Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.01.2023, Az. 30 W (pat) 66/21

30. Senat | REWIS RS 2023, 1897

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2017 014 469

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 19. Januar 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin [X.] und des [X.] Merzbach

beschlossen:

Die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 1. Juni 2017 angemeldete und seit dem 26. Juni 2017 nach einer zwischenzeitlich erfolgten Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses für die Dienstleistungen

2

„[X.]: Werbung für pharmazeutische Wirkstoffe;

3

[X.]: medizinische Informationsdienstleistungen für Patienten über Erkrankungen, Symptome und Therapien im Bereich Augenheilkunde; Diagnostik zur Früherkennung von Erkrankungen im Bereich Augenheilkunde“

4

eingetragene Wort-/Bildmarke 30 2017 014 469

Abbildung

5

deren Veröffentlichung am 28. Juli 2017 erfolgte, ist am 25. Oktober 2017 Widerspruch erhoben worden aus der am 8. Dezember 2016 angemeldeten und seit dem 29. Mai 2017 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen und dabei u.a. für die Dienstleistungen

6

„[X.]: Werbung;

7

[X.]: Medizinische Dienstleistungen“

8

registrierten Unionsmarke 016 147 902

9

[X.]

wobei der Widerspruch sich sowohl auf den [X.] der [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2[X.]als auch auf den [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] stützt.

Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für [X.] des [X.] hat mit Beschluss vom 25. Juni 2021 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, da zwischen den [X.] [X.] bestehe.

Ausgehend von der maßgeblichen [X.] könnten sich die [X.] bei identischen Dienstleistungen begegnen. So falle die von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchte Dienstleistung „Werbung für pharmazeutische Wirkstoffe“ unter den für die Widerspruchsmarke zu dieser [X.]lasse beanspruchten Dienstleistungsoberbegriff „Werbung“. Ebenso fielen die von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten „medizinische Informationsdienstleistungen für Patienten über Erkrankungen, Symptome und Therapien im Bereich Augenheilkunde; Diagnostik zur Früherkennung von Erkrankungen im Bereich Augenheilkunde“ unter die für die Widerspruchsmarke zu [X.]lasse registrierten „Medizinische(n) Dienstleistungen“.

Weiterhin verfüge die Widerspruchsmarke über eine durchschnittliche [X.]ennzeichnungskraft. Soweit sich die Widersprechende auf eine erhöhte [X.]ennzeichnungskraft berufe, bestehe diese zwar im Bereich der Mobiltelefone. Für die vorliegend relevanten Dienstleistungen sei eine erhöhte [X.]ennzeichnungskraft jedoch weder dargelegt noch nachgewiesen. Die hier maßgeblichen Dienstleistungen wiesen auch keine besonders enge Nähe zum Bereich der Mobiltelefone auf, so dass auch eine Ausstrahlungswirkung nicht vorliege.

Den danach zur Vermeidung einer unmittelbaren [X.] erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein, da die [X.] insoweit hochgradig ähnlich seien.

Ausgehend von dem Erfahrungssatz, dass sich bei einer [X.]ombination von Wort und Bild in einer Marke der Verkehr regelmäßig an dem Wortbestandteil orientiere, wenn dieser kennzeichnungskräftig sei, weil der Wortbestandteil bei einer solchen Marke die einfachste Möglichkeit der Benennung biete, seien vorliegend das Widerspruchszeichen „[X.]“ mit dem Wortbestandteil „[X.]“ der angegriffenen Marke zu vergleichen. Denn klanglich würden die weiteren Wortbestandteile „[X.] [X.]“ und „[X.]“ der angegriffenen Marke vom Verkehr vernachlässigt

So beschreibe „[X.] [X.]“ auf Grundlage der Bedeutung von „Plattform” als Bezeichnung eines Orts oder eines Personenkreises, der dem Austausch und der Verbreitung von Ideen, Anschauungen oder Produkten diene, unmittelbar den Ursprung der beanspruchten Dienstleistungen dahingehend, dass diese von einer Plattform für Augenheilkunde stammten bzw. von Mitgliedern dieser Plattform durchgeführt oder für diese Dienstleistungen auf einer solchen Plattform geworben werde. Die [X.] Schreibweise „[X.]“ ändere daran nichts, da das Publikum die [X.] Schreibweise entweder gar nicht erkennen oder nicht für außergewöhnlich halten werde.

