Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2019, Az. AnwZ (Brfg) 35/19

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2019, 4142

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltsschaft wegen Vermögensverfalls: Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt; Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Tätigkeit als Rechtsanwalt trotz Vermögensverfalls


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das am 10. Dezember 2018 verkündete Urteil des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der 1951 geborene Kläger ist seit dem Jahr 1978 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit [X.]escheid vom 18. Juni 2018 widerrief die [X.]eklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Der [X.] wies die Klage mit Urteil vom 10. Dezember 2018 ab. Das Urteil wurde dem Kläger am 9. Februar 2019 zugestellt. Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom Montag, den 11. März 2019 die Zulassung der [X.]erufung. In diesem Schriftsatz teilte er "schon jetzt" mit, dass der Antrag "auf §§ 124 Abs. 2 Ziffer 1, 3, 4 und 5 vor allem" gestützt werde. Am 1. April 2019 beantragte er beim [X.] die Verlängerung der Frist zur Antragsbegründung um einen Monat. Der Vorsitzende ließ durch [X.] vom 4. April 2019 mitteilen, dass die Akte auf dem Weg zu ihm sei und er erst nach Eingang der Akte entscheiden könne. Er rege jedoch an zu prüfen, ob der Vorsitzende des [X.] beim [X.] über den Antrag zu entscheiden habe und ob die Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO überhaupt verlängerbar sei. Mit Verfügung vom 10. April 2019, dem Kläger mit [X.] am 18. April 2019 zugestellt, teilte der Vorsitzende mit, die Frist sei nicht verlängerbar, zuständig für den Antrag sei der Vorsitzende des [X.] beim [X.]. Die Akte ging beim [X.] am 18. April 2019 ein. Der Vorsitzende des [X.]s lehnte den Fristverlängerungsantrag ab und wies den Kläger auf die anzunehmende Unzulässigkeit seines Rechtsmittels hin. Der Kläger begründete sein Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 8. Mai 2019 und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Seine Mitarbeiterin habe versehentlich bei [X.]eantragung der Fristverlängerung ohne nachfolgende Kontrolle das Fristende auf den 9. Mai 2019 - das Datum der beantragten Fristverlängerung - notiert und dementsprechend die Akte erst Anfang Mai wieder vorgelegt.

II.

2

Der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung ist als unzulässig zu verwerfen, da das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet worden ist.

3

1. Der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung war innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung des vollständigen Urteils an den Kläger, vorliegend also bis zum Ablauf des 9. April 2019, zu begründen (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Satz 4, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 [X.]G[X.]). Zu diesem [X.]punkt lag keine ordnungsgemäße [X.]egründung vor.

4

Die Mitteilung des [X.] in der [X.]erufungseinlegung, der Antrag werde auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3, 4 und 5 VwGO (i.V.m. § 112e Satz 2 [X.]) gestützt, genügt - entgegen der Ansicht des [X.] - für eine [X.]egründung nicht. Das Gesetz verlangt vielmehr die Darlegung des [X.]. Eine Darlegung - die schon nach allgemeinem Sprachgebrauch im Sinne von "erläutern" und "erklären" zu verstehen ist ([X.]VerwG, NJW 1996, 1554 zur gleichlautenden Anforderung an die Nichtzulassungsbeschwerde) - verlangt mehr als einen nicht näher spezifizierten Hinweis auf das Vorliegen von [X.] ([X.], [X.]eschluss vom 23. Februar 2011 - [X.] ([X.]) 4/10, juris Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 25. Aufl., § 124a Rn. 49; Rudisile in [X.]/[X.]/[X.]ier, VwGO, § 124a Rn. 93 [Stand: Februar 2019]). Sinn der Darlegungspflicht des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist es, dem Rechtsmittelgericht ohne weitere Ermittlungen die Feststellung zu ermöglichen, ob der geltend gemachte Zulassungsgrund vorliegt ([X.], [X.], 1176, 1177).

