Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.09.2022, Az. VI R 34/20

6. Senat | REWIS RS 2022, 6150

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Gegenstand

Kürzung des Werbungskostenabzugs bei steuerfreien Leistungen aus einem Stipendium


Leitsatz

1. Werbungskosten setzen eine Belastung mit Aufwendungen voraus. Davon ist auszugehen, wenn in Geld oder Geldeswert bestehende Güter aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen. Eine endgültige Belastung verlangt der Werbungskostenbegriff hingegen nicht. Ausgaben und Einnahmen sind vielmehr getrennt zu beurteilen.

2. Leistungen aus einem Stipendium führen zu Arbeitslohn, wenn das Stipendium dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient.

3. Zwischen steuerfreien Stipendienleistungen und beruflich veranlassten (Fort-)Bildungsaufwendungen besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang i.S. von § 3c Abs. 1 EStG, wenn das Stipendium dazu dient, die beruflich veranlassten Aufwendungen auszugleichen oder zu erstatten.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 16.06.2020 - 5 K 1936/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war nach dem Studium der Rechtswissenschaften und der [X.] juristischen Staatsprüfung bis Mai 2013 am … tätig. Vom [X.] bis zum [X.] absolvierte sie in den [X.] ([X.]) ein Masterstudium (LL.M.) an der [X.]. Seit August 2014 ist die Klägerin als Rechtsanwältin tätig.

2

Für das Masterstudium erhielt die Klägerin ein Stipendium des [X.] ([X.]). Das Stipendium umfasste gemäß der [X.] vom [X.] einen Betrag von 9.000 €, der in neun monatlichen Raten von jeweils 1.000 € zahlbar war, einen Reisekostenzuschuss von 1.075 €, die Übernahme der Studiengebühren bis zu einer Höhe von 18.000 € nach Vorlage der Originalrechnung sowie eine Kranken-, Unfall- und Privathaftpflichtversicherung. Bestandteile der Zusage waren die "Allgemeine[n] Bedingungen für [X.] Stipendiatinnen und Stipendiaten des [X.]" --Stand 05/2013-- (AB-[X.]) und die "Besonderen Bedingungen".

3

In ihren Einkommensteuererklärungen und in den Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für die Streitjahre (2013 und 2014) machte die Klägerin Aufwendungen für das Masterstudium als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) erkannte die Aufwendungen mit Ausnahme der geltend gemachten Krankenversicherungsbeiträge als (vorweggenommene) Werbungskosten an, zog hiervon jedoch den Reisekostenzuschuss, den Zuschuss für die Studiengebühren und die monatlichen Stipendienzahlungen des [X.] ab.

4

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihren Einsprüchen. Während der Einspruchsverfahren erließ das [X.] geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, mit denen es folgende Aufwendungen als Werbungskosten anerkannte (alle Beträge in €):

        

  2013 

  2014 

Umzugskosten

194,00

        

Reisekosten

1.488,97

30,37 

Verpflegungsmehraufwendungen      

3.228,00

        

Mietaufwand

3.763,88

4.184,00

sonstige Kosten

815,16

        

Semester-/Studiengebühren

      18.610,03

      18.739,15

Arbeitsmittel

154,40

103,00

Unfallversicherung

57,50 

67,13 

Telefon/[X.]

240,00

240,00

Kontoführung

      16,00

      16,00

Summe (gerundet)

28.568,00

23.380,00

5

Hiervon zog das [X.] die an die Klägerin in den Streitjahren geleisteten Zahlungen des [X.] ab und berücksichtigte dementsprechend Werbungskosten für 2013 in Höhe von 4.493 € und für 2014 in Höhe von 19.380 €. Die festgesetzte Einkommensteuer für die Streitjahre betrug jeweils 0 €. Auf den 31.12.2013 stellte das [X.] außerdem einen verbleibenden Verlustvortrag gemäß § 10d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von … € und auf den 31.12.2014 in Höhe von … € gesondert fest.

6

Die Einsprüche der Klägerin wies das [X.] anschließend als unbegründet zurück.

