Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2004, Az. VIII ZR 355/03

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1326

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] 355/03 Verkündet am: 6. Oktober 2004 Kirchgeßner, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] §§ 535, 536

Für die Beurteilung der Frage, ob eine Mietwohnung Mängel aufweist, ist in erster Linie die von den [X.] vereinbarte Beschaffenheit der Wohnung, nicht die Einhaltung bestimmter technischer Normen maßgebend.

Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, so ist die Einhaltung der maßgeblichen tech-nische Normen geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen.

Nimmt der Vermieter bauliche Veränderungen vor, die zu Lärmimmissionen führen können, so kann der Mieter erwarten, daß Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den [X.] der zur [X.] des Umbaus geltenden [X.]-Normen genügen.
Wird ein älteres Wohnhaus nachträglich um ein weiteres Wohngeschoß aufgestockt, so ent-steht an der Mietwohnung, die vor der Aufstockung im obersten Wohngeschoß gelegen war, ein Mangel, wenn die Trittschalldämmung der darüber errichteten Wohnung nicht den [X.] der im [X.]punkt der Aufstockung geltenden [X.]-Norm an normalen Trittschall-schutz genügt. Die Einhaltung der Anforderungen an erhöhten Trittschallschutz kann der Mieter nur dann verlangen, wenn dies mit dem Vermieter vereinbart ist.
[X.], Urteil vom 6. Oktober 2004 - [X.] 355/03 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des Bundes[X.]ichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die Rich-ter Ball, Dr. Leimert, [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Land[X.]ichts Hamburg, Zivilkammer 7, vom 30. Oktober 2003 wird [X.]. Auf die Anschlußrevision der Klä[X.] wird das vorbezeichnete Ur-teil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klä[X.] erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs[X.]icht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klä[X.] mieteten von den Rechtsvorgän[X.]n der Beklagten mit [X.] vom 28. Juli 1987 eine Wohnung im dritten Obergeschoß des [X.] in [X.]. Das direkt über der von den Klä[X.]n gemiete-ten Wohnung gelegene Dachgeschoß des vor dem Jahre 1918 errichteten Hauses war zunächst nicht ausgebaut und wurde lediglich als Abstellraum ge-- 3 - nutzt. [X.] wurde der Dachboden abgetragen und an seiner Stelle von der Beklagten eine zweigeschossige Wohnung errichtet, die sie als Eigentums-wohnung veräußerte. Seit dem Bezug der neuerrichteten Dachgeschoßwohnung, die Ende Oktober 2001 fertiggestellt war, fühlen sich die Klä[X.] durch den von dort aus-gehenden Trittschall gestört. Ein von ihnen in Auftrag gegebenes Privatgutach-ten des Sachverständigen [X.]ergab einen Normtrittschallpegel von [X.] = 58,5, der die Grenzwerte der [X.] 4109 (Normtrittschallpegel [X.] < 53 dB bzw. < 46 dB für erhöhten Schallschutz) überschreitet. Der ferner eingeschalte-te Sachverständige [X.]ermittelte in seinem Prüfbericht Nr. 09.2001.02 einen Wert von 57 dB. Die Klä[X.] minderten ab November 2002 die Miete um 20 %. Mit ihrer Klage begehren die Klä[X.] von den Beklagten die Herstellung eines erhöhten Trittschallschutzes von 46 dB, hilfsweise einen Trittschallschutz von 53 dB. Ferner verlangen sie im Hinblick auf den ihrer Ansicht nach mangel-haften Trittschallschutz Rückzahlung bereits gezahlter Miete und Ersatz der Kosten für das Gutachten des Sachverständigen [X.]
. [X.] hat die Beklagte Zahlung der Differenz zwischen der vereinbarten und der [X.] Miete gefordert. Das Amts[X.]icht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten, mit der sie allein die Entscheidung über die Klage angegriffen hat, hat das Land[X.]icht die Beklagten lediglich zur Herstellung eines Trittschallschutzes von 53 dB verurteilt und die Klage hinsichtlich des verlangten erhöhten Trittschallschutzes abgewiesen. Es hat ferner dem [X.] der Klä[X.] stattgegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungs[X.]icht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die vollständige Klageabweisung erstrebt. Die Klä[X.] begehren mit ihrer - 4 - unselbständigen Anschlußrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungs[X.]icht hat zur Begründung ausgeführt: Es sei vom Vorliegen eines Mangels der Mietwohnung auszugehen. Maßgebend sei zwar in erster Linie das, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart hätten. Fehle es an entsprechenden Abreden, sei aber die Einhal-tung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet. Danach seien grund-sätzlich die [X.]