Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.06.2012, Az. IX R 67/10

9. Senat | REWIS RS 2012, 5448

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Gegenstand

(Nachträgliche Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - Gewinnermittlung im Rahmen des § 23 EStG erfolgt zeitpunktbezogen)


Leitsatz

Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, welche der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Wohngrundstücks dienten, können auch nach einer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Veräußerung der Immobilie weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden, wenn und soweit die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 17. Juni 1994 ein Wohngebäude, um damit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen; die Anschaffungskosten des Objekts betrugen (einschließlich der Anschaffungsnebenkosten) 1.841.235 €. Von diesen Kosten finanzierte der Kläger einen Teilbetrag in Höhe von 1.457.181,86 € über Darlehen der Volksbank X.

2

Der Kläger veräußerte das Objekt mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 14. Mai 2001; dabei erzielte er einen Veräußerungspreis in Höhe von 1.073.712 €. Unter Berücksichtigung der Veräußerungskosten ergab sich nach den gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) bindenden Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) ein [X.] § 23 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 792.432 €, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 nach § 10d Abs. 4 EStG gesondert feststellte. Der Kläger hat in den Jahren 2004 und 2005 nachträgliche Einkünfte aus dem Objekt in Gestalt verspätet geleisteter rückständiger Mieteinnahmen erzielt.

3

Der aus der Veräußerung des Objekts erzielte Erlös reichte nicht aus, um die im Veräußerungszeitpunkt noch bestehenden Darlehen abzulösen; das ausschließlich zum Erwerb der Immobilie aufgenommene Darlehen der [X.] valutierte im Zeitpunkt der Veräußerung noch mit 534.075 €. Für die --nach vollständiger Verwendung des Veräußerungserlöses zur Schuldentilgung-- noch verbliebene Darlehensschuld wandte der Kläger im Streitjahr 2004 Schuldzinsen in Höhe von 21.135 € auf, die er in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machte.

4

Das [X.] berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr die vom Kläger aufgewendeten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten im Rahmen des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger, mit dem sie weiterhin die Berücksichtigung der erklärten Schuldzinsen begehrten, hatte keinen Erfolg.

5

Das [X.] wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1052 genannten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie vertreten die Auffassung, dass die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zur eingeschränkten Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen mit Blick auf die erweiterte Besteuerung von Wertsteigerungen im Privatvermögen seit dem Erlass des [X.] 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ([X.], 402, BStBl I 1999, 304) nicht mehr aufrecht zu halten sei; denn das insoweit in der Rechtsprechung bemühte Argument, ein nicht steuerbarer Veräußerungsvorgang überlagere einen ursprünglich gegebenen Veranlassungszusammenhang zur Einkünfteerzielung, sei nicht mehr tragfähig, wenn der Veräußerungsvorgang selbst grundsätzlich steuerpflichtig sei. Dies habe im Übrigen auch der [X.] in seinem Urteil vom 16. März 2010 VIII R 20/08 ([X.]E 229, 151, [X.], 787) zu den insoweit vergleichbaren Einkünften aus Kapitalvermögen aus einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 EStG so gesehen und seine diesbezügliche Rechtsprechung geändert. Während die frühere Rechtsprechung eine gewisse "Korrespondenz" zwischen der weitgehenden Verschonung von Veräußerungsgewinnen im privaten [X.] und einem Abzugsverbot für nachträgliche Finanzierungsaufwendungen gesehen habe, lasse sich nun umgekehrt aus dem [X.]-Urteil in [X.]E 229, 151, [X.], 787 ableiten, dass die gesetzgeberische Entscheidung, Veräußerungsgewinne im Privatvermögen weitgehend der Besteuerung zu unterwerfen, auch zum Abzug nachträglicher Finanzierungsaufwendungen führen müsse. Soweit der Gesetzgeber mit den gesetzlichen Änderungen durch das [X.] im Anwendungsbereich des § 23 EStG eine erweiterte Steuerverstrickung eingeführt habe, würden Steuerpflichtige, die Grundstücke aus ihrem Privatvermögen steuerpflichtig veräußern, durch die Versagung des Abzugs nachträglich entstehende Finanzierungskosten schlechter gestellt als Steuerpflichtige, die Grundstücke aus ihrem Betriebsvermögen veräußern. Daher müsse --jedenfalls soweit die Steuerverstrickung reiche-- ein nachträglicher [X.] zulässig sein. Zu Unrecht habe das [X.] überdies an der --in der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung so vertretenen-- unterschiedlichen Behandlung von Überschuss- und Gewinneinkünften festgehalten. Maßgeblich sei nach der neueren [X.]-Rechtsprechung nicht mehr alleine die Zuordnung des zur Einkünfteerzielung verwendeten Vermögens zum betrieblichen oder privaten Bereich, sondern die Frage, ob [X.] dieses Vermögens dem Besteuerungszugriff unterliegen. Schließlich habe das [X.] auch § 24 Nr. 2 EStG fehlerhaft ausgelegt. Der genannten Norm sei nicht zu entnehmen, dass der Betriebsaufgabe einerseits und der Aufgabe des [X.] oder der Veräußerung eines Mietshauses andererseits unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich der Berücksichtigung nachträglicher Einnahmen und Aufwendungen beizumessen seien.