7

Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 1750 veröffentlichten Gründen ebenfalls keinen Erfolg.

8

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Sie beantragt,
das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) sowie die Einspruchsentscheidung vom 25.07.2019 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2013 und 2014, jeweils vom 13.01.2017, dahin zu ändern, dass weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für 2013 in Höhe von 24.075 € und für 2014 in Höhe von 4.000 € berücksichtigt werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin keine höheren Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen kann, als sie das [X.] bei den Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre bereits berücksichtigt hat.

1. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage gegen die angefochtenen Einkommensteuerbescheide zulässig ist, obwohl das [X.] die Einkommensteuer für die Streitjahre auf jeweils 0 € festgesetzt hat. Die Klägerin ist ungeachtet der Nullfestsetzungen nach § 40 Abs. 2 [X.]O klagebefugt, weil die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG zu berücksichtigen sind. Da dies zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, sieht der Senat insoweit unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 22.02.2018 - VI R 17/16 ([X.], 532, [X.], 496, Rz 19 ff.) von einer weiteren Begründung ab.

2. Die Vorinstanz hat der Klägerin im Ergebnis auch zu Recht den geltend gemachten weiteren Werbungskostenabzug versagt.

a) Das [X.] hat zunächst zutreffend entschieden, dass die Aufwendungen der Klägerin für das Masterstudium in [X.] dem Grunde nach als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) abziehbar sind (s. dazu auch Senatsurteil vom 22.07.2003 - VI R 4/02, [X.], 32). Insbesondere handelt es sich bei dem von der Klägerin absolvierten Masterstudiengang nicht um eine Erstausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 EStG in den in den Streitjahren geltenden Fassungen. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht auch kein Streit. Der Senat sieht deshalb insoweit ebenfalls von einer weiteren Begründung ab.

b) Entgegen der Auffassung des [X.] sind die Aufwendungen der Klägerin für das Masterstudium allerdings nicht bereits auf der Tatbestandsebene des Werbungskostenbegriffs im Wege einer Saldierung um die Zahlungen des [X.] aus dem Stipendium zu kürzen.

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Werbungskostenabzug setzt hiernach eine Belastung mit Aufwendungen voraus. Davon ist auszugehen, wenn in Geld oder Geldeswert bestehende Güter aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen (z.B. Senatsurteil vom 19.04.2012 - VI R 25/10, [X.], 444, [X.], 699; [X.]/[X.], EStG, 41. Aufl., § 9 Rz 12; [X.]/[X.]/[X.], § 9 EStG Rz 106; jeweils m.w.[X.]).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. Denn die Klägerin hat in den Streitjahren die für ihr Masterstudium jeweils als Werbungskosten geltend gemachten Beträge tatsächlich gezahlt. Eine endgültige Belastung setzt der Werbungskostenbegriff entgegen der Auffassung des [X.] hingegen nicht voraus. Ausgaben und Einnahmen sind vielmehr getrennt zu beurteilen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 9 EStG Rz 75).

c) Der Rückfluss bzw. die Erstattung (der Ersatz) von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind (z.B. [X.]-Urteile vom 29.06.1982 - VIII R 6/79, [X.]E 136, 238, [X.] 1982, 755; vom 26.11.2008 - X R 24/08, [X.]/NV 2009, 568, und vom 24.02.2015 - VIII R 44/12, [X.]E 249, 224, [X.] 2015, 649; Senatsbeschluss vom 13.07.2000 - VI B 184/99, [X.]/NV 2000, 1470; ebenso [X.]/[X.], a.a.[X.], § 9 Rz 112; Teller in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 9 Rz 49; [X.]/[X.]/[X.], § 9 EStG Rz 184; [X.]/[X.], § 9 EStG Rz 85, m.w.[X.]). Handelt es sich um steuerfreie Ersatzleistungen, müssen die Werbungskosten gemäß § 3c EStG entsprechend gekürzt werden (Senatsurteil vom 04.11.2003 - VI R 28/03, [X.], 928, zu Leistungen aus einem steuerfreien Stipendium; v. [X.] in [X.][X.], EStG, § 9 Rz B 49).

