Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.02.2019, Az. AnwZ (Brfg) 50/18

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2019, 10659

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Gegenstand

Widerruf der Rechtsanwaltszulassung: Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls eines Rechtsanwalts trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des [X.] vom 1. Juni 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der 1956 geborene Kläger ist seit 1997 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Beschluss vom 4. August 2017 eröffnete das [X.]      das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.]. Die Beklagte widerrief daraufhin mit Bescheid vom 14. Dezember 2017 die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Die hiergegen gerichtete Klage hat der [X.] abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen.

2

Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

3

Der Antrag des [X.] ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er hat jedoch keinen Erfolg. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Auch einen Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des [X.]s beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), hat der Kläger nicht dargelegt.

4

1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.], 187 Rn. 3; vom 8. Januar 2018 - [X.] ([X.]) 10/17, juris Rn. 5; jeweils [X.] fehlt es hier. Der Kläger vermag entsprechende Zweifel in der Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung nicht darzulegen.

5

a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist dabei - wovon auch der Kläger ausgeht - allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, vorliegend mithin - da es gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW eines Vorverfahrens nach § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht bedarf (vgl. hierzu auch [X.], Urteil vom 28. April 2017 - 1 [X.] 63/16, juris Rn. 16) - auf den Erlass des [X.] der Beklagten vom 14. Dezember 2017, abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, aaO Rn. 9 ff.; vom 8. Januar 2018 - [X.] ([X.]) 10/17, aaO Rn. 7; jeweils mwN).

6

b) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des [X.] in Vermögensverfall befunden. Über sein Vermögen ist durch Beschluss des [X.]     vom 4. August 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dies hat zur Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls gesetzlich vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 [X.]).

7

aa) Diese gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls ist im Fall eines Insolvenzverfahrens erst dann widerlegt beziehungsweise können die Vermögensverhältnisse wieder als geordnet angesehen werden, wenn dem Schuldner entweder - nach der bis zum 30. Juni 2014 geltenden Rechtslage - am Ende des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 [X.] a.F.) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 [X.]) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 [X.]) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, [X.] 2018, 315 Rn. 9; vom 20. November 2017 - [X.] ([X.]) 46/17, juris Rn. 9; vom 29. Dezember 2016 - [X.] ([X.]) 53/16, [X.], 1181 Rn. 6 ff.; jeweils mwN).

8

[X.]) Diese Voraussetzungen für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls sind vorliegend nicht gegeben. Gegenteiliges vermag der Kläger in seiner Antragsbegründung nicht darzulegen. Mit seinem Vorbringen, wonach ein Vermögensverfall trotz Fehlens der vorstehend (unter [X.]) genannten Voraussetzungen nicht anzunehmen sei, kann der Kläger - wie der [X.] zutreffend angenommen hat - schon mangels Entscheidungserheblichkeit nicht durchdringen.

9

(1) Der Kläger rügt, der [X.] habe im Rahmen der Beweiswürdigung nicht hinreichend berücksichtigt, dass er seine Kanzlei seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortführe und hierdurch Einkünfte erziele; insbesondere habe er diesbezüglich im Verfahren vor dem [X.] zwei [X.] vorgelegt, welche die Vereinbarung eines monatlichen Honorars in Höhe von 2.000 € beziehungsweise 5.000 € enthielten. Der Kläger meint, der [X.] hätte die Forderungen aus diesen [X.] nicht als irrelevant ansehen dürfen, sondern sie als Aktiva bei der Frage des Vermögensverfalls berücksichtigen müssen.

Dieser Einwand geht schon deshalb fehl, weil die nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 [X.] durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Rechtsanwalts begründete gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nicht dadurch widerlegt wird, dass der Rechtsanwalt - wie hier der Kläger - den [X.] fortführt. Nach der Rechtsprechung des Senats wird die vorbezeichnete Vermutung selbst durch die infolge einer Freigabe nach § 35 Abs. 2 Satz 1 [X.] erlangte Befugnis des Rechtsanwalts, über den [X.] und die daraus resultierenden Einkünfte zu verfügen, nicht widerlegt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, aaO Rn. 11 mwN).

