, Objektschutz und Werkschutz; Sicherheitsdienstleistungen zum Schutz von Eigentum und Personen“

6

in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden. Die [X.] erfolgte am 12. April 2013.

7

Gegen die Eintragung ist Widerspruch erhoben worden aus der seit dem 23. November 2004 für die Dienstleistungen

8

„Ermittlung in Geschäftsangelegenheiten; Be und Überwachung von Personen, Gebäuden und Wertobjekten; Nachforschungen nach Personen; Nachforschungen in Rechtsangelegenheiten“

9

eingetragenen Wortmarke 2 106 644

[X.]

des Widersprechenden zu 1., welcher sich nur gegen die zu [X.] beanspruchten Dienstleistungen der angegriffenen Marke richtet, sowie aus der u. a. für die Dienstleistungen

„[X.]: Transportwesen; Vermietung von Fahrzeugen; Charterfahrzeuge für Reisen; Beratung zur Planung von Reiserouten; Übermittlung und Austausch von Informationen in Bezug auf Kraftfahrzeuge, insbesondere über [X.] und über das [X.]; Erteilung von Auskünften in Bezug auf Kraftfahrzeuge; Keine der vorstehend genannten Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Bereich Rohstoffe und weiterhin keine der vorstehend genannten Waren im Zusammenhang mit den Bereichen Energie, Transport und Emissionen, ausgenommen in Bezug auf Straßenfahrzeuge oder andere Formen der Beförderung von Passagieren“

seit dem 17. Oktober 2008 eingetragenen Unionsmarke 006 233 159

Abbildung

der Widersprechenden zu 2..

[X.] innerhalb der vergangenen fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke … gemäß § 26 [X.] benutzt worden“ sei. Nach Vorlage von Unterlagen zur Benutzung der Widerspruchsmarke 2 106 644 [X.] (vgl. Anlagen [X.] bis [X.]) ein- schließlich einer eidesstattlichen Versicherung des Herrn G… vom 12. Februar 2014 haben die Inhaber der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2014 erklärt, dass der „[X.] nicht weiter aufrechterhalten“ werde.

Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 45 des [X.]s hat mit Beschluss vom 27. August 2015 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 106 644 für die Dienstleistungen der Klasse 45 sowie die teilweise Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 006 233 159 für die Dienstleistungen der Klasse 39 angeordnet; der weitergehende Widerspruch aus der Unionsmarke 006 233 59 wurde zurückgewiesen.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Widersprüche bestünden nicht, insbesondere seien beide unter Verwendung des amtlichen Vordrucks eingelegten Widersprüche entgegen der Auffassung der Markeninhaber [X.] unterzeichnet worden.

[X.] seien zunächst die für diese Marke eingetragenen Dienstleistungen

[X.] und der angegriffenen Marke [X.] PROTECT [X.] sei bei der angegriffenen Marke allein der mit der Widerspruchsmarke identische Bestandteil „[X.]“ maßgebend, da die übrigen Bestandteile als rein beschreibende Angaben nichts zur Unterscheidung beitrügen. Daher bestehe jedenfalls in klanglicher Hinsicht Zeichenidentität. Eine Schwächung des Bestandteils „[X.]“ durch benutzte [X.] könne im vorliegend relevanten Dienstleistungsbereich nicht festgestellt werden.

Im Rahmen der Gesamtabwägung könne dann aber eine Verwechslungsgefahr zwischen diesen Marken in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 45 nicht ausgeschlossen werden.

Hinsichtlich der Ähnlichkeit in Bezug auf die Dienstleistungen der [X.] der angegriffenen Marke bedürfe es insoweit keiner Feststellungen, da diese bereits aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 2 106 644 zu löschen seien.

Beim [X.] seien auf Seiten der Widerspruchsmarke [X.] 006 233 159 nach dem Grundsatz „Wort vor Bild“ allein die Wortbestandteile maßgebend. Dabei werde die Widerspruchsmarke aber allein durch den Wortbestandteil „l’argus“ geprägt, da der weitere Wortbestandteil „de l’automobile“ rein beschreibend sei und auch größenmäßig so hinter „l’argus“ zurücktrete, dass er im Gesamteindruck vernachlässigt werde.

