Bundessozialgericht, Urteil vom 26.07.2016, Az. B 4 AS 54/15 R

4. Senat | REWIS RS 2016, 7638

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Taschengeld aus Bundesfreiwilligendienst - keine zweckbestimmte Leistung - kein Erwerbseinkommen - Zusammentreffen mit geringem Erwerbseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit - Freibeträge


Leitsatz

Bei einem Zusammentreffen von geringem Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst ist es geboten, den Leistungsberechtigten neben dem Grundfreibetrag aus Erwerbstätigkeit einen weiteren Freibetrag von dem Taschengeld einzuräumen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 23. September 2015 und des [X.] vom 26. November 2014 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 450 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen nach dem [X.] für die Zeiten vom [X.] bis 31.12.2012 sowie vom 1.2. bis 30.4.2013, insbesondere um die Höhe der Anrechnung des [X.] nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz ([X.]) als Einkommen.

2

Der alleinstehende Kläger bewohnt [X.] in einer Wohngemeinschaft in [X.]. Hierfür entstanden ihm im Zeitraum vom [X.] bis 31.12.2012 Kosten in Höhe von monatlich 220,22 [X.] sowie vom 1.2. bis 30.4.2013 in Höhe von 246,61 [X.]. Der Kläger übte eine selbstständige Tätigkeit geringen Umfangs aus, aus der er vom [X.]2012 bis 30.4.2013 Einnahmen in Höhe von 420 [X.] erzielte, denen Ausgaben von 101,52 [X.] gegenüberstanden. Er leistete daneben vom 1.1.2012 bis [X.] Freiwilligendienst nach dem [X.] ([X.]) und erhielt hierfür ein monatliches Taschengeld von 225 [X.]. Am 24.10.2012 floss ihm eine Steuerrückerstattung von 669,40 [X.] zu.

3

Mit Bescheid vom 5.11.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig vom [X.] bis 31.12.2012 jeweils 257,65 [X.] monatlich sowie ab 1.1.2013 vorläufig jeweils 509,04 [X.] monatlich als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem [X.]. Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2012 gewährte der Beklagte dem Kläger vom 1.1. bis [X.] vorläufig monatlich 517,04 [X.] und ab [X.] vorläufig 517,05 [X.] monatlich. Wegen der Berücksichtigung des [X.] aus dem [X.] und ohne Vorläufigkeitsvorbehalt senkte der Beklagte die Bewilligung für Februar 2013 auf 292,04 [X.] sowie für März und April 2013 auf 292,05 [X.] monatlich ab (Änderungsbescheid vom [X.]). Durch Bescheid vom [X.] erklärte er nach Überprüfung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit die Festsetzung der Leistungen in den Bescheiden vom 5.11.2012 und [X.] für endgültig.

4

Der Kläger hatte bereits gegen den Bescheid vom 5.11.2012 Widerspruch eingelegt, weil der Freibetrag für das Taschengeld aus dem [X.] nicht in Ansatz gebracht worden sei. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Der Freibetrag von 175 bzw 200 [X.] von dem Taschengeld des Freiwilligendienstes komme nicht in Betracht.

5

Der Kläger hat dagegen beim [X.] Klage erhoben. Er hat diese aber für den Monat Januar 2013, für den keine Berücksichtigung von Taschengeld als Einkommen erfolgt ist, zurückgenommen. Das [X.] hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom [X.] bis 31.12.2012 und vom 1.2. bis 30.4.2013 weitere 600 [X.] zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil des [X.] vom 26.11.2014). Vom Einkommen des [X.] seien nach § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V im November und Dezember 2012 je 175 [X.] und ab Februar 2013 von je 200 [X.] monatlich in Abzug zu bringen. Dem stehe § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V nicht entgegen.

6

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung zum Thüringer L[X.] eingelegt. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass ein Freibetrag nur entweder vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder von dem Taschengeld zu berücksichtigen sei. Über diese Folge des Zusammentreffens von Erwerbseinkommen und Taschengeld des [X.] würden die Betroffenen belehrt. Das L[X.] hat den Tenor des [X.] dahingehend konkretisiert, dass für November/Dezember 2012 jeweils weitere 105 [X.] sowie vom 1.2. bis 30.4.2013 monatlich jeweils weitere 130 [X.] zu zahlen seien. Zwar seien die Freibeträge von 100 [X.] nach § 11b Abs 2 S 1 [X.] und von 175 [X.] bzw 200 [X.] nach § 11b Abs 2 S 1 [X.] iVm § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V nicht zu kumulieren. Allerdings sei der erhöhte Freibetrag nach § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V als Freibetragsobergrenze zu begreifen und deshalb vom Taschengeld aus dem [X.] ein Betrag von monatlich insgesamt 175 [X.] bzw 200 [X.] abzusetzen. Das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (53,08 [X.]) sei um den Grundbetrag zu bereinigen und bleibe anrechnungsfrei. Deshalb sei von dem Taschengeld noch der Differenzbetrag zwischen dem freigestellten Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und der Freibetragsobergrenze von 175 [X.] bzw 200 [X.] in Abzug zu bringen.

