Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.03.2015, Az. V B 108/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 14333

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Verfahrensfehler, Ablehnung einer Terminsverlegung; Besorgnis der Befangenheit


Leitsatz

1. NV: Eine nicht zu beseitigende Terminsüberlagerung mit einem anderweitigen Rechtsstreit stellt zwar einen "erheblichen Grund" i.S.v. § 227 ZPO dar; bloße Unannehmlichkeiten, um den Termin pünktlich wahrnehmen zu können, reichen hierfür nicht aus.

2. NV: Freimütige oder saloppe Äußerungen eines Richters geben jedenfalls dann keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit, wenn sie sogleich relativiert werden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 25. Juli 2014  6 K 940/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

[X.]ie Beschwerde ist unbegründet. [X.]ie geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) führen nicht zur Zulassung der Revision.

2

1. [X.]ie Ablehnung eines Antrags auf Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung verletzt nur dann den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG-- und § 96 Abs. 2 [X.]O), wenn erhebliche Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung geltend gemacht worden sind (§ 155 [X.]O i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Eine schlüssige Rüge dieses [X.] erfordert daher die [X.]arlegung, dass zur Begründung des [X.] derart erhebliche Gründe substantiiert vorgetragen und glaubhaft gemacht worden sind (vgl. Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 19. [X.]ezember 2011 V B 37/11, [X.], 956; vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, [X.], 1510, sowie vom 4. August 2005 I B 219/04, [X.], 73, m.w.N.).

3

Eine nicht zu beseitigende Terminsüberlagerung mit einem anderweitigen Rechtsstreit stellt zwar einen "erheblichen Grund" i.S. von § 227 ZPO dar, lag aber im Streitfall ersichtlich nicht vor: [X.]er Termin beim [X.] fand am Vortag statt und der Termin beim Amtsgericht in [X.] zwar am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ([X.]), aber erst um 9:30 Uhr. Zur Vermeidung einer Terminkollision hat das [X.] die mündliche Verhandlung von 11:00 Uhr auf 7:00 Uhr vorverlegt, eine Fahrzeit nach [X.] von zwei Stunden berücksichtigt und sich überdies bereit erklärt, den Termin von 7:00 Uhr auf 6:30 Uhr vorzuverlegen. Gründe, die den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in dieser [X.] an der Teilnahme hinderten, hat er weder vorgebracht noch glaubhaft gemacht. Bloße Unannehmlichkeiten, um den Termin pünktlich wahrnehmen zu können (wie beispielsweise eine frühe Anreise oder eine Hotelübernachtung), reichen dagegen für die Annahme eines erheblichen Grundes nicht aus.

4

2. [X.]ie Beschwerde ist auch insoweit ohne Erfolg, als sie auf die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs durch das [X.] gestützt wird.

5

a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 42 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. [X.]abei kommt es darauf an, ob der Prozessbeteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder [X.] zu befürchten ([X.] vom 27. August 1998 VII B 8/98, [X.] 1999, 480, und vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, [X.], [X.], 483, [X.] 2003, 422). Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO sind die das Misstrauen in die Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen ([X.] vom 13. September 1991 IV B 147/90, [X.] 1992, 320, und in [X.], 483, [X.] 2003, 422).

6

b) Soweit die Beschwerdeschrift das Vorliegen eines [X.] darauf stützt, dass das [X.] den Befangenheitsantrag des [X.] zu Unrecht abgelehnt habe, ist zu berücksichtigen, dass Beschlüsse über die Ablehnung von [X.] nach § 128 Abs. 2 [X.]O nicht mit der Beschwerde und damit grundsätzlich auch nicht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden können (§ 124 Abs. 2 [X.]O). Geltend gemacht werden können somit nur solche Verfahrensmängel, die als Folge der Ablehnung des Befangenheitsgesuchs dem angefochtenen Urteil anhaften. Ein Zulassungsgrund ist daher nur dann gegeben, wenn die Ablehnung entweder gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht wie den Anspruch auf [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt wird. Auch das Verfahrensgrundrecht auf [X.] schützt indes nur vor willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften. Eine Besetzungsrüge kann deshalb auch nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sich --woran es vorliegend fehlt-- dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des [X.] nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich war ([X.] vom 25. Juli 2005 VII B 2/05, [X.] 2005, 2035, sowie vom 13. Januar 2003 III B 51/02, [X.] 2003, 640).

7

c) [X.]iese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor:

8

aa) [X.]ass der Einzelrichter dem Antrag des [X.] auf Verlegung des Termins für die mündliche Verhandlung nicht entsprochen hat, lässt eine greifbar gesetzeswidrige Ablehnung des Befangenheitsgesuchs und damit eine Verletzung des Rechts auf [X.] nicht erkennen. [X.]enn der [X.] wurde mangels Vorliegens eines erheblichen Grundes zu Recht abgelehnt (vgl. Ausführungen unter 1.).

9

bb) [X.]ie Zurückweisung des [X.] erweist sich auch nicht insoweit als greifbar gesetzeswidrig und damit willkürlich, als der Kläger vorbringt, der Einzelrichter habe eine telefonische Äußerung von ihm mit der Erwiderung quittiert "[X.]a muss ich aber lachen".