Auch „[X.]“ werde das Publikum bei Dienstleistungen im Bereich der Augenheilkunde nicht mitartikulieren, da „[X.]“ zumindest einen beschreibenden Anklang für diese Dienstleistungen aufweise. Bei dem auf das [X.] Wort „vitalis“ zurückgehenden Begriff "[X.]" handele es sich um ein geläufiges Fremdwort der [X.], welches in seiner Bedeutung "lebenskräftig; im Besitz der Leistungskraft, lebenswichtig" zwar nicht unmittelbar Merkmale und Eigenschaften der beanspruchten Dienstleistungen beschreibe, jedoch vom Verkehr in Bezug auf sämtliche Dienstleistungen als Hinweis darauf gesehen werde, dass diese sich ihrem Inhalt und/oder ihrer Thematik nach mit Fragen der physischen Befindlichkeit oder Gesundheit (der Augen) beschäftigten. Das Publikum habe daher angesichts des deutlich erkennbaren Sinngehalts des Begriffs kaum Anlass, „[X.]“ als individualisierenden, betrieblichen Herkunftshinweis für die beanspruchten Dienstleistungen zu verstehen, zumal auch die Verbindung von „[X.]“ und „[X.]“ nicht ungewöhnlich sei.

Die danach miteinander zu vergleichenden Wörter „[X.]“ UND [X.] unterschieden sich bei gleicher Silbenzahl und identischer Vokalfolge nur hinsichtlich des zweiten [X.]onsonanten. Trotz der Tatsache, dass das „k“ des Widerspruchszeichens härter als das „v“ des angegriffenen Zeichens (gesprochen wie „w“ oder wie „f“) gesprochen werde, sei angesichts der identischen Dienstleistungen der Abstand zu gering, um eine [X.] verneinen zu können.

Da die Zeichenähnlichkeit in einer Hinsicht ausreiche, um eine [X.] zu begründen, komme es auf eine ([X.] oder begriffliche Ähnlichkeit nicht mehr an.

Selbst wenn der Verkehr die angegriffene Marke mit „[X.] [X.]“ benenne, läge aufgrund der Bekanntheit des Widerspruchszeichens als Marke und Unternehmenskennzeichen sowie der hohen Ähnlichkeit von [X.] und „[X.]“ jedenfalls eine [X.] aufgrund gedanklichen Inverbindungbringens im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 [X.] vor. Das überragend bekannte Firmenzeichen [X.] sei dem Verkehr auch dann, wenn es ihm außerhalb des Bereichs begegne, für den das Zeichen eine Bekanntheit und Verkehrsgeltung in Anspruch nehmen könne (hier: Mobiltelefone), derart im Gedächtnis präsent, dass – selbst bei einem gesteigerten Aufmerksamkeitsgrad des Publikums – der geringe Unterschied von [X.] und „[X.]“ leicht überhört werde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke, mit der er im Wesentlichen geltend macht, dass entgegen der Auffassung der Markenstelle „[X.][X.]“ als ein zusammenhängender Name zu sehen sei und nicht in „[X.]“ und „[X.]“ aufgespalten werden könne. Eine [X.] scheide dann aber mangels hinreichender Ähnlichkeit zwischen „[X.]“ und „[X.][X.]“ aus. Zudem habe der Name „[X.][X.]“ bundesweite Bekanntheit erlangt und werde als ganzer Name verwendet.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat keinen Antrag gestellt.

Die Widersprechende hat weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Für die Zulässigkeit der Beschwerde ist ein konkreter Antrag nicht erforderlich. Fehlt wie vorliegend ein Antrag, muss von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang ausgegangen werden (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 66 Rdnr. 40).

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken besteht für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.]. Daher hat die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet (§ 43 Abs. 2 S. 1 [X.]).

