Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.02.2014, Az. IX R 42/13

9. Senat | REWIS RS 2014, 8001

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Gegenstand

Vorfälligkeitsentschädigung grundsätzlich nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar


Leitsatz

Löst ein Steuerpflichtiger seine Darlehensschuld vorzeitig ab, um sein bisher vermietetes Objekt lastenfrei übereignen zu können, kann er die dafür an den Darlehensgeber zu entrichtende Vorfälligkeitsentschädigung nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) veräußerte im Streitjahr (2010) ein von ihr im Jahre 1999 erworbenes und seitdem zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutztes Immobilienobjekt; nach den Bestimmungen des notariell beurkundeten [X.] war die Klägerin zur [X.] Übertragung des Grundstückes verpflichtet. Im Zuge der Ablösung einer Restschuld aus zwei Darlehen in Höhe von 48.773 €, die die Klägerin zur Finanzierung der Anschaffungskosten des Immobilienobjekts aufgenommen hatte, zahlte sie an die [X.]in Vorfälligkeitsentschädigungen im Gesamtbetrag von 3.479,07 €, die sie in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte die geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigungen im Ergebnis nicht.

2

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) vertrat die Auffassung, dass der ursprünglich --durch die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung der Anschaffungskosten eines [X.] bestehende Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch die Veräußerung des Objekts unterbrochen werde, wenn die vorzeitige Rückführung des Kredits auf die Verpflichtung des Veräußerers zur [X.] Übereignung des Grundstücks zurückzuführen sei; eine in Bezug auf das Darlehen gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung sei dann nicht den bis zur Veräußerung erzielten laufenden Einkünften, sondern dem Veräußerungsvorgang zuzurechnen. Da die Klägerin nach dem notariellen Kaufvertrag verpflichtet gewesen sei, das Grundstück --mit Ausnahme einer Grunddienstbarkeit-- lastenfrei auf den Erwerber zu übertragen, bestehe ein Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen und der Veräußerung, nicht aber mit den früheren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

3

Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren nach Berücksichtigung der geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weiter. Mit Blick auf die Senatsentscheidung vom 20. Juni 2012 IX R 67/10 ([X.], 368, [X.], 275) könne --auch im Fall der nicht steuerbaren Veräußerung eines Immobilienobjektes nach Ablauf der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ([X.] nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Veranlassungszusammenhang von Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung durch die Veräußerung gelöst werde. Wenn aber für nachträgliche Schuldzinsen, die nach vollständiger Verwendung des Verkaufserlöses zur Tilgung der Darlehensvaluta verblieben, der Werbungskostenabzug erhalten bleibe, müsse dies auch für solche Schuldzinsen (im Streitfall: die gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen) gelten, die durch die Tilgung der Verbindlichkeiten aufgrund ihrer vorzeitigen Ablösung erst ausgelöst würden. Denn es bestehe kein wirtschaftlicher Grund dafür, den an den [X.] zu zahlenden [X.] für den vorzeitig getilgten Anteil der Schuld steuerlich anders zu behandeln als die Schuldzinsen auf die nicht getilgte Schuld.

4

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] vom 11. September 2013 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Januar 2013 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 23.303 € herabgesetzt wird.

5

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] ist im Streitfall zu Recht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigungen nicht zu berücksichtigen sind.

7

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Zu den Werbungskosten zählen auch Schuldzinsen, soweit sie mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Maßgeblich ist insoweit, ob die Darlehensvaluta, auf die Schuldzinsen gezahlt werden, zur Erzielung von Vermietungseinkünften aufgenommen und tatsächlich verwendet worden ist; ein bloßer rechtlicher Zusammenhang reicht nicht aus (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 24. Oktober 2012 IX R 35/11, [X.], 522, m.w.[X.]).

8

Der Begriff der Schuldzinsen umfasst auch eine zur vorzeitigen Ablösung eines Darlehens gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung ([X.]-Urteile vom 14. Januar 2004 IX R 34/01, [X.], 1091; vom 23. April 1996 IX R 5/94, [X.], 374, [X.] 1996, 595, jeweils m.w.[X.]). Denn Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Nutzungsentgelt für das auf die verkürzte Laufzeit in Anspruch genommene Fremdkapital (vgl. [X.]-Urteile vom 25. Februar 1999 IV R 55/97, [X.], 406, [X.] 1999, 473; vom 6. Dezember 2005 [X.] R 34/04, [X.], 122, [X.] 2006, 265).

9

2. Nach diesen Maßstäben hat das [X.] zutreffend den begehrten Abzug der Vorfälligkeitsentschädigungen als Werbungskosten wegen des fehlenden wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Vermietungstätigkeit der Klägerin versagt.

a) Nach den oben genannten Grundsätzen ist die Vorfälligkeitsentschädigung zwar Bestandteil der auf die (verkürzte) Gesamtlaufzeit des Kredits bezogenen Gegenleistung des Darlehensnehmers für die Inanspruchnahme des Fremdkapitals; sie beruht mithin [X.] wie die vertraglich vereinbarten [X.] auf dem Darlehensvertrag als Rechtsgrund. Allerdings ist die Vorfälligkeitsentschädigung wirtschaftlich gesehen das Ergebnis einer auf vorzeitige Kreditablösung gerichteten Änderung des Darlehensvertrages. Erst mit dieser Modifizierung des [X.] steht dem Darlehensgeber eine seine Interessen wahrende Vorfälligkeitsentschädigung zu.