-Normen zugrunde zu legen, die zur [X.] der Errichtung des Gebäudes galten. Das sei für den nachträglichen Dachgeschoßausbau die zu diesem [X.]punkt gültige [X.]-Norm 4109, da die Wohnung über der Wohnung der Klä[X.] erst durch den Ausbau errichtet worden sei. Es komme nicht ent-scheidend darauf an, ob die bei Anmietung vorhandene einfache [X.] baualtersgemäß gewesen sei oder ob der technisch vorhandene Tritt-schallschutz nach Umbau des Dachgeschosses den [X.] entspreche und besser sei als bei Anmietung des Objekts. Bei [X.] seien Lärmimmissionen aus der Etage über der Mietwohnung nicht zu be-fürchten gewesen, weil oberhalb der Wohnung keine weitere Wohnnutzung stattgefunden habe. Die Sollbeschaffenheit des Mietobjekts sei deshalb eine Wohnung ohne störenden Lärmbelästigungen aus dem darüber liegenden Dachgeschoß. Der Mieter dürfe davon ausgehen, daß er auch bei einem späte-ren Ausbau des Dachgeschosses vor Lärmimmissionen jedenfalls in der Weise - 5 - geschützt werde, daß die zum [X.]punkt des nachträglichen Ausbaus geltenden technischen Normen eingehalten würden. Die Klä[X.] hätten jedoch keinen Anspruch auf Einhaltung der Grenzwer-te gemäß den "Empfehlungen für einen erhöhten Schallschutz" nach Beiblatt 2 der [X.] 4109. Vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen müsse der Mieter die Geräusche hinnehmen, die durch eine vertragsgemäße Nutzung der anderen Wohnungen eines Mehrfamilienhauses entstünden. Soweit die Beklagte einwende, die Ursache der Lärmimmissionen liege im Gemeinschaftseigentum bzw. im Sondereigentum eines anderen Woh-nungseigentümers, führe dies nicht zu einer Unmöglichkeit der Mangelbeseiti-gung, sondern lediglich dazu, daß die Vornahme der Mangelbeseitigung wegen der Notwendigkeit der Mitwirkung Dritter nicht allein vom Willen der Beklagten abhänge, so daß Zwangsmittel nach § 888 ZPO ausgeschlossen seien, wenn der Schuldner vorher mit der gebotenen Intensität zumindest versucht habe, diese Dritten zur Mitwirkung zu veranlassen. Im übrigen sei die [X.] anders als der Bodenbelag nicht Gegenstand des Sondereigentums, sondern gehöre grundsätzlich zum gemeinschaftlichen Eigentum, wobei die anderen Wohnungseigentümer zumindest zur Duldung der Arbeiten verpflichtet seien. Den Klä[X.]n seien auch die Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen, weil die Beklagte die Mangelhaftigkeit durch den von ihr veranlaßten Umbau schuldhaft herbeigeführt habe. Die klä[X.]seitig vorgenommene Mietminderung von 20 % sei unter Zugrundelegung eines Trittschallschutzes von [X.] ~ 57 dB angemessen. - 6 - I[X.] Die Ausführungen des Berufungs[X.]ichts halten einer rechtlichen Über-prüfung nicht in allen Punkten stand. 1. Die Revision der Beklagten hat allerdings in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Berufungs[X.]icht einen Mangel der Mietwohnung im Sinne von § 536 Abs. 1 [X.] wegen des nicht ausreichenden Trittschallschutzes be-jaht. Ein Mangel ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächli-chen Zustands der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand ([X.], Urteil vom 16. Februar 2000 - [X.], [X.], 1714 unter [X.] 2 a m.w.Nachw. zur Rechtsprechung; [X.] in Bub/[X.], Handbuch der [X.] und Wohnraummiete, 3. Aufl. II[X.] B Rdnr. 1344). Maßgeblich sind [X.], wie das Berufungs[X.]icht zu Recht ausgeführt hat, die Vereinbarungen der Parteien und nicht in erster Linie die Einhaltung bestimmter technischer Nor-men. Fehlen jedoch ausdrückliche Parteiabreden zur Beschaffenheit der [X.], so ist jedenfalls die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet (vgl. KG, [X.], 255; [X.] 1996, 1249; Staudin-[X.]