Nach diesen Maßstäben hat das [X.] jedenfalls im Ergebnis zu Recht entschieden, dass sich die Aufwendungen der Klägerin für das Masterstudium nur insoweit steuermindernd auswirken, als sie die der Klägerin in den Streitjahren zugeflossenen Zahlungen des [X.] überstiegen.

aa) Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob, unter welchen Voraussetzungen und bei welcher Einkunftsart Stipendien im Allgemeinen steuerbar sind (s. dazu auch [X.]-Urteil vom 08.07.2020 - X R 6/19, [X.]E 269, 556, [X.] 2021, 557, Rz 21 ff.; [X.], [X.] --[X.]-- 2020, 724; jeweils m.w.[X.]). Denn die Leistungen aus einem Stipendium führen jedenfalls dann zu Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn das Stipendium --wie im [X.] dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient (ebenso [X.], [X.] 2020, 724, 730 f.). Dies verstößt --entgegen der Auffassung der [X.] weder gegen das Rechtsstaatsprinzip noch den Vorbehalt des Gesetzes und erst recht nicht gegen die Gewährleistung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

(1) Der [X.] gewährte der Klägerin das Stipendium ausweislich der Zusage für deren [X.] an der [X.]. Hierfür übernahm er die Studiengebühren der Klägerin bis zu einer Höhe von 18.000 € und zahlte einen Reisekostenzuschuss von 1.075 €. Darüber hinaus gewährte der [X.] der Klägerin ein Stipendium in Höhe von 9.000 €, das in monatlichen Raten von 1.000 € gezahlt wurde. Nach den vom [X.] festgestellten AB-[X.] (dort unter Nr. 2.a) waren die monatlichen Stipendienraten grundsätzlich zur Bestreitung des Lebensunterhalts im Ausland bestimmt.

(2) Die vorgenannten Zahlungen des [X.] an die Klägerin beruhten auf in der Erwerbssphäre liegenden Gründen. Der [X.] erstattete der Klägerin mit den (anteiligen) Studiengebühren und den Reisekosten die beruflich veranlassten Aufwendungen für das [X.]. Die Leistungen des [X.] erfolgten mit Rücksicht auf die (zukünftige) berufliche Tätigkeit der Klägerin, die der [X.] mit dem Stipendium für das [X.] förderte. Zwischen der (zukünftigen) Berufstätigkeit der Klägerin und den Zahlungen des [X.] bestand eine innere Verknüpfung, wie sich insbesondere aus den AB-[X.] ergibt. Zweck des Stipendiums war nach Nr. 3 der AB-[X.] nämlich die Durchführung des Studiums sowie die regelmäßige Teilnahme der Klägerin als Stipendiatin an den nach ihrem Lehrplan vorgesehenen Lehrveranstaltungen der [X.]. Die Klägerin war nach Nr. 10 AB-[X.] verpflichtet, zur Rechenschaft über die geförderte Ausbildung über ihre Stipendienzeit Berichte abzufassen und ihre Zeugnisse über alle Abschlüsse einzureichen, die sie im Zusammenhang mit dem Stipendium erreicht hatte. Die Verletzung der Berichtspflichten berechtigte den [X.] zur Rückforderung der gewährten Leistungen. Der [X.] konnte das Stipendium außerdem nach Nr. 11 AB-[X.] unter bestimmten Voraussetzungen kündigen und seine [X.] einstellen. Dies galt z.B., wenn erkennbar wurde, dass sich die Klägerin nicht in dem erforderlichen und zumutbaren Maß um die Verwirklichung des Zwecks des Stipendiums bemühte oder der Zweck des Stipendiums nicht mehr erreicht werden konnte. Die Klägerin bereitete sich mit dem durch das Stipendium geförderten [X.] auf ihre (zukünftige) Berufstätigkeit vor. Die Leistungen des [X.], mit denen die Werbungskosten der Klägerin für das Masterstudium (teilweise) erstattet wurden, wiesen nach alledem einen hinreichenden Erwerbsbezug auf. Dem steht --anders als die Klägerin meint-- insbesondere nicht entgegen, dass der [X.] mit der Gewährung des Stipendiums auch seine [X.] verwirklichen wollte.

