Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2012, Az. 10 AZR 192/11

10. Senat | REWIS RS 2012, 429

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Zusatzurlaub für Nachtarbeit - Nächtlicher Bereitschaftsdienst - TVöD-K


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2010 - 17 [X.]/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] für nächtlichen Bereitschaftsdienst in den Jahren 2007 und 2008.

2

Der Kläger ist seit 1988 für die Beklagte als [X.] tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.] - Allgemeiner Teil -) und der [X.] - Besonderer Teil Krankenhäuser - (BT-K) - ([X.]-BT-K) Anwendung.

3

Die durchgeschriebene Fassung des [X.] für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der [X.] ([X.]-K) vom 1. August 2006 hat im Streitzeitraum folgende Regelung enthalten:

        

„§ 27 

        

[X.]

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig [X.] nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei [X.] für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag [X.].

        

(2)     

[nicht besetzt]

        

(3)     

Im Falle nicht ständiger [X.] und nicht ständiger Schichtarbeit soll bei annähernd gleicher Belastung die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage durch Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelt werden.

        

(3.1) 

Beschäftigte erhalten bei einer Leistung im Kalenderjahr von mindestens

                          

150 [X.]

1 Arbeitstag

                          

300 [X.]

2 Arbeitstage

                          

450 [X.]

3 Arbeitstage

                          

600 [X.]

4 Arbeitstage

                 

[X.] im Kalenderjahr. [X.], die in [X.]räumen geleistet werden, für die [X.] für Wechselschicht- oder Schichtarbeit zusteht, bleiben unberücksichtigt.

        

(3.2) 

Bei Anwendung des Absatzes 3.1 werden nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 6) in der [X.] zwischen 21 Uhr und 6 Uhr dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleisteten [X.] berücksichtigt.

        

…       

        
        

(4)     

[X.] nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und [X.] ([X.]) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage, bei [X.] wegen [X.] 36 Tage, nicht überschreiten. …

        

(5)     

Im Übrigen gilt § 26 mit Ausnahme von Absatz 2 Buchst. b entsprechend.

                 
        

Protokollerklärung zu den Absätzen 1, 2 und 3.1:

        

…       

        
        

2.    

Der Anspruch auf [X.] nach Absatz 3.1 bemisst sich nach den abgeleisteten [X.] und entsteht im laufenden Jahr, sobald die Voraussetzungen nach Absatz 3.1 Satz 1 erfüllt sind.“

4

Die zuvor geltende durchgeschriebene Fassung des [X.] für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser, Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der [X.] vom 7. Februar 2006 ([X.]-K aF) enthielt eine § 27 Abs. 3.2 [X.]-K vergleichbare Regelung nicht. Mit [X.] Nr. 4 zum [X.]-BT-K vom 1. Februar 2011 ist in § 27 Abs. 3.4 [X.]-K ergänzend ein Anspruch auf [X.] für nächtlichen Bereitschaftsdienst normiert worden.

5

Der Kläger leistete im Jahr 2007 37 und im [X.] 36 nächtliche Bereitschaftsdienste. Bereitschaftsdienste dauern von Montag bis Donnerstag von 18:15 Uhr bis 7:30 Uhr des [X.], am Freitag von 15:30 Uhr bis Samstag 8:00 Uhr und am Wochenende von Samstag 8:00 Uhr bis Sonntag 8:00 Uhr bzw. von Sonntag 8:00 Uhr bis Montag 7:30 Uhr.

6

Mit Schreiben vom 24. Januar 2008 und 28. April 2009 hat der Kläger die Gewährung von je zwei Tagen [X.] für 333 im Jahr 2007 und 324 im [X.] geleistete nächtliche Bereitschaftsdienststunden verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergebe sich aus § 27 Abs. 3.1 [X.]-K, weil die in § 27 Abs. 3.2 [X.]-K geregelte Nichtberücksichtigung nächtlicher Bereitschaftsdienste gesetzeswidrig sei; jedenfalls habe er einen Anspruch aus § 6 Abs. 5 [X.], weil er in Wechselschicht gearbeitet habe.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2007 zwei zusätzliche Urlaubstage zu gewähren;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Kalenderjahr 2008 zwei zusätzliche Urlaubstage zu gewähren.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach § 27 Abs. 3.2 [X.]-K hätten nächtliche Bereitschaftsdienste im Streitzeitraum keinen Anspruch auf [X.] ausgelöst; etwaige Belastungen seien durch die Vergütung des Bereitschaftsdienstes nach § 8.1 [X.]-K ausgeglichen gewesen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage teilweise, das [X.] hat sie insgesamt abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Anspruch des [X.] ist nach § 27 Abs. 3.1 [X.]-K entstanden, weil die in § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 bestimmte Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes beim Ausgleich für Nachtarbeit gegen § 6 Abs. 5 [X.] verstoßen hat und deshalb rechtsunwirksam ist (unter I). Der [X.] kann mangels ausreichender Feststellungen zur Übertragung des [X.]s in die jeweiligen Folgejahre in der Sache nicht abschließend entscheiden. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.], § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO (unter II).