5

Diesen Anforderungen wird der bloße Hinweis auf die gesetzlichen Zulassungsgründe nicht gerecht (vgl. [X.], NVwZ-RR 2003, 695). Der Hinweis lässt nicht einmal die konkrete Angriffsrichtung des Rechtsmittels erkennen. Erst recht ermöglicht er es dem Rechtsmittelgericht nicht, über das Vorliegen des [X.] zu entscheiden.

6

2. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist ist dem Kläger nicht zu gewähren, da ihn an dem Fristversäumnis Verschulden trifft (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 60 Abs. 1 VwGO).

7

a) Der Kläger sieht die Ursache für das Fristversäumnis in einem ihm nicht zuzurechnenden Versehen einer Kanzleiangestellten bei der Notierung der Frist. Der [X.] kann insoweit offenlassen, ob die Sachverhaltsschilderung der Angestellten glaubhaft ist. Daran bestehen insoweit Zweifel, als nicht nur das [X.] des [X.]svorsitzenden beim [X.] vom 4. April 2019, sondern auch seine - per [X.] zugestellte - Verfügung vom 10. April 2019 zu einer Aktenvorlage an den Kläger hätten Anlass geben müssen. Diese soll aber erst Anfang Mai erfolgt sein. Hierauf kommt es indes nicht an, denn der Kläger verkennt, dass (jedenfalls [X.] war, dass er selbst die Verlängerung einer von Gesetzes wegen nicht verlängerbaren Frist beantragt hat (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 11. Juni 2018 - 20 Z[X.] 18.911, juris Rn. 6).

8

b) Eine gesetzliche Frist ist nach § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 57 Abs. 2 VwGO, § 224 Abs. 2 ZPO nur dann verlängerbar, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Dies ist bei der [X.]egründungsfrist für einen Antrag auf Zulassung der [X.]erufung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) - anders als für die [X.]egründung einer zugelassenen [X.]erufung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO) - nicht der Fall. Diese von der obergerichtlichen Rechtsprechung mehrfach bekräftigte Rechtslage (vgl. schon [X.]sbeschluss vom 12. Oktober 2010 - [X.] ([X.]) 3/10, juris Rn. 2; zum notariellen [X.]erufsrecht: [X.], [X.]eschluss vom 20. Juli 2015 - [X.] ([X.]) 1/15, NJW-RR 2016, 504 Rn. 5; [X.] in [X.] VwGO, 49. Edition, § 124a Rn. 52) hätte der Kläger kennen müssen ([X.]sbeschluss vom 10. Februar 2015 - [X.] ([X.]) 53/14, juris Rn. 4; [X.], [X.]eschluss vom 20. Juli 2015 - [X.] ([X.]) 1/15, [X.]O Rn. 9; [X.], [X.]O Rn. 4 f.).

9

b) Der Kläger kann diesem Vorbringen nicht entgegenhalten, dass sein Verschulden wegen eines Fehlers des Gerichts bei wertender [X.]etrachtung nicht ursächlich geworden sei (zu dieser Fallgruppe: vgl. etwa [X.] in [X.], ZPO, 32. Aufl., § 233 ZPO Rn. 20 ff.).

[X.]) Der Vorsitzende des [X.]s beim [X.], dem die Akten nicht vorlagen, hat den Kläger noch am 4. April 2019 und damit erhebliche [X.] vor Fristablauf durch [X.], das nach dem in der Akte befindlichen Sendebericht ordnungsgemäß an die Kanzleifaxnummer des [X.] übersandt wurde, davon unterrichten lassen, dass er erst nach Zuleitung der Akte über den Fristverlängerungsantrag entscheiden könne. Er hat aber ausdrücklich anheimgestellt, in eigener Verantwortung zu klären, ob der [X.]svorsitzende beim [X.] der richtige Adressat des Antrags ist und ob die [X.]egründungsfrist überhaupt verlängerbar ist. Damit hatte der Kläger Anlass zu eigenverantwortlicher Prüfung.

bb) Letztlich kommt es hierauf nicht einmal an. Der [X.] ist für Anträge auf [X.] nicht der zuständige Adressat ([X.]sbeschluss vom 19. Juni 2017 - [X.] ([X.]) 13/17, juris Rn. 5; für die [X.]erufungsbegründung vgl. § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO).

