Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.11.2022, Az. 30 W (pat) 510/21

30. Senat | REWIS RS 2022, 7615

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „Aura Pura (Wortmarke)/AURA (IR-Marke)“ - Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2019 115 902

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

[X.] Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 03 des [X.] vom 24. November 2020 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke [X.] 966 547 in Bezug auf die von der angegriffenen Marke 30 2019 115 902 beanspruchten Waren „Klasse 03: Kosmetika und kosmetische Präparate; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ zurückgewiesen worden ist.

I[X.] Insoweit ist die angegriffene Marke 30 2019 115 902 wegen des Widerspruchs aus der Marke [X.] 966 547 zu löschen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 5. Dezember 2019 angemeldete und seit dem 3. Februar 2020 unter der Nummer 30 2019 115 902 u. a. für die Waren und Dienstleistungen

2

„[X.]: Kosmetika und kosmetische Präparate; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Reinigungs- und Duftpräparate;

3

[X.]5: Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels, auch über das [X.], in den Bereichen: Reinigungs- und Duftpräparate, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Kosmetika und kosmetische Präparate“

4

eingetragene Wortmarke

5

[X.] Pura

6

ist Widerspruch erhoben worden aus der unter der Nummer IR 966 547 registrierten Wortmarke

7

[X.]

8

deren internationale Registrierung für die [X.] am 22. Mai 2008 erfolgte und die Schutz für die Waren

9

„[X.]: [X.], eau de toilette, [X.].“

beansprucht, wobei der Widerspruch sich allein gegen die o. g. Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke richtete.

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für [X.] des [X.] hat den Widerspruch mit Beschluss vom 24. November 2020 zurückgewiesen.

Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke scheide eine [X.] zwischen beiden Zeichen mangels hinreichender Zeichenähnlichkeit auch insoweit aus, als sie sich nach der maßgeblichen [X.] auf hochgradig ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen könnten.

Die [X.] unterschieden sich trotz der Übereinstimmung in dem Bestandteil [X.]“ durch das weitere Element „Pura“ der angegriffenen Marke sowohl klanglich als auch schriftbildlich deutlich voneinander. Dem mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil [X.]“ komme innerhalb der angegriffenen Marke entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht deswegen eine prägende Stellung zu, weil der weitere Bestandteil „Pura“ als [X.] bzw. [X.] Wort mit der Bedeutung „rein, unverfälscht“ sich in einem sachbeschreibenden Hinweis auf die Reinheit der Inhaltsstoffe oder auf eine besonders verträgliche Produktvariante mit reinen, biologischen Wirkstoffen der beanspruchten Kosmetikwaren erschöpfe. Denn selbst soweit der inländische Verkehr den fremdsprachigen Begriff mit der vorgenannten Bedeutung verstehe, werde er diesen auf das vorangestellte Substantiv [X.]“ beziehen und die Wortfolge [X.] Pura gesamtbegrifflich im Sinne von „reine/unverfälschte [X.]“ verstehen, was einer Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke durch dieses Element entgegenstehe.

Aufgrund des gesamtbegrifflichen Aussagegehalts [X.] Pura könne weiterhin eine selbständig kennzeichnende Stellung des Wortes „[X.]“ in der angegriffenen Marke ausgeschlossen werden. Aus diesem Grunde würde der Verkehr die Marken auch nicht gedanklich miteinander in Verbindung bringen.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass ausgehend von einer originär durchschnittlichen und zudem durch umfangreiche Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie einer nach der maßgeblichen [X.] teilweise hohen und ansonsten mittleren Ähnlichkeit zwischen den beiderseitigen verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen die angegriffene Marke den zur Vermeidung einer [X.] erforderlichen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke nicht einhalte.

Maßgebend dafür sei, dass dem in der angegriffenen Marke [X.] Pura enthaltenen Bestandteil „Pura“ keine eigenständige Kennzeichnungskraft beizumessen sei, Bei „Pura“ handele es sich um ein Wort der [X.] bzw. [X.] mit der Bedeutung „rein, sauber, unvermischt“. In diesem Sinne werde es auch von inländischen Verkehrskreisen nicht zuletzt wegen seiner Ähnlichkeit zu dem [X.] Wort „pur“ bzw. dem [X.] Begriff „pure“ verstanden. Mit dieser Bedeutung erschöpfe sich „Pura“ in Bezug auf die von der Marke beanspruchten Waren der [X.] in einem beschreibenden Hinweis auf die Reinheit der Inhaltsstoffe bzw. auf eine besonders verträgliche Variante mit reinen/puren Wirkstoffen, so dass „Pura“ nicht als Unterscheidungsmittel aufgefasst werde. Im Gesamteindruck der angegriffenen Marke trete dieser Bestandteil daher zurück mit der Folge, dass dem mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil „[X.]“ in der jüngeren Marke eine prägende Stellung im Gesamtzeichen zukomme.