7

Der Beklagte hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. Bei der Leistungsberechnung sei von dem Einkommen des [X.] aus selbstständiger Tätigkeit eine Absetzung vorgenommen worden. [X.] Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit gebe es nicht. Das aus dem Freiwilligendienst erzielte Taschengeld sei nach § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V nicht weiter zu bereinigen. Dies entspreche dem Wortlaut der Regelung, die der Verordnungsgeber in seinen Folgen im Hinblick auf § 11b [X.] sehr wohl bedacht habe. Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift sei nicht angezeigt.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 23. September 2015 und das Urteil des [X.] vom 26. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die Revision des Beklagten sei unzulässig, da die Begründung nicht den "engen Vorgaben" an eine Revisionsbegründung genüge. Im Übrigen sei sie auch unbegründet, weil die Anwendung des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V zu einer verfassungsrechtlichen Ungleichbehandlung führe.

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Gemäß § 164 Abs 2 [X.] [X.]G ist die Revision fristgerecht zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen (§ 164 Abs 2 S 3 [X.]G). Diese Anforderungen sind dahingehend präzisiert worden, dass das [X.] eine Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffs durch den Prozessbevollmächtigten erkennen lassen muss. Die Begründung darf nicht nur die eigene Meinung des [X.] wiedergeben, sondern muss sich zumindest kurz mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils des [X.] auseinandersetzen (vgl nur B[X.] vom [X.] - [X.] 3-1500 § 164 [X.]; B[X.] vom 16.10.2007 - [X.]/9b [X.] 16/06 R - [X.] 4-1500 § 164 [X.] Rd[X.] 9 f; vgl auch [X.] vom 7.7.1980 - 2 BvR 310/80 - [X.] 1500 § 164 [X.] [X.]9).

Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Beklagten - entgegen der Auffassung des [X.] - gerecht. Der Beklagte hat sich mit der Rechtsauffassung des [X.] auseinandergesetzt. Er gibt insbesondere den Maßstab wieder, von dem ausgehend das [X.] die Berechnung der Leistung - auch hinsichtlich von Freibeträgen - vorgenommen hat. Obwohl er auch ausführlich seine eigene Auffassung darlegt, widerspricht er der Auslegung und Anwendung des § 11b [X.] sowie des § 1 Abs 7 [X.] und 4 [X.] II-V durch das [X.].

2. Die Revision des Beklagten ist teilweise begründet. Die Urteile des [X.] und des [X.] sind abzuändern, denn der [X.]läger hat für die Zeiten vom [X.] bis 31.12.2012 und vom 1.2. bis 30.4.2013 nur Anspruch auf Zahlung weiterer 450 [X.] als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] anstatt der vom [X.] zugesprochenen 600 [X.].

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom [X.], mit dem der Beklagte die früheren [X.] in Bezug genommen und die Leistungshöhe für den streitigen Zeitraum endgültig festgesetzt hat. Damit haben sich die Bescheide vom 5.11.2012, 24.11.2012 und [X.] erledigt (§ 39 Abs 2 [X.]B X; vgl auch B[X.] vom 10.5.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]8 Rd[X.] 13). Die vorläufigen Festsetzungen der Leistungshöhe in den Bescheiden vom 5.11.2012 und 24.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] sind deshalb nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Dabei kann der [X.] offenlassen, ob der Bescheid vom [X.] den Änderungsbescheid vom [X.] noch abändern konnte. Daran bestehen Zweifel, weil dieser Bescheid keinen Hinweis auf die Vorläufigkeit der getroffenen Regelungen enthielt. Jedenfalls ist aber die mit Bescheid vom [X.] nach neuer Sachprüfung getroffene Zweitentscheidung wie eine Ersetzung iS des § 96 Abs 1 [X.]G zu behandeln (vgl B[X.] vom 16.6.2015 - B 4 [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 27 [X.] Rd[X.] 13 mwN). Mit der Regelung ist der Beklagte auch nicht zu Lasten des [X.] von früheren endgültigen Bewilligungen abgewichen.

