Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2006, Az. V ZB 93/06

V. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 401

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[X.]BESCHLUSS [X.]/06 vom 7. Dezember 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 240 Satz 1 Die Verfahrensunterbrechung nach § 240 Satz 1 ZPO tritt auch ein, wenn das Insol-venzgericht keinen Insolvenzverwalter bestellt, sondern die Eigenverwaltung durch den Schuldner anordnet. [X.], [X.]. v. 7. Dezember 2006 - [X.]/06 - KG in [X.] LG [X.] - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 7. Dezember 2006 durch [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss des 4. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 30. Mai 2006 wird [X.]. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 36.000 •. Gründe: [X.] Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kauf-vertrags über eine Eigentumswohnung sowie Schadensersatz. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat Berufung gegen dieses Urteil [X.]. Im Laufe des Berufungsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet. In dem Eröffnungsbeschluss wurde die Eigenverwaltung der Insolvenzschuldnerin angeordnet und ein Sachwalter bestellt. 1 Der Kläger meint, das Berufungsverfahren sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht unterbrochen. Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zurückgewiesen. Nach seiner Auffassung tritt 2 - 3 - die Verfahrensunterbrechung auch bei einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Anordnung der Eigenverwaltung ein. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens erreichen. 3 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), jedoch un-begründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Fortsetzung des Verfahrens abgelehnt. 4 1. Fehlerhaft hat es allerdings den von dem Insolvenzgericht bestellten Sachwalter als neuen Beklagten und Berufungskläger in das Rubrum des [X.] [X.]usses aufgenommen. Daraus, dass dem Insolvenzschuldner in dem Fall der Anordnung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfü-gungsmacht über die Insolvenzmasse verbleibt (§ 270 Abs. 1 Satz 1 [X.]), folgt zugleich, dass er auch die [X.] behält (MünchKomm-[X.]/[X.], § 270 Rdn. 105). Deshalb ist das Rubrum dahingehend zu berichti-gen, dass die Insolvenzschuldnerin nach wie vor [X.] des Rechtsstreits ist. 5 2. Fehlerfrei ist das Berufungsgericht von der Anwendbarkeit des § 240 ZPO ausgegangen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer [X.] das gerichtliche Ver-fahren unterbrochen, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insol-venzverfahren beendet wird. Dies gilt auch, wenn das Insolvenzgericht keinen 6 - 4 - Insolvenzverwalter bestellt, sondern nach § 270 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Eigen-verwaltung anordnet (OLG Naumburg Z[X.] 2000, 565 f.; [X.] 2002, 412 f.; MünchKomm-[X.]/[X.], § 270 Rdn. 105; Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 240 Rdn. 1 [für Passivprozesse]; [X.], [X.], 12. Aufl., § 270 Rdn. 18; [X.], NJW 2004, 3222, 3223 f. m.w.N.; a.[X.]/Feiber, 2. Aufl., § 240 Rdn. 10). a) Das folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Danach tritt die Un-terbrechung eines die Insolvenzmasse betreffenden Verfahrens in jedem Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein; es wird nicht zwischen Insolvenz-verfahren, in denen ein Insolvenzverwalter bestellt wird, und solchen mit Anord-nung der Eigenverwaltung durch den Insolvenzschuldner unterschieden. 7 b) Sinn und Zweck der Vorschrift des § 240 ZPO erfordern ebenfalls in beiden Fällen die Unterbrechung des Verfahrens. Zwar findet in dem Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Anordnung der Eigenverwaltung - anders als bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters, auf den das Recht des Insolvenzschuldners übergeht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermö-gen zu verwalten und über es zu verfügen (§ 80 Abs. 1 [X.]) - kein Wechsel in der [X.] statt, weil der Insolvenzschuldner berechtigt bleibt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§ 270 Abs. 1 Satz 1 [X.]); damit entfällt ein wesentlicher Umstand für die Anwendung des § 240 ZPO. Auch dient die Vorschrift, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, u.a. dazu, dem Insolvenzverwalter ausreichend Bedenkzeit zu geben, über die Fortführung des Prozesses zu entscheiden ([X.]/[X.], ZPO, 26. Aufl., § 240 Rdn. 1); diese Überlegung spielt bei der Eröffnung des [X.] mit Anordnung der Eigenverwaltung keine Rolle. Aber maßgeb-lich für die Anwendung des § 240 ZPO ist, dass auch der Insolvenzschuldner 8 - 5 - als Eigenverwalter - ebenso wie der Insolvenzverwalter - eine Überlegungsfrist benötigt, wie er sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem die Insolvenzmasse betreffenden Rechtsstreit verhalten soll. Denn er darf sein bis-heriges Prozessverhalten nicht ohne weiteres beibehalten, weil zum einen eine Abstimmung mit dem Sachwalter erforderlich ist (vgl. §§ 274 Abs. 2, 279 [X.]), und weil zum anderen der Insolvenzschuldner die gesamte Abwicklung des In-solvenzverfahrens ausschließlich an den Interessen der Gläubiger auszurichten und eigene Interessen zurückzustellen hat ([X.], [X.], 12. Aufl., § 270 Rdn. 18 m.w.N.). Damit der Insolvenzschuldner diesen Anforderungen gerecht werden kann, muss das die Insolvenzmasse betreffende Verfahren nach § 240 ZPO unterbrochen werden. c) Die Verfahrensunterbrechung ist - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - in dem Fall der Anordnung der Eigenverwaltung nicht überflüssig. Auch wenn der Insolvenzschuldner in dem Rechtsstreit die gegen ihn geltend gemachte Forderung bestritten hat, ist nicht in jedem Fall zu erwar-ten, dass er sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anders [X.] werde, so dass stets auf Betreiben des Gläubigers die Aufnahme des Verfahrens zur Feststellung zur Tabelle (siehe dazu [X.], [X.], 12. Aufl., § 180 Rdn. 10) erfolgen werde. Insoweit übersieht die Rechtsbeschwerde, dass der Schuldner als Eigenverwalter - wie oben ausgeführt - eigene Interessen gegenüber den Interessen aller Gläubiger zurückzustellen hat. 9 3. Fehlerfrei - und von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen - sieht das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine Aufnahme des Verfah-rens durch den Kläger derzeit als nicht gegeben an. 10 - 6 - II[X.] Über die Kosten des [X.] ist nicht gesondert, sondern in der das Verfahren insgesamt abschließenden Entscheidung zu [X.] (vgl. Senat, [X.] 157, 97, 102). 11 Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 3 ZPO (vgl. [X.] 22, 283, 284 ff.); der Senat schätzt das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Verfahrens auf etwa 20 % des Werts der Hauptsache. 12 [X.] Vorinstanzen: LG [X.], Entscheidung vom 15.12.2005 - 5 O 169/05 - KG [X.], Entscheidung vom 30.05.2006 - 4 U 5/06 -

Meta

V ZB 93/06

07.12.2006

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2006, Az. V ZB 93/06 (REWIS RS 2006, 401)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 401

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