Klanglich seien die danach maßgeblichen Wortbestandteile „l’argus“ der Widerspruchsmarke sowie der bei der angegriffenen Marke allein prägende [X.] „[X.]“ auch bei Berücksichtigung einer [X.] Aussprache von „l’argus“ i. S. von „largüs“ hochgradig ähnlich, so dass angesichts der Dienstleistungsidentität eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Zeichen bestehe.

Hiergegen haben die Markeninhaber Beschwerde eingelegt, mit der sie zunächst geltend machen, dass es bereits an einer rechtswirksamen Unterzeichnung der jeweiligen [X.] fehle. Die [X.] seien seitens der jeweiligen Unterzeichner bewusst und gewollt mit einer Paraphe, nicht jedoch mit einer Unterschrift versehen worden. Eine Paraphe sei aber keine Unterschrift. Als Unterschriften könnten die handschriftlichen Schriftzüge nicht angesehen werden, da kein einziger Strich dieser Schriftzüge den maschinenschriftlich als Unterzeichner benannten Personen „[X.]“ bzw. „[X.]“ zugeordnet werden könne.

[X.] bereits mangels Ähnlichkeit der [X.] ausscheide. Denn dieses Markenwort basiere auf dem Namen des Riesen [X.] aus der [X.] und sei dem Verkehr durch den Begriff „[X.]augen“ auch geläufig. Zudem sei „[X.]“ aufgrund einer Verwendung in einer Vielzahl von Marken verbraucht. Der Verkehr habe daher keinen Anlass, aus der angegriffenen Marke den Bestandteil „[X.]“ herauszulösen. Bei einem Gesamtvergleich von [X.] PROTECT [X.] mit der Widerspruchsmarke [X.] fehle es aber an jeglicher Ähnlichkeit, so dass eine Verwechslungsgefahr bereits aus diesem Grunde ausscheide.

Die Markeninhaber beantragen sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.]s vom 27. August 2015 aufzuheben und die Widersprüche aus den Marken 2 106 644 und [X.] 006 233 159 insgesamt zurückzuweisen.

Die Widersprechenden zu 1. und 2. beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

[X.] maßgebend, da die weiteren Bestandteile beschreibend seien. [X.] sei auch nicht verbraucht. Angesichts der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen könne dann aber eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.

Die Widersprechende zu 2. hat im Beschwerdeverfahren auf ihr Vorbringen vor der Markenstelle Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaber ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die entsprechende Rüge des Widersprechenden zu 1. geht daher fehl.

[X.] und [X.] 006 233 159 Abbildung

A. Die Widersprüche aus den beiden Marken 2 106 644 [X.] und [X.] 006 233 159 Abbildung

Ein Widerspruch nach § 42 Abs. 1 [X.] ist schriftlich zu erheben und eigenhändig zu unterschreiben. Dies ergibt sich aus § 42 Abs. 1 [X.] i. V. m. §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 [X.], wonach Originale von Anträgen und Eingaben unterschrieben einzureichen sind (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 42 Rdnr. 36).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] setzt eine Unterschrift dabei ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehendes Gebilde voraus, das nicht lesbar zu sein braucht. Erforderlich, aber auch genügend, ist das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzuges, der individuelle und entsprechende charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht erkennen lässt, eine volle Unterschrift zu leisten, das Schriftstück also nicht nur mit einem abgekürzten Handzeichen (Paraphe) zu versehen ([X.] 1992, 243, NJW-RR 1997, 760, NJW 2013, 1966 [X.]. 8). Der Namenszug kann dabei flüchtig geschrieben sein und braucht nicht die einzelnen Buchstaben klar erkennen zu lassen. Unter diesen Voraussetzungen ist selbst ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug als Unterschrift anzuerkennen, wobei auch von Bedeutung ist, ob der Unterzeichner auch sonst in gleicher oder ähnlicher Weise unterschreibt ([X.]-RR 1997, 760). Bei der Prüfung, ob eine Unterschrift vorliegt, kann eine dem Schriftzug beigefügte Namenswiedergabe in [X.] zur Deutung vergleichend herangezogen werden ([X.]-RR 1997, 760).