Der [X.]läger wird durch die Festsetzung der Leistungsbeträge in dem Bescheid vom [X.] insoweit in seinen Rechten verletzt, als er Anspruch auf Berücksichtigung eines (weiteren) Freibetrags von 75 [X.] bzw 100 [X.] pro Monat als Absetzbetrag von dem Taschengeld aus dem [X.] hat. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

Der [X.]läger erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 [X.] [X.]. Er ist leistungsberechtigt, denn er ist 1979 geboren, erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.]. Mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens ist er im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 [X.] gewesen. Ein [X.] iS des § 7 Abs 1 [X.], Abs 4, 4a oder 5 [X.] liegt nicht vor. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ihm in Höhe seiner Bedarfe nach § 19 Abs 1 und 2 [X.] zu erbringen, soweit sie nicht durch sein zu berücksichtigendes Einkommen gedeckt sind (§ 19 Abs 3 [X.] [X.]).

Der Gesamtbedarf des [X.] hat in den Monaten November und Dezember 2012 bei jeweils 594,22 [X.] sowie in den Monaten Februar bis April 2013 bei jeweils 628,61 [X.] gelegen. Er setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf (§ 20 Abs 2 [X.] [X.]) in Höhe von 374 [X.] monatlich für 2012 sowie von 382 [X.] monatlich ab Januar 2013. Daneben besteht ein Bedarf an [X.]osten für Unterkunft und Heizung, der bis 31.12.2012 monatlich 220,22 [X.] und ab 1.1.2013 monatlich 246,61 [X.] betragen hat (§ 22 Abs 1 [X.] [X.]).

Der Gesamtbedarf des [X.] ist teilweise durch dessen Einnahmen gedeckt. Zunächst ist ihm im Oktober 2012 eine Steuerrückerstattung von 669,40 [X.] zugeflossen, die als einmalige Einnahme ab dem Folgemonat des Zuflusses, also ab November 2012, für sechs Monate in Höhe von jeweils 111,57 [X.] monatlich anzurechnen ist (§ 11 Abs 3 [X.] und 3 [X.]).

Daneben sind weitere Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b [X.] abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a [X.] genannten Einnahmen zu berücksichtigen (§ 11 Abs 1 [X.] [X.]).

a) Das vom [X.]läger erzielte Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ist nicht anzurechnen, da es unter dem Grundfreibetrag von 100 [X.] monatlich liegt.

Bei der Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ist von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbstständiger Arbeit erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs 1 [X.] [X.]) tatsächlich zufließen (§ 3 Abs 1 [X.] und 2 [X.] II-V). Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im deckungsgleichen Zeitraum tatsächlich aufgewendeten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b [X.] abzusetzenden Beträge abzuziehen (§ 3 Abs 2 [X.] II-V). Von den Einnahmen aus (selbstständiger) Erwerbstätigkeit ist mindestens der Grundfreibetrag von 100 [X.] monatlich abzusetzen (§ 11b Abs 2 [X.] [X.]).

Auf den Fall des [X.] angewendet bedeutet dies, dass er im Bewilligungszeitraum von sechs Monaten Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 420 [X.] erzielte, denen Ausgaben von 101,52 [X.] gegenüberstanden (53,08 [X.] monatlich). Dieses Einkommen ist aber nicht zur Bedarfsdeckung einzusetzen, weil es den Grundfreibetrag von 100 [X.] monatlich nicht erreicht.

b) Das Taschengeld des [X.] aus dem [X.] ist als Einkommen zu berücksichtigen, denn es handelt es sich um eine Einnahme in Geld oder Geldeswert. Das Taschengeld bleibt nicht nach Maßgabe von § 11a Abs 1, 2, 4 oder 5 [X.] unberücksichtigt. Ebenso wenig ist es eine nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu erbringende Leistung, die einem bestimmten Verwendungszweck dient (§ 11a Abs 3 [X.]). Schon die Bezeichnung als "Taschengeld" des Dienstleistenden spricht für eine offene Zweckverwendung. Ein besonderer Verwendungszweck für diese Einkommensart lässt sich weder dem [X.]G noch einer anderen gesetzlichen Regelung entnehmen (Söhngen in jurisP[X.]-[X.], 4. Aufl 2015, § 11a Rd[X.]3 f, Rd[X.] 41; so auch die Vorinstanz; vgl auch [X.] Osnabrück vom 1.6.2016 - [X.]2 A[X.]84/13).

