Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2000, Az. VI ZR 276/99

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2074

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[X.] DES [X.]/99Verkündet am:30. [X.],[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinGG Art. 5 Abs. 1; BGB §§ 823 [X.], [X.], 1004; StGB §§ 185 ff.Eine Meinungsäußerung im Rahmen eines Beitrags zur politischen Willensbildung ineiner die Öffentlichkeit wesentlich berührenden, fundamentalen Frage, bei der es umden Schutz des [X.] geht, muß nach Art. 5 Abs. 1 GG in [X.] freiheitlichen Demokratie grundsätzlich selbst dann toleriert werden, wenn diegeäußerte Meinung extrem erscheint (hier: "[X.], Urteil vom 30. Mai 2000 - [X.] - [X.] 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 30. Mai 2000 durch [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]für Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden unter [X.] der Klägerin zu 2) das Urteil des 4. Zivilse-nats des [X.] vom 28. Juli 1999 und [X.] des [X.] vom 11. Februar 1999abgeändert.Die Klage wird insgesamt abgewiesen.Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen [X.] die eigenen selbst und die übrigen jeweils zur Hälfte. DieKosten der Rechtsmittelzüge trägt die Klägerin zu 2).Von Rechts [X.]:Die - nur im ersten Rechtszug beteiligte - Klägerin zu 1), die Stadt [X.] bis Ende 1997 Trägerin des [X.] und vermietete seit [X.] auf dem Klinikgelände an den Frauenarzt [X.], der dortSchwangerschaftsabbrüche vornimmt. Seit dem 1. Januar 1998 wird das Klini-kum als Anstalt des öffentlichen Rechts durch die Klägerin zu 2) [X.] 3 -Am 8. Oktober 1997, noch vor der Umwandlung der Klägerin zu 2) in ei-ne Anstalt des öffentlichen Rechts, verteilten die Beklagten vor dem [X.] Flugblätter im Format [X.], als deren presserechtlich [X.] der Beklagte zu 1) genannt ist. Auf der einen Seite enthält [X.] folgenden Text in unterschiedlichen - zum Teil graphisch hervorgeho-benen - Schriftarten und -größen:"Unterstützen Sie unseren Protest und unsere Arbeit. Helfen Sie, damitin Zukunft das 5. Gebot "Du sollst nicht töten!" und das Grundgesetz derBundesrepublik Deutschland von allen Ärzten in [X.] eingehalten wird!Stoppen Sie den [X.] im Mutterschoß auf dem Gelände des Kli-nikum [X.].damals:[X.]:[X.] hierzu schweigt wird mitschuldig!"Tötungs-Spezialist" für ungeborene Kinder [X.] auf dem Gelände desKlinikum [X.] [X.]".Auf der anderen Seite des Flugblattes befinden sich im oberen Teil zweiAbbildungen zerfetzter bzw. zerstückelter Föten mit Erläuterungen verschiede-ner Abtreibungsmethoden, daneben das Bild eines Kleinkindes mit Flasche.Der mittlere Teil enthält - graphisch hervorgehoben - die Aufforderung: "Bitte,helfen Sie uns im Kampf gegen die straflose Tötung ungeborener Kinder!" [X.] besteht aus argumentativen Texten, die in die wiederum graphischhervorgehobene Forderung münden: "Deshalb: Abtreibung [X.] 4 -Mit der am 6. März 1998 eingereichten Klage haben die Klägerinnen [X.] auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Klägerin zu 1) hatspäter im Hinblick auf die Umwandlung des Klinikums [X.] in eine Anstalt öffent-lichen Rechts den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt.Das [X.] hat die Erledigungsfeststellungsklage der Klägerin zu 1)(rechtskräftig) abgewiesen und die Beklagten auf die - im übrigen abschlägigbeschiedene - Klage der Klägerin zu 2) verurteilt, es zu unterlassen, in bezugauf das Klinikum [X.] in [X.] die Äußerung aufzustellen oder zu verbreiten: "[X.]: [X.] heute: [X.]" sowie im Zusammenhang hiermit die Äuße-rung aufzustellen oder zu verbreiten "[X.] im Mutterschoß auf demGelände des Klinikum [X.]".Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesenund auf die Anschlußberufung der Klägerin zu 2) die Beklagten unter teilweiserAbänderung des Urteils des [X.]s dazu verurteilt, es zu unterlassen, inbezug auf das Klinikum [X.] in [X.] folgende Äußerung aufzustellen oder zu ver-breiten: "[X.] im Mutterschoß auf dem Gelände des Klinikum [X.]" und"damals: [X.] heute: [X.]", insbesondere in der näher bezeich-neten Form der dem Urteil insoweit beigefügten Seite des Flugblattes.Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageab-weisungsantrag gegenüber der Klägerin zu 2) [X.] 5 -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin zu 2), die als Anstaltöffentlichen Rechts ebenfalls zivilrechtlichen Schutz vor ehrenrührigen Angrif-fen beanspruchen könne, sei durch die Aussagen auf dem Flugblatt unmittelbarund direkt betroffen. Der Hinweis auf das Gelände des Klinikums [X.] sei keinebloße Ortsangabe, sondern enthalte nach der maßgebenden objektiven [X.] unvoreingenommenen Beobachters den Erklärungsgehalt, daß die Klä-gerin zu 2) auf ihrem Gelände Kindermord - womit klar ersichtlich [X.] seien - durch den Tötungsspezialisten [X.] zulasse oder dessen [X.] nichts entgegensetze. Der beanstandete Inhalt des Flugblattes habeehrverletzenden Charakter. Zwar handele es sich bei den Begriffen "[X.]", "[X.]" und "[X.]" nicht um Tatsachenbehauptungen, son-dern um Meinungsäußerungen, die in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 [X.], im Streitfall seien sie aber davon nicht mehr gedeckt. Obwohl kein Falleiner Schmähkritik vorliege und es sich bei der umstrittenen Äußerung um ei-nen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung handele, ergebe eine Abwägungder Schwere der Beeinträchtigung des Ansehens der Klägerin zu 2) mit derMeinungsfreiheit der Beklagten, daß letztere zurücktreten müsse. Die Aussage"[X.] ... auf dem Gelände des Klinikum [X.]" stelle allerdings für sichgenommen eine überspitzte und überzeichnete Formulierung im politischenMeinungskampf dar, die noch zulässig sei, zumal ersichtlich kein Mord an Kin-dern, sondern die Abtreibung gemeint sei. Eine nicht mehr hinnehmbare Be-einträchtigung des [X.] liege jedoch in der Aussage "damals: [X.] heute: [X.]". Gerade den großen Krankenhäusern wie dem von derKlägerin zu 2) betriebenen obliege eine wichtige Funktion im Rahmen der- 6 -praktischen Ausgestaltung der geltenden, vom [X.] ge-billigten Regelung der Schwangerschaftsabbrüche, deren Erfüllbarkeit ge-währleistet sein müsse. Die Gleichsetzung des [X.], der [X.] unschuldiger Menschen aus rein rassistischen Motiven und unterentwürdigenden Umständen durch ein Terrorregime, mit der Existenz einer Ab-treibungspraxis auf dem Gelände des Klinikums [X.] sei nicht nur völlig unange-messen, sondern schlicht unerträglich und mit dem darin enthaltenen Unwert-urteil geeignet, die Aufgabe der Krankenbetreuung zu gefährden. Da beide [X.] Äußerungen in einem Sinnzusammenhang stünden und sich ge-genseitig ergänzten und verstärkten, würde ihr Sinn verfälscht, wenn man nurden letzten Teil untersagen würde. Deshalb seien beide Äußerungen unbe-schadet der Tatsache, daß die Formulierung "[X.] ..." für sich genom-men zulässig wäre, zu unterlassen.II.Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revisionnicht stand.1. Es kann offen bleiben, ob die Rüge der Revision, das [X.] unter dem absoluten Revisionsgrund des § 551 [X.]r. 7 ZPO, weil es [X.] den Beklagten ausdrücklich geltend gemachte Rechtfertigung des [X.] aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 Abs. 1 GG ungeprüft lasse und inso-weit nicht mit Gründen versehen sei, sachlich gerechtfertigt sein könnte. [X.] Rechtsprechung des [X.] ist § 551 [X.]r. 7 ZPO ausprozeßwirtschaftlichen Gründen nicht heranzuziehen, wenn das nicht erörterteVerteidigungsmittel zur Abwehr der Klage ungeeignet ist (vgl. [X.], 333,- 7 -339; [X.], Urteil vom 26. Januar 1983 - [X.] - [X.]JW 1983, 2318,2320; Urteil vom 24. April 1989 - [X.] - [X.], 761). [X.] hat zu gelten, wenn die Revision der Beklagten aus anderen Gründen- wie hier unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 Abs. 1 GG - Erfolg hat, so daß [X.] dahingestellt bleiben kann, ob auch der von den Beklagten ohnenäheren Sachvortrag für sich reklamierte Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG zur Ab-weisung der Klage hätte führen [X.] Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen,daß auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie die Klägerin zu 2)zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen können,durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird.Zwar haben sie weder eine "persönliche" Ehre noch sind sie Träger des allge-meinen Persönlichkeitsrechts, sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGBzeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben - hier imBereich der Daseinsvorsorge - strafrechtlichen Ehrenschutz, der über §§ 1004,823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüchebegründen kann (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - [X.] - [X.]JW1982, 2246 und vom 16. [X.]ovember 1982 - [X.] - [X.]JW 1983, 1183,jeweils m.w.[X.]; [X.] 93, 266, 291 = [X.]JW 1995, 3303, 3304).3. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist weiterhin die Beurteilungdes Berufungsgerichts, daß die Klägerin zu 2) von den beanstandeten Äuße-rungen des Flugblattes selbst betroffen ist und sich die Bedeutung der Erwäh-nung des Klinikums [X.] auf dem Flugblatt - entgegen der Auffassung der Revi-sion - nicht in einer bloßen Ortsangabe erschöpft. Würde die Äußerung in ihrerangegriffenen Form wiederholt, wozu sich die Beklagten - im Sinne einer vomBerufungsgericht angenommenen Erstbegehungsgefahr - grundsätzlich für be-- 8 -rechtigt halten, würde mit ihr auch die Klägerin zu 2) als jetzige Trägerin desKlinikums [X.] angegriffen.Für die Ermittlung des Aussagegehalts des Flugblattes ist darauf abzu-stellen, wie es unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs voneinem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eineisolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zu-lässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennba-ren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. z.B. Senat [X.]Z 139, 95,102). Danach richtet sich das - vor dem Gelände des Klinikums [X.] verteilte -Flugblatt zwar in erster Linie gegen die Tätigkeit des als "Tötungs-Spezialist fürungeborene Kinder" bezeichneten Arztes [X.], der auf dem Gelände des [X.] Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Daneben wird durch die beson-dere textliche Gestaltung des Flugblattes zugleich aber auch das Klinikum bzw.dessen Träger angegriffen. Durch die zweimalige, drucktechnisch ebenso [X.] Begriffe "[X.]" und "Tötungs-Spezialist [X.]" hervorgehobene Er-wähnung des Klinikums [X.] in Verbindung mit dem Vorwurf "Wer hierzuschweigt wird mitschuldig!" wird dem Verständnis eines unbefangenen Durch-schnittslesers nahegelegt, daß mit dem Flugblatt im konkreten Fall nicht nurder die Abtreibungen vornehmende Arzt [X.] angegriffen werden soll, son-dern auch der verantwortliche Klinikträger, der es zuläßt, daß der "Tö-tungs-Spezialist für ungeborene Kinder [X.] auf dem Gelände des Klinikum[X.]" tätig wird. Da mit der entsprechenden Seite des Flugblattes konkrete [X.] auf dem Gelände des Klinikums [X.] angegriffen werden, ändert sich andiesem Verständnis - entgegen der Auffassung der Revision - nichts daran,daß die andere Seite allgemeine Ausführungen gegen die derzeitige Abtrei-bungspraxis in allen Ländern mit liberalen [X.] -4. Zutreffend ist auch der weitere Ausgangspunkt des [X.], daß es sich bei den beanstandeten Äußerungen der Beklagten um Mei-nungsäußerungen handelt, welche dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GGunterfallen (vgl. Senat [X.]Z 139, 95, 101; Urteil vom 12. Oktober 1993 - [X.]