I. § 27 [X.]-K enthält eine umfassende und abschließende Regelung des nach § 6 Abs. 5 [X.] gebotenen Ausgleichs für Nachtarbeit. Soweit nach § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 nächtlicher Bereitschaftsdienst unberücksichtigt bleiben sollte, hat die Vorschrift im Streitzeitraum gegen § 6 Abs. 5 [X.] verstoßen (zutreffend [X.] in Fürst [X.] Teil 2 Stand November 2012 E § 27 [X.]/[X.] Rn. 34a).

1. Gemäß § 6 Abs. 5 [X.] hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen.

a) § 6 Abs. 5 [X.] ist zwingendes Gesetzesrecht und steht nur unter dem Vorbehalt einer tarifvertraglichen Ausgleichsregelung; der Nachtarbeitnehmer erhält entweder auf tarifvertraglicher oder auf Grundlage von § 6 Abs. 5 [X.] einen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit ([X.] 26. April 2005 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a bb (2) (b) der Gründe, [X.]E 114, 272). Wegen größerer Sachnähe ist die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit den Tarifvertragsparteien überlassen und es besteht nur subsidiär ein gesetzlicher Anspruch ([X.] 26. April 2005 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, aaO; 26. August 1997 - 1 [X.] - zu [X.] 1 a der Gründe, [X.]E 86, 249).

b) Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 [X.] zu ersetzen, muss die tarifvertragliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ und aus Sinn und Zweck des dem [X.] dienenden § 6 Abs. 5 [X.]. Der tarifliche Ausgleich muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend geregelt sein; allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen kann eine stillschweigende Ausgleichsregelung aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich dafür aus der Tarifgeschichte oder aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben ([X.] 26. April 2005 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a bb (1) (a) (aa) der Gründe, [X.]E 114, 272; 26. August 1997 - 1 [X.] - zu [X.] 1 b aa der Gründe, [X.]E 86, 249).

c) Ein Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 [X.] kann auch bestehen, wenn der Tarifvertrag nur für einen Teilbereich der Nachtarbeit einen Ausgleich regelt; dies kommt in der Formulierung „soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen“ deutlich zum Ausdruck. Eine tarifvertragliche Regelung, die partiell keinen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit vorsieht, aber nicht abschließend ist, kann rechtswirksam sein. Wird der gesetzliche Anspruch des [X.] aus § 6 Abs. 5 [X.] auf einen Ausgleich für Nachtarbeit dagegen (partiell) ausgeschlossen, ohne dass tariflich selbst ein Ausgleich für geleistete Nachtarbeit bestimmt wird, so verstößt dies gegen § 6 Abs. 5 [X.] ([X.] 26. April 2005 - 1 [X.] - zu [X.] 2 a bb (2) (b) der Gründe, [X.]E 114, 272; 18. Mai 2011 - 10 [X.] - Rn. 23, [X.] [X.] § 6 Nr. 11 = EzA [X.] § 6 Nr. 9).