A. Im Laufe des Verfahrens haben sich die Vorschriften des [X.]es mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht. Da die Anmeldung der angegriffenen Marke zwischen dem 1. Oktober 2009 und dem 14. Januar 2019 eingereicht worden ist, ist für den gegen diese Eintragung erhobenen Widerspruch gemäß § 158 Abs. 3 [X.] in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung weiterhin § 42 Abs. 1 und 2 [X.] in der bis zum 14. Januar 2019 geltenden Fassung anzuwenden.

B. Die Frage, ob [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, ist unter Heranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der [X.]ennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte [X.]ennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur [X.] GRUR 2020, 52 Rn. 41-43 – [X.] [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.] 2020, 870 Rn. 25 – [X.]/[X.]; [X.], 1058 Rn. 17 – [X.]; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – [X.]/[X.]; [X.], 1104 ff. – [X.]/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 – [X.]; [X.], 283 Rn. 7 – [X.]/[X.] DEUTSCHE [X.]). Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. [X.], a. a. [X.] Rn. 48 – [X.] [Roslagspunsch/ ROSLAGSÖL]; [X.] a. a. [X.] Rn. 25 – [X.]/INJEX).

Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine unmittelbare [X.] zu bejahen.

1. Ausgehend von der mangels Erhebung einer Nichtbenutzungseinrede maßgeblichen [X.] können sich die [X.] bei identischen Dienstleistungen begegnen.

So fällt die von der angegriffenen Marke beanspruchte Dienstleistung „[X.]: Werbung für pharmazeutische Wirkstoffe“ unter den für die Widerspruchsmarke zu dieser [X.]lasse registrierten weiten Oberbegriff „Werbung“. Dies gilt auch für die von der angegriffenen Marke weiterhin zu [X.] beanspruchten Dienstleitungen „medizinische Informationsdienstleistungen für Patienten über Erkrankungen, Symptome und Therapien im Bereich Augenheilkunde; Diagnostik zur Früherkennung von Erkrankungen im Bereich Augenheilkunde“, welche von dem für die Widerspruchsmarke zu dieser [X.]lasse registrierten Dienstleistungsoberbegriff „Medizinische Dienstleistungen“ umfasst werden. [X.] liegt nicht nur vor, wenn sich die Dienstleistungsbegriffe vollständig oder teilweise decken, sondern auch, wenn die Dienstleistung der jüngeren Marke unter einen breiteren Oberbegriff der älteren Marke subsumiert werden kann (vgl. [X.] 2009, 484, Rn. 45 — Metrobus; [X.], 1055 Rn. 64 — airdsl).

2 . Weiterhin verfügt die Widerspruchsmarke [X.] von Haus aus über eine durchschnittliche [X.]ennzeichnungskraft.
Soweit die Widersprechende sich vor der Markenstelle unter Hinweis darauf, dass sie zu den führenden Herstellern von Mobiltelefonen gehöre, auf eine durch Bekanntheit iS von § 9 Abs. 1 Nr. 3 [X.] gesteigerte [X.]ennzeichnungskraft beruft, ist diese ungeachtet des Umstands, dass dem Senat nichts zu einer Benutzung der Widerspruchsmarke für Mobiltelefone, Smartphones o.ä. zum jetzigen Zeitpunkt bekannt ist, für den vorliegend relevanten Dienstleistungsbereich nicht von Bedeutung.

Dies bedarf letztlich keiner abschließenden Entscheidung, da auch unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine [X.] zwischen den Marken nicht verneint werden kann.

3. Die [X.] weisen ferner eine zumindest mittlere Zeichenähnlichkeit auf.

a. In ihrer Gesamtheit sind die Vergleichsmarken nach der bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit allein maßgeblichen registrierten Form bereits durch die zusätzlichen, in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findenden Wortbestandteile „[X.] FÜR [X.]“ und „[X.]“ der angegriffenen Marke, welche auch im Gesamtbild der Marke gegenüber dem Wortbestandteil „[X.]“ bereits durch ihre Anordnung direkt unterhalb bzw. neben „[X.]“ weder überlesen noch überhört werden, leicht zu unterscheiden. In bildlicher Hinsicht trägt zudem auch das direkt neben den Wortbestandteilen angeordnete zusätzliche graphische Element der jüngeren Marke Abbildung

b. Jedoch ergibt sich eine jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit aus der hochgradigen Ähnlichkeit des [X.] „[X.]“ der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke [X.].

Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks zwingt nicht dazu, die Vergleichsmarken stets in ihrer Gesamtheit miteinander zu vergleichen. Vielmehr ist nicht ausgeschlossen, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante [X.] begründen können (vgl. [X.] [X.] 2013, 1239, Nr. 32 - [X.]/Volks.Inspektion; [X.], 833, Nr. 45 - Culinaria/[X.]; [X.], 772, Nr. 57 - [X.]). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. [X.] 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/[X.]; [X.], 729, Nr. 31 - [X.]; [X.], 1055, Nr. 23 - airdsl), so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. [X.] [X.], 80, Nr. 37 – [X.]/[X.]; GRUR 2007, 700, Nr. 42 -[X.]/Shaker, [X.]. 2010, 129, Nr. 62 - [X.]/[X.]; [X.], 1098, Nr. 56 - [X.]/[X.]; [X.] 2004, 778, 779 - [X.] DIRE[X.]T; [X.], 719, Nr. 37 - idw Informationsdienst Wissenschaft; [X.], 828, Nr. 45 - DiSC).

aa. Ausgehend davon wird der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke jedenfalls in klanglicher Hinsicht allein durch den in seiner [X.]ennzeichnungskraft nicht geschwächten Bestandteil „[X.]“ geprägt, weil die übrigen Wort- und Bildbestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können.

Dies gilt zunächst für die direkt unterhalb der angegriffenen Marke angeordnete Wortfolge „[X.] [X.]“, bei der der Verkehr den [X.]n Begriff „[X.]“ ohne weiteres mit seiner weitgehend identischen, sich nur durch das „[X.]“ unterscheidenden [X.] Entsprechung „Plattform“ gleichsetzen wird, sofern er den Unterschied überhaupt bemerkt. In seiner in vorliegendem Zusammenhang allein naheliegenden Bedeutung als Bezeichnung eines „Orts oder Personenkreises, der dem Austausch und der Verbreitung von Ideen, Anschauungen oder Produkten dient“ (vgl. [X.]-online zu „Plattform“), findet er insbesondere im [X.] Verwendung. Eine [X.] eine [X.]seite, auf der unterschiedlichste Dienstleistungen angeboten werden (vgl. https://exporo.de/wiki/online-plattform/). Vor diesem Hintergrund wird der Verkehr die um die Themenangabe „FÜR [X.]“ ergänzte Wortfolge „[X.] [X.]“ in vorliegendem Dienstleistungszusammenhang lediglich als beschreibenden Hinweis darauf verstehen, dass diese sich inhaltlich mit der Augenheilkunde beschäftigen und auf einer bzw. unter Verwendung einer (Online-)Plattform erbracht werden. So kann „Werbung für pharmazeutische Wirkstoffe“ sich ohne weiteres auf Präparate/Wirkstoffe für Augen und damit auf die „Augenheilkunde“ beziehen und mittels einer oder auf einer „[X.] [X.]“ beworben werden. Ebenso können „medizinische Informationsdienstleistungen für Patienten über Erkrankungen, Symptome und Therapien im Bereich Augenheilkunde; Diagnostik zur Früherkennung von Erkrankungen im Bereich Augenheilkunde“ auf und/oder mittels einer solchen Plattform vermittelt bzw. erbracht werden. Im Gesamteindruck der angegriffenen Marke tritt diese Wortfolge als beschreibender Hinweis auf Gegenstand und [X.] bzw. -ort der Dienstleistungen in den Hintergrund.

Ebenso tritt der weitere Wortbestandteil „[X.]“ im Gesamteindruck der angegriffenen Marke hinter dem Bestandteil „[X.]“ zurück.