Auch der Verordnungsgeber geht in § 1 Abs 7 [X.] II-V davon aus, dass es sich bei dem Taschengeld nach dem [X.]G um anrechenbares Einkommen handelt (vgl jetzt auch Art 1 [X.] a) Doppelbuchst bb) des Entwurfs eines [X.] zur Änderung des [X.] - BT-Drucks 18/8041, [X.] "weiterhin anzurechnen"; zur Verletztenrente: [X.] <[X.]ammer> 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZ[X.]011, 895).

c) Von den Einnahmen in Höhe von 225 [X.] monatlich ist im Jahr 2012 ein (weiterer) Freibetrag von 75 [X.] monatlich sowie im [X.] ein solcher von 100 [X.] monatlich abzusetzen.

Absetzungen von Freibeträgen für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sind allerdings ausgeschlossen, denn es handelt sich bei dem [X.] nicht um eine Erwerbstätigkeit. Nach seiner Zweckrichtung ist der [X.] einem Ehrenamt jedenfalls ähnlich. Es handelt sich um eine freiwillige Betätigung von Personen für das Allgemeinwohl, insbesondere im [X.], ökologischen und kulturellen Bereich, sowie in den Bereichen des Sports, der Integration und des Zivil- und [X.]atastrophenschutzes (§ 1 [X.]G). Dagegen handelt es sich nicht um eine Beschäftigung (§ 7 Abs 1 [X.]B IV), insbesondere auch nicht in einem Arbeitsverhältnis (so zutreffend auch die Vorinstanz).

Gemäß § 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V (für 2012 anzuwenden in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung der [X.] zur Änderung der [X.]/Sozialgeld-Verordnung vom 19.12.2011, [X.]; ab 1.1.2013 anzuwenden in der Fassung des Art 10 des [X.] vom 21.3.2013, [X.]) sind deshalb bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die an einem [X.] teilnehmen, anstelle der für beschäftigte Leistungsberechtigte geltenden Beträge (§ 11b Abs 1 [X.] [X.] bis 5 [X.]) vom Taschengeld des [X.] (§ 2 [X.] 4 [X.]G) ein spezifischer Freibetrag in Höhe von 175 [X.] monatlich für 2012 und von 200 [X.] monatlich für 2013 abzusetzen. Übersteigt die Summe der Beträge, die der Dienstleistende gemäß § 11b Abs 1 [X.] [X.] bis 5 [X.] von anderen Einnahmen in Abzug bringen kann, den Betrag von 115 [X.] monatlich (für November, Dezember 2012) oder von 140 [X.] monatlich (ab Januar 2013), gilt [X.] der Vorschrift nicht. In diesen Fällen bleiben vom Taschengeld (nur) zusätzlich 60 [X.] monatlich unberücksichtigt (§ 1 Abs 7 [X.] bis 3 [X.] II-V). Die [X.] bis 3 gelten allerdings nicht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die erwerbstätig sind oder aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 [X.] 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind (§ 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung der [X.] zur Änderung der [X.]/Sozialgeld-Verordnung vom 19.12.2011; [X.]).

Die Voraussetzungen des § 1 Abs 7 [X.] Alt 2 [X.] II-V liegen nicht vor, denn der [X.]läger hatte im streitigen Zeitraum keine nach Maßgabe des § 3 [X.] 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfreien Einnahmen. Zwar ist das Taschengeld aus dem [X.] ebenfalls steuerfrei, die Steuerfreiheit beruht aber nicht auf einer der ausdrücklich genannten Bestimmungen, sondern auf § 3 [X.] 5 Buchst f EStG.

Demgegenüber liegt ein Fall des § 1 Abs 7 [X.] Alt 1 [X.] II-V vor, denn der erwerbsfähige und leistungsberechtigte [X.]läger hat eine (selbstständige) Erwerbstätigkeit ausgeübt. Nach der Rechtsfolgenanordnung des § 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V würden für ihn als erwerbstätigen Leistungsberechtigten deshalb die Regelungen der [X.] bis 3 nicht gelten. Anders ausgedrückt würde die Regelung für erwerbstätige Leistungsberechtigte bedeuten, dass die in den [X.] bis 3 genannten spezifischen Absetzungen vom Taschengeld gerade nicht vorzunehmen sind. Dies hätte zur Folge, dass das Taschengeld voll als Einkommen zu berücksichtigen wäre.