Diesen Anforderungen genügen beide Schriftzüge unter den jeweiligen [X.]n. Entgegen der Auffassung der Markeninhaber beschränken sie sich ihrem jeweiligen äußeren Erscheinungsbild nach nicht auf eine Namensabkürzung (Handzeichen, Paraphe).

1. So lässt sich auf dem [X.] betreffend den Widerspruch aus der Marke 2 106 644 [X.] der Anfang noch als Wiedergabe des Anfangsbuchstabens „K“ des Namens „K…“ deuten. Weitere identifizierbare Buchstaben sind dem [X.] zwar nicht zu entnehmen; jedoch geht der Schriftzug seiner Länge und Ausgestaltung nach mit den starken Überhöhungen am Anfang und am Ende - welche insbesondere bei anwaltlichen Unterschriften häufig anzutreffen sind - deutlich über eine bloße Namensabkürzung bzw. ein Handzeichen hinaus und stellt sich in seiner Gesamtheit noch als individuell ausgestaltete vollständige Unterschrift dar, welcher ein unverwechselbarer Charakter nicht abgesprochen werden kann. Dafür spricht ferner, dass im vorliegenden Verfahren sämtliche von dem Vertreter des Widersprechenden zu 1. geleisteten Unterschriften dem Namenszug unter dem [X.] ähneln. Da zudem unter der Unterschrift der Namen in [X.] wiedergegeben ist, ist die Identität hinreichend gesichert. Damit ist, bei Anlegung eines gebotenen großzügigen Maßstabs (vgl. [X.] 1987, 1333, 1334) die Widerspruchsschrift des Widersprechenden zu 1. ordnungsgemäß unterzeichnet.

2. Dies gilt auch in Bezug auf den Widerspruch aus der Unionsmarke 006 233 159 Abbildung

B. Der Senat teilt ferner die Auflassung der Markenstelle, dass zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 2 106 644 [X.] in Bezug auf die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 45 sowie zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke [X.] 006 233 159 Abbildung

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. [X.] GRUR 2010, 1098, Nr. 44 - [X.]/[X.]; GRUR 2010, 933, Nr. 32 - [X.]; GRUR 2011, 915, Nr. 45 - [X.]; [X.] GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - [X.]/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/[X.]; GRUR 2010, 235, Nr. 15 - [X.]/[X.]). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. [X.] GRUR 2013, 833, Nr. 30 - Culinaria/[X.]; [X.], 1040, Nr. 25 - pjur/pure; [X.], 930, Nr. 22 - [X.]/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/[X.]; GRUR 2010, 1103, Nr. 37 - Pralinenform II; [X.] GRUR 2008, 343 Nr. 48 - Il [X.]/[X.]).

[X.] PROTECT [X.] und den [X.] 2 106 644 [X.] und [X.] 006 233 159 Abbildung

1. Widerspruch aus der Marke 2 106 644 [X.]

a. Bei der Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit ist die [X.] maßgebend.

aa. Zwar haben die Inhaber der angegriffenen Marke mit ihrem Vorbringen, dass der Widersprechende zu 1. nicht glaubhaft gemacht habe, dass „die Widerspruchsmarke innerhalb der vergangenen fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke … gemäß § 26 [X.] benutzt worden“ sei, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke (allein) für den nach § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] maßgeblichen Zeitraum bestritten.