Die in der Beschwerdeschrift geäußerte Auffassung des Inhabers der angegriffenen Marke, dass „[X.]“ sich mit dem vorangestellten [X.] „[X.]“ zu einem einheitlichen Begriff „[X.][X.]“ verbinde, geht fehl. Ob und inwieweit er die vorgenannten Wortbestandteile in Zusammenschreibung nutzt – insoweit beruft er sich sogar darauf, dass „[X.][X.]“ bundesweit bekannt sei – ist vorliegend unerheblich. Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist allein die verfahrensgegenständliche angegriffene Marke in ihrer konkret eingetragenen Form; auf abweichende Benutzungsformen kommt es insoweit nicht an.

In dem angegriffenen Zeichen sind die beiden Begriffe „[X.]“ und „[X.]“ zwar in gleicher Größe nebeneinander angeordnet und in Versalien wiedergegeben. Sie sind jedoch deutlich voneinander getrennt; ferner ist der Bestandteil „[X.]“ gegenüber „[X.]“ farblich abgesetzt und weist zudem gegenüber diesem [X.] eine größere Schriftstärke auf. Der Verkehr wird daher die [X.]e „[X.]“ und „[X.]“ ohne weiteres als eigenständige Begriffe wahrnehmen.

Dabei tritt der Begriff „[X.]“ gegenüber „[X.]“ trotz der vorgenannten Übereinstimmungen beider [X.]e in Anordnung, Größe und Schriftform in einer Weise zurück, dass er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann. Denn bei dem [X.] „vital“ handelt es sich – wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat - um ein auf das [X.] Wort „vitalis“ zurückgehendes geläufiges Fremdwort der [X.], welches in seiner Bedeutung "voller Lebenskraft; im Besitz seiner vollen Leistungskraft" (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl. S. 1941) vom Verkehr als Hinweis darauf gesehen werden kann, dass sich so gekennzeichnete Dienstleistungen ihrem Inhalt und/oder ihrer Thematik nach mit Fragen der physischen oder psychischen Lebenskraft und Befindlichkeit beschäftigen (vgl. BPatG 30 W [X.]) 519/14 v. 9. Mai 2016 - vital360°; 25 W [X.]) v. 30. September 2008 – [X.]/[X.]). In Bezug auf die vorliegenden Dienstleistungen wird der Verkehr „[X.]“ dann aber naheliegend als [X.] Hinweis darauf verstehen, dass diese sich ihrem Inhalt und/oder ihrer Thematik nach mit Fragen der physischen Befindlichkeit oder Gesundheit der Augen beschäftigen bzw. der Erhaltung, Förderung der Vitalität der Augen dienen. Er wird diesen Begriff dabei in Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen umso weniger für eine Individualisierung geeignet halten, als – wie die Markenstelle dargelegt hat – der Begriff „[X.]“ gerade auch in Zusammenhang mit Dienstleistungen, die die Augen betreffen, verwendet wird.

Zudem wird dem Verkehr vor dem Hintergrund, dass zu einer den Gesamteindruck prägenden Stellung eines [X.] auch dessen Anordnung, Größe und Ausgestaltung beitragen kann (vgl. [X.] 2019, 1058 Nr. 41 – [X.]), der Bestandteil „[X.]“ nicht zuletzt auch durch seine deutlich wahrnehmbare farbliche und drucktechnische Hervorhebung gegenüber „[X.]“ als alleiniges [X.] und Merkwort der angegriffenen Marke nahegelegt.

Die beiden Wortbestandteile verbinden sich auch nicht zu einer der selbständig kennzeichnenden Stellung von „[X.]“ entgegenwirkenden gesamtbegrifflichen Einheit (vgl. dazu [X.] 2019, 1058 Nr. 38 – [X.]). Denn bei „[X.]“ handelt es sich weder um einen im Inland geläufigen Begriff der [X.] noch einer fremden Sprache. Soweit „[X.]“ im [X.] die Bedeutung „(feste) Freundin“ zukommen kann (vgl. https://de.pons.com/%C3%BCbersetzung/ spanisch-deutsch/[X.]), ist dies inländischen Verkehrskreisen mangels hinreichender [X.]enntnisse der [X.] nicht bekannt; darüber hinaus vermittelt der [X.] „[X.]“ mit dieser Bedeutung in vorliegendem Zusammenhang weder einen seine Eignung als betrieblichen Herkunftshinweis schwächenden beschreibenden Aussagegehalt noch verbindet er sich mit „[X.]“ zu einer begrifflichen Einheit.