/[X.], [X.] (2003), § 536 Rdnr. 27; vgl. auch [X.], [X.] 1996, 677). Dabei ist, wovon auch die Revision zu Recht ausgeht, nach der Verkehrs-anschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (Senatsurteil vom 26. Juli 2004 - [X.] 281/03, [X.], 527; [X.] in Bub/[X.] aaO Rdnr. 1338; differenzierend [X.], Mietrecht, 8. Aufl., § 536 Rdnr. 29 f.). Entgegen der Auffassung der Revision bedeutet dies jedoch nicht, daß die Klä[X.] keinen höheren Schallschutz verlangen können, als er der [X.] vor 1918 entsprach. Zwar haben die Parteien einen Mietvertrag über eine Wohnung abgeschlossen, die sich in einem vor dem [X.] errichteten und nicht den - 7 - aktuellen [X.] angepaßten Gebäude befindet. Auch trifft den Vermieter grundsätzlich keine Pflicht zur Modernisierung (so auch [X.]/Eisenschmid aaO Rdnr. 30). Wenn der Vermieter jedoch selbst bauli-che Veränderungen vornimmt, die zu Lärmimmissionen führen können, kann der Mieter erwarten, daß Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur [X.] des Umbaus geltenden [X.]-Normen genügen. Die Revision übersieht, daß die Klä[X.] zunächst im obersten bewohnten Stockwerk gewohnt haben, weil der darüber befindliche Dachboden lediglich als [X.] genutzt wurde. Durch die Errichtung der zweigeschossigen Wohnung über der Wohnung der Klä[X.] haben sich die Nutzungsgewohnheiten erheblich geändert. Zu Recht führt das Berufungs[X.]icht aus, daß die Wohnung über der Wohnung der Klä[X.] durch den Ausbau erst errichtet worden ist. [X.] sind hinsichtlich des zwischen diesen Wohnungen erforderlichen Tritt-schallschutzes auch die zum [X.]punkt des Ausbaus geltenden [X.]-Normen die den jeweiligen technischen Mindeststandard wiedergeben (vgl. [X.] 139, 16, 20), als Vertragsinhalt anzusehen. Auch der Durchführung einer Ortsbesichtigung bedurfte es entgegen der Ansicht der Revision zur Ermittlung der Lärmbeeinträchtigung nicht. Das Beru-fungs[X.]icht hat festgestellt, daß der [X.] in der Wohnung der Klä[X.] den von der [X.] 4109 festgelegten Grenzwert jedenfalls um 4 dB überschreitet. Damit steht auch unabhängig von einer Ortsbesichtigung fest, daß der Tritt-schallschutz nicht ausreichend und folglich die Wohnung der Klä[X.] mit einem Mangel behaftet ist. Die Klä[X.] waren daher berechtigt, die Miete zu mindern. Die vom [X.] für angemessen gehaltene Höhe der Minderung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. - 8 - 2. Dagegen hat die Anschlußrevision der Klä[X.] Erfolg. Allerdings ergibt sich ein Anspruch der Klä[X.] auf Einbau eines erhöhten Trittschallschutzes von 46 dB entgegen der Auffassung der Revisionserwide-rung nicht schon daraus, daß das Dachgeschoß vor dem Umbau nicht bewohnt war und die Klä[X.] somit "außergewöhnlich störungsfrei" wohnen konnten. Ein Mieter ist nicht davor geschützt, daß in dem Haus, welches er bewohnt, [X.] stattfinden. Es bleibt die freie Entscheidung des Vermieters, ob er solche Arbeiten durchführen und zum Beispiel das Dachgeschoß ausbauen läßt. Einen Anspruch auf erhöhten Schallschutz hat der Mieter nur dann, wenn dies mit dem Vermieter vereinbart ist. Ob dies hier der Fall war, ist zwischen den Parteien streitig. Die Anschlußrevision weist mit Recht darauf hin (§ 286 ZPO), daß die Klä[X.] unter Benennung von Zeugen eine solche Vereinbarung behauptet haben. Diesen Beweisangeboten hätte das Berufungs[X.]icht nach-gehen müssen, um zu klären, ob die Klä[X.] Anspruch auf erhöhten Schall-schutz haben. Zur Klärung dieser Frage und Durchführung der dazu erforderlichen Be-weisaufnahme ist das Berufungsurteil daher auf die Anschlußrevision der [X.] aufzuheben, soweit die Klage auf erhöhten Schallschutz abgewiesen [X.] ist, und die Sache ist insoweit an das Berufungs[X.]icht zurückzuverweisen.
[X.] Ball Dr. Leimert
[X.] [X.]

Meta

VIII ZR 355/03

06.10.2004

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2004, Az. VIII ZR 355/03 (REWIS RS 2004, 1326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1326

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