7

Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil des [X.] vom 1. Juli 2010  13 K 136/07 sowie den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27. März 2006, geändert durch [X.] vom 8. Juni 2006 und vom 17. Juli 2009, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2007 aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung der erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung festzusetzen, dem [X.] die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit zur weiteren Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht an das [X.] zurückzuverweisen.

9

Das [X.] vertritt die Auffassung, dass die unterschiedliche Behandlung von nachträglichem Aufwand bei den Gewinneinkünften einerseits und den Überschusseinkünften andererseits durch den --auch in der Rechtsprechung des [X.] als gültige Grundkonzeption des [X.] Einkommensteuerrechts anerkannten-- Dualismus der Einkunftsarten gerechtfertigt sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem [X.]-Urteil in [X.]E 229, 151, [X.], 787, da dessen Grundsätze trotz der von zwei auf zehn Jahre verlängerten Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht übertragen werden könnten. Der Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit der Finanzierung der Anschaffungskosten einer zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Immobilie sei durch deren Veräußerung unterbrochen; daher könnten die von den Klägern aufgewandten nachträglichen Schuldzinsen allenfalls bei den sonstigen Einkünften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden. Überdies müsste eine verlustbringende Veräußerung auch bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger berücksichtigt werden.

Das dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 [X.]O beigetretene [X.] ([X.]) vertritt die Auffassung, das [X.] habe zu Recht an der bisherigen Rechtsprechung des [X.] zum beschränkten [X.] nach Veräußerung der Immobilie festgehalten; nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen seien auch mit Blick auf die verlängerten Veräußerungsfristen des § 23 EStG keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn der Veräußerungserlös der Immobilie nicht zur Tilgung des zur Finanzierung der Anschaffungskosten oder Herstellungskosten aufgenommenen Kredits ausreiche.