Obwohl eine solche Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift denkbar erscheint, ist bei Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck sowie aufgrund systematischer Erwägungen eine teleologische Reduktion des § 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V geboten.

§ 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V ist eine Harmonisierungsregelung, mit der bezweckt wird, sicherzustellen, dass beim Zusammentreffen von [X.] und Erwerbstätigkeit "jeweils nur die Freibeträge nach § 11b Abs 2 und 3 [X.]" zur Anwendung kommen (vgl mit Hinweis auf die Begründung des Referentenentwurfs [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 13 Rd[X.] 158 mwN, Stand Juni 2015). § 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V geht typisierend davon aus, dass dem Dienstleistenden während des Freiwilligendienstes im Wesentlichen das Taschengeld als Einkommen zur Verfügung steht. Die [X.] und 3 der Vorschrift betreffen demgegenüber die Fälle, in denen Leistungsberechtigte im [X.] weiteres Einkommen haben und von diesen bereits Absetzungen 11b Abs 2 und 3 [X.]) von mehr als 140 [X.] vornehmen konnten. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind auch Absetzungen vom Taschengeld vorzunehmen, die aber geringer ausfallen (60 [X.] monatlich). [X.] schließlich regelt die Fallgruppe, dass der Freiwilligendienst mit einer (selbstständigen) Erwerbstätigkeit zusammentrifft. In diesen Fällen sollen die [X.] bis 3 nicht gelten, sondern es soll bei der Anwendung der §§ 11a und 11b [X.] iVm § 3 [X.] II-V bleiben.

Die Regelung des [X.] verfolgt den Zweck, dass erwerbstätige Leistungsberechtigte nicht die Freibeträge nach §§ 11a und 11b [X.] mit den spezifischen Absetzungen von Taschengeld aus dem [X.] nach § 1 Abs 7 [X.] bis 3 [X.] II-V kumulieren können. Der Verordnungsgeber hat dabei typisierend angenommen, es sei für erwerbstätige Leistungsberechtigte vorteilhaft, die Freibeträge nach § 11b Abs 2 und 3 [X.] zu nutzen. Mit dieser Typisierung hat er allerdings solche Fallgestaltungen nicht bedacht, in denen erwerbstätige Leistungsberechtigte ein so geringes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, dass sie nicht einmal den Grundfreibetrag ausschöpfen können. Liegen diese Voraussetzungen - wie hier - vor, hätte die Regelung zur Folge, dass erwerbstätige Leistungsberechtigte mit geringen Einkünften weniger vom Einkommen absetzen können als diejenigen Leistungsberechtigte, die (nur) Freiwilligendienst leisten und daneben nicht erwerbstätig sind.

Um die erwerbstätigen Leistungsberechtigten nicht gleichheitswidrig zu benachteiligen, ist es deshalb geboten, die Regelungen der [X.] und 4 des § 1 Abs 7 [X.] II-V so in [X.]onkordanz zu bringen, dass diese beim Zusammentreffen eines geringen Einkommens aus Erwerbstätigkeit (bis zu 100 [X.]) ergänzend zu dem Grundfreibetrag von 100 [X.], einen (weiteren) Freibetrag auf das Taschengeld des [X.] erhalten, sodass sie insgesamt Freibeträge von bis zu 175 [X.] bzw 200 [X.] nutzen können (§ 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V).

Die gefundene Auslegung berücksichtigt durch den Verbrauch des Grundfreibetrags in Fällen mit geringem Einkommen aus Erwerbstätigkeit weiter, dass die Freibeträge nach den [X.] bis 3 des § 1 Abs 7 [X.] II-V nicht mit denen nach § 11b Abs 2 und 3 [X.] kumuliert werden dürfen. Deshalb ist es sachgerecht, in Fällen, in denen ein geringes Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt wird, von den Freibeträgen des [X.] (175 [X.] bzw 200 [X.]) den schon bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens in Abzug gebrachten Grundfreibetrag abzuziehen, sodass (nur) weitere 75 [X.] bzw 100 [X.] monatlich als Freibetrag vom Taschengeld verbleiben (vgl jetzt auch Art 1 [X.] 10 Buchst b) Doppelbuchst [X.]) des Entwurfs eines [X.] zur Änderung des [X.] - BT-Drucks 18/8041, [X.], 36).