2. Die in § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 bestimmte Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes bei dem in § 27 Abs. 3.1 [X.]-K geregelten Ausgleich für Nachtarbeit verstößt gegen § 6 Abs. 5 [X.].

a) Nächtlicher Bereitschaftsdienst ist ausgleichspflichtige Nachtarbeit iSd. § 6 Abs. 5 [X.] ([X.] 23. März 2011 - 10 [X.] - Rn. 14 [X.], [X.] [X.] § 6 Nr. 12 = EzA [X.] § 6 Nr. 8; 23. Februar 2011 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 137, 157; 15. Juli 2009 - 5 [X.] - Rn. 21, [X.]E 131, 215). Nach § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 ist ein Anspruch auf [X.] für nächtlichen Bereitschaftsdienst jedoch ausgeschlossen, weil nur die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit (§ 6 [X.]-K) geleisteten [X.] berücksichtigt werden sollen, (nächtlicher) Bereitschaftsdienst aber keine regelmäßige Arbeitszeit iSd. § 6 [X.]-K ist, sondern außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht wird (vgl. § 7 Abs. 3 [X.]-K). § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 hat damit festgelegt, dass nächtlicher Bereitschaftsdienst nicht als Nachtarbeitszeit iSd. § 27 Abs. 3.1 [X.]-K anzusehen sein soll (vgl. [X.] in Fürst [X.] Teil 2 Stand November 2012 E § 27 [X.]/[X.] Rn. 34).

b) § 27 [X.]-K idF vom 1. August 2006 hat den Ausgleich der Belastungen durch Wechselschicht-, Schicht- und Nachtarbeit abschließend geregelt. Es ist nicht erkennbar, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur der Ausgleich dienstplanmäßig geleisteter [X.] geregelt und daneben ein tariflich ungeregelter Anspruch nach § 6 Abs. 5 [X.] auf Ausgleich nächtlicher Bereitschaftsdienststunden bestehen sollte.

aa) Dies zeigt der Wortlaut der Norm. § 27 [X.]-K ist allgemein überschrieben mit „[X.]“; die Norm regelt in Abs. 1 und Abs. 3 umfassend den [X.] für sämtliche Formen der Schichtarbeit und in Abs. 3.1 für „[X.]“. Nächtliche Bereitschaftsdienststunden sind [X.] iSv. § 27 Abs. 3.1 [X.]-K (vgl. zum nahezu wortgleichen § 22 Abs. 6 [X.] [X.]: [X.] 23. März 2011 - 10 [X.] - Rn. 14, [X.] [X.] § 6 Nr. 12 = EzA [X.] § 6 Nr. 8 und zu § 28 Abs. 3 [X.]/[X.]: [X.] 23. Februar 2011 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 137, 157); vor Inkrafttreten des [X.]-K idF vom 1. August 2006 waren sie nach § 27 Abs. 3.1 [X.]-K aF auszugleichen. Irgendein Vorbehalt, dass unter der Geltung von § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 der [X.] nach § 6 Abs. 5 [X.] gewährleistet sein sollte, findet sich nicht.

bb) Auch der [X.] ergibt, dass § 27 [X.]-K den [X.] für Arbeit zu ungünstigen Zeiten umfassend und abschließend regelt. Die Norm erfasst die unterschiedlichen Formen von Schicht- und Nachtarbeit und bestimmt das Verhältnis der Ausgleichsansprüche zueinander; nach § 27 Abs. 3.1 Satz 2 [X.]-K bleiben [X.], die in Zeiträumen geleistet werden, für die [X.] für Wechselschicht- oder Schichtarbeit zusteht, unberücksichtigt. Dass demgegenüber eine Anrechnung möglicher Ansprüche auf Ausgleich nächtlichen Bereitschaftsdienstes nach § 6 Abs. 5 [X.] ungeregelt blieb, spricht dafür, dass ein solcher Ausgleich nicht vorgesehen war.

cc) Dies verdeutlicht die Regelung des [X.]. Nach § 8.1 Abs. 5 Satz 2 [X.]-K werden für Bereitschaftsdienst, abgesehen von einem Feiertagszuschlag, keine weiteren Zuschläge nach § 8 [X.]-K gezahlt. Nächtlicher Bereitschaftsdienst sollte im Streitzeitraum demnach weder durch [X.] noch durch Zuschläge ausgeglichen werden.

dd) Die Tarifgeschichte bestätigt diese Auslegung. Die Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes nach § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 ist zeitgleich mit einer höheren Bewertung der während des Bereitschaftsdienstes anfallenden Arbeitsleistungen in § 8.1 [X.]-K in den Tarifvertrag aufgenommen worden; dies legt die Annahme einer tariflichen „Kompensation“ der höheren Bewertung des Bereitschaftsdienstes im Rahmen einer umfassenden und abschließenden Regelung nahe.