/93 - [X.]JW 1994, 124, 125; Urteil vom 7. Dezember 1999 - [X.]/99 -[X.], 327, 329 m.w.[X.]).a) Allerdings muß die Meinungsfreiheit stets zurücktreten, wenn die Äu-ßerung die Menschenwürde eines anderen antastet, desgleichen regelmäßigauch dann, wenn sich eine herabsetzende Äußerung lediglich als Formalbelei-digung oder Schmähkritik darstellt (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 7. Dezember1999 - [X.]/99 - [X.], 327, 330 m.w.[X.]). Im vorliegenden Fall istaber weder die Menschenwürde betroffen, die einer juristischen Person desöffentlichen Rechts bereits begrifflich nicht zukommt, noch handelt es sich beiden im Flugblatt enthaltenen Äußerungen um eine Formalbeleidigung oderSchmähkritik.Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der [X.] Schmähkritik eng auszulegen. Danach macht auch eine überzogene odergar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmä-hung; hinzutreten muß vielmehr, daß bei der Äußerung nicht mehr die [X.], sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, [X.] polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl.[X.] 93, 266, 294 = [X.]JW 1995, 3303, 3304; Senat, Urteil vom [X.] 1999 - [X.]/99 - [X.], 327, jeweils m.w.[X.]).Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, fallen die in dem von [X.] verbreiteten Flugblatt enthaltenen Äußerungen nicht unter den soverstandenen Begriff der Schmähkritik. Wenn auch die Gegenüberstellung ei-- 10 -nes heute vermeintlich stattfindenden "[X.]" mit dem damaligen [X.] im Anschluß an den voranstehenden Text "Stoppen Sie den [X.]im Mutterschoß auf dem Gelände des Klinikum [X.]" geeignet ist, das [X.] Klägerin zu 2) in besonderem Maße zu beeinträchtigen, so steht doch derdamit verbundene Vorwurf in der Sache ersichtlich in unmittelbarem und un-trennbarem Zusammenhang mit dem tatsächlichen Anliegen der Beklagten,nämlich der Auseinandersetzung mit der herrschenden Abtreibungspraxis auf-grund der geltenden [X.]) Läßt sich die Äußerung damit weder als Angriff auf die [X.] noch als Formalbeleidigung oder Schmähung einstufen, so kommt es fürdie sodann erforderliche Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung derbetroffenen Rechtsgüter an, wobei es aber, anders als im Fall von Tatsachen-behauptungen, grundsätzlich keine Rolle spielt, ob die Kritik berechtigt oderdas Werturteil "richtig" ist. Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung [X.] öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichtsder heutigen Reizüberflutung aller Art einprägsame, auch starke Formulierun-gen hinzunehmen ([X.] 24, 278, 286 = [X.]JW 1969, 227). Das gilt auch [X.], die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteiger-ter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind ([X.], Urteil vom 12. Oktober 1993 - [X.] - [X.]JW 1994, 124, 126; [X.] 20. Mai 1986 - [X.] - [X.]JW 1987, 1398). Der Kritiker darf seineMeinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für "falsch" oder"ungerecht" halten (vgl. Senat aaO). Auch die Form der Meinungsäußerungunterliegt der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung des Äu-ßernden ([X.] 60, 234, 241 = [X.]JW 1982, 2655). Verfolgt der [X.] eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungs-kampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht- 11 -die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung; eine Auslegung der die Mei-nungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die [X.] öffentlicherKritik überhöhte Anforderungen stellt, ist mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbar(vgl. Senatsurteil vom 12. Oktober 1993 - [X.] - [X.]JW 1994, 124, 126m.w.