Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.2020, Az. IX R 33/18

9. Senat | REWIS RS 2020, 3638

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Gegenstand

Facharztausbildung - "Thüringen-Stipendium" - Wiedereinsetzung


Leitsatz

1. Einen Prozessbevollmächtigten trifft an dem verspäteten Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes kein Verschulden, wenn er mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan und so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24:00 Uhr gerechnet werden konnte (Anschluss an BGH-Beschluss vom 12.04.2016 - VI ZB 7/15, NJW-RR 2016, 816).

2. Leistungen aufgrund eines Fördervertrags mit der "Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen" sind unter bestimmten Umständen nicht steuerbar.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 14.03.2018 - 3 K 737/17 aufgehoben und der Einkommensteuerbescheid 2012 vom 18.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2017 dahingehend geändert, dass das zu versteuernde Einkommen um 15.000 € vermindert wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten um die einkommensteuerliche Behandlung einer als sog. "[X.]" bezeichneten Geldzahlung in Höhe von 15.000 €.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) studierte bis zum Frühjahr 2012 Medizin. Im [X.] war sie bei der [X.] im Rahmen ihrer fachärztlichen Ausbildung angestellt. Im [X.] 2012 schlossen die Klägerin und die "[X.] im [X.]" (Stiftung) einen Vertrag über den Erhalt von Fördermaßnahmen für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung, die den Facharzt für Allgemeinmedizin und den Facharzt für Innere Medizin absolvieren (Fördervertrag). Entsprechend der vertraglichen Regelung in § 4 Abs. 2 erhielt die Klägerin im Jahr 2012 (Streitjahr) eine Einmalzahlung in Höhe von 15.000 €.

3

Im Fördervertrag wird u.a. ausgeführt:

§ 1 Ziel des Vertrages

"Ziel des Vertrages ist die Umsetzung der Fördermaßnahmen zur ambulanten ärztlichen Versorgung. Durch die Fördermöglichkeiten im Rahmen des [X.]s sollen die in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen/Ärzte finanziell unterstützt und an die Niederlassung im Bereich des [X.] gebunden werden. Die Ärztinnen/Ärzte, die sich in der Weiterbildung zum Facharzt befinden, sollen das [X.] erhalten, wenn sie sich im Gegenzug verpflichten, für eine bestimmte Dauer als Hausarzt an der vertragsärztlichen Versorgung in [X.] teilzunehmen.

Mit den Fördermaßnahmen soll der drohenden Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung entgegen gewirkt und die Kassenärztliche Vereinigung [X.] bei der Erfüllung/Gewährleistung des Sicherstellungsauftrags gemäß § 75 SGB V unterstützt werden. ..."

§ 2 Pflichten der Vertragspartner

"Die Stipendiatin/der Stipendiat verpflichtet sich, dass sie/er mit Unterzeichnung des Vertrages die vorgeschriebene Weiterbildung zu dem von ihm angegebenen Fachgebiet absolvieren und an der entsprechenden Facharztprüfung teilnehmen wird.

Die Stipendiatin/der Stipendiat verpflichtet sich, unmittelbar nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung, für einen bestimmten Zeitraum im Bereich des [X.] in der vertragsärztlichen Versorgung tätig zu sein.

Dafür erhält die Stipendiatin/der Stipendiat von der Stiftung eine Förderung als Einmalzahlung zur finanziellen Unterstützung für den gesamten Zeitraum der Weiterbildung."

§ 6 Verpflichtung zur vertragsärztlichen Tätigkeit im Bereich des Freistaates [X.]

"Die Stipendiatin/der Stipendiat erhält die Förderung, wenn sie/er sich verpflichtet, unmittelbar nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung für die Dauer von mindestens 4 Jahren als Ärztin oder Arzt an der vertragsärztlichen Versorgung in [X.] teilzunehmen. Die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist in eigener Niederlassung oder als angestellte Ärztin oder Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einer Vertragsarztpraxis ab mindestens 20 Wochenstunden möglich. ..."

§ 9 Rückzahlung der Förderung

"Sollte die Weiterbildung zum Facharzt nicht abgeschlossen werden, verpflichtet sich die Stipendiatin/der Stipendiat, die gewährten Fördermittel an die Stiftung zurückzuzahlen.

Sollte die Stipendiatin/der Stipendiat sich nicht unmittelbar nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung im Bereich des Freistaates [X.] niederlassen oder als angestellte Ärztin oder Arzt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tätig sein, verpflichtet sie/er sich, die gewährten Fördermittel an die Stiftung zurückzuzahlen. ...