(3) Der vorgenannte Erwerbsbezug erstreckt sich auch auf die monatlichen Stipendienraten. Mit den Mietaufwendungen wegen der doppelten Haushaltsführung in Höhe von 3.763 € (für 2013) und in Höhe von 4.184 € (für 2014) gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sowie mit dem Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 3.228 € (für 2013) gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG hat die Klägerin beruflich veranlasste Aufwendungen als Werbungskosten geltend gemacht, die der Bestreitung ihres Lebensunterhalts in [X.] dienten. Diese Werbungskosten überstiegen die im jeweiligen Streitjahr gezahlten Stipendienraten von insgesamt 5.000 € für 2013 und 4.000 € für 2014. Die Stipendienraten dienten daher, auch soweit der [X.] sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts (insbesondere für Wohnung und Verpflegung im Ausland) zahlte, der Werbungskostenerstattung aus den oben bereits dargelegten --in der Erwerbssphäre der Klägerin liegenden-- Gründen.

bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin stellen die Zahlungen des [X.] damit auch keine einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Zahlungen aus privaten Motiven dar, wie sie z.B. Angehörige zur Unterstützung eines Auslandsstudiums leisten mögen. Sie sind mit solchen Leistungen auch nicht vergleichbar. Zwischen der Klägerin und dem [X.] bestanden keinerlei private Verbindungen. Mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte liegt in der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Erstattung von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen einerseits und der auf privaten Verbindungen beruhenden Zahlungen andererseits auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

d) Die hiernach gemäß § 19 EStG steuerbaren Leistungen des [X.] sind jedoch nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei. Sie mindern gemäß § 3c Abs. 1 EStG die als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen für das [X.] der Klägerin.

aa) Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 44 EStG gilt nicht nur für Stipendien, die unmittelbar aus öffentlichen Mitteln oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen die [X.] als Mitglied angehört, zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden (§ 3 Nr. 44 Satz 1 EStG), sondern auch für solche Stipendien, die --wie im [X.] zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken u.a. von einer Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes gegeben werden (§ 3 Nr. 44 Satz 2 EStG). Dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung auch im Übrigen gegeben sind, weil das Stipendium einen für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des [X.] erforderlichen Betrag nicht überstieg, zudem nach den vom [X.] erlassenen Richtlinien vergeben wurde und schließlich die Klägerin als Empfängerin im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet war (vgl. § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG), steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit.

Diese letztgenannte Negativvoraussetzung soll sicherstellen, dass nur solche Leistungen steuerfrei bleiben, die den Charakter eines echten Stipendiums haben und keine offene oder versteckte Vergütung für eine Arbeitsleistung darstellen ([X.]-Urteil in [X.]E 269, 556, [X.] 2021, 557, Rz 46). Die Klägerin stand im Streitfall nicht in einem Dienstverhältnis zum [X.]. Sie war im Hinblick auf das Stipendium weder gegenüber dem [X.] noch gegenüber der [X.] verpflichtet, weisungsgebunden eine bestimmte Arbeitnehmertätigkeit auszuüben. Bei der von der Klägerin verlangten Teilnahme an den Lehrveranstaltungen der [X.] sowie ihren gegenüber dem [X.] bestehenden Berichts- und sonstigen Pflichten handelte es sich auch nicht um eine bestimmte wissenschaftliche Gegenleistung für das Stipendium [X.] 3 Nr. 44 Satz 3 Buchst. b EStG. Eine Verpflichtung der Klägerin "zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit" ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass die [X.] im Streitfall unter dem Gesichtspunkt des [X.] zu steuerbaren Einkünften der Klägerin aus § 19 EStG führten.