ee) Schließlich sprechen Praktikabilitätserwägungen für das vorstehende Tarifverständnis. Es ist fernliegend, dass neben einem tariflich exakt gestaffelten Ausgleich für dienstplanmäßige Nachtarbeit ein der Höhe nach nicht bestimmter Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 [X.] bestehen sollte, dessen Ausgestaltung grundsätzlich der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 [X.] oder vergleichbaren Vorschriften des [X.] unterliegt (vgl. [X.] 17. Januar 2012 - 1 [X.] - [X.] [X.] 1972 § 87 Nr. 127 = EzA [X.] 2001 § 87 [X.] Nr. 7) und der nach Art und Höhe des Ausgleichs zu unterschiedlichen Regelungen hätte führen können.

c) Der [X.]-K enthält auch keinen stillschweigenden Ausgleich für nächtliche Bereitschaftsdienste. Insbesondere stellt § 8.1 Abs. 1 [X.]-K keine Ausgleichsregelung iSv. § 6 Abs. 5 [X.] dar.

aa) § 8.1 [X.]-K regelt die Bezahlung der Bereitschaftsdienste. Das [X.] wird nach dem Umfang der innerhalb des Bereitschaftsdienstes zu erbringenden Arbeitsleistung (Belastungsstufen) berechnet. Dabei richtet sich die Bezahlung des Bereitschaftsdienstes grundsätzlich nach der durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes. Insgesamt sind drei Belastungsstufen gebildet.

bb) Von einer darin enthaltenen stillschweigenden tarifvertraglichen Ausgleichsregelung kann keine Rede sein. Es gibt keinerlei Umstände, die den Schluss rechtfertigen können, die Belastungen durch Nachtarbeit seien bereits bei dem tariflichen [X.] berücksichtigt. Die Tarifvertragsparteien stellen bei ihrer typisierenden Bewertung des Bereitschaftsdienstes in § 8.1 Abs. 1 [X.]-K allein auf die Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes als solche unabhängig davon ab, zu welchen Zeiten er erbracht wird. Eine Unterscheidung zwischen tagsüber und nachts geleisteten [X.] findet nicht statt. In Fällen ständiger oder nahezu ausschließlicher Nachtarbeit - etwa bei [X.] - mag die Annahme gerechtfertigt sein, ein Nachtzuschlag sei bereits bei der Höhe der tariflichen Grundvergütung berücksichtigt (vgl. [X.] 26. April 2005 - 1 [X.] - zu [X.] a bb (1) (a) (bb) der Gründe, [X.]E 114, 272; 18. Mai 2011 - 10 [X.] - Rn. 22, [X.] [X.] § 6 Nr. 11 = EzA [X.] § 6 Nr. 9 ). Derartige Verhältnisse bestehen in den vom Geltungsbereich des [X.]-K erfassten Einrichtungen, insbesondere Krankenhäusern nicht. Bereitschaftsdienste finden nicht nur nachts, sondern auch tagsüber, an Wochenenden und an Feiertagen statt.

3. Die Unwirksamkeit der Herausnahme nächtlichen Bereitschaftsdienstes aus dem Ausgleich für Nachtarbeit durch § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 führt dazu, dass der Ausgleichsanspruch sich nach § 27 Abs. 3.1 [X.]-K richtet. Bei Unwirksamkeit einer Tarifbestimmung wegen Verstoßes gegen Gesetze oder die Verfassung ist grundsätzlich nur die jeweilige Klausel unwirksam, sofern der Tarifvertrag ohne die unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dargestellt (vgl. [X.] 16. November 2011 - 4 [X.] - Rn. 27, [X.], 331; 9. Mai 2007 - 4 [X.]/06 - Rn. 37, [X.] TVG § 3 [X.] Nr. 23 = EzA GG Art. 9 Nr. 91). Der in § 27 Abs. 3.1 [X.]-K geregelte gestaffelte Ausgleich für [X.] wird von der Unwirksamkeit der Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes nicht berührt. § 27 [X.]-K ist auch ohne § 27 Abs. 3.2 [X.]-K idF vom 1. August 2006 sinnvoll und praktikabel und stellt einen angemessenen Ausgleich für Nachtarbeit einschließlich des nächtlichen Bereitschaftsdienstes dar (zu § 22 Abs. 6 [X.] [X.]: [X.] 23. März 2011 - 10 [X.] - Rn. 17, [X.] [X.] § 6 Nr. 12 = EzA [X.] § 6 Nr. 8; zu § 28 Abs. 3 [X.]/[X.]: [X.] 23. Februar 2011 - 10 [X.] - Rn. 18, [X.]E 137, 157; 15. Juli 2009 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 131, 215). Es ist keine nachträgliche Regelungslücke entstanden. Zudem ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien, hätten sie die Unwirksamkeit der Nichtberücksichtigung nächtlichen Bereitschaftsdienstes im Rahmen der tariflichen Ausgleichsregelung erkannt, es bei der [X.] bis zum 31. Juli 2006 belassen hätten.