In der Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass Rechtsmittelschriften vom hierfür unzuständigen Ausgangsgericht im üblichen Geschäftsgang an das zuständige Gericht weitergeleitet werden müssen ([X.], [X.]eschluss vom 18. Oktober 2017 - [X.] 1/17, NJW 2018, 165 Rn. 10 ff.). Für [X.] gilt dasselbe ([X.], [X.]eschlüsse vom 20. August 2014 - [X.] 155/13, NJW 2014, 3159 Rn. 13 und vom 6. November 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 408, 409). Der [X.] hätte sich folglich darauf beschränken können, den Antrag zuständigkeitshalber weiterzuleiten. In diesem Falle wäre aber mit einem Hinweis des Vorsitzenden des [X.] beim [X.] vor Fristablauf nicht zu rechnen gewesen. Dabei ist hypothetisch - unter [X.]erücksichtigung der räumlichen Trennung von beim [X.] angesiedelter Geschäftsstelle (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und [X.]svorsitzendem beim [X.], einem Rechtsanwalt (§ 101 Abs. 3 Satz 1 [X.]), selbst bei Unterstellung eines optimalen [X.] - von folgendem Verlauf auszugehen (für einen ähnlichen Fristlauf ohne die organisatorischen [X.]esonderheiten des [X.]s: [X.], [X.]eschluss vom 12. Januar 2017 - 2 U 143/16 ([X.]), [X.]eckRS 2017, 133493 Rn. 16, bestätigt durch den [X.], [X.]eschluss vom 18. Oktober 2017 - [X.] 1/17, [X.]O): Eingang des Fristverlängerungsgesuchs vom 1. April 2019 beim [X.] am 2. April 2019, [X.]earbeitung (Zuleitung an den Vorsitzenden des [X.]s) durch die zuständige Geschäftsstelle am 3. April 2019, Ankunft der Akten und [X.]earbeitung der Akten dort am 4. April 2019, Rückkunft der Akten beim [X.] am Freitag, den 5. April, Vorlage an die Geschäftsstelle und [X.]earbeitung dort (Übersendung an den [X.]) am 8. April 2019. Selbst wenn man einen Akteneinlauf beim [X.] noch am 9. April 2019 unterstellt, hätte ein Hinweis durch den [X.]svorsitzenden frühestens am 10. April 2019 - und damit nach Fristablauf - erfolgen können.

III.

Ergänzend merkt der [X.] in der gebotenen Kürze an, dass der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung auch in der Sache keinen Erfolg hätte:

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der [X.] hat den [X.] des Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]) im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.]s festgestellt.

a) Der [X.]escheid ist formell ordnungsgemäß ergangen. Der Kläger hatte im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Äußerung (vgl. bereits das Schreiben der [X.]eklagten vom 14. Juli 2015). Ein - zwischenzeitlich auch im notariellen [X.]erufsrecht abgeschafftes - [X.] (§ 50 Abs. 3 Satz 3 [X.] in der Fassung bis zum 1. September 2009) ist im anwaltlichen [X.]erufsrecht nicht vorgesehen.

b) Der Kläger befand sich im maßgeblichen [X.]punkt der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall.

[X.]) Maßgeblich ist allein der [X.]punkt der Widerrufsverfügung. Spätere Umstände sind einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. etwa [X.]sbeschluss vom 5. April 2019 - [X.] ([X.]) 3/19, juris Rn. 4 mwN). Aus diesem Grund kommt es auch nicht in [X.]etracht, das Verfahren bis zu einer Entscheidung über einen Insolvenzplan auszusetzen.

bb) In Vermögensverfall befindet sich, wer in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er auf absehbare [X.] nicht ordnen kann, geraten ist und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. [X.]sbeschluss vom 28. Januar 2019 - [X.] ([X.]) 72/18, juris Rn. 4). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.] vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren - wie im Falle des [X.] - eröffnet ist. Er steht vorliegend aber auch positiv fest, weil der Kläger - unstreitig - im maßgeblichen [X.]punkt seine Gläubiger aus einer Tätigkeit als Mittelverwendungskontrolleur bei Verbindlichkeiten in Höhe von 1,7 Millionen € nicht bedienen konnte.