Da die Widerspruchsmarke mit dem die angegriffene Marke prägenden Bestandteil [X.]“ übereinstimme, seien die [X.] schriftbildlich, klanglich und begrifflich ähnlich.

Beide Zeichen unterlägen daher in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke einer unmittelbaren [X.]. Jedenfalls würden die Verkehrskreise die angegriffene Marke mit der Widerspruchsmarke gedanklich in Verbindung bringen und davon ausgehen, dass es sich bei der angegriffenen Marke um eine Abwandlung der Widerspruchsmarke handele.

Die Widersprechende hat in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2022 beantragt,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 24. November 2020 aufzuheben, und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2019 115 902 für die Waren und Dienstleistungen

„[X.]: Kosmetika und kosmetische Präparate; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Reinigungs- und Duftpräparate;

[X.]5: Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels, auch über das [X.], in den Bereichen: Reinigungs- und Duftpräparate, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Kosmetika und kosmetische Präparate“

anzuordnen.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene Inhaberin der angegriffenen Marke hat in ihrer Beschwerdeerwiderung beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht geltend, dass dem mit der Widerspruchsmarke identischen [X.] [X.]“ keine selbständig kollisionsbegründende Stellung innerhalb der angegriffenen Marke zukomme, da die [X.]e [X.]“ und „Pura“ der angegriffenen Marke gleichstufig miteinander interagierten, wobei keiner der beiden Begriffe klanglich oder schriftbildlich dominiere. Der zweite Begriff „Pura“ sei kein untergeordneter Begriff und käme keinem beschaffenheitsbeschreibenden Zeichen gleich. Vielmehr stellten beide [X.]e einen einheitlichen Gesamtbegriff dar, ähnlich einem Doppelnamen. Dies sei nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die beiden Begriffe sich nur durch den jeweiligen Anfangsbuchstaben unterschieden und die sich daran anschließende übereinstimmende [X.] „-URA“ zu einer besonderen Harmonie beider Begriffe führe. Aufgrund dieses gesamtbegrifflichen Charakters bestehe keine [X.].

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende mit Schriftsatz vom 13. September 2022 den Widerspruch in Bezug auf die von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten und mit dem Widerspruch angegriffenen Waren „Reinigungs- und Duftpräparate“ sowie den von der angegriffenen Marke zu [X.]5 beanspruchten „Dienstleistungen des Einzel- und Großhandels, auch über das [X.], in den Bereichen: Reinigungs- und Duftpräparate, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Kosmetika und kosmetische Präparate“ zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäߧ§66 Abs.1,64 Abs.6 S. 1 [X.] statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Nach der [X.] ist die angegriffene Marke für die noch verfahrensgegenständlichen Waren „[X.]: Kosmetika und kosmetische Präparate; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ zu löschen, weil zwischen den [X.] insoweit eine [X.] im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht. Der angefochtene Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 24. November 2020 ist daher aufzuheben, soweit der Widerspruch in Bezug auf diese Waren zurückgewiesen wurde.

A. Die Frage, ob [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur [X.] GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – [X.] [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.] 2020, 870 Rn. 25 – [X.]/[X.]; [X.], 1058 Rn. 17 – [X.]; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – [X.]/[X.]; [X.], 1104 ff. – [X.]/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 – [X.]; [X.], 283 Rn. 7 – [X.]/[X.] DEUTSCHE [X.]). Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. [X.], a. a. [X.] Rn. 48 – [X.] [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; [X.] a. a. [X.] Rn. 25 – [X.]/INJEX).

Nach diesen Grundsätzen ist eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke hinsichtlich der nach der [X.] noch verfahrensgegenständlichen Waren der angegriffenen Marke zu besorgen.

1. Ausgehend von der vorliegend maßgeblichen [X.] besteht zwischen den noch verfahrensgegenständlichen Waren „[X.]: Kosmetika und kosmetische Präparate; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ der angegriffenen Marke und den Widerspruchswaren „[X.], eau de toilette, [X.]“ eine jedenfalls durchschnittliche Warenähnlichkeit.