II. Nach § 27 Abs. 3.1 [X.]-K iVm. der Protokollerklärung Nr. 2 ist der geltend gemachte Anspruch auf [X.] nach den in den Jahren 2007 und 2008 geleisteten nächtlichen Bereitschaftsdienststunden im jeweiligen Jahr entstanden. Der Kläger hat den [X.] jedoch jeweils erst im Folgejahr geltend gemacht. Die Feststellungen des [X.]s erlauben keine Entscheidung, ob der [X.] in die Folgejahre übertragen worden ist. Das Urteil des [X.]s war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

1. Gemäß § 27 Abs. 5 [X.]-K gilt für den [X.] § 26 [X.]-K mit Ausnahme von dessen Abs. 2 Buchst. b entsprechend. [X.] muss entsprechend § 26 Abs. 1 Satz 6 [X.]-K im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Im Übrigen gilt das [X.] mit den Maßgaben des § 26 Abs. 2 Buchst. a [X.]-K. Entsprechend § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 1 [X.]-K muss der [X.] „im Falle der Übertragung“ in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Die Übertragung richtet sich nach § 7 Abs. 3 [X.] ([X.]/[X.]/Kiefer/Lang/Langenbrinck [X.] Stand Oktober 2012 Ordner 2 § 26 [X.] Rn. 234 ff.). Der [X.] wird deshalb nur dann auf das nächste Kalenderjahr übertragen, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Entsprechend § 26 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 [X.]-K kommt eine Übertragung bis zum 31. Mai des folgenden Kalenderjahres in Betracht. Liegen deren Voraussetzungen vor, vollzieht sich die Übertragung kraft Gesetzes ( [X.] 9. August 1994 -  9 [X.] - zu 1 c aa der Gründe, [X.]E 77, 296). Da der Kläger seine Ansprüche erst mit Schreiben vom 24. Januar 2008 und 28. April 2009 für das jeweils vergangene Jahr geltend gemacht hat, könnten die Ansprüche am Ende des jeweiligen Kalenderjahres verfallen sein.

2. Die Anwendung des § 7 Abs. 3 [X.] auf Ansprüche auf [X.] steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. [X.] L 299 vom 18. November 2009 S. 9).

a) Ansprüche auf [X.] sind nicht Teil des durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/[X.] gewährleisteten [X.] von vier Wochen, sie werden zusätzlich zu dem Erholungsurlaub nach § 26 Abs. 1 Satz 1 [X.]-K gewährt. Die unionsrechtlichen Vorgaben betreffen den Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, Arbeitnehmern über diesen hinaus Urlaubsansprüche einzuräumen und die Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des [X.] nach nationalem Recht festzulegen ( [X.] 3. Mai 2012 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 34 ff. [X.], [X.] Richtlinie 2003/88/[X.] Nr. 8 = EzA [X.] Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 9; [X.] 22. Mai 2012 - 9 [X.] - Rn. 10, PersR 2012, 411). Auch Tarifvertragsparteien können Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/[X.] und von §§ 1, 3 Abs. 1 [X.] begründeten Anspruch auf [X.] von vier Wochen übersteigen, frei regeln ( [X.] 3. Mai 2012 - [X.]/10 - [[X.]] aaO ; [X.] 22. Mai 2012 - 9 [X.] - aaO ). Diese Befugnis schließt die Befristung des [X.] ein. Einem von Tarifvertragsparteien angeordneten Verfall tariflichen [X.] steht [X.] damit nicht entgegen ( [X.] 22. Mai 2012 - 9 [X.] - aaO ).

b) Ob Art. 12 und Art. 13 der Richtlinie 2003/88/[X.] Nachtarbeitnehmern ein unmittelbares Recht auf Freizeitausgleich gewähren will, kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, stünde eine Anwendung des § 7 Abs. 3 [X.] nicht entgegen.