[X.] einschließlich einer eidesstattlichen Versicherung des Herrn G… vom 12. Februar 2014 vorgelegt hat (vgl. Anlagen [X.] bis [X.]), haben die Inhaber der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2014 jedoch erklärt, dass der „[X.] nicht weiter aufrechterhalten“ werde. Darin ist eine (wenngleich widerrufliche) Anerkennung der Benutzung der Widerspruchsmarke und nicht lediglich ein Zugeständnis, dass einzelne [X.] zeitlich begrenzt für einen zurückliegenden Zeitraum außer Streit gestellt werden, zu sehen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rdnr. 42), so dass auf Seiten der Widerspruchsmarke zu 1. allein die [X.] maßgebend ist.

bb. Danach umfassen die von der angegriffenen Marke zu Klasse 45 beanspruchten Dienstleistungsoberbegriffe „Dienstleistungen eines Sicherheitsdienstes, nämlich Personenschutz, Objektschutz und Werkschutz; Sicherheitsdienstleistungen zum Schutz von Eigentum und Personen“ ihrem Gegenstand und Inhalt nach die Dienstleistungen

b. Die Widerspruchsmarke [X.] verfügt im vorliegend maßgeblichen Dienstleistungsbereich von Haus aus über eine normale (durchschnittliche) Kennzeichnungskraft.

aa. Als [X.] Form des [X.] Namens „[X.]“, mit dem weite Teile des Verkehrs den gleichnamigen Riesen aus der [X.] verbinden, ist er in seiner Kennzeichnungskraft nicht eingeschränkt. Auch wenn sich daraus die geläufige Redensart „etwas mit [X.]augen beobachten; etwas nicht aus den Augen lassen“ entwickelt hat, so handelt es sich bei [X.] doch nicht um eine lexikalisch und/oder im allgemeinen Sprachgebrauch nachweisbare Verkürzung bzw. ein Kunstwort für „[X.]augen“. Es bedarf daher jedenfalls einiger Überlegung, um [X.] als verkürzende Wiedergabe von „[X.]auge“ in seiner Bedeutung „scharf beobachtender Blick“ (vgl. https://www.duden.de/ rechtschreibung/[X.]augen) zu verstehen und darin in Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Dienstleistungen einen werblich-anpreisenden Hinweis zu sehen.

bb. Eine Schwächung durch [X.] lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass „[X.]“ im Hinblick auf seinen Anklang an „[X.]auge“ von Überwachungs- und Sicherheitsunternehmen wie auch Unternehmen der Sicherheitstechnik verwendet wird; auch eine Reihe von Marken mit diesem Bestandteil sind im Register eingetragen. Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft kann jedoch nur durch umfangreich benutzte [X.] herbeigeführt werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 9 Rdnr. 185). Die Inhaber der angegriffenen Marke haben jedoch nicht näher zu einer Benutzung von Marken mit dem Bestandteil „[X.]/[X.]“ im vorliegend maßgeblichen Dienstleistungsbereich vorgetragen. Ohne näheren Vortrag zur Benutzungslage der eingetragenen Marken mit dem Bestandteil „[X.]“ – eine Reihe der im Register ausgewiesenen „[X.]-Marken“ sind entweder bereits gelöscht oder ihrerseits mit einem Widerspruch behaftet – bzw. zur Verwendung dieses Begriffs als firmenmäßige Bezeichnung (z. B. durch entsprechende Wach- und Sicherheitsunternehmen) lassen sich dazu aber keine Feststellungen treffen. Nur eine „liquide“, d. h. zumindest seitens der Inhaber der angegriffenen Marke glaubhaft gemachte [X.] kann aber im Widerspruchsverfahren berücksichtigt werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rdnr. 187).

c. Die [X.] weisen eine hochgradige Zeichenähnlichkeit auf.

aa. In ihrer Gesamtheit sind die Vergleichsmarken zwar durch die weiteren Bestandteile „PROTECT [X.]“ der angegriffenen Marke, welche im Gesamtbild gegenüber dem gemeinsamen Wortbestandteil „[X.]“ weder überlesen noch überhört werden, leicht zu unterscheiden.

bb. Jedoch ergibt sich eine hochgradige Zeichenähnlichkeit aus der identischen Übereinstimmung beider Marken in dem Bestandteil „[X.]“ (vgl. [X.] GRUR 2018, 417, 420, Nr. 35 - Resistograph).

Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks zwingt nicht dazu, die Vergleichsmarken stets in ihrer Gesamtheit miteinander zu vergleichen. Vielmehr ist nicht ausgeschlossen, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. m. w. N. [X.] GRUR 2013, 1239, Nr. 32 - [X.]/Volks.Inspektion; GRUR 2013, 833, Nr. 45 - Culinaria/[X.]; GRUR 2009, 772, Nr. 57 - [X.]). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. [X.] GRUR 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/[X.]; GRUR 2010, 729, Nr. 31 - [X.]; GRUR 2009, 1055, Nr. 23 - airdsl), so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. [X.] GRUR 2016, 80, Nr. 37 - [X.]/[X.]; GRUR 2007, 700, Nr. 42 - [X.]/Shaker, [X.]. 2010, 129, Nr. 62 - [X.]/[X.]; GRUR 2010, 1098, Nr. 56 - [X.]/[X.]; [X.] GRUR 2004, 778, 779 - [X.] DIREKT; GRUR 2008, 719, Nr. 37 - idw Informationsdienst Wissenschaft; GRUR 2010, 828, Nr. 45 - DiSC).

Ausgehend davon wird der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein durch den in seiner Kennzeichnungskraft nicht geschwächten und in beiden Marken identisch enthaltenden Bestandteil „[X.]“ geprägt. Denn die neben diesem durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Phantasiebestandteil in dem Zeichen enthaltenen weiteren Bestandteile „PROTECT [X.]“ erschöpfen sich in ihrer Bedeutung „schützen“ bzw. „Sicherheit“ in einem glatt beschreibenden Hinweis auf Gegenstand und Inhalt der Dienstleistungen. Sie tragen nichts zur betrieblichen Unterscheidung bei und rücken daher als kennzeichnungsschwache Bestandteile in den Hintergrund. Der Verkehr wird dann aber innerhalb der angegriffenen Marke allein den Bestandteil „[X.]“ als individualisierenden, betrieblichen Herkunftshinweis verstehen und ausschließlich dieses Element als für den Gesamteindruck prägend ansehen.

d. Unter Zugrundelegung einer überdurchschnittlichen Zeichenähnlichkeit der [X.] kann in der Gesamtabwägung angesichts der Identität der obengenannten Dienstleistungen sowie der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 45 der angegriffenen Marke nicht verneint werden.

2. Widerspruch aus der Marke [X.] 006 233 159 Abbildung

a. Auch insoweit ist bei der Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit die [X.] maßgebend. Danach fallen die von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten

Dem steht auch der bei diesen wie auch allen übrigen Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke eingetragene und den Schutzgegenstand einschränkende Disclaimer

b. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke Abbildung

c. Die [X.] weisen eine zumindest mittlere Zeichenähnlichkeit auf.

aa. Jedoch wird der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck der Widerspruchsmarke allein durch den durch den in seiner Kennzeichnungskraft nicht geschwächten Wortbestandteil „L’argus“ geprägt, da sowohl das Bildelement wie auch die weiteren Wortbestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können.

Das Bildelement der angegriffenen Marke in Form einer rechteckigen roten Hintergrundfläche wird als einfaches dekoratives, lediglich der Hervorhebung der Wortbestandteile dienendes Element wahrgenommen, dem der Verkehr keine kennzeichnende Bedeutung beimessen wird. Insoweit gilt der Erfahrungssatz, dass sich der Verkehr bei einer Wort-/Bildmarke an dem Wortbestandteil orientiert, wenn - wie vorliegend - der Bildbestandteil keine ins Gewicht fallende graphische Gestaltung aufweist (vgl. [X.]Z 167, 322, Nr. 30 - Malteserkreuz; [X.] GRUR 2008, 258, Nr. 23 - INTERCONNECT/T-InterConnect).