Zwar unterscheiden sich „[X.], eau de toilette, [X.]“ und Kosmetika sowie Mittel zur Körper- und Schönheitspflege in ihrer stofflichen Beschaffenheit; ferner weisen Parfüme anders als Mittel zur Körper- und Schönheitspflege oder Kosmetika grundsätzlich keine (haut)pflegenden Eigenschaften auf, sondern zielen in erster Linie allein auf (körperlichen) Wohlgeruch ab (vgl. [X.] (pat) 19/94 v. 14. Februar 1995 – [X.], veröffentlicht auf der [X.]seite des [X.]), Jedoch weisen diese Waren insoweit erhebliche Überschneidungen auf, als sie grundsätzlich für eine Anwendung am menschlichen Körper bestimmt sind und „[X.], eau de toilette, [X.]“ als Mittel zur Beeinflussung des Körpergeruchs ebenso wie Kosmetika und Mittel zur Körper- und Schönheitspflege der Verbesserung der äußeren Erscheinung des menschlichen Körpers dienen. Kosmetika und Mittel zur Körper- und Schönheitspflege können ferner parfümiert sein und daher neben ihrer im Vordergrund stehenden Zweckbestimmung als Reinigungs- und Pflegemittel auch einen entsprechenden Wohlgeruch hervorrufen. Eine Verwendung eines Parfüms erfolgt zudem oftmals nach der Körperreinigung und der möglichen Auftragung von Kosmetika, so dass die Waren auch in einem funktionellen Zusammenhang stehen bzw. sich einander ergänzen.

Dementsprechend bieten auch Parfumhersteller oftmals Schönheits- und Körperpflegeserien an (vgl. dazu [X.] (pat) 360/03 v. 21. Juni 2007 – [X.]/Pania; veröffentlicht auf der [X.]seite des [X.]). Die Waren werden weiterhin z. B. in [X.] in unmittelbarer Nähe zueinander angeboten.

Aufgrund dieser Überschneidungen und Gemeinsamkeiten liegt für den Verkehr daher die Annahme einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft jedenfalls nicht so fern, dass eine Ähnlichkeit zwischen diesen Waren verneint werden könnte. Die im Vordergrund stehende Zweckbestimmung von Parfüms als Mittel zur Herstellung eines körperlichen Wohlgeruchs kann dabei möglicherweise zu einem etwas größeren Warenabstand zu den auf Seiten der angegriffenen Marke relevanten Waren, keinesfalls jedoch zu einem deutlichen Warenabstand oder gar zu einer Warenunähnlichkeit führen. Mag die Ähnlichkeit solcher Waren danach auch nicht hochgradig oder überdurchschnittlich sein, so ist sie jedenfalls als durchschnittlich zu bewerten.

2. Die Widerspruchsmarke [X.] verfügt ferner über eine originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

a. Bei dem Begriff [X.] handelt es sich um einen aus dem [X.] stammenden Begriff, welcher mit der Bedeutung „besondere [geheimnisvolle] Ausstrahlung“ Bestandteil der [X.] Sprache geworden ist und insoweit gleichbedeutend mit „Ambiente, Ausstrahlung, Fluidum, Präsenz“ verwendet wird (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/[X.]). Mit dieser Bedeutung weist [X.] im Hinblick auf die von der Widerspruchsmarke erfassten Waren allenfalls einen entfernten beschreibenden Anklang in dem Sinne auf, dass entweder diese Waren selbst von einer [X.] umgeben seien oder - naheliegender - die Verwendung dieser Waren ihrem Benutzer eine gewisse[X.] verleihe. Ein konkretes Merkmal der Waren der Widerspruchsmarke wird damit indessen nicht beschrieben. [X.] ruft insoweit allenfalls vage, unbestimmte Assoziationen nach Art eines sprechenden Zeichens hervor, welche aber eine spürbare Schwächung der Kennzeichnungskraft nicht nach sich ziehen. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, der Widerspruchsmarke eine nur eingeschränkte Kennzeichnungskraft zuzuschreiben (vgl. [X.] (pat) 182/03 v. 21. Dezember 2004 – [X.]-Care/[X.]; Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 13. Auflage, § 9 Rdnr. 212).

b. Soweit die Widersprechende sich darüber hinaus auf eine durch umfangreiche Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke beruft, erlauben allein die dazu vorgelegten Auszüge von [X.]-Seiten ohne hinreichend konkrete Angaben zum Marktanteil, zur Intensität, geografischen Verbreitung und Dauer der Benutzung der Marke sowie ggf. zum Werbeaufwand keine Feststellungen in Bezug auf eine durch Benutzung gestärkte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hinsichtlich einzelner oder mehrerer Waren.

Dies bedarf letztlich aber keiner abschließenden Entscheidung, da auch unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine [X.] zwischen den Marken in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren nicht verneint werden kann.