Dies entspricht auch der Wertung in der Entscheidung des 14. [X.]s des B[X.] (vom 28.10.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 11b [X.] 6 Rd[X.] 15 f), der entschieden hat, dass § 11b Abs 2 S 3 [X.] idF bis 31.12.2012 einen Mindestfreibetrag im Sinne einer Obergrenze für den Fall bestimmt, dass Einkommen aus Erwerbstätigkeit und aus privilegierter ehrenamtlicher Tätigkeit zusammentrifft. Eine [X.]umulation beider Freibeträge ist dort ebenfalls abgelehnt worden.

Die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V führt zu einer Angleichung der Freibetragsgrenzen der Personen, die nur Freiwilligendienst leisten, mit denjenigen, die neben dem Freiwilligendienst noch geringe Einkünfte aus Erwerbstätigkeit haben. Sie entspricht damit der Intention des § 2 Abs 3, § 11b Abs 2 und 3 [X.], denn danach sollen die Leistungsberechtigten sich bietende Arbeitsgelegenheiten nutzen. Wenn sie diese nutzen, sollen sie leistungsrechtlich nicht schlechter stehen als ohne die entsprechende Betätigung. Auf diese Weise wird ein Anreiz zur Teilnahme am [X.] durch Leistungsempfänger gesetzt, die gesellschaftlich gewünscht ist. Zugleich sollen damit einhergehende, mögliche Verbesserungen der Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt anerkannt werden.

Allerdings kann aufgrund der Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers eine vollständige Angleichung nicht erreicht werden. Denn in [X.]onstellationen wie der vorliegenden kann der Anteil des Grundfreibetrags, der durch Einnahmen aus Erwerbstätigkeit nicht verbraucht wird (hier [X.] die Differenz zwischen 53,08 [X.] und 100 [X.]), nicht auf andere Einkommensarten übertragen werden. Entsprechendes hat der [X.] bereits für das Zusammentreffen von Erwerbseinkommen und [X.]indergeld entschieden (B[X.] vom 5.6.2014 - B 4 A[X.]9/13 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] 66 = NZ[X.]014, 791). Ist der Grundfreibetrag bei der Berechnung des Erwerbseinkommens in Abzug gebracht, aber nicht voll ausgeschöpft worden, ist eine Verteilung des verbleibenden Rests der Pauschale auf eine andere Einkommensart (dort: [X.]indergeld) nicht zulässig (B[X.], aaO, Rd[X.]2 f). Dieser Grundsatz steht auch einer Übertragung eines restlichen Grundfreibetrags auf das Taschengeld nach dem [X.]G, das kein Erwerbseinkommen ist, entgegen.

d) Der [X.]läger hat in dem streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf Zahlung weiterer 450 [X.] als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.].

Von dem zu berücksichtigenden Taschengeld in Höhe von 225 [X.] pro Monat sind bei einer Freibetragsgrenze von 175 [X.] im Jahr 2012 weitere 75 [X.] für zwei Monate von der Anrechnung als Einkommen freizustellen; der weitergehende Freibetrag des § 1 Abs 7 [X.] [X.] II-V ist durch die Berücksichtigung des Grundfreibetrags verbraucht. Für die streitigen drei Monate des [X.] sind von den 225 [X.] Taschengeld monatlich weitere 100 [X.] von der Anrechnung freizustellen. Auch hier ist der Absetzbetrag von 200 [X.] monatlich ist in Höhe von 100 [X.] monatlich durch den Grundfreibetrag verbraucht, sodass ergänzend nur noch weitere 100 [X.] abzusetzen sind. Im Ergebnis hat der [X.]läger Anspruch auf Zahlung von weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] in Höhe von 450 [X.].

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 [X.]G.

Meta

B 4 AS 54/15 R

26.07.2016

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Gotha, 26. November 2014, Az: S 26 AS 443/13, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 11a Abs 3 S 1 SGB 2, § 11b Abs 2 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 11b Abs 3 SGB 2, § 1 BFDG, § 2 Nr 4 BFDG, § 1 Abs 7 S 1 AlgIIV 2008 vom 21.03.2013, § 1 Abs 7 S 1 AlgIIV 2008 vom 19.12.2011, § 1 Abs 7 S 4 AlgIIV 2008 vom 19.12.2011, § 3 Abs 1 S 1 AlgIIV 2008, § 3 Abs 1 S 2 AlgIIV 2008, § 3 Abs 2 AlgIIV 2008, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.07.2016, Az. B 4 AS 54/15 R (REWIS RS 2016, 7638)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7638

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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