Die Verpflichtung zur Rückzahlung der Fördermittel besteht auch dann, wenn die Stipendiatin/der Stipendiat bzw. Ärztin/Arzt keine mindestens vierjährige vertragsärztliche Tätigkeit im Bereich des Freistaates [X.] ausübt. ..."

4

Die Klägerin reichte am 30.09.2016 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ein, in der sie die erhaltenen 15.000 € nicht als Einkünfte ansetzte. Abweichend hiervon berücksichtigte das [X.] diese Einmalzahlung im Einkommensteuerbescheid vom 18.05.2017 als Einkünfte.

5

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

6

Hiergegen hat die Klägerin am 03.08.2018 Revision eingelegt. Die Revisionsbegründung, deren Frist bis zum 16.01.2019 verlängert worden war, kam als Telefax beim [X.] ([X.]) am 17.01.2019 um 00:02 Uhr an. Der Schriftsatz umfasste 18 Seiten, wurde jedoch [X.] hintereinander übermittelt, wobei nur die zweite Fassung auf der letzten der insgesamt übermittelten 36 Seiten unterschrieben war. Die [X.] ging mit [X.] am 18.01.2019 ein.

7

Nach einem diesbezüglichen Hinweis durch den Vorsitzenden des Senats beantragte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führte aus, sie habe den Schriftsatz versehentlich doppelt ausgedruckt und nur die letzte Seite unterschrieben. Dies habe sie beim Einlegen ins Faxgerät nicht bemerkt. Zudem ergebe sich aus den Sendeprotokollen ihres Faxgerätes, dass ähnlich umfangreiche Dokumente regelmäßig deutlich schneller übermittelt worden seien.

8

Der Senat hat eine Auskunft bei der [X.]eingangsstelle des [X.] eingeholt. Weitere Telefaxübermittlungen sind danach im Zeitraum zwischen dem 16.01.2019, 23:00 Uhr, und dem 17.01.2019, 07:00 Uhr, nicht eingegangen.

9

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des Finanzgerichts ([X.]) vom 14.03.2018 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 18.05.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.09.2017 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um 15.000 € vermindert wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und [X.]attgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Die Revision ist zulässig. Sie ist zwar nicht innerhalb der verlängerten Frist des § 120 Abs. 2 Satz 3 [X.]O begründet worden. Es liegen aber die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 [X.]O vor. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin war ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten.

a) Die Frist zur Begründung der (rechtzeitig erhobenen) Revision lief am 16.01.2019 ab. Die Revisionsbegründung ist per Telefax erst am 17.01.2019 um 00:02 Uhr beim [X.] eingegangen. Die Frist ist damit versäumt. Die Frist ist nur gewahrt, wenn der fristgebundene Schriftsatz vor Fristablauf vollständig eingegangen ist ([X.]-Beschlüsse vom 10.03.2014 - X B 230/12, [X.]/NV 2014, 888, und vom 08.07.2011 - III B 7/10, [X.]/NV 2011, 1895).

b) Der Klägerin ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen [X.]and zu gewähren.

Einen Prozessbevollmächtigten trifft an dem verspäteten Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes kein Verschulden, wenn er mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der [X.] alles zur Fristwahrung Erforderliche getan und so rechtszeitig mit der Übermittlung begonnen hat, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss bis 24:00 Uhr gerechnet werden konnte (vgl. Beschluss des [X.] --BGH-- vom 12.04.2016 - VI ZB 7/15, Neue Juristische [X.] Zivilrecht --NJW-RR-- 2016, 816, m.w.N.; vgl. auch [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2014, 888).

Im [X.]reitfall ist nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Prozessbevollmächtigten von einem solchen Fall auszugehen. Die Übertragung der Revisionsbegründung mittels Telefax der Prozessbevollmächtigten hatte um 23:43 Uhr begonnen. Zudem ergibt sich aus den Sendeprotokollen ihres Faxgerätes, dass ähnlich umfangreiche Dokumente regelmäßig deutlich schneller übermittelt worden sind, so --neben einer Vielzahl weiterer Belege-- z.B. Sendungen von 28 Seiten am 09.01.2019 in 08:18 Minuten, von 30 Seiten am 10.01.2019 in 09:55 Minuten, von 29 Seiten am 10.01.2019 in 10:29 Minuten und von 33 Seiten am 14.01.2019 in 07:27 Minuten. Berücksichtigt man diese Übertragungszeiten, wäre die Revisionsbegründung bei einer normalen Übertragungsdauer noch vor 24:00 Uhr beim [X.] eingegangen.