Der Vermögensverfall endet nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s grundsätzlich erst, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 [X.]) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 [X.]) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (st. Rspr.; vgl. [X.]sbeschluss vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, juris Rn. 9 mwN). Diese Voraussetzungen waren im maßgebenden [X.]punkt nicht erfüllt. Wenn sich der Kläger demgegenüber darauf beruft, dass er im Dezember 2018 - zwei Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens - mit dem Insolvenzverwalter über einen Insolvenzplan "in Verhandlung" gestanden habe, der allerdings von der [X.]ewilligung eines Kredits durch eine [X.]ank abgehangen habe, verkennt der Kläger den maßgeblichen [X.]punkt der [X.]eurteilung der Vermögenslage, aber auch, dass der Sachverhalt - im Unterschied zu dem vom Kläger angeführten, zum notariellen [X.]erufsrecht ergangenen [X.]eschluss des [X.] vom 31. August 2005 ([X.], 3057, 3058) - keine konkret belastbare Erwartung begründet, der Kläger werde in absehbarer [X.] schuldenfrei sein.

cc) Unerheblich ist der Verweis des [X.], der nach Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens und noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf eigenen Antrag aus dem Amt als Notar entlassen worden war, darauf, dass die Justizverwaltung ihm die Führung des Titels "[X.]" gestattet habe. Rechtlich bindet diese Entscheidung weder die beklagte Kammer noch die Gerichte. Im Übrigen handelt es sich bei dieser Entscheidung - ebenso wie bei der Entscheidung über einen Widerruf oder eine Rücknahme - nach § 52 Abs. 2 und 3 [X.] um Ermessensentscheidungen, deren Auswirkungen für den Rechtsverkehr nicht im Ansatz mit einer Entscheidung über die Zulassung zu einem [X.]eruf vergleichbar sind und bei denen auch [X.]erücksichtigung finden kann, dass der Kläger die [X.]efugnis zur Titelführung automatisch mit dem Widerruf der Anwaltszulassung verliert (§ 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] i.V.m. § 17 [X.]; vgl. auch [X.] in [X.]/Miermeister, [X.]/[X.]eurkG, 4. Aufl., § 52 Rn. 13 f., 21, 23).

b) [X.]) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann sie nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft (st. Rspr.; vgl. [X.]sbeschluss vom 5. April 2019 - [X.] ([X.]) 3/19, [X.]O Rn. 6). Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (st. Rspr.; vgl. etwa [X.]sbeschluss vom 5. April 2019 - [X.] ([X.]) 3/19 und vom 21. Dezember 2018 - [X.] ([X.]) 33/18, juris Rn. 12).