Die Rechtsgrundsätze des [X.]-Urteils in [X.]E 229, 151, [X.], 787 seien nicht auf die Rechtslage bei § 21 EStG übertragbar, weil die Änderungen in den maßgeblichen Vorschriften nicht miteinander vergleichbar seien. Rechtsfolge der Bestimmung des § 17 EStG sei [X.] als bei der Regelung in § 23 EStG-- eine von der Haltedauer unabhängige durchgängige steuerliche Verstrickung der betreffenden Anteile. Vor diesem Hintergrund lasse sich eine Gleichbehandlung mit betrieblichen Einkünften noch eher begründen; dies gelte insbesondere auch aufgrund des Wortlauts des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, der die betreffenden Gewinne aus der Veräußerung der Anteile zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zähle. Demgegenüber bleibe es bei der Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften von Grundstücken auch nach Verlängerung der Veräußerungsfrist von zwei auf zehn Jahren dabei, dass das Wirtschaftsgut selbst der privaten Vermögensebene zuzuordnen sei. Daher könne man bei der Verlängerung der Veräußerungsfrist im Rahmen des § 23 EStG nicht von einem vergleichbaren "Paradigmenwechsel" sprechen. Dies habe bislang auch der erkennende Senat stets so gesehen, wenn er --etwa in seinen Urteilen vom 22. April 2008 IX R 29/06 ([X.]E 221, 97, [X.], 296) und vom 18. Oktober 2006 IX R 28/05 ([X.]E 215, 202, [X.], 259)-- die Objektivierung der Einkünfteerzielungsabsicht bei § 23 EStG mit den "verhältnismäßig kurzen Veräußerungsfristen" begründet habe. Eine Vergleichbarkeit der genannten Regelungen in § 17 und § 23 EStG sei überdies auch deshalb nicht gegeben, weil die Grundstruktur der genannten Regelungen auch im Zuge der Änderungen durch das [X.] unverändert geblieben sei; insbesondere sei die gesetzgeberische Grundentscheidung, wonach Verluste aus Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG lediglich innerhalb der Einkunftsart verrechnet werden dürfen (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG), nicht angetastet worden.

Das beigetretene [X.] hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Das [X.] hat die von den Klägern geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen zu Unrecht nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch Schuldzinsen, soweit diese mit einer Einkunftsart, vorliegend den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung [X.] des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG).

a) Als maßgebliches Kriterium für einen steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Aufwendungen und einer Einkunftsart wird die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments" sowie dessen "Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre" angesehen (Beschluss des Großen [X.]s des [X.] vom 21. September 2009 GrS 1/06, [X.]E 227, 1, [X.], 672). Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kommt einerseits dem mit der Schuldaufnahme verfolgten Zweck, welcher auf die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gerichtet sein muss, und andererseits der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel entscheidende Bedeutung zu. Der notwendige Veranlassungszusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist danach als gegeben anzusehen, wenn ein objektiver Zusammenhang dieser Aufwendungen mit der Überlassung eines [X.] zur Nutzung besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung gemacht werden. Mit der erstmaligen Verwendung einer Darlehensvaluta zur Anschaffung eines [X.] wird die maßgebliche Verbindlichkeit diesem Verwendungszweck unterstellt (vgl. [X.]-Urteile vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, [X.]E 187, 276, [X.] 1999, 676; vom 29. Juli 1997 IX R 89/94, [X.]E 184, 80, [X.] 1997, 772; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 9 EStG Rz 362; [X.]/[X.], § 9 EStG Rz 203).

b) Nach den bisher in der Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen besteht der Zweck, sofern das Darlehen nicht vorher abgelöst wird, jedenfalls solange fort, bis die Vermietungsabsicht aufgegeben wird und die Vermietungstätigkeit bzw. das Rechtsverhältnis im Sinne der Einkunftsart endet mit der Konsequenz, dass die auf das Darlehen gezahlten Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG zwar in dem genannten [X.]raum als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, nach Ende der Vermietungstätigkeit jedoch grundsätzlich nicht mehr als solche anerkannt wurden - und zwar auch dann nicht, wenn der Erlös aus der Veräußerung eines zuvor zur Vermietung genutzten Grundstücks nicht ausreichte, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen (vgl. [X.]-Urteile vom 25. April 1995 IX R 114/92, [X.]/NV 1995, 966; vom 24. April 1997 VIII R 53/95, [X.]E 183, 155, [X.] 1997, 682; vom 19. August 1998 [X.], [X.]E 187, 21, [X.] 1999, 353; vom 25. Januar 2001 IX R 27/97, [X.]E 195, 135, [X.] 2001, 573). Etwas anderes galt mit Blick auf die Regelung in § 24 Nr. 2 EStG für rückständige Zinsen, die auf die [X.] entfielen, jedoch erst nach Beendigung der Vermietungstätigkeit geleistet wurden ([X.]-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 48/82, [X.]E 138, 47, [X.] 1983, 373; vom 23. Januar 1990 IX R 8/85, [X.]E 159, 488, [X.] 1990, 464; [X.]/[X.], § 9 EStG Rz 600 "Zinsen"). Zudem hat die Rechtsprechung nach Aufgabe der Vermietungstätigkeit gezahlte Schuldzinsen dann als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt, wenn mit dem Kredit Aufwendungen finanziert worden sind, die während der Vermietungstätigkeit als sofort abziehbare Werbungskosten zu beurteilen waren ([X.]-Urteile vom 16. September 1999 IX R 42/97, [X.]E 190, 165, [X.] 2001, 528; vom 12. Oktober 2005 IX R 28/04, [X.]E 211, 255, [X.] 2006, 407).