bb) Die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG setzt voraus, dass zwischen den steuerfreien Einnahmen und den Ausgaben ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Dieser ist gegeben, wenn Einnahmen und Ausgaben durch dasselbe Ereignis veranlasst sind ([X.]-Urteile vom 28.05.1998 - X R 32/97, [X.]E 186, 275, [X.] 1998, 565, und vom 23.11.2016 - X R 41/14, [X.]E 256, 439, [X.] 2017, 773). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang jedenfalls immer dann, wenn die Einnahmen dazu dienen, beruflich veranlasste Aufwendungen auszugleichen oder zu erstatten (Senatsurteil vom 09.11.1976 - VI R 139/74, [X.]E 120, 491, [X.] 1977, 207; [X.]-Urteile vom [X.], [X.]E 171, 443, [X.] 1993, 784; vom [X.], [X.]E 214, 69, [X.] 2006, 755, und vom 18.04.2012 - X R 62/09, [X.], 434, [X.] 2012, 721).

So verhält es sich auch im Streitfall. Einerseits ist das Stipendium der Klägerin nur für ihren Studienaufenthalt in [X.] gewährt worden. Andererseits sind ihr nur wegen dieses Studienaufenthalts die als Werbungskosten geltend gemachten (Mehr-)Aufwendungen entstanden. Die für das Masterstudium geltend gemachten Aufwendungen dürfen folglich nach § 3c Abs. 1 EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden, soweit die Klägerin die fraglichen [X.] des [X.] bezogen hat.

3. Die Verfahrensrüge der Klägerin greift nicht durch. Das [X.] hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 [X.]O) umfasst das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern, und die Pflicht des Gerichts, sich mit dem entscheidungserheblichen Vorbringen auseinanderzusetzen. Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (§ 96 Abs. 2 [X.]O). Darüber hinaus darf das [X.] seine Entscheidung auf einen von den Beteiligten erkennbar übersehenen oder für unerheblich gehaltenen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 155 [X.]O i.V.m. § 139 Abs. 2 der Zivilprozessordnung, z.B. [X.]-Beschluss vom 01.07.2003 - III B 94/02, [X.]/NV 2003, 1591).

b) Soweit die Klägerin meint, das [X.] habe ihr Recht auf Gehör verletzt, weil es festgestellt habe, es sei unzutreffend, dass die Klägerin zu dem Zeitpunkt, zu dem sie sich entschieden habe, das Masterstudium durchzuführen, nicht mit einem Stipendium habe rechnen können, und die Vorinstanz ferner ausgeführt habe, dass die diesbezüglichen Darlegungen der Klägerin nicht hinreichend substantiiert seien, liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Dies gilt bereits deshalb, weil die entsprechenden Ausführungen des [X.] für dessen Entscheidung nicht tragend waren. Nach der für die Prüfung eines [X.] maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des [X.] (s. dazu z.B. [X.]-Urteil vom 06.07.1999 - VIII R 12/98, [X.]E 189, 148, [X.] 1999, 731; Senatsbeschluss vom 01.09.2005 - VI B 30/05, [X.]/NV 2005, 2046, und [X.]-Beschluss vom 08.10.2004 - IV B 202/02, [X.]/NV 2005, 367) war es nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin mit einem Stipendium rechnen konnte oder nicht. Denn das [X.] hat die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für das Masterstudium allein deshalb teilweise nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen, weil die Klägerin in Höhe der Leistungen des [X.] wirtschaftlich nicht belastet gewesen sei.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 34/20

29.09.2022

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 16. Juni 2020, Az: 5 K 1936/19, Urteil

§ 3 Nr 44 EStG 2009, § 3c Abs 1 EStG 2009, § 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 1 S 3 Nr 5 EStG 2009, § 9 Abs 5 EStG 2009, § 4 Abs 5 S 1 Nr 5 EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, Art 14 Abs 1 GG, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.09.2022, Az. VI R 34/20 (REWIS RS 2022, 6150)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6150


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI R 34/20

Bundesfinanzhof, VI R 34/20, 29.09.2022.


Az. 5 K 1936/19

FG München, 5 K 1936/19, 16.06.2020.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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