Im Übrigen lässt der Kläger hinsichtlich der beiden [X.], aus denen nach seinem - im Tatbestand des Urteils des [X.]s wiedergegebenen und in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht in Zweifel gezogenen - Vorbringen erste Honorarzahlungen erst im Jahr 2018 zu erwarten gewesen seien, außer Betracht, dass es für die Beurteilung des Vermögensverfalls im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.], wie oben (unter II 1 a) bereits erwähnt, entscheidend auf den Zeitpunkt des - am 14. Dezember 2017 ergangenen - [X.] ankommt.

(2) Ebenfalls ohne Erfolg macht der Kläger geltend, zu den im Rahmen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angemeldeten Forderungen seien weitere Forderungen nicht hinzugekommen. Der Kläger verkennt hierbei sowohl die oben (unter [X.]) genannten, vorliegend nicht erfüllten Voraussetzungen einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung eines Vermögensverfalls als auch, dass im Verfahren des Antrags auf Zulassung der Berufung grundsätzlich weder die Voraussetzungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch diejenigen der weiteren vorstehend (unter [X.]) erwähnten insolvenzrechtlichen Entscheidungen zu überprüfen sind; dies obliegt vielmehr der Beurteilung des Insolvenzgerichts (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Juli 2016 - [X.] ([X.]) 63/15, juris Rn. 7 mwN).

c) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann sie nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 20. November 2017 - [X.] ([X.]) 41/17, juris Rn. 11; vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, aaO Rn. 12; vom 9. November 2018 - [X.] ([X.]) 61/18, juris Rn. 5; jeweils mwN).

Eine solche Ausnahmesituation ist hier nicht gegeben. Der Kläger ist weiterhin als Einzelanwalt tätig. Die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden wird auch durch die von dem Kläger behaupteten Einnahmen aus seiner selbständigen Tätigkeit weder ausgeschlossen noch vermindert (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 20. November 2017 - [X.] ([X.]) 46/17, aaO Rn. 13; vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, aaO Rn. 13; jeweils mwN).

2. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des [X.]s beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Ohne Erfolg rügt der Kläger, der [X.] hätte die von ihm vorgelegten, oben genannten [X.] als Beweismittel berücksichtigen und bei Zweifeln an der Substanz dieser Verträge in eine Beweisaufnahme eintreten und die Geschäftsführer der Vertragspartner befragen sowie die Mitarbeiterin des [X.], Frau [X.], als Zeugin zu den [X.] und zur laufenden Tätigkeit der Kanzlei vernehmen müssen. Durch die Nichterhebung dieser Beweise sei ihm die Möglichkeit versagt worden, die Substanz der vorgelegten [X.] zu belegen.

b) Diese Rüge greift nicht durch. Entgegen der Auffassung des [X.] hat der [X.], wie sich sowohl aus dem Tatbestand als auch aus den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ergibt, die genannten [X.] in seine Würdigung einbezogen. Dass der [X.] aus diesen [X.] nicht die von dem Kläger erstrebte Rechtsfolge abgeleitet, sondern gleichwohl einen Vermögensverfall des [X.] gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] bejaht hat, stellt keinen Verfahrensmangel nach § 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dar, sondern ist vielmehr zutreffend, da es aus den oben (unter [X.] und [X.] (1)) genannten Gründen an der Entscheidungserheblichkeit dieses Vorbringens fehlt. Deshalb bedurfte es auch der von dem Kläger vermissten Erhebung der von ihm angebotenen Beweise nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

[X.]     

        

Wöstmann     

        

Remmert

        

Schäfer     

        

Schmittmann     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 50/18

05.02.2019

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 1. Juni 2018, Az: 1 AGH 2/18

§ 14 Abs 2 Nr 7 Halbs 2 BRAO, § 248 InsO, § 291 InsO vom 05.10.1994, § 308 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.02.2019, Az. AnwZ (Brfg) 50/18 (REWIS RS 2019, 10659)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10659

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