2. An dieser Rechtsprechung hält der [X.] aus den nachfolgend dargelegten Erwägungen nicht länger fest.

a) Die bisherige Rechtsprechung zur beschränkten Abziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hat sich maßgebend von der Erwägung leiten lassen, dass der ursprünglich bestehende wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem zur Finanzierung von Anschaffungskosten aufgenommenen Darlehen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit der Veräußerung des Grundstücks beendet sei und das anschließend fortbestehende (Rest-)Darlehen seine Ursache in dem im privaten [X.] erlittenen, nicht steuerbaren [X.] habe; Aufwendungen hierauf seien nur noch Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das nicht mehr der Erzielung von steuerbaren Einnahmen diene (vgl. [X.]-Urteile in [X.]/NV 1995, 966; vom 7. August 1990 VIII R 67/86, [X.]E 162, 48; in [X.]E 138, 47, [X.] 1983, 373).

Diese Erwägungen mögen vor dem Hintergrund der Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in den Fassungen vor 1999, welche sich auf Veräußerungsgeschäfte mit "[X.]" beschränkte, gerechtfertigt gewesen sein. Mit der auf zehn Jahre erweiterten Erfassung von Wertsteigerungen bei der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Grundstücken durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.d.F. des [X.] 1999/2000/2002, welche ausweislich der Gesetzesbegründung der Verbreiterung der Besteuerungsgrundlagen dienen sollte (vgl. BTDrucks 14/23, S. 179 f.), hat der Gesetzgeber eine Grundentscheidung dahin getroffen, dass zur Erzielung von Einkünften dienende Wohngrundstücke für den genannten [X.]raum --d.h. über einen reinen, steuerpolitisch gerechtfertigten "Spekulationszeitraum" hinaus-- nicht mehr dem privaten, sondern dem steuerrechtlich erheblichen [X.] zuzuordnen sind und ein etwaiger Gewinn oder Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften der Besteuerung unterliegt.

b) Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung ist das bisher von der Rechtsprechung bemühte Argument, der Fortbestand eines den Verkaufserlös der veräußerten Einkunftsquelle übersteigenden (Rest-)Darlehens habe seine Ursache in dem im privaten [X.] erlittenen, nicht steuerbaren [X.], nicht länger ergiebig. Nachträgliche Schuldzinsen können mithin auch im Bereich der [X.] der Finanzierung eines steuerrechtlich erheblichen Veräußerungs- oder [X.] dienen. Die Notwendigkeit einer dahin gehenden Fortentwicklung der Rechtsprechung wird besonders an der Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG (vormals § 23 Abs. 3 Satz 2 EStG i.d.[X.], [X.], 438, 461) deutlich, wonach im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines veräußerten Wirtschaftsguts sich um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen mindern, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte [X.] des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 6 EStG abgezogen worden sind. Diese Regelung --die nach § 52 Abs. 22 EStG i.d.F. des [X.] 1996 auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden ist, bei denen der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut nach dem 31. Juli 1995 angeschafft hat-- verknüpft das private Veräußerungsgeschäft mit der bisherigen steuerbaren und steuerpflichtigen Nutzung des Grundstücks und bewirkt, dass die Ermittlung des Gewinns aus einem nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbaren privaten Veräußerungsgeschäft --strukturell-- der Ermittlung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts des Betriebsvermögens gleichgestellt wird. Denn die Höhe des Gewinns [X.] des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG hängt ab von der bisherigen Nutzung des Grundstücks und von der Entscheidung des Steuerpflichtigen, bestimmte Abzugsbeträge im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung geltend zu machen (vgl. [X.]mann, [X.] 2002, 864, 866).