[X.]). Das ist insbesondere zu beachten, wenn die Ehrenschutzvorschriftender §§ 185 ff. StGB - wie hier - nicht auf Personen, sondern auf staatliche Ein-richtungen bezogen werden. Sie dienen dann nicht dem Schutz der persönli-chen Ehre, sondern suchen die öffentliche Anerkennung zu gewährleisten, dieerforderlich ist, damit staatliche Einrichtungen ihre Funktion erfüllen können.Gerät dieser Schutzzweck in einen Konflikt mit der Meinungsfreiheit, so ist de-ren Gewicht besonders hoch zu veranschlagen, weil das Grundrecht geradeaus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darinunverändert seine Bedeutung findet (vgl. [X.] 93, 266, 293 = [X.]JW 1995,3303, 3304).c) Auch das Berufungsgericht hat deshalb mit Recht die Äußerung"[X.] im Mutterschoß auf dem Gelände des Klinikum [X.]" für sich ge-nommen als überspitzte und überzeichnete Formulierung im politischen [X.] als zulässig erachtet. Ob nicht bereits deshalb der Unterlassungs-ausspruch des Berufungsgerichts zu weit geht, kann letztlich dahinstehen.Denn auch die in diesem Zusammenhang erfolgte weitere Äußerung "damals:[X.] heute: [X.]" wird - zumindest im vorliegend zu [X.] zur Klägerin zu 2) - noch vom Grundrecht der Meinungsfreiheit [X.] getragen und vermag das Unterlassungsbegehren ebenfalls nicht zurechtfertigen.aa) Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung von [X.] ist zunächst, daß ihr Sinn zutreffend erfaßt worden ist. Ob dies der Fall [X.] 12 -unterliegt in vollem Umfang der [X.]achprüfung durch das Revisionsgericht ([X.] [X.]Z 132, 13, 21; 78, 9, 16; Urteil vom 7. Dezember 1999 - [X.]/99 -[X.], 327, 330). Ziel der Deutung ist die Ermittlung des objektiven Sinnseiner Äußerung. Maßgeblich ist daher weder die subjektive Absicht des [X.] noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung [X.], sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenom-menen und verständigen Publikums hat. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äu-ßerung auszugehen, der jedoch ihren Sinn nicht abschließend festlegt. Er wirdvielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene [X.], und den Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt, soweit [X.] die Leser erkennbar waren. Die isolierte Betrachtung eines [X.] wird daher den Anforderungen an eine zuverlässige Sinner-mittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. [X.] 93, 266, 295 = [X.]JW 1995,3303, 3305; Senat [X.]Z 139, 95, 102; Urteil vom 25. März 1997 - [X.]/96 - [X.], 842, 843 m.w.[X.]).bb) Unter Beachtung dieser Grundsätze ist dem von den [X.] - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - eineGleichsetzung der angeprangerten Vorgänge auf dem Klinikgelände mit dem[X.] des [X.]ationalsozialismus nicht zu entnehmen. Durch die den Leseraufschreckende Wirkung des Begriffes [X.] und dessen [X.] mit einem daran angelehnten Wortgebilde "[X.]" sowie die anderenplakativen, drastisch überzogenen Formulierungen des Flugblattes versuchendessen Verfasser in erster Linie in provokativer Weise Aufmerksamkeit für [X.] zu erzielen. Da es sich bei der Abtreibung um ein Thema handelt, dasin der Öffentlichkeit in Vergangenheit und Gegenwart wie kaum ein anderes- teilweise sehr emotional - diskutiert worden ist, wird dem interessierten Lesersofort deutlich, daß es sich bei dem Flugblatt um einen Protest von [X.] 13 -bungsgegnern gegen die auf dem Klinikgelände von [X.] vorgenommenenSchwangerschaftsabbrüche handelt. Zugleich wird einem unvoreingenomme-nen und verständigen Leser die Meinung der Verfasser vermittelt, die aufgrundder bestehenden Gesetzeslage herrschende Abtreibungspraxis stelle eineverwerfliche Massentötung (werdenden) menschlichen Lebens dar. [X.] mit dem [X.] in seinem geschichtlichen Sinne ist [X.] des Flugblattes dagegen nicht zu entnehmen. Das [X.] insoweit die gebotene Gesamtbetrachtung verkürzt und es [X.], in die Deutung der beanstandeten Äußerung auch die andere Seitedes Flugblattes und die dort abgedruckten Texte mit einzubeziehen. Diese