Insofern fällt die tatsächliche Übertragungszeit für die Revisionsbegründung von 36 Seiten in 18:32 Minuten aus dem Rahmen. Die Prozessbevollmächtigte durfte darauf vertrauen, dass die Revisionsbegründung innerhalb der üblichen Übertragungsdauer an den [X.] übermittelt wird, so dass sie am verspäteten Eingang kein Verschulden trifft.

2. Die Revision ist auch begründet. Die Vorentscheidung wird aufgehoben und der Klage stattgegeben.

a) aa) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (E[X.]G) sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 E[X.]G) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören. Eine (sonstige) Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 E[X.]G ist [X.], Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst (ständige Rechtsprechung; vgl. [X.]surteile vom 13.03.2018 - IX R 18/17, [X.]E 261, 264, [X.], 531, und vom 14.04.2015 - IX R 35/13, [X.]E 249, 488, [X.], 795; [X.]sbeschluss vom 23.03.2016 - IX B 22/16, [X.]/NV 2016, 1013, jeweils m.w.N.).

bb) Ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines wechselseitigen [X.] ist nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des [X.]euerpflichtigen (Leistung) veranlasst ist (vgl. [X.]surteile vom 24.04.2012 - IX R 6/10, [X.]E 237, 197, [X.], 581, und vom 21.09.2004 - IX R 13/02, [X.]E 207, 284, [X.], 44). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Veranlassung der Gegenleistung durch die Leistung stellt der [X.] in erster Linie auf die (objektivierte) Perspektive des Leistenden ab. Dies kommt z.B. in der Formulierung zum Ausdruck, wonach es sich um eine Leistung handeln muss, die "um des Entgelts willen" erbracht wird ([X.]surteile in [X.]E 261, 264, [X.], 531, und vom 16.06.2015 - IX R 26/14, [X.]E 250, 362, [X.], 1019). Preisgelder, Aufwandspauschalen sowie während des Aufenthalts in den Produktionsräumen gezahlte [X.] für die Teilnahme an einer Fernsehshow stellen sich danach als Gegenleistung für die Teilnahme an der Show dar, auch wenn die Aussicht auf den Erhalt der Gegenleistung ex ante ungewiss ist (vgl. [X.]surteile in [X.]E 237, 197, [X.], 581, und vom 28.11.2007 - IX R 39/06, [X.]E 220, 67, [X.], 469; [X.]sbeschluss vom 16.06.2014 - IX B 22/14, [X.]/NV 2014, 1540). Grundsätzlich unerheblich ist dagegen die private Motivation im konkreten Einzelfall. Es kommt folglich nicht darauf an, aus welchen Gründen der Vertrag tatsächlich zustande gekommen ist und ohne welche Inhalte er mutmaßlich nicht zustande gekommen wäre (conditio sine qua non).

cc) Indes führt nicht jede Einnahme in Zusammenhang mit [X.], Dulden oder Unterlassen zu Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 E[X.]G. Die Norm erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 E[X.]G voraus ([X.]surteile vom 11.07.2017 - IX R 28/16, [X.]E 259, 272, [X.], 86, Rz 27; vom 06.09.2016 - IX R 27/15, [X.]E 255, 176, [X.], 335, Rz 38, und in [X.]E 207, 284, [X.], 44; [X.]-Beschluss vom 16.02.2007 - VIII B 26/06, [X.]/NV 2007, 1113). Das bedeutet nicht, der Leistende müsse bereits beim Erbringen seiner Leistung eine Gegenleistung erwarten. Erforderlich --aber auch [X.] ist vielmehr, eine objektivierende, wertende Betrachtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung, wonach die Leistung die Gegenleistung ausgelöst haben muss (vgl. [X.]surteile in [X.]E 237, 197, [X.], 581, und in [X.]E 207, 284, [X.], 44). Auf diese Weise ordnet der Leistende sein Verhalten der erwerbswirtschaftlich und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu. Ist der Austausch zwischen der Leistung und der im wirtschaftlichen Zusammenhang damit erbrachten Gegenleistung danach erwerbsgerichtet, dient er dem Erzielen von Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 E[X.]G ([X.]surteil in [X.]E 207, 284, [X.], 44).

b) Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil nicht. Es ist deshalb aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Das [X.] hat die Einmalzahlung der [X.]iftung an die Klägerin unter Verstoß gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 3 E[X.]G zugeordnet.