aa) Die Richtlinie 2003/88/[X.] enthält keine Vorgaben hinsichtlich des Verfahrens zur Geltendmachung etwaiger durch Art. 12 und Art. 13 der Richtlinie 2003/88/[X.] gewährter Rechte. In einem solchen Fall ist es mangels einer einschlägigen unionsrechtlichen Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der aus dem [X.] erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen ( [X.] 8. Juli 2010 - [X.]/09 - [[X.]] Rn. 25 [X.], Slg. 2010, [X.]; [X.] 13. Dezember 2011 - 9  [X.]  - Rn. 26, [X.] [X.] § 7 Abgeltung Nr. 93 = EzA [X.] § 7 Abgeltung Nr. 20). Die Verfahren dürfen allerdings nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Verfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und sie dürfen die Ausübung der durch die [X.]sordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; vgl. [X.] 8. Juli 2010 - [X.]/09 - [[X.]] aaO; 18. September 2003 [X.]/01 - [[X.]] Rn. 34, Slg. 2003, I-9375 ). Die Prüfung, ob eine Ausschlussfrist die Grundsätze der Gleichwertigkeit und Effektivität wahrt, obliegt dem nationalen Gericht (vgl. [X.] 24. März 2009 - [X.]/06 - [[X.]] Rn. 34 f., Slg. 2009, I-2119).

bb) Die grundsätzlich für alle Urlaubsansprüche geltende Vorschrift des § 7 Abs. 3 [X.] genügt diesen Vorgaben. Die Geltendmachung des tariflichen [X.]s wird durch § 7 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht übermäßig erschwert oder praktisch unmöglich gemacht. Der [X.] wird gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] übertragen, wenn der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen ([X.]/[X.] 13. Aufl. § 7 [X.] Rn. 62 [X.]); er wird aber auch dann übertragen, wenn er so spät im laufenden Jahr nach Ableistung der entsprechenden [X.] entstanden ist, dass er (faktisch) nicht mehr genommen werden kann. § 26 Abs. 2 Buchst. a [X.]-K stellt ausschließlich eine Erleichterung der Geltendmachung für den Arbeitnehmer dar.

3. Das [X.] hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - keine Feststellungen zum Vorliegen eines Übertragungsgrundes iSd. § 7 Abs. 3 Satz 2 [X.] getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Dabei ist auch zu prüfen, ob nach konkludenter Vertragspraxis Urlaub unabhängig vom Vorliegen eines gesetzlichen Übertragungstatbestands in das nächste Kalenderjahr übertragen worden ist (vgl. hierzu [X.]/[X.] 5. Aufl. § 7 [X.] Rn. 79).

        

    Mikosch    

        

    [X.]    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Schürmann    

        

    Fieback    

                 

Meta

10 AZR 192/11

12.12.2012

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oberhausen, 29. Juni 2009, Az: 2 Ca 1999/08, Urteil

§ 27 Abs 3.2 TVöD-K, § 27 Abs 3.1 TVöD-K, § 6 Abs 5 ArbZG, § 8.1 TVöD-K, § 27 Abs 5 TVöD-K, § 7 Abs 3 BUrlG, Art 7 Abs 1 EGRL 88/2003, Art 12 EGRL 88/2003, Art 13 EGRL 88/2003

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2012, Az. 10 AZR 192/11 (REWIS RS 2012, 429)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 429


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 10 AZR 192/11

Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 192/11, 12.12.2012.


Az. 2 Ca 1999/08

Arbeitsgericht Oberhausen, 2 Ca 1999/08, 29.06.2009.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

10 AZR 194/11 (Bundesarbeitsgericht)


10 AZR 193/11 (Bundesarbeitsgericht)


10 AZR 752/13 (Bundesarbeitsgericht)

Zusatzurlaub für Bereitschaftsdienste in den Nachtstunden


10 AZR 661/09 (Bundesarbeitsgericht)

Anspruch auf Zusatzurlaub für Bereitschaftsdienste während der Nachtzeit - TV-Ärzte/Hessen - tarifliche Ausschlussfrist


10 AZR 579/09 (Bundesarbeitsgericht)

Zusatzurlaub für Nachtarbeitsstunden während Bereitschaftsdienst - TV-Ärzte/VKA


Referenzen
Wird zitiert von

4 Sa 557/14

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.