er-läutern argumentativ den Standpunkt der Verfasser, wonach ein Staat, der [X.] des ungeborenen Lebens zulasse, den Boden der Menschenrechte ver-lasse und seine Demokratie in Frage stelle, weil er eine bestimmte Menschen-gruppe, nämlich ungeborene Kinder, vom strafrechtlichen Schutz ausschließe.cc) Der danach verbleibende Vorwurf ist zwar immer noch erheblich, [X.] wird die Klägerin zu 2) durch ihn - entgegen der Auffassung des [X.] - nicht so schwer beeinträchtigt, daß die Meinungsfreiheit [X.] zurücktreten müßte.Auch wenn die Tätigkeit des Arztes [X.] der geltenden Rechtslage ent-spricht, die das [X.] ([X.] 88, 203 = [X.]JW 1993,1751) von [X.] wegen nicht beanstandet hat, so werden die Beklagtendadurch nicht an einer Meinungsäußerung gehindert, die - wenn auch mit dra-stischen Vergleichen - für eine (Wieder-)Einführung einer [X.] von Schwangerschaftsabbrüchen streitet, welche jedenfalls nachder früheren Gesetzeslage ebenfalls nicht verfassungswidrig war. Bleibt [X.] werdenden menschlichen Lebens in den vom [X.] 14 -richt aufgezeigten Grenzen in erster Linie dem Gesetzgeber überlassen, dannist ein Beitrag zur politischen Willensbildung in dieser die Öffentlichkeit [X.] berührenden fundamentalen Streitfrage wegen der konstitutiven [X.] grundsätzlich selbst dann zu tole-rieren, wenn die geäußerte Meinung extrem erscheint. Letztlich bleibt es demLeser des von den Beklagten verbreiteten Flugblattes überlassen, selbst dar-über zu entscheiden, ob er die subjektive Einschätzung der Verfasser teilt undentsprechend ihrer Aufforderung ebenfalls auf eine Änderung der bestehendenRechtslage im Rahmen künftiger politischer Willensbildung hinwirken will.Hierdurch ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die- grundsätzlich zu schützende - Fähigkeit der Klägerin, ihre Funktion als Träge-rin des Krankenhauses weiter auszuüben, noch nicht so erheblich tangiert, daßdie Meinungsfreiheit der Beklagten gegenüber diesem Interesse zurücktretenmüßte, zumal nur die eher passive Beteiligung der Klägerin zu 2) an den aufdem Gelände des Klinikums von [X.] vorgenommenen [X.] angegriffen, nicht aber ihre Fähigkeit zur sonstigen [X.] in Frage gestellt wird. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die [X.] geäußerte Meinung dazu führen könnte, daß der Klägerin zu 2) nichtmehr das erforderliche Mindestmaß gesellschaftlicher Akzeptanz [X.] würde, um ihre diesbezüglichen Aufgaben im Rahmen der [X.] zu erfüllen, sind weder den Feststellungen des Berufungsgerichts nochdem Vorbringen der Klägerin zu 2) zu entnehmen.5. [X.]ach alledem mag zwar die Gegenüberstellung eines vermeintlichen"[X.]" mit dem [X.] unangebracht sein, zumal auch durch die der-zeitige Rechtslage das ungeborene Leben - allerdings unter [X.] Rechtsgüter der schwangeren Frau - bestmöglich geschützt werden soll.Als Meinungsäußerung im Rahmen eines Beitrags zur politischen [X.] 15 -dung in einer die Öffentlichkeit so sehr bewegenden, fundamentalen Frage, beider es um den Schutz des [X.] geht, muß sie jedochauch in der vorliegenden Form nach Art. 5 Abs. 1 GG in einer freiheitlichenDemokratie hingenommen werden.II[X.] Berufungsurteil konnte damit keinen Bestand haben. Da seine Auf-hebung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis er-folgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der [X.] 16 -nat nach § 565 Abs. 3 [X.]r. 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden und auf dieRechtsmittel der Beklagten in entsprechender Abänderung der vorinstanzlichenUrteile die Klage insgesamt abweisen.Groß Dr. v. Gerlach Dr. [X.] [X.] [X.]

Meta

VI ZR 276/99

30.05.2000

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2000, Az. VI ZR 276/99 (REWIS RS 2000, 2074)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2074

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