3. Die [X.] weisen ferner eine jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit auf.

a. Zwar heben sich die [X.] durch den zusätzlichen, in gleich großer Schrift und unmittelbar neben „[X.]“ angeordneten und daher weder zu übersehenden noch zu überhörenden zusätzlichen Wortbestandteil „Pura“ auf Seiten der angegriffenen Marke in ihrer Gesamtheit bei einigermaßen gleichmäßiger Berücksichtigung sämtlicher Bestandteile deutlich voneinander ab.

b. Jedoch ergibt sich eine durchschnittliche Zeichenähnlichkeit aus der weitreichenden Übereinstimmung des [X.]s „[X.]“ der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke [X.], welche sich lediglich im Schriftbild durch die Schreibweise der Widerspruchsmarke in Großbuchstaben/Versalien voneinander unterscheiden. Diesem Umstand kommt aber aus Sicht des angesprochenen Verkehrs nur eine geringfügige Bedeutung zu, weil er daran gewöhnt ist, dass ihm identische Wörter sowohl in gewöhnlicher Schreibweise mit großem Anfangsbuchstaben als auch ausschließlich in Großbuchstaben entgegentreten (vgl. [X.],[X.], [X.] - [X.]/[X.] sowie [X.]GRUR 2015,607,608, [X.] im [X.]).

Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks zwingt nicht dazu, die Vergleichsmarken stets in ihrer Gesamtheit miteinander zu vergleichen. Vielmehr ist nicht ausgeschlossen, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante [X.] begründen können (vgl. [X.] [X.] 2013, 1239, Nr. 32 - [X.]/Volks.Inspektion; [X.], 833, Nr. 45 - Culinaria/[X.]; [X.], 772, Nr. 57 - [X.]). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen, so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. [X.] [X.], 80, Nr. 37 - [X.]/[X.]; GRUR 2007, 700, Nr. 42 - [X.]/Shaker, [X.]. 2010, 129, Nr. 62 - [X.]/[X.]; [X.], 1098, Nr. 56 - [X.]/[X.]; [X.] 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/[X.]; [X.], 729, Nr. 31 - [X.]; [X.], 1055, Nr. 23 – airdsl; [X.],1058 Nr. 38 - [X.]).

Ausgehend davon wird der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck der Begriffskombination [X.] Pura allein durch den von Haus aus in seiner Kennzeichnungskraft nicht eingeschränkten Wortbestandteil „[X.]“ geprägt, da der weitere Wortbestandteil „Pura“ für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktritt, dass er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann.

aa. Maßgebend dafür ist, dass es sich „Pura“ um ein Adjektiv handelt, dem in den drei Welthandelssprachen [X.]isch, [X.] und [X.] die Bedeutung „rein, sauber, unvermischt“ zukommt. Mit diesem Bedeutungsgehalt beschränkt sich „Pura“ in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Waren in einem unmittelbar beschreibenden Hinweis auf deren unverfälschte Reinheit und damit auf deren besondere Qualität. Der beschreibende Produktbezug des fraglichen Wortelements wird dabei von den beteiligten Verkehrskreisen schon wegen der weitgehenden Übereinstimmungen mit seinem [X.] Pendant „pur“ sowie dem ebenfalls im inländischen Sprachgebrauch weitgehend verwendeten [X.] Adjektiv „pure“ ohne Weiteres erkannt werden (vgl. [X.] 28 W (pat) 47/09 v. 9. April 2010 - [X.]/[X.], BeckRS 2010, 10238). Ferner gehören [X.], [X.] und [X.] zu den beliebtesten Reisezielen [X.] Touristen, was zunehmend auch zur Verständlichkeit von Grundbegriffen dieser Sprachen wie „Pura“ führt.

Zudem handelt es sich um einen sowohl in Firmen- und Produktbezeichnungen wie auch als Bestandteil von Marken häufig verwendeten und damit weitgehend „verbrauchten“ Bestandteil, dem der Verkehr keine kennzeichnende Wirkung mehr beimisst. Die von der Widersprechenden auf Seite 9 ihres Schriftsatzes vom 4. Mai 2021 benannten und mit den Registerauszügen gemäß Anlage 6 belegten Zurückweisungen von Markenanmeldungen mit dem Bestandteil Pura/[X.] verdeutlichen zudem, dass diesem Begriff offenbar auch seitens des [X.] regelmäßig eine beschreibende Bedeutung beigemessen wird, eine Eintragung von Marken mit diesem Bestandteil daher nur in Kombination mit weiteren kennzeichnungskräftigen Wort- und/oder Bildelementen in Betracht kommt.