Bei den Wortbestandteilen tritt aber auch die Wortfolge „de l’automobile“ im Gesamteindruck zurück, da diese so klein geschrieben ist, dass sie im Gesamtbild der Marke und vor allem gegenüber dem direkt darüber angeordneten Wortbestandteil „L’argus“ kaum wahrgenommen wird. Sie kann ferner bei den vorliegend maßgeblichen Dienstleistungen als beschreibender Hinweis darauf verstanden werden, dass diese mittels Kraftfahrzeugen erbracht werden. Für den Verkehr besteht daher kein Anlass, diese Wortfolge bei mündlicher Benennung der Marke zu berücksichtigen.

bb. Weiterhin wird der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke auch in Zusammenhang mit den vorliegend relevanten Dienstleistungen der [X.] allein durch den in seiner Kennzeichnungskraft nicht geschwächten Bestandteil „[X.]“ geprägt, weil die weiteren Bestandteile „PROTECT [X.]“ in ihrer Bedeutung „schützen“ bzw. „Sicherheit“ sich auch insoweit in einem glatt beschreibenden schlagwortartigen Hinweis auf Gegenstand und Inhalt der Dienstleistungen erschöpfen, nämlich dass diese der Sicherheit/dem Schutz von Personen/Gegenständen dienen. Sie tragen daher auch vorliegend nichts zur betrieblichen Unterscheidung bei und rücken daher ebenfalls als kennzeichnungsschwache Bestandteile in den Hintergrund.

cc. Die danach miteinander zu vergleichenden Markenbestanteile „[X.]“ und „L’argus“ weisen aber jedenfalls in klanglicher Hinsicht eine erhebliche Ähnlichkeit auf. So wird „L’argus“ von einem nicht unerheblichen und damit für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr rechtserheblichen Teil des Verkehrs nicht „französisch“ wie „largüs“, sondern [X.] Ausspracheregeln entsprechend wie „[X.]“ artikuliert. Klanglich besteht dann aber lediglich ein Unterschied im Anfangskonsonanten „l“ von „L’argus“, welcher trotz seiner Stellung am Wortanfang angesichts der ansonsten bestehenden Übereinstimmung insbesondere auch in der klangtragenden Vokalfolge „[X.]“ einem weitgehenden Gleichklang dieser beiden Markenwörter nicht hinreichend entgegenwirkt. Insgesamt überwiegen danach die Gemeinsamkeiten in den beiden Markenwörtern deutlich die Unterschiede. Bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit der zu vergleichenden Marken ist aber grundsätzlich mehr auf die Gemeinsamkeiten abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen (vgl. [X.] GRUR 1998, 924, 925 - salvent/ Salventerol; GRUR 2015, 1114, Nr. 20 - Springender Pudel).

dd. Mögen die beiden Markenwörter danach in ihrer Gesamtheit auch nicht überdurchschnittlich ähnlich sein, so sind die Gemeinsamkeiten der den Gesamteindruck beider [X.] prägenden Bestandteile „[X.]“ und „L’argus“ jedoch zu ausgeprägt, als dass zumindest eine (noch) durchschnittliche Ähnlichkeit der Zeichen in Frage gestellt werden könnte. Insoweit ist auch zu beachten, dass der Verkehr die Marken in aller Regel nicht zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrnimmt und seine Auffassung daher erfahrungsgemäß von einem eher undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird.

d. Ausgehend von einer noch durchschnittlichen Ähnlichkeit der Vergleichsmarken ist dann aber in der Gesamtabwägung angesichts der Identität der Dienstleistungen sowie der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von einer Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen Dienstleistungen der [X.] angegriffenen Marke auszugehen.

3. Die Marke unterliegt aufgrund der anzuordnenden Teillöschungen aus den vorgenannten [X.] dann aber im Ergebnis der vollständigen Löschung.

C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

Meta

30 W (pat) 521/16

03.05.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 03.05.2018, Az. 30 W (pat) 521/16 (REWIS RS 2018, 9729)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9729

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