Diese Sicherungsmaßnahmen dienen nicht nur, wie der Kläger offenbar meint, dem Schutz der Mandantengelder vor einem Zugriff durch den Kläger als Schuldner, sondern zugleich dem Schutz vor einem Zugriff seitens seiner Gläubiger ([X.]sbeschluss vom 5. April 2019 - [X.] ([X.]) 3/19, juris Rn. 10). Deshalb kann auf diese Schutzmaßnahmen nicht deshalb verzichtet werden, weil die Verbindlichkeiten aus einer (abgeschlossenen) einmaligen zivilrechtlichen Pflichtverletzung außerhalb der unmittelbaren beruflichen Sphäre stammen, der Schuldenstand nicht wächst und laufende Verbindlichkeiten ordnungsgemäß bedient werden; ebenso wenig rechtfertigen eine langjährige beanstandungsfreie Anwaltstätigkeit des [X.] oder die Tatsache, dass der Vermögensverfall schon längere [X.] andauert, ein Absehen von einem Widerruf (vgl. etwa [X.]sbeschlüsse vom 9. November 2018 - [X.] ([X.]) 61/18, juris Rn. 7 f. und vom 18. Oktober 2004 - [X.] ([X.]) 43/03, [X.], 511). Auch auf den [X.]punkt der Kenntnis der [X.]eklagten über die die finanzielle Schieflage begründenden Umstände kommt es für die Rechtmäßigkeit eines - nicht im Ermessen der [X.]eklagten stehenden - Widerrufs nicht an; erst recht gereicht es der [X.]eklagten nicht zum Nachteil, wenn sie abwartet, bis die Verteidigung des [X.] gegen die Forderungen scheitert und die [X.]erufshaftpflicht eine Übernahme der Verbindlichkeiten ablehnt bzw. bis die Vermutungswirkung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens greift.

Dass eine Anstellung bei einem Einzelanwalt nicht genügt, liegt darin begründet, dass dieser - anders als eine Sozietät - eine lückenlose Einhaltung der [X.]eschränkungen - im Urlaub, bei (ggf. kurzfristig erforderlich werdenden) Auswärtsterminen oder im Fall einer überhaupt nicht planbaren Erkrankung des [X.] - nicht sicherstellen kann (vgl. [X.]sbeschluss vom 5. April 2019 - [X.] ([X.]) 3/19, juris Rn. 7). Eine ggf. ad-hoc notwendig werdende Vertretung durch einen Externen, zu der der Kläger auch nicht näher vorträgt, bietet in solchen Fällen keinen adäquaten Ersatz. Wenn der Kläger die Rechtsprechung mit dem Argument in Frage zu stellen versucht, das [X.] bilde kein stimmiges Konzept, weil nicht jede [X.] geeignet sei, einen in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt zu überwachen, verkennt er, dass es sich bei dem [X.] um eine Mindestanforderung handelt, die die Notwendigkeit der zusätzlichen Prüfung, ob auch in ihrer konkreten Ausgestaltung eine hinreichend effektive Kontrolle gesichert ist, unberührt lässt (vgl. [X.]sbeschluss vom 22. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 12/11, juris Rn. 4).

bb) Da der Kläger nicht bei einer Sozietät angestellt ist, ist eine Gefährdung Rechtsuchender vorliegend nicht ausgeschlossen.

cc) Letztlich kommt es darauf nicht einmal an. Selbst wenn man dem Kläger, wie es der [X.] getan hat, darin folgt, dass er seit 2013 bei seiner Ehefrau angestellt ist - Zweifel an dieser Darstellung sind u.a. deshalb veranlasst, weil der Anstellungsvertrag vom März 2013 datiert, ein Schreiben des [X.] im Verwaltungsverfahren an die [X.]eklagte vom 31. Juli 2015 aber unter dem [X.]riefkopf einer [X.]ürogemeinschaft gezeichnet wurde - und man ferner eine solche Anstellung zur [X.]eseitigung einer Gefährdung der Rechtsuchenden grundsätzlich akzeptieren wollte, würde der Anstellungsvertrag den Anforderungen an effektive Sicherungen nicht genügen: Es fehlt bereits an einer Verpflichtung der Arbeitgeberin, eine [X.]eendigung des Arbeitsvertrages an die Kammer zu melden, um dieser bei Aufnahme einer [X.]tätigkeit einen Widerruf zu ermöglichen ([X.]sbeschluss vom 5. April 2019 - [X.] ([X.]) 3/19, juris Rn. 14). [X.]edenken begegnet auch das Fehlen effektiver Abreden zum Umgang mit [X.]argeldern und Schecks; der abstrakte Hinweis auf die fehlende Inkassoberechtigung im Arbeitsvertrag genügt nicht. Schließlich lässt der Außenauftritt nicht hinreichend deutlich erkennen, dass es sich beim Kläger - überdies einem vormaligen Sozius der Kanzlei - nur um einen angestellten Rechtsanwalt handelt (anders im [X.]sbeschluss vom 18. Oktober 2004 - [X.] ([X.]) 43/03, [X.], 511). Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass hinter seinem - allerdings an erster Stelle stehenden - Namen im [X.]riefkopf ein Sternchen vermerkt ist. Die zugehörige Erläuterung findet sich jedoch nur kleingedruckt in der Fußzeile als letzte Zeile eines Absatzes zu Umsatzsteuernummer und einem Hinweis auf eine erfolgende Datenspeicherung. Von einem für Mandanten deutlich ersichtlichen Hinweis kann keine Rede sein. Ergänzend merkt der [X.] an, dass im Internetauftritt ein Hinweis auf das Angestelltenverhältnis nicht ersichtlich ist.

