Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2022, Az. III ZR 119/22

3. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7651

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beiordnung eines Notanwalts im Fall der Mandatsniederlegung wegen Nichtzahlung des Gebührenvorschusses; Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen nicht rechtzeitiger Begründung


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm einen Notanwalt zur Wahrung seiner Rechte in dem Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 24. Mai 2022 - 4 U 24/20 - beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: 68.500 €

Gründe

I.

1

Der Kläger verlangt von dem beklagten Land und dem für ihn zuständigen Finanzamt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Verbleib zahlreicher näher bezeichneter wegen bestehender Steuer- und Abgabenverbindlichkeiten gepfändeter Gegenstände nebst deren Herausgabe beziehungsweise Ersatz des ihm aus der Verwahrung oder Verwertung entstandenen Schadens sowie die Feststellung einer weitergehenden Ersatzpflicht. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das [X.] durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss hat der Kläger durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Die Frist zu deren Begründung ist antragsgemäß bis zum 4. Oktober 2022 verlängert worden. Mit Schriftsatz vom 5. September 2022 - eingegangen am selben Tag - hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] erklärt, er vertrete diesen nicht mehr. Der Kläger, der daraufhin eine Reihe weiterer beim [X.] zugelassener Rechtsanwälte wegen der Vertretung im vorliegenden Verfahren vergeblich kontaktiert hat, hat daraufhin mit am 16. September 2022 eingegangenem Schreiben die Beiordnung eines Notanwalts beantragt. Auf Nachfrage des Senats hat er den Schriftsatz des ursprünglich beauftragten Rechtsanwalts am [X.] vom 5. September 2022 vorgelegt, mit dem dieser seinem vorinstanzlichen Bevollmächtigten gegenüber erklärt hat, er kündige - nach vorheriger mehrfacher Androhung - das Mandatsverhältnis, nachdem der Kläger seine Rechnung vom 17. Juni 2022 über 4.038,98 € nicht beglichen habe.

II.

3

Der Antrag des [X.] auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b Abs. 1 ZPO ist unbegründet.

4

Die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass die [X.] trotz zumutbarer Anstrengungen einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Im Streitfall fehlt es bereits an der erstgenannten Voraussetzung. Hat die [X.] - wie vorliegend der Kläger - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und mandatiert, kommt im Fall der späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts nur in Betracht, wenn die [X.] die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat, was sie substantiiert darzulegen und zu beweisen hat (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom 28. September 2017 - [X.], BeckRS 2017, 128304 Rn. 4 und vom 29. September 2016 - [X.], BeckRS 2016, 19301 Rn. 6). Scheitert die (weitere) Vertretungsbereitschaft eines beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalts - wie hier aus dem an den vorinstanzlichen Bevollmächtigten des [X.] gerichteten Schriftsatz des beauftragten Rechtsanwalts am [X.] vom 5. September 2022 ersichtlich - allein an der Nichtzahlung des Vorschusses durch den Mandanten, so kommt die Bestellung eines Notanwalts nach Sinn und Zweck des § 78b Abs. 1 ZPO nicht in Betracht ([X.], Beschlüsse vom 8. Juli 2010 - [X.], BeckRS 2010, 19953 Rn. 1; vom 7. Dezember 1999 - [X.], BeckRS 1999, 30085726 Rn. 2; vom 5. Oktober 1999 - [X.], BeckRS 1999, 30075925 unter II.; vom 13. April 1994 - [X.], BeckRS 1994, 2822 unter II. 1. a) und vom 25. Januar 1966 - [X.], NJW 1966, 780). Die [X.] hat in einem solchen Fall einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt durchaus gefunden, die Begründung des Rechtsmittels ist jedoch nur daran gescheitert, dass sie den Vorschuss nicht beglichen hat, sei es, weil sie es nicht wollte, sei es, weil sie den Betrag nicht aufbringen konnte (vgl. zu Letzterem [X.], Beschlüsse [X.]. aaO). Im erstgenannten Fall hat die [X.] die Mandatsniederlegung selbst verschuldet (vgl. Senat, Beschlüsse vom 28. September 2017 und 29. September 2016 [X.]. aaO). Aber auch im zweiten Fall ergibt sich nichts anderes. Denn auch der Notanwalt könnte gemäß § 78c Abs. 2 ZPO eine entsprechende Vorschusszahlung verlangen. Für eine [X.], die selbst zur Honorierung eines Rechtsanwalts nicht in der Lage ist, sieht das Gesetz die Möglichkeit einer Anwaltsbeiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe (§§ 114, 115 ZPO) vor (vgl. zB [X.], Beschlüsse vom 8. Juli 2010; vom 13. April 1994 und vom 25. Januar 1966 - zu § 78a ZPO aF; [X.]. aaO). Davon hat der Kläger aber keinen Gebrauch gemacht.

5

Dass der ursprünglich beauftragte Rechtsanwalt das Mandat aus anderen Gründen als der Nichtzahlung des Vorschusses niedergelegt hat, wird vom Kläger nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

III.

6

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der Frist des § 544 Abs. 4 ZPO durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO) begründet wurde.

7

Die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde kann gleichzeitig mit der Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts erfolgen (zB Senat, Beschlüsse vom 16. September 2021 - [X.]/21, [X.] 2021, 34029 Rn. 8 und 25. Oktober 2018 - [X.]/18, BeckRS, 2018, 29835 Rn. 7; [X.], Beschluss vom 19. Februar 2013 - [X.], BeckRS 2013, 5053 Rn. 4 f). Ein etwaiger Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die versäumte Begründungsfrist nach der Ablehnung des Senats, einen Notanwalt zu bestellen, verspräche keinen Erfolg. Einer [X.], die trotz Vornahme zumutbarer Bemühungen keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden hat, kann Wiedereinsetzung wegen der Versäumung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist nur dann gewährt werden, wenn sie vor Fristablauf einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt und die Voraussetzungen hierfür substantiiert dargelegt hat (Senat, Beschlüsse vom 16. September 2021 und vom 25. Oktober 2018; [X.]. aaO; vom 28. September 2017 aaO Rn. 8; vom 29. September 2016 aaO Rn. 9 und vom 18. Dezember 2013 - [X.], NJW-RR 2014, 378 Rn. 8 f). Dies ist hier nicht der Fall, denn die Bestellung eines Notanwalts kam aus vorstehenden Gründen von vornherein nicht in Betracht.

Herrmann     

  

Reiter     

  

Arend

  

Böttcher     

  

Herr     

  

Meta

III ZR 119/22

24.11.2022

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 24. Mai 2022, Az: 4 U 24/20

§ 78b Abs 1 ZPO, § 78c Abs 2 ZPO, § 114 ZPO, § 115 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2022, Az. III ZR 119/22 (REWIS RS 2022, 7651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7651

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III ZR 154/22 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 349/22 (Bundesgerichtshof)


III ZR 63/17 (Bundesgerichtshof)

Bestellung eines Notanwalts im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren: Parteiverschulden bei Mandatsniederlegung wegen Differenzen mit dem beauftragten Rechtsanwalt über …


IV ZR 213/21 (Bundesgerichtshof)

Beiordnung eines Notanwalts für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde: Mandatsniederlegung durch den zunächst beauftragten Rechtsanwalt; Nichtzulassungsbeschwerdebegründung …


VIII ZB 73/23 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.