Einer prägenden Stellung von „[X.]“ wirkt auch nicht das direkt vor den Wortbestandteilen angeordnete graphische ElementAbbildung

Anders als beim bildlichen Gesamteindruck kommt dem Bildbestandteil einer Wort-/Bildmarke bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks grundsätzlich keine Bedeutung zu, da insoweit von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Wortbestandteil, sofern er – wie vorliegend - kennzeichnungskräftig ist, den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit zur Benennung bietet ([X.] 2008, 258, 260 (Nr. 23) - INTERCONNECT/T-Interconnect; [X.], 903, 905 (Nr. 25)- [X.]; GRUR 2014,378 Rn.30 - [X.]; Ströbele/Hacker/Thiering, aa[X.] § 9 Rdnr. 459). Dies gilt erst recht, wenn der Bildbestandteil sich wie hier in einer nichts zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung beitragenden illustrierenden Darstellung der die Dienstleistungen nach Gegenstand und Inhalt beschreibenden Angabe „[X.]“ erschöpft, so dass ihm der Verkehr als einfaches dekoratives Element keine kennzeichnende Bedeutung beimessen wird.

Der Verkehr wird die angegriffene Marke daher als „[X.]“-Marke, ergänzt um die [X.] bzw. beschreibenden Wortbestandteile „[X.]“ und „[X.] [X.]“ sowie eines diese Wortfolge illustrierenden graphischen Elements wahrnehmen und sich daher auch bei Benennung der Marke allein an diesem Bestandteil orientieren.

bb. Die danach miteinander zu vergleichenden Markenwörter „[X.]“ und [X.] sind klanglich hochgradig ähnlich. Denn sie stimmen bis auf die abweichenden Mittelkonsonanten „V“ bzw. „[X.]“ sowohl am Wortanfang „NO“ als auch am Wortende „-IA“ sowie in der für das [X.]langbild bedeutsamen Vokalfolge „[X.]“ überein. Diese Gemeinsamkeiten wie auch die Übereinstimmungen in Silbenanzahl, Sprechrhythmus und Betonung erzeugen ein sehr ähnliches Gesamtklangbild. Die einzige Abweichung durch den unterschiedlichen Mittelvokal „V“ statt „[X.]“ stellt kein ausreichendes Gegengewicht hierzu dar.

Angesichts der hochgradigen Ähnlichkeit der Widerspruchsmarke mit dem den Gesamteindruck der angegriffenen Marke prägenden [X.] „[X.]“ ist daher von einer zumindest durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit auszugehen (vgl. [X.] 2018, 417 Nr. 35 – Resistograph; [X.]/Hacker/Thiering, aaO, § 9 Rdnr. 479).

4. Ausgehend davon kann in der Gesamtabwägung angesichts der Identität der Dienstleistungen, der durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der [X.]ollisionszeichen eine unmittelbare [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zwischen beiden Marken nicht verneint werden, so dass die angegriffene Marke zu löschen ist.

C. Hinsichtlich der [X.]osten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da Billigkeitsgründe für eine Auferlegung der [X.]osten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

Meta

30 W (pat) 66/21

19.01.2023

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.01.2023, Az. 30 W (pat) 66/21 (REWIS RS 2023, 1897)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1897

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

30 W (pat) 520/19 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "MetroIntegrator (IR-Marke)/METRO (Wort-Bild-Marke)" – Warenidentität – zur Kennzeichnungskraft – durchschnittliche Kennzeichnungskraft im maßgeblichen …


30 W (pat) 510/21 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – „Aura Pura (Wortmarke)/AURA (IR-Marke)“ - Verwechslungsgefahr


30 W (pat) 70/21 (Bundespatentgericht)


30 W (pat) 503/20 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "dental.h/DENTAL X" – Dienstleistungsidentität - keine klangliche und schriftbildliche Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr …


30 W (pat) 73/21 (Bundespatentgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

30 W (pat) 519/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.