c) Eine Ausweitung des nachträglichen Schuldzinsenabzugs bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führt im System der Einkommensteuer weder zu Wertungswidersprüchen noch zu sachwidrigen Ergebnissen. Der Gesetzgeber selbst hat den [X.] mit der Verlängerung der Veräußerungsfrist für Grundstücke auf zehn Jahre durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. seit 1999 in bedeutsamer Weise ausgedehnt. Der [X.] überträgt diese gesetzgeberische Grundentscheidung lediglich folgerichtig auf seine Rechtsprechung, mit der er auch schon bisher den weiteren Abzug von bislang auf einen veräußerten [X.] entfallenden Schuldzinsen im Wege der [X.] unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen hat (vgl. etwa [X.]-Urteile vom 25. Februar 2009 IX R 52/07, [X.]/NV 2009, 1255; vom 8. April 2003 IX R 36/00, [X.]E 202, 280, [X.] 2003, 706) und stellt dabei die notwendige steuerrechtliche Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei den Gewinn- und bei den [X.]n (s. hierzu [X.], [X.] von Schuldzinsen in der Einkommensteuer, [X.] 1990, 129) wieder her.

3. Nach diesen Grundsätzen besteht ein ursprünglich gesetzter Veranlassungszusammenhang zwischen einem (Rest-)Darlehen, das der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen [X.] diente, und den (früheren) Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich auch dann weiter fort, wenn der Steuerpflichtige das Objekt veräußert und der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreicht, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen. Durch die mit der Veräußerung des Wohngrundstücks einhergehende Beendigung der Vermietungstätigkeit ist der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang nicht unterbrochen; vielmehr sind die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die ursprünglich zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aufgenommenen Schulden ausgelöst.

Mit der Veräußerung des ursprünglich zur Erzielung von Mieteinkünften erworbenen [X.] wird auch kein "neuer", den bisherigen Veranlassungszusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung überlagernder oder gar ersetzender Zusammenhang mit den sonstigen Einkünften [X.] des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG geschaffen. Zwar können Aufwendungen, die während des nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG maßgeblichen [X.]raums angefallen sind, auch Werbungskosten [X.] von § 9 Abs. 1 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG sein. Ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften nach § 23 EStG kommt indes zum einen nur dann in Betracht, soweit nicht der Veräußerungsgegenstand im Rahmen einer vorrangigen Einkunftsart genutzt wurde (vgl. § 23 Abs. 2 EStG). Sind daher die Aufwendungen im Rahmen einer steuerlich relevanten Nutzung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu werten, scheidet der Abzug als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften schon dem Grunde nach aus. Zum anderen erfolgt die Gewinnermittlung im Rahmen des § 23 EStG zeitpunktbezogen; aufgrund dieser einkunftsartbedingten Besonderheit kommt eine Berücksichtigung von Schuldzinsen, die nicht innerhalb der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angefallen sind, entgegen der Auffassung des [X.] bei den Einkünften nach § 23 EStG nicht in Betracht (vgl. [X.]-Urteile vom 16. Juni 2004 [X.], [X.]E 206, 406, [X.] 2005, 91; vom 12. Dezember 1996 [X.], [X.]E 182, 363, [X.] 1997, 603; [X.]/[X.], § 23 EStG Rz 181, 195).