Diese vertragliche Änderungsvereinbarung ist steuerrechtlich das "auslösende Moment" (vgl. hierzu Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, [X.]E 161, 290, [X.] 1990, 817) für die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung. Besteht die Verpflichtung des Darlehensgebers, in eine vertragliche Änderungsvereinbarung und, damit einhergehend, in eine vorzeitige Darlehensablösung gegen angemessene Vorfälligkeitsentschädigung einzuwilligen, gerade deshalb, weil für eine beabsichtigte Grundstücksveräußerung eine Ablösung des Kredits und der damit zusammenhängenden grundpfandrechtlichen Belastung erforderlich ist, liegt ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks vor (so schon [X.]-Urteil vom 23. September 2003 IX R 20/02, [X.]E 203, 352, [X.] 2004, 57; [X.]-Beschlüsse vom 9. August 2012 IX B 57/12, [X.]/NV 2012, 2014; vom 15. Januar 2008 IX B 166/07, [X.]/NV 2008, 567; vom 2. März 2005 IX B 184/03, [X.]/NV 2005, 1067).

b) Bei der Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung im Zuge der Veräußerung von Immobilien wird daher der ggf. bestehende --durch die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung der Anschaffungskosten einer der Vermietung dienenden Immobilie begründete-- wirtschaftliche Zusammenhang mit einer bisherigen Vermietungstätigkeit überlagert bzw. ersetzt von einem neuen, durch die Veräußerung ausgelösten Veranlassungszusammenhang ([X.] in Spiegelberger/[X.]/Wälzholz, [X.], [X.]. 12 Rz 42 f.; [X.]/[X.], § 21 EStG Rz 279). Ist dieser Veräußerungsvorgang --etwa nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG-- steuerbar, ist die Vorfälligkeitsentschädigung als Veräußerungskosten in die Ermittlung des [X.] oder -verlustes einzustellen. Ist der Veräußerungsvorgang nicht steuerbar, kann die Vorfälligkeitsentschädigung nicht "ersatzweise" als Werbungskosten im Zusammenhang mit der bisherigen steuerbaren Tätigkeit (im Streitfall der Vermietung) geltend gemacht werden. Soweit der Senat Vorfälligkeitsentschädigungen in [X.] unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zu den Werbungskosten gezählt hat (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 1091, und in [X.], 374, [X.] 1996, 595, zu Vorfälligkeitsentschädigungen als Finanzierungskosten eines neu erworbenen Mietobjektes), hält er an dieser Rechtsprechung mit Blick auf die überzeugende Rechtsprechung des [X.]. Senats zum Abzug von Vorfälligkeitsentschädigungen als Werbungskosten bei den [X.]italeinkünften ([X.]-Urteil in [X.], 122, [X.] 2006, 265) nicht länger fest.

3. Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil des [X.] ist die von der Klägerin geltend gemachte Vorfälligkeitsentschädigung durch die Grundstücksveräußerung veranlasst. Denn die Klägerin hat ihre Darlehensschuld vorzeitig abgelöst, um das veräußerte Grundstück lastenfrei übereignen zu können; in diesem Fall tritt der durch die Änderung des Darlehensvertrages begründete wirtschaftliche Zusammenhang mit der einkommensteuerrechtlich unerheblichen Vermögensumschichtung an die Stelle der Veranlassung der Darlehensaufnahme durch die frühere Einkunftsart ([X.]-Urteil in [X.]E 203, 352, [X.] 2004, 57; [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2012, 2014; [X.]/[X.], a.a.O.).

Aus dem [X.]-Urteil in [X.]E 237, 368, [X.] 2013, 275 ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Senat in der genannten Entscheidung den Abzug von durch die Einkünfteerzielung veranlassten Schuldzinsen auch nach einer (steuerbaren) Veräußerung der Immobilie als nachträgliche Werbungskosten zugelassen, weil die [X.] durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden konnten. Die der Entscheidung zu Grunde liegende Surrogationsbetrachtung, welche besagt, dass sich der wirtschaftliche Zusammenhang eines --zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines zur Vermietung bestimmten Grundstücks aufgenommenen-- Darlehens mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unter bestimmten Voraussetzungen am Veräußerungserlös oder --ggf. darüber hinaus-- an dem Vermögensgegenstand fortsetzt, der mit dem Veräußerungserlös erworben wird, wenn dieser wiederum steuerrechtlich bedeutsam genutzt wird, greift im Streitfall jedoch nicht. Denn im Streitfall hat die Klägerin keine anderweitige, steuerrechtlich bedeutsame Erwerbsgrundlage angeschafft; überdies konnte sie die im Veräußerungszeitpunkt noch bestehenden [X.] vollständig durch den Veräußerungserlös tilgen. In einem solchen Fall endet indes der Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, und zwar unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige das Darlehen tatsächlich ablöst oder ob er den Veräußerungserlös anderweitig privat verwendet und das Darlehen bestehen lässt (Schallmoser, [X.], 501, 505; [X.]., Steuerrecht kurzgefasst 2013, 115, 117).

Meta

IX R 42/13

11.02.2014

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 11. September 2013, Az: 7 K 545/13 E, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 9 Abs 1 S 3 Nr 1 EStG 2009, § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 20 EStG, EStG VZ 2010, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.02.2014, Az. IX R 42/13 (REWIS RS 2014, 8001)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8001

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Wird zitiert von

2 K 1725/16

2 K 1724/16

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