2. Aus diesen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die geltend gemachten Divergenzrügen (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht durchgreifen: Zur oben angeführten (unter [X.]) Entscheidung des [X.] besteht, wie gezeigt, kein Widerspruch. Ebenso wenig begründet es einen Zulassungsgrund, wenn der [X.] hinsichtlich des [X.]ses der ständigen Rechtsprechung des [X.]s und nicht der Auffassung des Niedersächsischen [X.]s in [X.]RAK-Mitt. 2011, 287 Rn. 65 folgt, der ein Absehen vom [X.] in weiterem Umfang für möglich hält.

3. Schließlich liegt auch kein relevanter Verfahrensfehler vor. Der Kläger ist der Ansicht, der [X.] hätte ihm zu einem drei Tage vor der Verhandlung übermittelten Schriftsatz der [X.]eklagten und einer dort angekündigten, aber erst in der Sitzung vorgelegten [X.]esprechungsnotiz eine Schriftsatzfrist gewähren müssen. Die Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil der [X.], wie auch der Kläger nicht in Zweifel zieht, die neuen Umstände (nämlich die [X.]esprechungsnotiz zur Frage des Vorliegens einer [X.]ürogemeinschaft und die Frage des [X.]punktes der Kenntnis der Kammer vom Vermögensverfall) im Urteil - zu Recht - als nicht entscheidungserheblich angesehen hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 25. Aufl., § 124a Rn. 57). Auch die vom Kläger befürchteten negativen Schlussfolgerungen auf dessen Zuverlässigkeit hat der [X.] nicht gezogen; attestierte berufliche Zuverlässigkeit hätte am Vorliegen eines [X.]es nichts geändert. Im Übrigen trägt der Kläger auch im Rahmen seines Zulassungsantrags keine neuen entscheidungserheblichen Umstände vor.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Kayser     

      

Lohmann     

      

Liebert

      

Kau     

      

Lauer     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 35/19

27.08.2019

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Frankfurt, 10. Dezember 2018, Az: 1 AGH 9/18

§ 248 InsO, § 308 InsO, § 14 Abs 2 Nr 7 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2019, Az. AnwZ (Brfg) 35/19 (REWIS RS 2019, 4142)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4142

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AnwZ (Brfg) 6/20 (Bundesgerichtshof)

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall bei hohen Steuerrückstande und Kontopfändung


AnwZ (Brfg) 50/18 (Bundesgerichtshof)

Widerruf der Rechtsanwaltszulassung: Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls eines Rechtsanwalts trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens


AnwZ (Brfg) 17/22 (Bundesgerichtshof)

Widerruf der Rechtsanwaltszulassung: Zulassungsgrund für die Berufung; tatsächliche Vermutung für einen Vermögensverfall nach Insolvenzeröffnung; Beurteilungszeitpunkt …


AnwZ (Brfg) 29/21 (Bundesgerichtshof)

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls: COVID-19-Pandemie als Grund des Vermögensverfalls; Berücksichtigung einer selbst …


AnwZ (Brfg) 19/22 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 155/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.