4. In Einschränkung dieser Grundsätze ist ein Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung --entsprechend der rechtlichen Behandlung nachträglicher Schuldzinsen auf [X.] nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs als Betriebsausgaben (s. [X.]-Urteile vom 28. März 2007 [X.], [X.]E 217, 507, [X.] 2007, 642; vom 19. August 1998 [X.], [X.]E 187, 21, [X.] 1999, 353)-- dann allerdings zu verneinen, wenn die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis des [X.] hätten getilgt werden können (sog. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung). In diesem Fall beruht die Entscheidung des Steuerpflichtigen, im Veräußerungszeitpunkt noch valutierende [X.] nicht oder nicht im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten zurückzuführen, auf einer privaten Motivation, die den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagert (vgl. [X.]/ Schallmoser, [X.], 1245, 1249). Ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit früheren Einkünften [X.] des § 21 EStG kann ferner dann nicht mehr angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich --etwa mit Blick auf eine dauerhaft angelegte Vermietung des maßgeblichen [X.] mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat (zur Typisierung der Einkünfteerzielungsabsicht vgl. [X.]-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, [X.]E 184, 406, [X.] 1998, 771; zur Übernahme der Typisierung durch den Gesetzgeber s. die Neuregelung des § 21 Abs. 2 EStG i.d.[X.] 2011 ([X.], 2131) sowie die hierzu gegebene Gesetzesbegründung in [X.] 54/11, 51), seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des [X.] aus anderen Gründen weggefallen ist.

Der [X.] braucht nicht zu entscheiden, in welchen darüber hinaus denkbaren Fallkonstellationen eine den ursprünglichen Veranlassungszusammenhang überlagernde private Motivation den Schluss rechtfertigen könnte, dass nachträgliche Schuldzinsen nicht mehr durch die ursprünglich zu Vermietungszwecken aufgenommenen Schulden ausgelöst sind. Jedenfalls ist in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige --ohne seine Absicht zur Einkünfteerzielung vor der [X.] aufgegeben zu haben-- das bisher der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienende Wohngrundstück steuerbar veräußert und der Erlös aus der Veräußerung nicht ausreicht, um das ursprünglich zur Anschaffung des Grundstücks aufgenommene Darlehen abzulösen, von einem Fortbestand des Veranlassungszusammenhangs auszugehen.

5. Die Sache ist spruchreif; der Klage ist stattzugeben. Die Höhe der von dem Kläger im Streitjahr aufgewandten nachträglichen Schuldzinsen ist ebenso wenig streitig wie der Umstand, dass er das verbliebene (Rest-)Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungskosten eines der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienenden Wohngebäudes aufgenommen hat. Unstreitig war der Kläger auch nicht in der Lage, die bestehenden [X.] bei der Veräußerung des [X.] vollständig zu tilgen; der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung wurde insoweit beachtet.

6. Die Ermittlung und Berechnung der festzusetzenden [X.] nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung wird dem [X.] gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 [X.]O übertragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

7. Der Antrag der Kläger, die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteile vom 28. März 2000 VIII R 68/96, [X.]E 191, 505; vom 14. Mai 2009 IV R 47/07, [X.]E 225, 116, [X.] 2009, 900). Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 [X.]O gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist deshalb das [X.] als Gericht des ersten Rechtszugs (z.B. [X.]-Urteil vom 2. Juni 1999 [X.], [X.]E 189, 67, [X.] 1999, 596).

Meta

IX R 67/10

20.06.2012

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 1. Juli 2010, Az: 13 K 136/07, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 9 Abs 1 S 3 Nr 1 S 1 EStG 2002, § 17 EStG 2002, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.06.2012, Az. IX R 67/10 (REWIS RS 2012, 5448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5448

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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