aa) Zwar ist das [X.] ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Einmalzahlung weder zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 E[X.]G noch zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 E[X.]G gehört. Die Einmalzahlung erfolgte weder "für" ein --gegenwärtiges oder zukünftiges-- Dienstverhältnis der Klägerin, noch im Zusammenhang mit einem ersten freiberuflichen Tätigwerden bzw. einer im Aufbau befindlichen freiberuflichen Tätigkeit.

bb) Die Einmalzahlung der [X.]iftung ist aber auch nicht durch eine Leistung der Klägerin i.S. des § 22 Nr. 3 E[X.]G veranlasst. Das [X.] hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die Leistung der Klägerin bestehe einerseits in [X.]", nämlich für die Dauer von vier Jahren nach Bestehen der Facharztprüfung im [X.] berufstätig zu sein, und andererseits in einem "Unterlassen" --gleichsam einem Wettbewerbsverbot--, innerhalb von vier Jahren nicht außerhalb des [X.] berufstätig zu sein. Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

Die Vertragsauslegung obliegt dem [X.] als Tatsacheninstanz. Wenn sie den Auslegungsgrundsätzen entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist, bindet sie den [X.] gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O (ständige Rechtsprechung, [X.]surteile vom 25.02.2009 - IX R 76/07, [X.]/NV 2009, 1268, und vom [X.] - IX R 22/06, [X.]/NV 2007, 1836, m.w.N.). Das ist jedoch vorliegend nicht der Fall; der hierin liegende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

(1) Grundsätzlich könnte die (zukünftige) ärztliche Tätigkeit als Leistung dem Tatbestand des § 22 Nr. 3 E[X.]G unterfallen; auch ein Unterlassen --z.B. in Gestalt eines (Rechts-)Verzichts-- kann eine Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 E[X.]G sein. Die vom [X.] angenommene Veranlassung der Einmalzahlung durch die spätere Berufstätigkeit bzw. durch das Unterlassen einer beruflichen Betätigung außerhalb des [X.] lässt sich dem Fördervertrag jedoch nicht entnehmen. Hiernach erhielten die [X.]ipendiaten die Förderung bereits dann, wenn sie sich "verpflichten", nach erfolgreichem Abschluss der Facharztprüfung für [X.] [X.] tätig zu sein (§ 2 Abs. 2 und § 6 des [X.]). [X.] Moment für die Einmalzahlung --und [X.] und Schwerpunkt des [X.] (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3)-- war somit die im Zeitpunkt der Unterzeichnung des [X.] erklärte Bereitschaft, zukünftig für [X.] im [X.] tätig zu sein. Die zukünftige ärztliche Tätigkeit selbst ist dagegen nicht der Grund für die Zahlung, sondern schafft lediglich die weiteren Voraussetzungen für das Behaltendürfen der Einmalzahlung (vgl. § 9 des [X.]).

(2) Die Annahme des [X.], die Klägerin sollte die Förderung für ihre spätere Tätigkeit als Ärztin erhalten, lässt sich auch nicht in Einklang bringen mit den Erwägungen zur Verneinung von Einkünften aus nichtselbständiger oder selbständiger Arbeit. Wenn das [X.] diesbezüglich zu Recht festgestellt hat, die Einmalzahlung der Klägerin und die spätere Arzttätigkeit im [X.] --mithin das positive Tun-- stünden (noch) nicht in einem wirtschaftlichen Zusammenhang, kann im Rahmen des § 22 Nr. 3 E[X.]G nicht ohne Weiteres etwas anderes gelten.

c) [X.] ist spruchreif. Der [X.] entscheidet auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des [X.] --und einer hierauf gestützten Vertragsauslegung, die er selbst vornehmen kann (vgl. z.B. [X.]surteile vom 03.02.1998 - IX R 38/96, [X.]E 185, 379, [X.] 1998, 539, und vom 30.07.1991 - IX R 43/89, [X.]E 165, 245, [X.] 1991, [X.] selbst und gibt der Klage statt. Die Einmalzahlung in Höhe von 15.000 € unterliegt bei der Klägerin nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 E[X.]G der Einkommensteuer (grundsätzlich a.A. bei einer Einmalzahlung im Rahmen des [X.] für Assistenzärzte wohl Oberfinanzdirektion [X.], [X.] vom 23.07.2018 - S 2121 A - 013 3 [X.] 213, Deutsches [X.]euerrecht 2018, 1719, 1721).