(1) Freimütige oder saloppe Formulierungen geben grundsätzlich noch keinen Anlass zur Besorgnis der Befangenheit ([X.] vom 29. August 2001 IX B 117/00, [X.] 2002, 63; vom 8. [X.]ezember 1998 VII B 227/98, [X.] 1999, 661; vom 27. September 1994 VIII B 64-76/94, [X.] 1995, 526, und vom 31. August 1987 IV B 101/86, [X.] 1989, 169). [X.] unsachliche oder unangemessene sowie herabsetzende und beleidigende Äußerungen des Richters können aber die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sie den nötigen Abstand zwischen Person und Sache vermissen lassen ([X.] vom 13. Januar 1987 IX B 12/84, [X.] 1987, 656; vom 6. Februar 1989 V B 119/88, [X.] 1990, 45, und vom 21. November 1991 V B 157/91, [X.] 1992, 479).

(2) Vorliegend begründet die vom Kläger beanstandete Äußerung des Einzelrichters jedenfalls deshalb keine auf Voreingenommenheit hinweisende Unsachlichkeit, weil der Einzelrichter --wie sich aus dem Schriftsatz des [X.] vom 22. Juli 2014 ergibt-- anschließend konzediert hat, dass der Absturz des Computers mit allen Steuerdaten auch in seinen Augen ein anerkennenswertes Problem sei. [X.]anach bestand bei vernünftiger objektiver Betrachtung kein Anlass mehr, die Voreingenommenheit des abgelehnten Richters zu befürchten.

3. [X.]as [X.] war trotz des Befangenheitsantrages des [X.] nicht gehindert, in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung durch Einzelrichter über die Klage zu entscheiden. [X.]enn das Ablehnungsgesuch war rechtsmissbräuchlich.

a) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 [X.]O richtet sich die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch nach den §§ 45, 47 ZPO. [X.]anach wirkt [X.] an der Entscheidung grundsätzlich nicht mit. Von diesem Grundsatz gilt jedoch dann eine Ausnahme, wenn die Ablehnung missbräuchlich ist ([X.] vom 8. Oktober 1997 I B 103/97, [X.] 1998, 475, m.w.N.). [X.]ies ist der Fall, wenn der Antrag offenbar grundlos ist ([X.] vom 10. August 1987 X B 29/87, [X.] 1988, 103) oder nur der Verschleppung dient ([X.] vom 12. November 2009 IV B 66/08, [X.] 2010, 671). Maßgeblich dafür, ob der Antrag zu Recht als missbräuchlich abgelehnt worden ist, sind die im Antrag vorgebrachten Gründe; später geltend gemachte Gründe können nicht berücksichtigt werden (vgl. [X.] vom 30. September 1998 XI B 22/98, [X.] 1999, 348).

b) Vorliegend hat der Kläger den Einzelrichter am [X.] deswegen abgelehnt, weil dieser seinen Antrag auf Terminverlegung abgelehnt und sich unsachlich geäußert habe. [X.]iese Befangenheitsgründe liegen nach den Ausführungen unter 2. c offensichtlich nicht vor. [X.]arüber hinaus diente der Befangenheitsantrag, wie vom [X.] zutreffend ausgeführt wird, der Prozessverschleppung. [X.]enn der Prozessbevollmächtigte beendete das Telefongespräch mit dem Einzelrichter vom 22. Juli 2014, in dem das Gericht dem Kläger mitteilte, dass der Termin voraussichtlich nicht verlegt werde, sinngemäß mit den Worten, er wisse nun, was er zu tun habe. Hierzu instrumentalisierte er eine --schon mehrere Wochen zurückliegende und bei objektiver Betrachtungsweise keinen Anlass für eine Befangenheit gebende-- Äußerung des Einzelrichters als Begründung für seinen Befangenheitsantrag.

c) Ist das Ablehnungsgesuch rechtsmissbräuchlich und deshalb offensichtlich unzulässig, entscheidet das Gericht darüber in der nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, ohne dass es einer vorherigen dienstlichen Äußerung [X.] nach § 51 [X.]O i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO bedarf (z.B. [X.] vom 1. April 2003 VII S 7/03, [X.] 2003, 1331). In diesem Fall ist es auch nicht notwendig, über den Antrag in einem besonderen Beschluss zu entscheiden, sondern es kann im Urteil darüber mitentschieden werden ([X.] in [X.], 483, [X.] 2003, 422; vom 21. November 2002 VII B 58/02, [X.] 2003, 485, und vom 31. August 1999 V B 53/97, [X.], [X.] 2000, 244).

4. Von der Wiedergabe des Tatbestands und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ab.

5. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V B 108/14

10.03.2015

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 25. Juli 2014, Az: 6 K 940/14, Urteil

§ 42 ZPO, § 44 Abs 3 ZPO, § 45 ZPO, § 47 ZPO, § 227 ZPO, § 51 Abs 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 128 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.03.2015, Az. V B 108/14 (REWIS RS 2015, 14333)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14333

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B 13 R 172/15 B

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