bb. Der Verkehr wird diesen Begriff daher für eine Individualisierung nicht geeignet halten und somit innerhalb der angegriffenen Marke trotz der Anordnung und Ausgestaltung von „[X.]“ und „Pura“ nebeneinander in gleicher Größe und mit identischem Schriftbild allein den Bestandteil „[X.]“ als individualisierenden betrieblichen Herkunftshinweis auffassen und die Marke somit als „[X.]“-Marke wahrnehmen und verstehen.

cc. Entgegen der Auffassung der Markenstelle wird der Verkehr [X.] Pura auch nicht auf Anhieb einen gesamtbegrifflichen Aussagegehalt [X.] „reine/unverfälschte [X.]“ entnehmen. Dem wirkt bereits die Reihenfolge der Begriffe mit „Pura“ in Nachstellung entgegen. Zwar ist eine Nachstellung von Adjektiven im [X.] durchaus üblich. Der ganz überwiegende Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird in [X.] Pura aber mangels hinreichender Kenntnisse der [X.] keine [X.] Begriffsbildung, sondern vielmehr eine Kombination des zwar aus dem [X.] stammenden, aber mit eigener Bedeutung in den [X.] Sprachgebrauch eingegangenen Begriffs „[X.]“ mit dem [X.]/[X.]/[X.] und ihm aufgrund seiner Nähe zu dem gängigen Begriff „pur“ bzw. – englisch – „pure“ ohne weiteres verständlichen Begriff „pura“ erkennen. Diesen Begriff wird er aber aufgrund seiner in der [X.] Grammatik unüblichen Nachstellung gegenüber dem Substantiv „[X.]“ sowie dem Umstand, dass es sich um eine Kombination von Begriffen aus verschiedenen Sprachen handelt, jedenfalls nicht ohne weiteres dem vorangestellten Substantiv „[X.]“ als Adjektiv zuordnen, so dass sich ein gesamtbegrifflicher Aussagegehalt für ihn - anders als u. U. bei „[X.]“ - allenfalls nach einem gewissen Denk- und [X.] erschließt. Ein gesamtbegriffliches Verständnis von [X.] Pura drängt sich dem Verkehr daher jedenfalls nicht so unmittelbar und ohne weiteres auf, dass eine prägende Stellung des in der Wortfolge allein kennzeichnungskräftigen Bestandteils „[X.]“ in Frage gestellt werden könnte.

Auch die Übereinstimmung in der [X.] „ura“ ändert weder etwas an einem rein beschreibenden Verständnis des [X.]s „Pura“ noch erleichtert oder erübrigt sie den für ein gesamtbegriffliches Verständnis der Wortfolge notwendigen Erkenntnisprozess. Ungeachtet dessen lässt sich ein von der Inhaberin geltend gemachtes besonderes Zusammenspiel bzw. eine „besondere Harmonie“ der Begriffe durch die Übereinstimmung in der genannten [X.] auch deshalb nicht ausmachen, weil sich bei dem [X.] [X.]“ der Anfangskonsonant „A“ von [X.] mit dem nachfolgenden Vokal „u“ zu einem einheitlichen Laut „au“ verbindet, während bei „Pura“ die beiden Anfangsbuchstaben „P“ und „u“ ihren eigenständigen Lautcharakter beibehalten.

dd. Tritt somit „Pura“ als rein produktbeschreibender Bestandteil im Gesamteindruck der angegriffenen Marke gegenüber „[X.]“ so in den Hintergrund, dass er für den Gesamteindruck zu vernachlässigen ist, kann dem mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden [X.] „[X.]“ eine den Gesamteindruck prägende Stellung und Bedeutung nicht abgesprochen werden, so dass aufgrund der Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke [X.] eine zumindest durchschnittliche Zeichenähnlichkeit gegeben ist.

4. In Anbetracht dessen kann in der Gesamtabwägung angesichts der zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der obengenannten Waren, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der [X.] eine [X.] zwischen beiden Marken in Bezug auf die noch verfahrensgegenständlichen Waren der angegriffenen Marke nicht verneint werden.

D. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da Billigkeitsgründe eine Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind. Allein (Teil-)Rücknahmeerklärungen, die zur (teilweisen) Erledigung der Hauptsache führen, sind kein Grund für eine (teilweise) Kostenauferlegung (vgl. [X.] in: Ströbele/Hacker/Thiering, aaO, § 71 Rdnr. 27).

Meta

30 W (pat) 510/21

02.11.2022

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.11.2022, Az. 30 W (pat) 510/21 (REWIS RS 2022, 7615)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7615

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30 W (pat) 70/21

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28 W (pat) 47/09

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