aa) Die Einmalzahlung der [X.]iftung wird --wie bereits ausgeführt-- durch die im Zeitpunkt des Abschlusses des [X.] erklärte Bereitschaft, zukünftig für eine gewisse Zeit im [X.] tätig werden zu wollen, ausgelöst. Es bedarf indes keiner Entscheidung, ob diese Erklärung Gegenstand einer Leistung i.S. des § 22 Nr. 3 E[X.]G sein könnte. Fraglich erscheint in diesem Zusammenhang schon, ob der Vertrag zwischen den [X.]ipendiaten und der [X.]iftung überhaupt auf einen Leistungsaustausch gerichtet ist, oder ob die [X.]iftung damit nicht lediglich einen (übergeordneten) gesellschaftspolitischen Zweck verfolgt.

bb) Jedenfalls kommt der im Fördervertrag (in Form einer Verpflichtung) zum Ausdruck gebrachten (zukünftigen) Leistungsbereitschaft aus der Perspektive des Erklärenden keine derartige wirtschaftliche Bedeutung zu, weshalb sich die Zahlung als Entgelt für die Erklärung darstellen würde.

(1) Anders als das [X.] angenommen hat, ist die [X.]-Rechtsprechung zu vertraglich vereinbarten Wettbewerbsverboten nicht auf den [X.]reitfall übertragbar. Bei einem Wettbewerbsverbot ist die Zahlung ein Entgelt für ein Unterlassen. Der Wettbewerber verpflichtet sich (einklagbar), für eine bestimmte Zeit zu unterlassen, seine Leistungen in einem bestimmten Gebiet oder in einer bestimmten Sparte zu erbringen, und erhält dafür das Entgelt als Ausgleich bzw. Entschädigung (vgl. z.B. [X.]surteile vom 11.03.2003 - IX R 76/99, [X.]/NV 2003, 1161, und vom 23.02.1999 - IX R 86/95, [X.]E 188, 552, [X.] 1999, 590; [X.]-Urteile vom 02.04.2008 - X R 61/06, [X.]/NV 2008, 1491, und vom 12.06.1996 - XI R 43/94, [X.]E 180, 433, [X.] 1996, 516); bei Zuwiderhandlung schuldet er Schadenersatz.

(2) Hier liegen die Dinge anders. Die [X.]iftung konnte weder (einklagbar) durchsetzen, dass sich die Klägerin nach Bestehen der Facharztprüfung im [X.] niederlässt, noch konnte sie (einklagbar) verhindern, dass sich die Klägerin außerhalb des [X.] betätigt. In diesen Fällen hätte die Klägerin zwar die Einmalzahlung in Höhe von 15.000 € zurückerstatten müssen; einen darüber hinausgehenden Schadenersatz- oder Unterlassungsanspruch hätte die [X.]iftung hingegen nicht geltend machen können.

(3) Angesichts dessen handelt es sich bei der Einmalzahlung von 15.000 € nicht um ein leistungsbezogenes Entgelt. Die Höhe der Zahlung ist nicht durch die Verpflichtungserklärung der Klägerin "wirtschaftlich" veranlasst; insbesondere sind die erklärte Bereitschaft der Klägerin und die Zahlung nicht nach wirtschaftlichen Kriterien abgewogen. So ist die Förderung im Fall der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit vor Ablauf von vier Jahren in voller Höhe --und nicht nur anteilig-- zurückzuzahlen (§ 9 des [X.]). Die Förderung ist keine Bezahlung für die erklärte Leistungsbereitschaft, sondern sie soll bei der Zielgruppe als finanzieller Anreiz zu allererst die innere Bereitschaft auslösen bzw. stärken, sich im [X.] vertragsärztlich niederzulassen. Ihrer Zweckrichtung nach wirkt die Zahlung in diesem Sinne auf die Willensbildung ein. Damit nimmt der [X.]ipendiat aber noch nicht am wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teil. Trotz Abgabe einer "Verpflichtungserklärung" im Fördervertrag wird eine verbindliche und damit für den Empfänger werthaltige Verpflichtung gerade nicht begründet.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O. Die Übertragung der Berechnung der [X.]euer folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O.

Meta

IX R 33/18

11.12.2020

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 14. März 2018, Az: 3 K 737/17, Urteil

§ 56 Abs 1 FGO, § 22 Nr 3 S 1 EStG 2009, § 2 Abs 1 S 1 Nr 7 EStG 2009, § 120 Abs 2 FGO, § 19 EStG 2009, § 18 EStG 2009, EStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.12.2020, Az. IX R 33/18 (REWIS RS 2020, 3638)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3638

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